Pityriasis lichenoides chronica L41.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Guttate parapsoriasis; Parapsoriasis en gouttes; Parapsoriasis guttata; PLC

Erstbeschreiber

Juliusberg, 1899

Definition

Seltene, harmlose, wahrscheinlich Infekt-getriggerte (virale Trigger?), erythematosquamöse, selbstlimitierte chronische Dermatitis, die als chronische Verlaufsform der Pityriasis lichenoides eingestuft wird. Die Erkrankung kann de novo entstehen oder sich aus der akuten Verlaufsform der Pityriasis lichenoides (et varioliformis) acuta weiterentwickeln.

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit auftretend, die Inzidenz wird für die PLC mit 1: 2.000 angegeben. 

Ätiopathogenese

Unbekannt, vermutlich infektallergisch (virale Trigger?) bedingte Dermatitis. 

Bemerkenswert ist das Auftreten der Erkrankung nach COVID-19-Infektionen und nach COVID-Vakzinierungen (Drago F et al. 2022). 

 

Manifestation

V.a. bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, häufig nach Infekten.

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Lokalisation

Vor allem an Rumpf, Armen, Beinen (proximale Extremitätenanteile). Die Plaques sind typischerweise symmetrisch und in den Spaltlinien der Haut angeordnet. 

Klinisches Bild

Initial 0,3 bis 0,6 cm große, kalottenförmige, rote oder grau-rote, derbe, oberflächlich stumpfe oder spiegelnde Papeln mit oder ohne Schuppung

Ausrichtung längs der Spannungslinien der Haut.   

Im Laufe einiger Wochen Abblassung bzw. Braunfärbung der Papeln, Ausbildung eines kompakten, bedeckenden, zentral haftenden Schuppendeckels. Durch zartes Aufkratzen der Oberfläche läßt sich die Schuppendecke kompakt abhebeln, bleibt aber gegenseitig haften (Sargdeckelphänomen, ein typisches Diagnostikum für diese Erkrankung).  

Typisch ist ein phasenhafter monatelanger Verlauf; dadurch polymorphes Bild mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Einzeleffloreszenzen.

Die Erkrankung verursacht, bis auf einen leichten bis mäßigen Juckreiz, keine Beschwerden. Evtl. leichte Abgeschlagenheit. 

Histologie

Eher diskrete Interface-Dermatitis mit geringer Akuität. Im Gegensatz zur Pityriasis lichenoides acuta verhältnismäßig spärliches, perivaskuläres und interstitielles, aus Lymphozyten und Histiozyten bestehendes, epidermotropes Infiltrat in der oberen Dermis. Fokale vakuolige Degeneration an der dermo-epidermalen Junktion mit nekrotischen Keratinozyten. Breite parakeratotische Verhornung (histologisches Pendant der klinisch nachweisbaren Oblatenschuppung).

Direkte Immunfluoreszenz

Immunkomplexe in Basalmembranzone und Gefäßwänden.

