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PruritusL29.8
Synonym(e)
Definition
Häufig auftretendes, sehr differenziert zu therapierendes (polyätiologisches) Symptom bei zahlreichen Hauterkrankungen oder auch bei Erkrankungen innerer Organe oder Systeme (auch als paraneoplastisches Syndrom auftretend).
Auftreten ist aber auch ohne sichtbare Ursache (alte Bezeichnung: Pruritus sine materia) oder als somatoforme Störung möglich.
Zu unterscheiden sind:
- der lokalisierte (manchmal auch punktförmige) oder der diffuse u.U. generalisierte Juckreiz
- der akute oder chronische
- der durch äußere oder innere Einflüsse entstehende Pruritus.
Häufig wird Pruritus als unterschiedlich empfundene Sensation der Haut und/oder der Halbschleimhäute (prickelnd, stechend, brennend, beißend) empfunden. Er wird je nach Qualität reflexartig mit Quetschen, Kratzen, Reiben oder Scheuern beantwortet.
Juckreiz kann auch mit einer Small Fiber Neuropathie einhergehen.
Einteilung
Zur subjektiven Beurteilung der Pruritusintensität existieren mehrere Methoden so die englischsprachige "Itch Severity Scale" oder die Visuelle Analogskala (VAS) die nach 5 Qualitäten (Analogskala von 0-10) unterscheidet, die hier der Einfachheit-halber :
- 0 = kein Pruritus
- 0,1-2,9 = geringer/milder Pruritus
- 3,0-6,9 = moderater/mittelschwerer Pruritus
- 7,0-8,9 = schwerer Pruritus
- 9,0-10,0 = sehr schwerer Pruritus
Grundsätzlich sollte unterschieden werden, ob sich Pruritus in normaler oder entzündlich veränderter Haut entwickelt.
- Pruritus in nicht-entzündlicher Haut (Pruritus sine materia):
- Endokrine und metabolische Störungen:
- Chronische terminale Niereninsuffizienz (reines Jucken, geleg. attackenartig, regelmäßig sehr schwer)
- Cholestatischer Pruritus (Hepatopathien mit Cholestase: Verschlussikterus, medikamentöse Cholestase, primär biliäre Zirrhose, Hepatitis, primär sklerosierende Cholangitis: reines Jucken, mechanisch induzierbar, durch Kratzen nicht reduzierbar) - s.a. Lebererkrankungen, Hautveränderungen.
- Diabetes mellitus (neuropathischer Juckreiz, schmerzhafte Qualitäten wie Brennen, Stechen, Reißen, Intensität je nach Diabetesdauer leicht bis schwer)
- Hyper- oder Hypothyreose (eher gering)
- Hyperparathyreoidismus
- Seniler Pruritus bedingt durch trockene Haut
- Infektionen:
- Wurmerkrankungen
- Epizoonosen.
- Hämatologische und lymphoproliferative Erkrankungen:
- Eisenmangel
- Hämochromatose
- Polyzythämia vera
- Myelodysplastische Syndrome
- M. Hodgkin (reines Jucken)
- Kutane T-Zell-Lymphome (reines Jucken)
-
Plasmozytom (reines Jucken)
- Solide Malignome:
- Zervix-, Prostata-, Dickdarmkarzinom.
- Neurologische Erkrankungen:
- Brachioradialer Pruritus (neuropathischer, schmerzhafter Juckreiz)
- Notalgia parästhetica (neuropathischer, schmerzhafter Juckreiz)
- Zosterneuralgie (juckender, Schmerz)
- "small-fiber"- Neuropathien (Vulvodynie, Glossdynie, Restless-leg-Syndrom)
- Multiple Sklerose (5% Pruritus)
- Neuropathien unterschiedlicher Genese (Infarkte des ZNS).
- Psychische Erkrankungen:
- Somatoforme Störungen
- Schizophrene Psychosen
- Taktile Halluzinosen
- Pseudojuckreiz bei Artefakten.
- Arzneimittel-induziert (s. Pruritus Arzneimittel-induzierter):
- z.B. durch ACE-Hemmer oder Fumarate (heller quälender Juckreiz, durch Reiben gebessert)
- Endokrine und metabolische Störungen:
- Pruritus in entzündlicher Haut (Pruritus cum materia):
- Autoimmundermatosen:
- Bullöse Autoimmundermatosen (Bullöses Pemphigoid, paraneoplastischer Pemphigus, Pemphigus vulgaris)
- IgA-lineare Dermatose
- Dermatitis herpetiformis.
