Synonym(e)
Erstbeschreiber
Der Begriff „Apoptose“ wurde erstmals 1972 von den Pathologen Kerr, Wyllie und Currie geprägt.
Definition
Apoptose (griechisch von apo - weg - und ptosis - Fall - im übertragenen Sinn für das Fallen der Blätter von den Bäumen) ist eine besondere Form des unter physiologischen Bedingungen stattfindenden Zelltods neben der terminalen Differenzierung (s.a. dazu Nekroptose). Es findet eine selektive, schonende Elimination von Zellen mit Abkapselung und Eliminierung der Kernsubstanz, potentieller Autoantigene und schädlicher Zellinhaltsstoffe statt. Im Gegensatz zur Nekrose (z.B. bei der Dermatitis solaris) entwickelt sich keine Entzündungsreaktion! Für die normale Embryonalentwicklung, für Immunfunktionen (s.u. Immunität, erworbene) und die Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase stellt die Apoptose ein essentielles biologisches Schlüsselphänomen dar. Fehlgesteuerte Apoptose findet sich bei Neoplasien, viralen und Autoimmunerkrankungen. Dies betrifft auch die kutanen T-Zell-Lymphome.
Apoptose und Inflammation: Die Apoptose löst im Gegensatz zur (unkontrollierten) Nekrose keine akute Entzündungsreaktion aus. Apoptotische Zellen werden mittels Phagozytose durch Makrophagen oder dendritische Zellen entfernt. So wird die unkontrollierte Freisetzung von entzündlichen Zellinhalten und damit die Schädigung von benachbarten Zellen verhindert (Nabhan S 2014). Phagozyten werden durch bestimmte Chemokine („Find-me“-Signale) wie beispielsweise Lysophosphatidylcholin, Sphingosin-1- phosphat oder niedrige ATP- und UTP-Konzentrationen angelockt. Spezifische Oberflächensignale, sogenannte „Eat-me“-Signale, vermitteln anschließend die Phagozytose apoptotischer Zellen. Darunter fällt z.B. die Exponierung des Phospholipids Phosphatidylserin (PS) von der zytosolischen Seite der Zelle an die Zelloberfläche (Einleitung 1.5.3. Lauber K et al. 2004; Yoshida H et al. 2005; Gude DR et al. 2008).
Apoptose und Nekrose: Morphologisch lassen sich nekrotische und apoptotische Zellen klar unterscheiden. Während es bei der Apoptose zur Zellschrumpfung und Abschnürung von apoptotischen Körperchen mit intakter Membran kommt, geht die Nekrose nicht mit einer Vesikelbildung, sondern einem starken Anschwellen der Zelle (Onkose) und schließlich einer völligen Zelllyse einher (Van Cruchten S et al. 2002). Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Chromatin-Kondensation und die enzymatische Spaltung der DNS in Fragmente definierter Länge in apoptotischen Zellen (Oberhammer FA et al. 1994). In nekrotischen Zellen hingegen kommt es zur Entstehung von DNS-Fragmenten unterschiedlicher Länge, da die Fragmentierung hier an zufälligen Stellen erfolgt (Zhang JH et al. 2000).
Auch interessant
Allgemeine Information
Apoptose und Hautkrankheiten:
- Keratinozyten werden physiologischerweise nach 28-tägiger Entwicklung apoptotisch. Neben der Ausschleusung über die Hornschicht kann es auch zur Apoptose tiefer gelegener Keratinozyten mit Ausschleusung durch die dermoepidermale Basalmembran kommen. Die Phagozytose von "apoptotic bodies" ist erschwert und verzögert. Nachgewiesene Störungen der Apoptose, wie sie beim Chilblain-Lupus und dem systemischen Lupus erythematodes vorkommen (Mutationen des TREX1-Gens), können zur Auslösung dieser Autoimmunerkrankungen führen, der in der Haut eine lichenoide dermatitische Gewebereaktion (Interface-Dermatitis) zugrunde liegt.
- Eine FAS-FAS-Ligand initiierte Apoptose der Keratinozyten spielt bei der fixen Arzneimittelreaktion eine bedeutende Rolle.
- Dermatosen mit Einzelzellverhornung (sog. Kolloidkörperchen oder zytoiden Körperchen, Dyskeratosen):
- Entwicklungsgeschichtlich ist schonende Elimination von UV-alterierten Hautzellen zur Ausschleusung virusinfizierter oder UV-beschädigter Zellen mittels Apoptose sinnvoll.
- Neben Apoptose kann durch UVB auch ein clustering von potentiell immunogenen zellulären Autoantigenen in den Apoptosekörperchen (zytoide Körperchen) und Zellmembranprotuberanzen entstehen, evtl. als Zielantigene von AMA und ANA beim SLE.
