Tumortherapeutika, antineoplastische

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Antineoplastische Tumortherapeutika; Oncologica; Onkologika; Tumortherapie

Definition

Antineoplastische Tumortherapeutika sind Substanzen die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen. Grundsätzlich wird unterschieden werden:

Konventionelle Zytostatika (unspezifisch/unselektiv und damit zytotoxisch auf proliferierende, somit auf Tumorzellen aber auch auf gesunde Zellen wirkende Chemotherapeutika) 

Tumortherapeutika, die sich gezielt gegen tumorspezifische Eigenschaften richten:

Einteilung

Antimetabolite

Alkylierende Zytostatika

Topoisomerase-Hemmer

Mitosehemmer

Zytostatisch wirksame Antibiotika

Sonstige Zytostatika

Tumortherapeutika, die sich gezielt gegen tumorspezifische Eigenschaften (z.B. Rezeptoren) richten:

  • Monoklonale Antikörper
    • Bevacizumab (VEGF-Antikörper)
    • Cetuximab (Antikörper gegen humane epidermale Wachstumsfaktoren, HER1-4 )
    • Trastuzumab (Antikörper gegen humane epidermale Wachstumsfaktoren, HER1-4 )
    • Pertuzumab (Antikörper gegen humane epidermale Wachstumsfaktoren, HER1-4 )
    • Panitumumab (Antikörper gegen humane epidermale Wachstumsfaktoren, HER1-4 )
    • Alemtuzumab (CD52-Antikörper)
    • Rituximab (CD20-Antikörper)
      20Y-Ibritumomab-Tiuxetan (CD20-Antikörper der mit dem Betastrahler 20Y gekoppelt ist) 
    • Catamaxomab (Antikörper gegen EpCAM, CD3 und Fc-Rezeptoren)
    • Brentuximab Vedotin (CD30 Antikörper, der mit dem zytostatischen Spindelgift Monomethyl-Auristatin gekoppelt ist)
    • Nivolumab (Checkpoint-Inhibitor der an den Immun-Chekcpoint-Rezetpor PD-1 (programmed cell death protein) bindet
  • Tyrosinkinase-Inhibitoren vom Typ der “small molecule immuno-oncology agents” (Kinasehemmer der Rezeptoren von BCR- ABL, PDGFR, VEGFR, c-Kit, EGFR

Hormone und Hormon-Antagonisten

Substanzen mit antiöstrogener Wirkung (Mammakarzinom)

Östrogenrezeptor-Antagonisten

Aromatase-Hemmstoffe

Substanzen mit antiandrogener Wirkung (Prostatakarzinom)

Adrogenrezeptor-Antagonisten (1.und 2.Generation)

Androgenbiosynthese-Hemmer

Gonadorelinrezeptor-Agonisten (Gondorelin = Gonadotropin-Releasing-Hormon)

Gonadorelinrezeptor-Antagonisten (Gondorelin = Gonadotropin-Releasing-Hormon)

 

Pharmakodynamik (Wirkung)

Der Zellzyklus läuft bei der Tumorzelle stets nach dem gleichen Muster ab. Er besteht aus

  • Mitose (Kern-bzw. Zellteilung)
  • Interphase (G1-S-G2-Phase
  • Ruhephase (G0-Phase).

Auch Tumorzellen können aus der G1- in die G0-Phase (Ruhephase) übertreten und nach Anregung durch Wachstumsfaktoren wieder zurück in die G1-Phase gelangen. Tumorzellen sind in der G0-Phase gegen die meisten Zytostatika wenig empfindlich.

Der Zellzyklus wird an Kontrollpunkten (sog. Check-points) beim Übergang von der G1-Phase zur S-Phase sowie von der G2-Phase zur M-Phase auf Fehler überprüft. Werden am Ende der G1-Phase DNA-Schäden erkannt, so kommt es entweder zur DNA-Reparatur oder bei irreparablen Schäden zur Apoptose. Die Steuerung der Check-points erfolgt durch Zykline und zyklinabhängige Kinasen (CDK), die durch Protoonkogene bzw. deren Produkte aktiviert werden. Protoonkogene sind Gene normaler Zellen, die für Proteine kodieren, die am Zellwachstum beteiligt sind (wachstumsfördernd). Hierzu gehören:

  • Wachstumsfaktoren z.B. EGF, VEGF
  • Wachstumsfaktor-Rezeptoren z.B. EGFR, VEGR, IGFR
  • Kinasen, die an der Signaltransduktion beteiligt sind, z.B. RAF (Serin-Threonin-Kinase) oder mTOR
  • DNA-Bindungsproteine, z.B. MYC, FOS, MYB

Weiterhin spielen bei den Check-points neben den Protoonkogenen auch Tumorsuppressorgene (kodieren für wachstumshemmende Proteine) eine wichtige Rolle, so das Produkt des Tumorsuppressorgens p53. Das p53-Protein ist ein Transkriptionsfaktor der eine Arretierung des Zellzyklus oder eine gezielte Apoptose initiiert (Apoptose-Gen).