Differentialdiagnose

  • Klinische Differenzialdiagnosen:
    • Psoriasis guttata: Meist akut auftretende 0,1-1,5 cm große, rote oder blassrote Papeln oder Plaques mit deutlicher Schuppung. Keine Spaltlinienausrichtung. Häufig Köbner-Phänomen nachweisbar! Das Auspitz-Phänomen ist stets auslösbar und stellt ein wichtiges differenzialdiagnostisches Zeichen dar. Psoriatische Familienbelastung nachfragen!
    • Pityriasis rosea: Klinischer Verlauf mit schubartigen, 1-2 Wochen andauernden, stammbetonten Exanthemschüben ähnlich. Die Effloreszenzen sind sehr typisch in Spaltlinien ausgerichtet. Sog. Primärmedaillon suchen! Es fehlen immer die kompakten, bedeckenden, zentral haftenden Deckelschuppen der Pityriasis lichenoides chronica.
    • Varizellen: Klinische Morphologie kann sehr ähnlich sein. Anderes Befallmuster mit Beteiligung der Mundschleimhaut und des Kapillitiums. Bei der PLC fehlten meist Bläschen! Auf Infektzeichen achten!
    • Lichenoide Virusexantheme: Meist oberflächenglatte Effloreszenzen. Exanthematischer Verlauf. Infektzeichen abklären. AZ beachten!
    • Lichen planus (exanthematicus): Papulöses, meist eher monomorphes, beugeseitiges, extremitätenbetontes Exanthem mit oberflächenglatten (die typische Deckelschuppe fehlt immer!) etwa 0,1-0,5 cm großen roten, festen Papeln, die zu größeren Plaques aggregieren können. Juckreiz ist unterschiedlich stark. Typisch sind streifige Anordnung der Effloreszenzen in Kratz- oder Reibespuren (s.u. Köbner-Phänomen). Fast immer Schleimhautbefall! Histologie ist beweisend!
    • Arzneimittelexanthem, makulo-papulöses: Die Hauterscheinungen treten meistens zwischen dem 7. und 12. Tag nach Therapiebeginn auf, aber auch erst nach mehreren Wochen oder nach Absetzen des Medikamentes. Generalisiertes, stamm- und extremitätenbetontes, unterschiedlich dichtes Exanthem, meist mit Juckreiz kombiniert (Juckreiz kann auch komplett fehlen).
    • Syphilid, papulosquamöses: Syphilide sind meist von LK-Schwellungen begleitet, das Erscheinungsbild eher monomorph; kein Juckreiz! Häufig Befall von Handflächen und Gesicht. Serologie ist beweisend! Histologie ist wegweisend (plasmazellige Dermatitis).
    • Tuberkulid, papulonekrotisches: Chronizität, Nachweis einer aktiven Tuberkulose. Histologie ist wegweisend (epitheloidzellige Dermatitis).
  • Histologische Differentialdiagnosen:
    • Akutes und subakutes Ekzem: Spongiose, flächige Parakeratose, keine Keratinozytennekrosen. Keine Interface-Dermatitis beim atopischen Ekzem. Mögliche Eosinophilie.
    • Fixe Arzneimittelreaktion: Apoptotische Keratinozyten, vakuolisierte Junktionszone, Satellitennekrosen, perivaskuläres lymphozytäres Infiltrat.
    • Psoriasis guttata: Akanthose, Hyper- und Parakeratose mit Neutrophilen-Einschlüssen, keine Keratinozytennekrosen; diffuses, auch perivaskulär verdichtetes lymphozytäres Infiltrat mit neutrophilen Granulozyten, keine Erythrozytenextravasate, meist kräftiger Epidermotropismus.
    • Pityriasis rosea: Ödem des Papillarkörpers, fokale Spongiose, keine apoptotischen Keratinozyten, superfizielles perivaskuläres Lymphozyteninfiltrat. Keine Interface-Dermatitis.
    • Lichen planus: Klassische Interface-Dermatitis. Parakeratose fehlt stets!
    • Frühsyphilis: Interface-Dermatitis mit psoriasiformer Epidermisreaktion. Dichtes, bandförmiges Infiltrat in der oberen und mittleren Dermis (Lymphozyten, Histiozyten und Plasmazellen; auch epitheloidzellige Komponente). Plasmazellen fehlen bei der PLC.

Therapie allgemein

Eine wirksame Therapie ist bisher nicht bekannt. Ein kleinerer Teil der Pityriasis lichenoides chronica-Erkrankungen ist infektallergischer Genese. Daher Fokussuche z.B. auf chronische Tonsillitis oder Zahngranulome und ggf. Sanierung der Foci.

Externe Therapie

Blande pflegende Präparate sind angezeigt, z.B. Eucerinum O/W oder W/O, Asche Basis Creme, Linola Milch.

Alternativ: Tacrolimus, örtlich und zeitlich begrenzt.   

