Graft-versus-Host Disease chronische L99.2-

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 18.12.2024

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Synonym(e)

cGVHD; Chronische graft-versus-host disease; Chronische Graft-versus-host Erkrankung; Chronische Graft-versus-host Krankheit; Chronische Graft-versus-host Reaktion

Erstbeschreiber

Barnes u. Loutit, 1957

Definition

Komplexe Multiorganerkrankung die 3-5 Monate oder später nach v.a. allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation auftritt (s.u. Graft-versus-Host-Disease). Die Haut ist dabei das mit am häufigsten betroffene Organ. Klinisch morphologisch zeigt sich aus einer Überlappungssymptomatik zwischen systemischer Sklerodermie, Lichen sclerosus, systemischem Lupus erythematodes und Sjögren-Syndrom. Die cGVHD kann verschiedene Kompartimente der Haut (Epidermis, Korium) sowie das Unterhautfettgewebe betreffen. Es können epidermale oder dermale bzw. subkutane Veränderungen , auch eine Kombination aus beiden im Vordergrund stehen. Dei 2 häufigsten Manifestationsformen sind die lichenoide und die sklerodermiforme cGVHD (Ziemer M 2013).

Einteilung

Einteilung der chronischen GvHD

  • Progressive Form (etwa 32% der Fälle), die sich einer akuten Form direkt anschließt mit der schlechtesten Prognose
  • Verzögerte Form (quiescent onset; etwa 36% der Fälle), die nach einem krankheitsfreien Intervall nach einer akuten GvHD auftritt
  • De novo Form (etwa 30% der Fälle), ohne vorausgegangene akute GvHD, mit der besten Prognose.

Vorkommen/Epidemiologie

Da die allogenen Stammzelltransplantationen (aSZT) an therapeutischer Bedeutung zunehmen (Ausweitung der Indikationen), wird in Zukunft die cGVHD an Bedeutung gewinnen. Etwa 50% der Patienten, die langfristig eine allogene Stammzelltransplantation überleben, entwickeln eine cGVHD.

Ätiopathogenese

Klinisches Bild

Zu unterscheiden ist eine generalisierte von einer lokalisierten Form.

  • Generalisierte cGVHD: Beginn mit Haut- und Schleimhautveränderungen:
    • lichenoide Exanthemen und Hyperpigmentierung im Gesichtsbereich
    • erosive Cheilitis
    • Sicca-Symptomatik der Schleimhäute
    • Xerophthalmie mit Keratokonjunktivitis
    • bukkale Mukositis mit flächigen Erythemen und netzartigen weißlichen Mustern; Ausbildug von schmerzaften Erosionen, auch Ulzera 
    • Ösophagus- und Vaginalstrikturen
    • Lichen-sclerosus-artige Indurationen von Glans penis und Präputium 
    • Darmbefall
    • Lupoide Hepatitis
    • allgemeiner körperlicher Verfall und pulmonale Insuffizienz
    • Gefahr opportunistischer Infektionen.

Die lichenoiden Exantheme können sich zu Erscheinungsbildern, die einer systemischen Sklerodermie ähneln (oder mit dieser identisch sind), weiterentwicklen.

  • Die späte cGVHD zeigt poikilodermatische Zustände mit flächenhafter Hautsklerose und Kontrakturen. Komplikativ ist ein 3-fach erhöhtes Risiko kutaner Plattenepithelkarzinome im  Vergleich zu stammuelltransplantierten Patienten ohn GvHd und ein 50-fach erhöhtes Risik im Vergleich zur Normalbevölkerung (Zampaola AS et al. 2017).    
  • Lokalisierte cGVHD: Klinische Merkmale des Lichen sclerosus et atrophicus, auch des genitalen Lichen sclerosus (w>m) oder des Lichen planus, der zirkumskripten Sklerodermie (Morphea), der eosinophilen Fasziitis (analog zum Shulman-Syndrom) oder der septalen Pannikulitis.
  • Weiterhin wurden Bilder der Pityriasis rosea beschrieben. Die Veränderungen können sich auch linear entlang der Blaschko-Linien ausbreiten.
  • Nagelveränderungen zeigen sich als Nagelfalzhyperkeratosen, Onycholysen, Querfurchen, Splitterblutungen, Hyperpigmentierungen (Melanonychie).

Diagnostik

Sog. diagnostische Zeichen einer cGvHD umfassen folgende Symptome:

  • Poikilodermie
  • Lichen-planus-artige Hautveränderungen
  • Lichen- sclerosus-artige Hautveränderungen  
  • Frauen: vaginale Vernarbungen, Agglutinationen (Verklebungen) der Klitoris /Labien
  • Männer: Phimose, Vernarbungen und Stenose, des Orificium urethrae

Klinisch von den Lichen- sclerosus-artige Hautveränderungen schwer zu trennen ist die GvHD bedingte Fasziitis mit Fibrose und Sklerose der betroffenen Faszien mit Bewegungseinschränkungen.  

Labor

Bisher sind keine prädiktiven Biomarker bekannt, die für eine spezifische Diagnosesicherung in Frage kämen. Diskutiert werden die Chemokine  CXCL9 und CCL17 (Chen T et al. 2019).