- Durch UVB kann ein Selektionsvorteil für Keratinozyten mit inaktivierenden Punktmutationen am p53-Gen entstehen, da sie nicht zu sunburn cells (Apoptose mittels p53) werden und sich damit ungehemmt vermehren können. S.a. Tabelle 3; (s.weiterhin u. Photokarzinogenese).
- Eine Apoptoseresistenz ist offenbar auch ein Wesensmerkmal der kutanen T-Zell-Lymphome.
Ätiologie
Der Vorgang der Apoptose lässt sich in zwei Phasen unterteilen: Initiations- und Effektorphase. Bei der Initiierung unterscheidet man drei Prozesse:
- Extrinsisch (Apoptose Typ I)
- Intrinsisch (Apoptose Typ Typ II).
Apoptose durch den Apoptosis-Inducing Factor (AIF):
Extrinsischer Weg (Apoptose Typ I): Dieser Weg wird eingeleitet durch Ligandenbindung an einen Rezeptor der TNF-Rezeptorfamilie (z. B. Fas = Apo-1 = CD95 s.u. Tumornekrosefaktor-α). Die bekanntesten Apoptose - Effektoren sind der Fas-Ligand und sein Rezeptor Fas. (Bemerkung: Die Bezeichnung "Fas" hat keine weitere Bedeutung und ist eine Zufälligkeit beim Auffinden dieses Proteins im Jahre 1985; seine Bedeutung als Apoptose-Rezeptor-Protein "Apo-1" wurde erst später erkannt).Das reife Fas Protein hat 319 Aminosäuren und ein Molekulargewicht von 48 kiloDaltons. Es ist unterteilt in 3 Domänen: eine extrazelluläre Domäne, eine transmembranöse Domäne und eine zytoplasmische.
Neben dem Fas-Rezeptor und Fas-Ligand existieren noch zahlreiche weitere Ligand - Rezeptor - Interaktionen, die zur Apoptose führen. So die Interaktion zwischen TNF und seinem Rezeptor TNFR-1. Sowohl Fas-Ligand als auch TNF gehören zur "TNF-Superfamilie", Fas und TNFR-1 entsprechend zur "TNF - Rezeptor - Superfamilie". Diese "Todesrezeptoren" besitzen in ihrem zytoplasmatischen Teil eine "death domain", abgekürzt - DD). Liganden sind z.B. Tumornekrosefaktor (TNF) und andere Zytokine, die u.a. von T-Lymphozyten gebildet werden. Zunächst wird das TNF-Rezeptor assoziierte Protein (TRADD) aktiviert. Anschließend bindet das "Fas assoziierte Protein" mit der Todesdomäne (FADD) an die DD des TRADD. FADD (s.a. FLIP) besitzt weiterhin eine "death effector domain" - DED, über die eine Protease, die sog. Initiatorcaspase proCaspase 8 (s.u. Caspasen) an den Komplex bindet. Übrig bleiben geschrumpfte, kleinste Bestandteile der ehemaligen Zelle. Jeder Zellrest für sich ist noch von einer intakten Zellmembran umschlossen (Die Zelle stirbt in der intakten Hülle). Diese apoptotischen, im HE-Präparat als eosinophile Zellkörperchen (sog. "Cytoid bodies" oder zytoide Körperchen s.u. Lichen planus) wahrgenommen, enthalten Bestandteile der ehemaligen Zellorgane. Zytoide Körperchen werden von Makrophagen phagozytiert. Über diese Mechanismen werden z.B. bei HIV-Infizierten zahlreiche nicht mit dem HI-Virus infizierte Leukozyten eleminiert. Das HI-Virus regt mittels des Proteins Nef (virales Protein, ein Schlüsselmolekül für HIV) noch nicht erkrankte Abwehrzellen zum programmierten Zelltod an. Der Hemmstoff "Fasudil" kann diesen Mechanismus unterbinden.
Intrinsischer Weg (Apoptose Typ II oder der Weg von innen)
Mitochondrien sind ebenfalls in der Lage, den Vorgang der Apoptose einzuleiten. Werden Mitochondrien beschädigt, schütten sie das Protein Cytochrom C und andere pro-apoptotischen Faktoren wie Smac/DIABLO aus, die wiederum die Caspasen aktivieren. Dieser Weg kann ausgelöst werden durch Tumor-Suppressoren, wie beispielsweise p53 (s.u. Tumorsuppressorgene), einem Protein, das durch Schädigung der DNA aktiviert wird. p-53 ist ein potenter Apoptoseinduktor. Als "Hüter des Genoms" hindert es DNA-mutierte Zellen am Eintritt in die S-Phase der Mitose. Weiterhin können eine Reihe von toxischen Substanzen wie Chemotherapeutika direkt auf die Mitochondrien wirken und damit eine Apoptose vom Typ II induzieren. Die wichtigsten bei der Unterdrückung der Apoptose beteiligten Proteine sind die "anti-apoptotischen" Mitglieder der Bcl-2 Familie (Bcl-2 und Bcl-xL) und Apoptose-inhibitorische Proteine (IAPs) wie bspw. Survivin.
