Synonym(e)
Definition
Zu der Lyme-Borreliose gehörende, erste und häufigste, lokalisierte Frühmanifestation der Haut in der Umgebung der Stichstelle der Zecke mit kreisrundem (scheibenförmig) oder ovalem, langsam zentrifugal wachsendem Erythem. Hervorgerufen wird die Infektion durch Borrelia burgdorferi. Typischerweise tritt das Erythema migrans 10-30 Tage nach der Infektion in Erscheinung. Das Erythema migrans kann sehr diskret verlaufen, so dass es nicht oder erst sehr spät beachtet wird (nur etwa die Hälfte der Patienten mit Spätmanifestation einer Lyme-Borreliose erinnert sich an ein klinisches Frühstadium!). In 5-10% der Fälle treten multiple Erythemata migrantia auf (bei Kindern > als bei Erwachsenen). Hinweis: Definitionsgemäß wird das Erythema migrans dann als Erythema chronicum migrans bezeichnet wenn es länger als 6 Monate persistiert.
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Manifestation
Das Alter der Erstmanifestation ist von dem Zeitpunkt der Infektion abhängig. Insofern gibt es keine krankheitsspezifischen Erstmanifestationen.
Üblicherweise: 5-15 Jahre, 40-80 Jahre.
Eine Geschlechtsbevorzugung liegt nicht vor.
Klinisches Bild
Nach einer Inkubationszeit von 10-30 Tagen nach Zeckenbiss entwickelt sich bei 60-90% der Infizierten ausgehend von einem zentralen, geröteten Fleck oder einer rötlichen Papel, ein rundlich-ovales, scharf berandetes, zentral abblassendes, blassrotes oder auch lividrotes Erythem, das sich langsam zentrifugal ausdehnt. Bei längerer Bestandsdauer entsteht durch zentrale Abblassung eine ringartige Struktur, die häufig noch eine zentrale Stichreaktion in Form einer roten Papel erkennen läßt. Die klinische Variabilität ist groß, sodass auch urtikarielle oder hochrote bzw. stationäre Erytheme oder Plaques in Erscheinung treten können.
Selten werden vesikulöse Verlaufsformen beobachtet.
Meist erfolgt spontane Abheilung nach durchschnittlich 10 Wochen, längere Persistenz und Lokalrezidive sind möglich. Evtl. begleitende Lymphknotenschwellung, Arthralgien, Kopfschmerzen und grippeartige Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens.
Das Erythema chronicum migrans kann mit einer Lymphadenosis cutis benigna (Lymphozytom) vergesellschaftet sein, v.a. bei Beteiligung der Ohrläppchen, Mamillen, Skrotalregion.
Im Kindesalter zeigt das Erythema chronicum migrans einige klinische Besonderheiten: z.B. Manifestationen v.a. im Kopf-Halsbereich. Im Gesicht können uncharakteristische, flüchtige Erytheme auftreten.
Multilokuläres Erythema migrans: Multiples Auftreten des Erythema migrans wurde in einer größeren italienischen Studie bei 10% der Fälle beobachtet und gilt als Zeichen einer disseminierten Frühinfektion der Lyme-Borreliose.
Typisches Erythema migrans:
- Bißstelle im Zentrum sichtbar
- Befund randbetont, nicht erhaben
- Durchmesser des Erythems >5 cm
Atypisches Erythema migrans:
- Homogene, nicht randbetonte Befunde
- Fehlende Ausbreitungstendenz
- Zeckeneinstichstelle nicht sichtbar
- Zentrale rote Papel nicht sichtbar
- Erhabener Rand
- Inhomogene fleckige Befunde
- Zentral vesikulöses Erythem
- Hämorrhagisches Erythem
Labor
Eine serologische Untersuchung und gegebenenfalls Erreger-Direktnachweis sollten nur bei begründetem klinischem Verdacht erfolgen.
Antikörper lassen sich in den ersten 2 Wochen nach Infektion bei 50%, nach > 4 Wochen bei 80% der Patienten nachweisen. Die Richtlinien der mikrobiologischen Qualitätsstandards (MiQ = Akronym für "Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik") empfehlen, mit einem sensitiven ELISA getrennte IgG- und IgM-Antikörper nachzuweisen und bei Positivität eine Analyse mit einem spezifischen Immunoblot vorzunehmen.