Tumorgenese: Hierbei gilt ganz allgemein, dass die Kontrollmechanismen an den Checkpoints nicht mehr funktionieren, sodass das Gleichgewicht zwischen Zellwachstum und Zelltod  zugunsten des Zellwachstums verschoben ist. Durch Mutationen von Protoonkogenen entstehen Onkogene, die das Wachstum der Zellen ungehemmt stimulieren. Treten zusätzlich Mutationen in den Tumorsuppressorgenen auf  (häufig mutiertes p53), dann kommt es in den nächsten Zellzyklen zu weiteren Kopierfehlern. Der Zellzyklus wird auf Grund der fehlenden Kontrollmechanismen an den Check-points nicht mehr angehalten. Die Tumorzellen wachsen ungehindert.

Anwendungsgebiet/Verwendung

Therapieansätze bei unkontrolliertem Zellwachstum:

Zytostatika: Diese wirken praktisch ausschließlich auf proliferierende Zellen. Sie wirken damit besonders gut auf Zellen mit einer hohen Wachstumsfaktion und einer kurzen Verdopplungsphase (z.B. Tumorzellen bei der akuten lymphatischen Leukämie des Kindes, hierbei sind gute Heilungschancen gegeben).

Phasenspezifische Zytostatika: diese wirken nur in bestimmten Zellzyklusphasen. Antimetabolite in der S-Phase; Mitosehemmstoffe in der M-Phase.

Phasenunspezifische Zytostatika: diese wirken in allen Phasen des Zellzyklus. Zu dieser Gruppe gehören die meisten alkylierenden Zytostatika.

Kombination von Zytostatika: Durch Kombination mehrerer Zytostatika kann ihre Wirkung verstärkt werden. Die Zellen werden in unterschiedlichen Zyklusphasen angegriffen. Resistenzentwickungen können reduziert werden.

Zielgerichtete Tumortherapeutika: Angriffspunkte dieser Therapeutika sind biolgoische Besonderheiten der Tumorzellen, wie z.B. die Überexpression membranständiger Rezeptoren (z.B. HER-2 beim Mammakarzinom). Ihre Wirkung erfolgt unabhängig vom Zellzyklus.       

Resistenzen gegen Tumortherapeutika: Sie entsteht in der Regel durch Mutation und die anschließende therapiebedingte Selektion der Tumorzellen mit Überlebensvorteil. Für die Resistenzentwicklung gibt es unterschiedliche Mechanismen:

  • Verminderte Aufnahme des Therapeutikums in die Zelle (z.B. durch verminderte Expression des Folattransporters bei Methotrexat)
  • Erhöhte DNA-Reparatur der Zytostatika-induzierten Schäden
  • Überexpression von Zielproteinen für Zytostatika: z.B. Dihydrofolat-Reduktase bei Methotrexat
  • Erhöhte Inaktivierung des Zytostatikums
  • Hemmung der Apoptose durch Überexpression von antiapoptotischen Proteinen
  • Massiv erhöhter Auswärtstransport des Zytostatikums aus der Zelle durch Überexpression von ABC-Transportern (z.B. P-Glykoprotein transportiert Anthrazykline aus der Zelle heraus).  

Unerwünschte Wirkungen

Obwohl heutzutage komplexe Begleitbehandlungen zu den Zytostatika eingesetzt werden, muss noch immer ein Teil der Therapien dosisreduziert, unterbrochen oder gar abgebrochen werden. Die WHO-Einteilung der Nebenwirkungen in Schweregrade richtet sich nach den Maßnahmen, die im Einzelfall getroffen wurden:

  • Grad 0: keine Nebenwirkungen
  • Grad 1: geringe Nebenwirkungen
  • Grad 2: Allgemeinbefinden verschlechtert, Chemotherapeutika müssen vermindert werden
  • Grad 3: Unterbrechung der Chemotherapie notwendig
  • Grad 4: stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich
  • Grad 5: Tod durch Chemotherapie

Der als Nebenwirkung häufig auftretende Symptomkomplex der subjektiven Ermüdung einiger mit Zytostatika behandelter Patienten, ausgelöst durch oben genannte Veränderungen des Blutbildes, wird als Fatigue bezeichnet.

Literatur
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  1. Graefe KH et al. Maligne Tumoren, Grundlagen. In: Graefe KH et al. (Eds) Pharmakologie und Toxikologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart S. 655-682
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Autoren

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