Capecitabin

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

CAS-Nummer 154361-50-9 CAS-Nummer 154361-50-9 CAS-Nummer: 154361-50-9

Definition

Capecitabin, ein oral wirksames, sog. Pyrimidinanalogum, eine heterocyclische organische Verbindung mit der Summenformel C15H22FN3O6, die als Vorstufe (Prodrug) von 5-Fluorouracil aufzufassen ist. Capecitabin wird im Tumor in die aktive Substanz umgewandelt. Capecitabin wird in der Leber zu 5'-Desoxy-5-fluorcytidin hydrolysiert. Dieses wird in Zellen zu 5'-Desoxy-5-fluoruridin (Doxifluridin) metabolisiert und weiter zum Wirkstoff 5-Fluoruracil (5-FU) konvertiert wird. Die Wirksamkeit von Capecitabin ist deshalb mit 5-FU vergleichbar. Die Umwandlung zu 5-FU erfolgt durch das Enzym Thymidinphosphorylase, das in besonders hoher Konzentration im Tumorgewebe auftritt. 

Pyrimidinanaloga gehören zu der großen Gruppe der nicht-selektiven zytotoxischen Chemotherapeutika. Darunter versteht man Substanzen aus verschiedenen Wirkstoffklassen, die eine antineoplastische Wirkung besitzen. Im engeren Sinne versteht man unter dem Begriff "Zytostatika" die konventionellen unselektiven Zytostatika, die mit einem breiten Spektrum unselektiv das Wachstum proliferierender Zellen, also Tumorzellen aber auch das von gesunden Zellen mit einer hohen Proliferationsrate hemmen (s. Nebenwirkungen,  s.a. antineoplastische Tumortherapeutika).

Pharmakodynamik (Wirkung)

Die Wirkung von Capecitabin ist vergleichbar die des 5-Fluorouracils. Ebenso die Effekte auf das Tumorparenchym. Nach Metabolisierung des Prodrugs in der Tumorzelle zu 5-FU wird dieses als falscher Baustein (Antimetabolit) aufgrund der Strukturähnlichkeit mit den Pyrimidinbasen Cytosin und Thymin (DNA-Nukleotide) beziehungsweise Uracil (RNA-Nukleotid) in die RNA bzw. DNA eingebaut. Im Einzelnen wandelt das Enzym UMP-Pyrophosphorylase  5-Fluoruracil in 5-Fluor-UMP um. 5-Fluor-UMP wird  weiter zu 5-Fluor-UTP phosphoryliert und dann in die RNA eingebaut wird. Dieses bewirkt die Synthese einer fehlerhaften RNA. Die Protein-Biosynthese wird gehemmt. Weiterhin hemmt 5-Fluor-dUMP auch die Thymidylat-Synthase. Diese Mechanismen führen zu einer Störung der DNA-Synthese und letztlich zu einer Inhibition der Zellteilung.

Capecitabin  wird wie 5-Fluorouracil über das Enzym Dihydropyrimidindehydrogenase abgebaut. Deshalb darf es nicht gleichzeitig mit den Nukleosid-Analoga Brivudin und Sorivudin eingenommen werden. Dies könnte zu einer Erhöhung der Plasmakonzentration von Fluorouracil und damit einhergehende Zunahme der Toxizität führen

Indikation

  • metastasiertems Dickdarmlarzinom
  • metastasiertes oder lokal fortgeschrittenes Mammakarzinom
  • weiterhin zur palliativen Therapie des Magenkarzinoms
  • in klinischen Studien wird die Effizienz bei anderen soliden Karzinomen erprobt, so beim Pankreaskarzinom (Siddiqui NS et al. 2019.)

Schwangerschaft/Stillzeit

Capecitabin kann wie 5-Fluorouracil erbgutschädigend wirken und darf während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Chemotherapie und bis zu 6 Monaten danach für eine wirksame Empfängnisverhütung sorgen.

5-Fluorouracil kann erbgutschädigend wirken. Männern, die mit 5-Fluorouracil behandelt werden, wird daher empfohlen, während der Behandlung sowie bis zu 6 Monaten danach kein Kind zu zeugen.

Während der Behandlung darf nicht gestillt werden.

Unerwünschte Wirkungen

Blut und blutbildendes System:

  • Eine Myelosuppression tritt häufig auf und ist eine der dosislimitierenden Nebenwirkungen
  • Neutropenien und Thrombozytopenien leichten bis schwersten Grades, Agranulozytose, Anämie und Panzytopenie wurden beschrieben.
  • Das Ausmaß (NCI-Grad I-IV) der Myelosuppression ist abhängig von der Applikationsart (i.v.-Bolusinjektion oder i.v.-Dauerinfusion) und der Dosierung. Eine Neutropenie tritt nach jedem Behandlungskurs mit i.v.-Bolusinjektionen bei adäquater Dosierung auf (Nadir: 9. – 14. – 20. Behandlungstag.

Oro-gastrointestinale UAW (häufig):

  • Mukositis (Stomatitis, Ösophagitis, Proktitis), wässrige Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen leichten bis schwersten Grades und steinlose Cholezystitis wurden beschrieben. Bemerkung: die Mukositis kann deutlich gemildert werden durch reglmäßige Mundspülungen (Magic Mouthwash- Kirk LM et al. 2017)
  • Der Schweregrad (NCI-Grad I-IV) gastrointestinaler Nebenwirkungen ist abhängig von der Dosierung und der Applikationsart. Bei i.v.-Dauerinfusion erweist sich eher die Stomatitis als die Myelosuppression als dosislimitierend.
  • Dehydratation, Sepsis sowie Ulzerationen und Blutungen im Magen-Darm-Bereich werden selten beobachtet.
  • Selten sind Leberzellschädigungen, in Einzelfällen Lebernekrosen mit letalem Verlauf.

