Lichen planus (Übersicht) L43.-

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Julian Baur

Co-Autor: Dr. med. Pavel Grünwald

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Zuletzt aktualisiert am: 03.09.2024

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Synonym(e)

Knötchenflechte; LIchen ruber; Lichen ruber planus

Erstbeschreiber

Ferdinand v. Hebra 1860; Ernest Pierre Antoine Bazin 1862; Erasmus Wilson, 1869

S.a. Newsletter "Lichen ruber"

Definition

Nicht kontagiöse, akut, subakut bis chronisch verlaufende, ausgeprägt juckende, selbstlimitierte (Erkrankungsdauer zwischen 1 Monat und 10 Jahren), (autoimmunologische) inflammatorische Erkrankung der Haut- und/oder Schleimhäute ungeklärter Ätiologie, mit typischer klinischer (wie poliert glänzende Papeln) und histologischer Morphe (Zerstörung basaler Keratinozyten durch zytotoxische T-Zellen, lichenoide Inflammation) und einem charakteristischem, häufig beugeseitig betontem Verteilungsmuster.

Der Lichen ruber (planus) ist durch eine charakteristische "lichenoide Gewebereaktion" gekennzeichnet, die auch bei anderen inflammatorischen  Prozessen der Haut z.B. bei lichenoiden Arzneimittelreaktionen, bei einer "Graft-versus-Host Reaktion" beim initialen Lichen sclerosus, beim Lupus erythematodes, beim Erythema dyschromicum perstans oder auch bei aktinischen Keratosen das histologische Bild prägen kann und somit zwar charakteristisch jedoch nicht spezifisch für den Lichen ruber ist.

Einteilung

Je nach der klinischen Morphologie und dem Verteilungsmuster kann der Lichen planus wie folgt unterteilt werden:

Klassifikation nach Verteilungsmuster:

  1. Lichen planus exanthematicus (generalisierter Lichen planus)
  2. Lokalisierter Lichen planus
  3. Erythrodermischer Lichen planus
  4. Lichen planus linearis (Lichen ruber striatus)
    • Blaschkoider Lichen planus (Kutanes Mosaik)
    • Zosteriformer Lichen planus
  5. Inverser Lichen planus (s.u. Lichen planus pigmentosus inversus)
  6. Lichen ruber mucosae/Oraler Lichen planus
  7. Lichen ruber genitalis (s.a. Lichen planus vulvae)
  8. Lichen planus palmoplantaris
  9. Lichen planus der Nägel (Nagellichen)

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Klassifikation nach klinischem Erscheinungsbild:

  1. Lichen planus klassischer Typ
  2. Lichen planus actinicus
  3. Lichen planus anularis
  4. Lichen planus verrucosus (hypertrophicus/obtusus)
  5. Lichen planus follicularis 
  6. Graham-Little-Syndrom
  7. Lichen planus atrophicans
  8. Lichen planus erosivus (Erosiver Lichen planus)
  9. Lichen planus pigmentosus
  10. Lichen planus bullosus
  11. Lichen planus pemphigoides (wird als koinzidielle Erkrankungsentität (Overlap von Lichen planus und bullösem Pemphigoid angesehen).
  12. Lichen planus erythemato-squamosus (Lichen plan érythémato-squameux)
  13. Invisibler Lichen planus (Lichen invisible-Gougerot 1925) pruritisch ohne eindeutige klinische Zeichen des LP; ehenmals Lichen discretus). Entiät wird bestritten.
  14. Overlap Syndrome:

Vorkommen/Epidemiologie

Prävalenz: 0,6%-1,2% der (erwachsenen) Bevölkerung.

Bis zu 25% der Pat. haben einen isolierten Lichen planus der Schleimhaut (s.u. Lichen planus mucosae).

Familiärer Lichen planus ist selten. Etwa 100 Fälle sind dokumentiert.