Histologie

Die cGvHD wird entsprechend zu ihrem klinischen Befund in eine lichenoide und eine sklerotische Variante unterteilt. Häufig jedoch werden beide Komponenten exprimiert. Permanente Phänomene sind Hyperkeratose und Hypergranulose. Meist zeigt sich ein kräftiges lymphozytäres Infiltrat mit lichenoider vakuolärer Interface-Dermatitis sowie vakuoläre Degeneration der basalen epidermalen und adnexiellen Epithelien. Keratinozytennekrosen im Oberflächen- und Tiefenepithel gehen mit Pigmentinkontinenz einher. Typisch sind auch sog. Satelittennekrosen (s.u. akuter Graft-versus-host-Disease). Mit zunehemender Dauer der klinischen Erscheinungen kommt es zu fibrotischen Veränderungen der Dermis, die Lichen-sclerosus-artige Züge, aber auch die der zirkumskripten Sklerodermie bzw. der Fasziitis annehmen kann.    

Histologie

Es gibt kein spezifisches Muster der chronischen GvHD. Vielmehr zeigt sich ein morphologisches Substrat, das dem jeweiligen klinischen Bild entspricht (lichenoides Muster, sklerodermieartiges Muster usw.). In der papillären Dermis kommt es bei längerem Bestand der Hautveränderungen zu Ansammlungen von Melanophagen.  Häufig besteht eine kompakte Hyperkeratose und Hypergranulose. Es findet sich ein ausgeprägte vakuoläre Degeneration entlang der Basalzellschicht sowie Keratinozytenapoptosen v.a. in den unteren Epidermislagen und entlang des Adnexepithels. Lymphozytäre Entzündungen sind meist bandförmig subepithelial akzentuiert unter dem Bild einer Interfacedermatitis. Bei den poikilodermischen Verläufen ist bei dermaler Sklerose, Melanininkontinenz und Teleangiektasien eine Atrophie der Epidermis auffällig. Sklerosierende Veränderungen reichen bei längerem Bestand bis tief in das subkutane Fettgewebe und erinnern an eine Morphea. Mit zunehmender Skleosierung ist das Ausmaß der Interface-Dermatitis rückläufig.

Therapie

Im Bereich der Ulzera wundreinigend, granulationsfördernd und antiseptisch, s.u. Wundbehandlung.

Die Indikation für die systemische Immunsuppression hängt vom Ausmaß der Organbeteiligung ab. Spätestens bei Befall von zwei Organsystemen (z.B. Haut und Leber, Haut und Darm, Haut und Schleimhaut) ist eine immunsuppressive Therapie sinnvoll. Die Therapie gehört in Hand erfahrener Kollegen.

Die chronische GVH-Reaktion ist auch gegen residuelle Leukämiezellen gerichtet. Ziel der therapeutischen Bemühungen ist daher nicht die komplette Unterdrückung der GVHR.

Neben der systemischen immunsuppressiven Behandlung können in der Behandlung der sklerodermiformen, erythematösen und/oder lichenoiden Hautveränderungen folgende Therapien versucht werden:

  • PUVA-Therapie, systemische: Initial 0,5-0,25 J/cm2 bei 0,6 mg/kg KG/Tag Methoxsalen (z.B. Meladinine) Dosiserhöhung bis auf 8 J/cm2 über mehrere Sitzungen. Erhaltungstherapie 1-2mal/Woche über 1-2 Jahre.
  • Thalidomid: Kurzzeitig 200-400 mg/Tag p.o., dann Reduktion auf 100 mg/Tag. Cave! Off-Label-Use! Strengste Indikationsstellung bei Frauen im gebährfähigen Alter.
  • Extrakorporale Photopherese: Alle 4 Wochen, es wird von guten Resultaten berichtet. Sie stellt aufg´rund ihrer guten Verträglichkeit eine zunehmende Ergänzung zur systemischen Steropidtherapie dar, zumalö die ECP den Graft-versus-Leukämie-Effekt nicht negativ beeinflusst und das Infektrisiko nicht erhöht. In einer größeren retrospektiven Untersuhcung von 71 Patienten mit steroidrefrkatärer cGvHD betrug die Ansprechrate kutaner Manifestationen >50% (Flowers ME et al. 2008).
  • Hinsichtlich der Erfolge von TNF alpha-Antagonisten sind die Studienergebnisse abzuwarten.

Therapie allgemein

Zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit sind regelmäßige intensive krankengymnastische Übungen erforderlich.

Verlauf/Prognose

Die chronische GvHD ist der Hauptrisikofaktor für die signifikante Morbidität und Mortalität nach allogener Stammzelltransplantation. Etwa 15% der Patienten versterben an den Folgen. Weitere 25% erleiden erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität. Der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten eine chronischen GvHD ist eine vorausgegangene akute GvHD und ein hohes Empfängeralter.

Literatur
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  3. Barnes DWH, Loutit JF (1957) Treatment of murine leukaemia with X-rays and homologous bone marrow. Br J Haematol 3: 241-252
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  15. Volc-Platzer B (1992) Graft-versus-host reaction (GvHD). Hautarzt 43: 669-675
  16. Zampaolo AS et al. (2017) Aggressive skin cancers in patients who experienced chronic GvHD after allogeneic bone marrow transplantation. Bone Marrow Transplant 52: 130-131.
  17. Ziemer M et al. (2020)  Hautmanifestationen der akuten und chronischen Graft-versus-host-Erkrankung nach allogener Stammzelltransplantation. Hautarzt 71 :557-568.
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