Immunologische UAW:

  • Anaphylaktische Reaktionen: Generalisierte allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock können auftreten.

Kardiovaskuläre UAW:

  • Kardiotoxische Nebenwirkungen treten meist während oder wenigen Stunden nach dem ersten Anwendungszyklus auf. Im EKG zeigen sich häufig ischämietypische Veränderungen. Angina pectoris-ähnliche Brustschmerzen treten gelegentlich auf. Seltener wurden Rhythmusstörungen, Myokardinfarkt, Myokarditis, Herzinsuffizienz, dilative Kardiomyopathie und kardiogener Schock sowie in Einzelfällen Herzstillstand und plötzlicher Herztod beobachtet. Für Patienten mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit oder Kardiomyopathie besteht ein erhöhtes Risiko, kardiotoxische Nebenwirkungen zu entwickeln.
  • Selten ist das Auftreten von Thrombophlebitiden

Nervensystem und Sinnesorgane:

  • Nystagmus, Kopfschmerzen, Schwindel
  • Parkinson-Symptome, Pyramidenbahnzeichen
  • euphorische Zustände sind möglich
  • In Einzelfällen können nach Infusion hoher 5-Fluorouracil-Dosen bzw. bei Patienten mit Dihydropyrimidindehydrogenase-Mangel (Leuko-) Enzephalopathien mit Symptomen wie Ataxie, Sprachstörungen, Verwirrtheit, Orientierungsstörungen, Muskelschwäche, Aphasie, Krampfanfälle oder Koma auftreten.

Ophthalmologische UAW:

  • Übermäßiger Tränenfluß, verschwommenes Sehen, Störungen der Augenmotilität, Optikusneuritis,
  • Diplopie, Visusminderung, Photophobie, Konjunktivitis, Blepharitis, narbenbedingtes
  • Ektropium und Fibrosen des Tränenkanals können selten auftreten.

Haut- und Hautanhangsgebilde:

  • Das sogenannte ,,Hand-Fuß-Syndrom‘‘ (hand-foot-syndrome) mit Dysästhesien sowie Rötung, Schwellung, Schmerzen und Abschuppung der Haut an Handflächen und Fußsohlen tritt deutlich häufiger auf als bei Applikation von 5-FU (Lou Y et al. 2016). Weiterhin kann es unter der Therapie mit Capecitabin (sehr selten) zu anderen schweren Hautreaktionen kommen wie:

 

Kontraindikation

Capecitabin darf nicht angewendet werden:

  • bei Überempfindlichkeit gegen 5-Fluorouracil oder einen der sonstigen Bestandteile
  • bei Knochenmarkdepression
  • bei schweren Blutbildveränderungen
  • bei schweren Leberfunktionsstörungen
  • bei akuten Infektionen
  • bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand

Capecitabin darf nicht zusammen mit Brivudin, Sorivudin und Analoga eingenommen bzw. angewendet werden. Brivudin, Sorivudin und Analoga sind potente Hemmstoffe des 5-FU-abbauenden Enzyms Dihydropyrimidindehydrogenase (DPD)

Präparate

Xeloda®

Hinweis(e)

Cave: Patienten mit partiellem oder vollständigem Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Mangel (DPD-Mangel) haben bei der Behandlung mit Fluoropyrimidinen darunter 5-Fluorouracil (5-FU) und seine Prodrugs Capecitabin und Tegafur ein erhöhtes Risiko für eine schwere Toxizität. Folgende Hinweise sind deshalb zu beachten: Vor Beginn der Behandlung mit Fluoropyrimidinen sollte der Phänotyp und/oder Genotyp bestimmt werden.

Die Behandlung mit 5-FU-, Capecitabin- oder Tegafur-haltigen Arzneimitteln ist bei Patienten mit bekanntem vollständigem DPD-Mangel kontraindiziert.

Bei Patienten mit identifiziertem partiellem DPD-Mangel ist eine reduzierte Anfangsdosis in Betracht zu ziehen.

Bei Patienten, die kontinuierliche 5-Fluorouracil-Infusionen erhalten, kann die therapeutische Arzneimittelüberwachung (Therapeutic Drug Monitoring, TDM) von 5-Fluorouracil die klinischen Ergebnisse verbessern.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Diasio RB et al. (1989) Clinical pharmacology of 5-fluorouracil. Clin Pharmacokinet 16:215-237.
  2. Freeman NJ et al. (1088) 5-Fluorouracil-associated cardiotoxicity. Cancer 61:36-45.
  3. Kirk LM et al. (2017) Beyond-use dating of lidocaine alone and in two "magic mouthwash" preparations. Am J Health Syst Pharm 74:e202-e210.
  4. Lemaitre F et al. (2018) Suivi thérapeutique pharmacologique du 5-fluorouracile : mise au point et recommandations du groupe STP-PT de la SFPT et du GPCO-Unicancer [5-fluorouracil therapeutic drug monitoring: Update and recommendations of the STP-PT group of the SFPT and the GPCO-Unicancer]. Bull Cancer 105:790-803
  5. Lou Y et al. (2016) Possible Pathways of Capecitabine-Induced Hand-Foot Syndrome. Chem Res Toxicol 29:1591-1601.
  6. Primrose JN et al. (2019) BILCAP study group. Capecitabine compared with observation in resected biliary tract cancer (BILCAP): a randomised, controlled, multicentre, phase 3 study. Lancet Oncol 20:663-673.
  7. Siddiqui NS et al. (2019) Capecitabine for the treatment of pancreatic cancer. Expert Opin Pharmacother 20:399-409.
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