Ätiopathogenese

Autoimmunreaktion: Bis heute wird die Ätiologie und Pathogenese des Lichen ruber nicht vollständig verstanden. Es bestehen Assoziationen zu Autoimmunerkrankungen, viralen Infekten, Medikamenten (s. Lichen ruber e medicatione) sowie mechanischen Triggerfaktoren (Kratzen, Reiben, etc.). Lichen-ruber-artige Läsionen treten bei chronischer Graft-versus-Host-Disease (GVHD) auf, bei der alloreaktive, zytotoxische T-Zellen und Antikörper, die fremde MHC-Moleküle erkennen, entscheidende Effektoren sind. Familiärer Lichen ruber ist bekannt (selten). Ebenso das Auftreten des Lichen ruber als Mosaikdermatose (Lichen striatus), was über eine somatische Mutation erklärbar wäre. 

Die morphologische Analogie der dermatitischen Reaktionen führt zur Hypothese, dass beim Lichen ruber eine Autoimmunreaktion gegen Epitope basaler Keratinozyten, die durch virale oder medikamentöse Induktion modifiziert wurden, vorliegt. Auffällig ist die deutliche Vermehrung antigenpräsentierender Zellen (APZ) in frühen Läsionen des Lichen ruber.

Unklar noch ist die Rolle der Melanozyten für die lichenoide Gewebereaktion. Das Phänomen der Pigmentinkontinenz ist konstant nachweisbar und weist auf eine Störung des Melanintransportes. 

Unstrittig ist, dass die apoptotische Zerstörung der basalen Keratinozyten die gemeinsame Endstrecke der Lichen-ruber-Reaktion darstellt (diese spielt sicherlich auch bei anderen Autoimmunerkrankungen der Haut, z.B. LE, eine bedeutende Rolle). Als deren Ursache werden Liganden-Rezeptor-abhängige Fehlregulationen ( TNF-alpha/TNFR1 = TNF-alpha-Rezeptor) diskutiert. 

Ebenso diskutiert wird die bei der Apoptose bekannte, direkte "Porenbildung" durch Perforin und der nachfolgende enzymatische Abbau durch Serinproteasen (s.u. Granzyme B).

Weitere ätiopathogentische Assoziationen:    

  • Virale Antigene scheinen in der Ätiopathogenese des Lichen ruber eine bevorzugte Rolle zu spielen. Die Prävalenz von HCV/HBV-Infektionen (Hepatitis C/B) ist beim Lichen ruber 13,5 fach höher als bei Kontrollen. Beim oralen Lichen ruber konnten in einem hohen Prozentsatz HCV-RNA und TTV-DNA (Transfusion-transmitted-virus) in läsionaler Schleimhaut nachgewiesen werden. Das Auftreten von Lichen ruber nach HBV-Vakzinierung ist beschrieben. Die ätiopathogenetische Assoziation zu HHV-7/HHV-8 ist nicht eindeutig belegbar.
  • Diabetes mellitus: Auffallend häufig ist eine Assoziation von Lichen ruber und Diabetes mellitus. Bei jedem 2. Patient besteht eine Störung des Glukose-Stoffwechsels und bei jedem 4. ein manifester Diabetes mellitus.
  • Kontaktallergene: Die Rolle von Kontaktallergien gegen eine Reihe von Metallsalzen (Gold, Amalgam, Kupfer) ist beim oralen Lichen planus gut bekannt. Hierbei wird diskutiert, dass diese Antigene nach Art von Haptenen eine LP-Reaktion auslösen können.
  • Medikamente: Als medikamentöse Auslöser kommen Betarezeptorenblocker, Interferone, Chloroquin und Nichtsteroidale Antiphlogistika in Betracht.
  • Paraneoplasien: Vereinzelt existieren Berichte über einen paraneoplastischen Lichen ruber. Eine Assoziation mit Thymom ist beschrieben (s.u. Good-Syndrom)