Einige möglichen Fallstricke und Fehlinterpretationen sollten beachtet werden. So schließen fehlende IgM-Antikörper eine akute Infektion nicht aus. Andererseits können IgM-Antikörper aber auch nach behandelter Borreliose über Monate bis Jahre persistieren. Eine serologische Kontrolle nach Therapie lässt keine Aussage über den Therapieerfolg zu, serologische Verlaufskontrollen seien daher nicht sinnvoll. Wird die Initialdiagnostik frühzeitig bei noch negativen Parametern durchgeführt, aufgrund der typischen klinischen Symptome aber weiterhin der Verdacht auf eine Lyme-Borreliose besteht, ist eine Wiederholung der Serologie nach drei bis vier Wochen sinnvoll.
Cave: Der Nachweis von IgM-Antiköpern ohne typische klinische Symptome stellt keine Indikation für eine Therapie dar.
Histologie
Differentialdiagnose
- Insektenstichreaktion: Hypererge Insektenstichreaktionen (s.u. Insektenstich) werden wenige Stunden nach dem Stichereignis beobachtet. Ein "freies Intervall" wie für die Frühform der kutanen Lyme-Borreliose existiert nicht.
- Tinea corporis: Charakteristisch sind randständig schuppende gerötete Plaques, meist verbunden mit Juckreiz. Selten solitär. Mykologischer (nativ und kulturell) Nachweis bei unbehandelten Herden möglich.
- Erysipel: Beginn mit einem asymmetrischen, meist von einer kleinen Verletzung ausgehenden, feuerroten, schmerzhaften, scharf begrenzten Erythem oder Plaque. Fieber und Schüttelfrost können vorausgehen oder den Prozess begleiten.
- Arzneimittelreaktion, fixe: "Plötzlich vorhandene" solitäre oder auf wenige Herde beschränkte, 2,0-5,0 cm große (seltener größere), runde oder ovale, hochentzündliche, zunächst sattrote, später blau- bis braunrote, nach Abheilung braune (postinflammatorische Hyperpigmentierung), scharf begrenzte, sukkulente, juckende oder auch leicht schmerzende Flecken oder Plaques. Akuität des Geschehens spricht gegen ein Erythema chronicum migrans, das chronisch schleichend verläuft.
- Erythema anulare centrifugum: Selten solitär, meist multiple, anuläre, teils auch polyzyklisch konfigurierte, langsam zentrifugal wachsende, typischerweise oberflächenglatte, wenig oder gar nicht juckende Plaques. Nahezu pathognomonisch ist der Tastbefund: Beim Streichen vom Zentrum zur Peripherie eines Herdes fühlt sich der Randwall wie ein "nasser Wollfaden unter der Haut an". Histologie ist häufig charakteristisch.
- Bei multiplen Erythema chronica migrantia s.u. Lyme-Borreliose.
- Erythema infectiosum: Bei Gesichtsbefall und multiplen Läsionen sollte eine Parvo-B-19-Infektion (Serologie, Akuität der Erscheinungen, Fieber) ausgeschlossen werden.
- Erysipeloid: Bakterielle Zoonose ausschließlich auf Kontaktpersonen begrenzt (Fischer, Fleischer, Hausfrauen). V.a. an den Händen auftretend. Geringe klinische Symptomatik.
Therapie
S.u. Lyme-Borreliose.
Verlauf/Prognose
Günstig; bei ausreichender antibiotischer Therapie komplett ausheilbar.
In einer über 15 Jahre währenden Nachbeobachtungszeit (Weitzner 2015) bei ausreichend behandeltem Erythema migrans konnten in etwa 5% der Fälle ein sog. PTLDS (post-treatment Lyme disease symptom) diagnostiziert werden. Dieses manifestiert sich in unspezifischen Symptomen wie: Gelenk und Muskelschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen. Die Entität des PDLDS ist umstritten.
Hinweis(e)
Mit dem Erythema migrans treten v.a. bei Kindern bei etwa 30% der Infizierten grippeartige Allgemeinsymptome auf.
Der Nachweis spezifischer Antikörper kann sehr verzögert (mehr als 12-16 Wochen nach dem Stichereignis) auftreten, sodass bei negativer Serologie die Diagnose klinisch gestellt werden sollte.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Afzelius A (1910) Verhandlungen der Dermatologischen Gesellschaft zu Stockholm, 28 Oct. 1909. Arch of Dermatol Syphil 101: 404
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- Hofmann H (2012) Variabilität der kutanen Lyme-Borreliose. Hautarzt 63: 381-389
- Steere AC et al. (2003) The presenting manifestations of Lyme disease and the outcomes of treatment. N Engl J Med 348: 2472-2474
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- Weitzner E et al. (20159 Long-term Assessment of Post-Treatment Symptoms in Patients With Culture-Confirmed Early Lyme Disease. Clin Infect Dis 61:1800-1806.
Verweisende Artikel (14)
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