Apoptose bei T-Lymphozyten und kutanen T-Zell-Lymphomen
Die Art der Apotose T-Zellen wird AICD = "aktivierungsinduzierter Zelltod" genannt. T-Zellen werden über den TZR, T-Zell-Rezeptor aktiviert. Eine erneute Aktivierung führt zu einer Bildung von reaktivenm Sauerstoffspezies (ROS) und der Ausschüttung von intrazellulärem Kalzium. Beide Signale imduieren die Bikldung von des CD95 -Liganden (CD95L) der aus der Zelle ausgeschleust wird. Er kann hier an dem CD95 Rezeptor der eigenen Zelle oder naheliegender T-Zellen andocken un damit die Apoptose einleiten. Dieser Mechanismus ist für die Beendigung einer Immunantwor von Bedeutung. Bei kutanen T-Zell-Lymphomen spielt eine "Resistenz" der AICD eine ätiopathogenetische Rolle.
Histologie
Hinweis(e)
Die Blockade der Apoptoseinduktion kann zur Entstehung von Tumoren beitragen. Bei einer Reihe von malignen Erkrankungen, insbes. von malignen Lymphomen, wurde ein Herunterregulieren der CD95-Expression oder Mutationen im CD95-Gen beobachtet. Es wird daher vermutet, dass die CD95-induzierte Apoptose zur Elimination von Lymphomzellen beiträgt (Nachweis auch für die Mycosis fungoides und das Sezary Syndrom. Hierbei spielt c-FLIP (Inhibitormolekül) eine Rolle. C-FLIP ist ein Caspase-8/-10-Homolog, das ebenfalls an FADD bindet, aber aufgrund fehlender katalytischer Aktivität die Aktivierung der Caspasen im DISC (todesinduzierenden Komplexes) und damit die Apoptoseinduktion verhindert. Es entsteht eine Apoptoseresistenz (AICD), die für die Pathogenese von kutanen T-Zell-Lymphomen eine wesentliche Rolle spielen könnte.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Budd RC (2002) Death receptors couple to both cell proliferation and apoptosis. J Clin Invest 109: 437-441
- Cataisson C et al. (2003) Activation of Cutaneous Protein Kinase Calpha Induces Keratinocyte Apoptosis and Intraepidermal Inflammation by Independent Signaling Pathways. J Immunol 171: 2703-2713
- Choi HJ edt al. (2006) Possible role of fas/fas-ligand-mediated apoptosis in the pathogenesis of fixed drug eruption. Br J Dermatol 154: 419-425
- Friedlander RM (2003) Apoptosis and caspases in neurodegenerative diseases. N Engl J Med 348: 1365-1375
- Hildeman DA et al. (2003) T cell apoptosis and reactive oxygen species. J Clin Invest 111: 575-581
- McHugh NJ (2002) Systemic lupus erythematosus and dysregulated apoptosis-what is the evidence? Rheumatology (Oxford) 41: 242-245
- Paus, R et al. (1995) Nekrobiologie der Haut: Apoptose. Hautarzt 46: 285-303
- White SR et al. (2002) Corticosteroid-induced apoptosis of airway epithelium: a potential mechanism for chronic airway epithelial damage in asthma. Chest 122(6 Suppl): 278S-284S
Tabellen
Apoptoseinduktion und -suppression
Apoptosehemmer |
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Apoptoseinduktoren |
Entzug von Apoptose-Suppression bei Zellen, die von einer Stimulation mit diesen Liganden abhängig sind |
"death factors" bei entsprechend sensiblen Zellen, meist abhängig von Zellzyklus und Differenzierungsgrad der Zielzelle sowie weiteren Kofaktoren und Apoptose "checkpoints": |
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Vergleich Apoptose und Nekrose
Merkmal |
Apoptose |
Nekrose |
Definition |
Kontaktverlust, Kernkondensation von Einzelzellen, Zell- und Kernfragmentierung, Zytoskelettumbau, Umbau in "apoptotic bodies", Beseitigung durch Phagozyten |
Untergang ganzer Zellverbände, Kernschwellung, Kerneosinophilie, Zellruptur mit Freisetzung der Organellen und lysosomaler Enzyme |
Entzündung |
Nein, keine Narbe |
Ja, mit narbiger Abheilung |
Ursache |
Zellkerngesteuert, Einfluss durch Umgebungsmilieu, Passage mehrerer Checkpoints bis zum endgültigen "Aus", am Ende Zerlegung der DNA in Stücke durch kalziumabhängige Endonukleasen |
Pathologische Einflüsse wie Hypoxie, Ischämie etc. und resultierende irreparable Zellwandveränderungen |
Dauer |
Minuten bis Stunden |
Minuten bis Stunden |
Beispiele für Apoptosemodulation durch dermatologisch eingesetzte Therapieverfahren
Induktion |
Suppression |
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