Ätiopathogenese

Bis heute wird die Ätiologie und Pathogenese des Lichen planus (LP) nicht vollständig verstanden. Die ist umso erstaunlicher als die Erkrankung seit 1869 (Wilson) distinkt beschrieben ist. Signifikante Beziehungen zu einem bestimmten HLA-Phänotyp sind nicht nachweisbar. Es bestehen wenig scharf umrissene Korrelationen zu Autoimmunerkrankungen, zu viralen Infekten, zu Medikamenten (s. Lichen ruber e medicatione) sowie zu mechanischen Triggerfaktoren (Kratzen, Reiben, etc. kann zur Isomorphie führen; s. a. Köbner-Phänomen). Lichenruber-artige Läsionen treten bei chronischer Graft-versus-Host-Disease (GVHD) auf, bei der alloreaktive, zytotoxische T-Zellen und Antikörper, die fremde MHC-Moleküle erkennen, entscheidende Effektoren sind. Familiärer Lichen ruber  ist bekannt, wenn auch sehr selten.

Auch die morphologische Pathogenese ist nicht vollständig geklärt (Vogt T (2018). Die morphologische Analogie der lichenoiden dermatitischen Reaktionen führte zur Hypothese, dass beim Lichen ruber eine Autoimmunreaktion gegen Epitope basaler Keratinozyten vorliegt, die durch virale oder medikamentöse Induktion modifiziert bzw. induziert wurde. Auffällig ist die deutliche Vermehrung antigenpräsentierender Zellen (APZ), im Wesentlichen sind es Langerhans-Zellen, die in frühen Läsionen des Lichen ruber nachweisbar sind. Die APZs werden möglicherweise durch die Keratinozyten selbst, möglicherweise über eine fehlerhafte Zytokinproduktion angelockt. Letztlich bleibt die Natur der Autoantigene bisher unklar. Die antigenpräsentierenden Zellen aktivieren autoreagible T-Zellen, die weitere proinflammatorische Zytokine produzieren. Hierbei scheint das Th1-Zytokin Interferon-gamma eine Schlüsselrolle zu spielen.

Unstrittig ist, dass die apoptotische Zerstörung der basalen Keratinozyten die gemeinsame Endstrecke der Lichen-ruber-Reaktion darstellt. Als deren Ursache werden Liganden-Rezeptor-abhängige Fehlregulationen (TNF-alpha/TNFR1 = TNF-alpha-Rezeptor) diskutiert. Keratinozyten gehen schließlich unter durch eine Interaktion von FasL, dem aktivierenden Liganden des Fas-Rezeptors, und Fas. Weiterhin kommt es zur Expression Membran-schädigender Perforine die eine direkte "Porenbildung" in der Zellmembran verursachen mit nachfolgender Freisetzung von enzymatisch wirkenden Serinproteasen (s.u. Granzyme B) aus den T-Zellen. Aus dieser zytotoxischen Aktivitäten erklären sich Vakuolisierung, Pigmentinkontinenz (Verlust von Melanin die die Dermis), apoptotische Kamino-Körperchen als morphologische Phänomene der lichenoiden Reaktion.  

Weitere ätiopathogentische Assoziationen:

  • Ungeklärt ist die Frage warum im Unterschied zur Graft-versus-Host-Reaktion beim Lichen planus nur Haut und Schleimhäute betroffen sind, die Systembeteiligung die die GvHD auszeichnet fehlt. Postuliert wird ein epidermisspezifisches, bisher unbekanntes Autoantigen. Dafür spricht auch die Initiierung der lichenoiden Inflammation durch mechanische Triggerung. Dafür spricht ebenfalls, dass der Lichen ruber nur am Plattenepithel exprimiert wird (Haut, hautnahe Schleimhäute, Ösophagus).         
  • Virale Antigene scheinen in der Ätiopathogenese des Lichen planus eine additive Rolle zu spielen. Die Prävalenz von HCV/HBV-Infektionen (Hepatitis C/B) ist beim Lichen ruber 13,5 fach höher als bei Kontrollen. Beim oralen Lichen planus konnten in einem hohen Prozentsatz HCV-RNA und TTV-DNA (Transfusion-transmitted-virus) in läsionaler Schleimhaut nachgewiesen werden (s.a. Powell FC 1983).
  • Vakzinationen und Lichen planus: Das Auftreten von Lichen planus nach HBV-Vakzine ist beschrieben. Es wird postuliert, dass viral alterierte Hepatozytenantigene Epitope mit Homologien zu Keratinozytenantigenen exprimieren und auf diese Weise autoreaktive zytotoxischen T-Zellen aktivieren. Mehrfach wurde das Auftreten des Lichen planus nach SARS-CoV-2Vakzination beschrieben (Zengarini C et al. 2022). Hierzu im Gegensatz ist die ätiopathogenetische Bedeutung des Lichen planus zu HHV-7/HHV-8 nicht eindeutig belegbar. 
  • Diabetes mellitus: Auffallend häufig ist eine Assoziation von Lichen planus und Diabetes mellitus. Bei jedem 2. Patient besteht eine Störung des Glukose-Stoffwechsels und bei jedem 4. ein manifester Diabetes mellitus.
  • Kontaktallergene: Die Rolle von Kontaktallergien gegen eine Reihe von Metallsalzen (Gold, Amalgam, Kupfer) ist beim oralen Lichen planus gut bekannt. Hierbei wird diskutiert, dass diese Antigene nach Art von Haptenen eine Lichen-planus-Reaktion auslösen können.
  • Medikamente: Als medikamentöse Auslöser kommen Betarezeptorenblocker, Interferone, Chloroquin und nichtsteroidale Antiphlogistika in Betracht.
  • Paraneoplasie: Vereinzelt existieren Berichte über einen paraneoplastischen Lichen planus. Eine Assoziation mit Thymomen ist beschrieben (s.u. Good-Syndrom)

Manifestation

Bevorzugt bei Erwachsenen vom 3. bis 6. Lebensjahrzehnt auftretend, selten bei Kindern (etwa 1-4% der Fälle). Keine ethnische Prädisposition. Frauen scheinen etwas häufiger als Männer zu erkranken (Schilling et al. 2018).

Lokalisation

Bevorzugt findet sich der Lichen ruber an den Schleimhäuten (65%), oft an Haut und Schleimhäuten (20%) und seltener isoliert an der Haut (10%).

Durch Beteiligung der Nägel und Haare kann es zu dauerhaften Nageldystrophie bzw. zur vernarbenden irreversiblen Alopezie kommen. 

Im Einzelnen werden folgende Nagelveränderungen beschrieben (zitiert n. H. Hamm et al. 2018):

Histologie

Das histologische Bild des Lichen planus (Lichen ruber planus) ist nahezu pathognomisch und entspricht dem Musterfall einer gemischten , epidermodermalen Papel. Bereits bei der Übersichtsvergrößerung erkennt man das uniformes histologische Muster einer klassischen Interface-Dermatitis mit irregulärer, häufig sägezahnartiger Akanthose, kompakter Orthohyperkeratose mit prominenter Hypergranulose (umschriebene Verdickung der keratohyalinhaltigen Zelllagen des Stratum granulosum bedingt das klinische Bild der Wickhamschen Zeichnung). Meist sehr markantes, dichtes, bandförmiges, lymphoidzelliges, epidermotropes Infiltrat. Das entzündliche Infiltrat besteht überwiegend aus oligoklonalen, CD8-positiven, zytotoxischen T-Zellen. Fokale Pigmentinkontinenz ist charakteristisch. Die vakuolige Degeneration der basalen Epithelzelllagen kann Spaltbildungen (Max-Joseph`sche Räume) bis hin zur subepithelialen Blasenbildung (Lichen planus bullosus) verursachen. Nachweis zahlreicher zytoider Körperchen (Civatte-Körperchen oder cytoid bodies (Kolloid-Körperchen) s.u. Apoptose). Epidermale Langerhans-Zellen sind in aktiven Läsionen vermehrt. Plasmazellen, neutrophile und eosinophile Leukozyten können vorhanden sein, sind aber nicht häufig.

Literatur
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Zuletzt aktualisiert am: 03.09.2024