Gute Erfolge werden bei chronischen, über Jahre persistierenden Formen auch mit dermatologischer Klimatherapie erzielt.

Bestrahlungstherapie

Falls kein Infektgeschehen nachweisbar ist oder die antibiotische Therapie erfolglos bleibt, ist bei Erwachsenen eine Bestrahlungstherapie mit UV-Strahlen angezeigt, z.B. UVB in üblicher Dosierung, UVB-311 nm (Narrowband) oder PUVA-Bad- bzw. systemische PUVA-Therapie.

Eine UV-Therapie sollte allerdings vorsichtig erfolgen, um keine Schübe zu provozieren!

Interne Therapie

Bei Juckreiz Versuch mit nicht sedierendem Antihistaminikum wie Desloratadin (z.B. Aerius) 1 Tbl./Tag.

Orale Tetracycline oder Cephalosporine.

Nur bei schweren Verlaufsformen und bei absoluter Therapieresistenz gegenüber den externen Therapieansätzen und Bestrahlungstherapie kann der Einsatz von immunsuppressiven Therapien diskutiert werden wie z.B. Methotrexat 2,5-5,0 mg/Woche p.o.

Verlauf/Prognose

Chronischer, wochen- bis evtl. jahrelanger Verlauf. Mittlere Dauer in größeren Kollektiven bei 20 Monaten (3-132 Monate). Übergang in Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta möglich (selten); Neigung zu spontaner Rückbildung. In größeren Kollektiven wird nach (3-11  Jahren) in etwa 5% der Fälle ein Übergang in ein T-Zell-Lymphom vom Typ der Mycosis fungoides beobachtet (Zaaroura H et al. 2017).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Aydogan K et al. (2008) Narrowband UVB (311 nm) phototherapy for pityriasis lichenoides. Photodermatology 24: 128-133
  2. Castro BA et al. (2015) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta after influenza vaccine. An Bras Dermatol 90(3 Suppl 1):181-184.
  3. Drago F et al. (2022) Pityriasis lichenoides chronica after BNT162b2 Pfizer-BioNTech vaccine: A novel cutaneous reaction after SARS-CoV-2 vaccine. J Eur Acad Dermatol Venereol 36:e979-e981.
  4. Ersoy-Evans S et al. (2007)  Pityriasis lichenoides in childhood: a retrospective review of 124 patients. J Am Acad Dermatol 56:205-210
  5. Geller L et al. (2015) Pityriasis Lichenoides in Childhood: Review of Clinical Presentation and Treatment Options.Pediatr Dermatol 32:579-592
  6. Hofmann C et al. (1979) Pityriasis lichenoides chronica - eine neue Indikation zur PUVA-Therapie? Dermatologica 159: 451-460
  7. Juliusberg F (1899) Über die Pityriasis lichenoides chronica (psoriasiform-lichenoides Exanthem) Arch Dermatol Syph 50: 359-374
  8. Klein PA et al. (2003) Infectious causes of pityriasis lichenoides: a case of fulminant infectious mononucleosis. J Am Acad Dermatol 49: S151-153
  9. Machan M et al. (2012) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta associated with subcutaneous immunoglobulin administration. J Am Acad Dermatol 67:e151-152
  10. Mallipeddi R et al. (2003) Refractory pityriasis lichenoides chronica successfully treated with topical tacrolimus. Clin Exp Dermatol 28: 456-458
  11. Markus JR et al. (2013) The relevance of recognizing clinical and morphologic features of pityriasis lichenoides: clinicopathological study of 29 cases. Dermatol Pract Concept 31:7-10
  12. Weinberg JM (2003) The clonal nature of pityriasis lichenoides. Arch Dermatol 138: 1063-1067
  13. Zaaroura H et al. (2017) Relationship Between Pityriasis Lichenoides and Mycosis Fungoides: A Clinicopathological, Immunohistochemical, and Molecular Study. Am J Dermatopathol doi: 10.1097/DAD.0000000000001057.

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