- Neoplasien (mit unmittelbarem Hautbefall):
- Kutanes T-Zell-Lymphom
- Leukämische Infiltrate der Haut.
- Infektionen der Haut:
- Mykosen der Haut
- Zoster (auch postzosterisch)
- Herpes simplex recidivans
- Pyodermien
- Infektiöse Exantheme (z.B. Scharlach in Abheilung).
- Epizoonosen:
- Autoimmundermatosen:
- Durch relevanten Juckreiz gekennzeichnete entzündliche Hauterkrankungen unterschiedlicher Genese (Pruritus cum materia):
- Atopisches Ekzem
- Kontaktallergisches Ekzem
- Exfoliative Dermatitiden (z.B. abheilende Dermatitis solaris)
- Acanthosis nigricans
- Epidermolysis bullosa-Erkrankungen
- Erythrodermien unterschiedlicher Genese
- Hämorrhoidalleiden
- Hyper-IgE-Syndrom
- Hypereosinophilie-Syndrom
- Lichen amyloidosus
- Lichen simplex chronicus (Vidal)
- Lichen sclerosus et atrophicus (brennend, stechend, nach Reiben besser)
- Polymorphe Lichtdermatose (reiner Juckreiz, Brennen)
- Kutane Mastozytome (nach Irritationen)
- Pernionen (schmerzend, weniger juckend)
- Pityriasis lichenoides chronica
- Prurigoerkrankungen
- Psoriasis
- Schwangerschaftsdermatosen (z.B. PUPPP)
- Seborrhoisches Ekzem des Säuglings
- Unerwünschte Arzneimittelreaktionen (v.a. urtikarielle oder lichenoide Arzneimittelexantheme; Pruritus nach HAES-Infusionen)
- Urticaria pigmentosa (nach Irritationen)
- Urtikaria (heller Juckreiz, kein Kratzen, nach Reiben besser)
Vorkommen/Epidemiologie
Pruritus ist das am häufigsten beklagte Symptom in der Dermatologie und dennoch existieren bis heute nur wenige, verlässliche wissenschaftliche Untersuchungen zu Pathophysiologie, Inzidenz und Prävalenz des Pruritus. Die Häufigkeit von chronischem Pruritus im allgemeinmedizinischen Krankengut wird auf etwa 8% geschätzt.
Man weiß mittlerweile, dass es sich bei den Nervenfasern, die den Juckreiz leiten, um freie unmyelinisierte Nervenendigungen handelt, die mit besonders dichten Verzweigungen in der Epidermis der Haut, den Schleimhäuten und der Cornea vorkommen. Die dort aufgenommenen Informationen werden mit den Signalen für Schmerz und thermische Empfindungen zunächst im ipsilateralen, nach synaptischer Verschaltung im kontralateralen Tractus spinothalamicus lateralis fortgeleitet. Über die Verarbeitung im Gehirn existieren aktuell divergierende Informationen. Es wurde sowohl Aktivität im motorischen als auch im sensorischen Bereich des Kortex gefunden. So scheinen Schmerz und Juckreiz zwar dieselben Wege zu benutzen, doch wurde beim Juckreiz im Gegensatz zum Schmerz bisher keine subkortikale Aktivierung gefunden.
Ätiopathogenese
- Bisher wurden zahlreiche potentielle chemische Mediatoren des Pruritus identifiziert:
- Histamin aus Mastzellen und Keratinozyten bindet an H1- und H2-Rezeptoren auf peripheren Nervenendigungen. Es resultiert daraus die Depolarisation des Nerven und Freisetzung des Neuropeptids Substanz P. Histamin kann die SP-Freisetzung über H3-Rezeptoren hemmen.
- Acetylcholin: Neurotransmitter des autonomen Nervensystems. Freisetzung ist aber u.a. auch aus Keratinozyten möglich. Bindung an muscarinerge (M1-M5) und nikotinerge Rezeptoren. Funktionell vermittelt es vor allem Schmerz (Nozizeption). Stimulation der M3-Rezeptoren und der nicotinergen Rezeptoren vermittelt Juckreiz, z.B. bei atopischem Ekzem.
- Bradykinin verursacht in der Haut vor allem Schmerz über den B2-Rezeptor, bewirkt aber auch eine Degranulation von Mastzellen und verstärkt z.B. die Histamin-Wirkung an der Nervenfaser, die Ausschüttung von Substanz P und Prostaglandin E.
- Serotonin wirkt über Serotonin 3-Rezeptoren juckreizfördernd. Serotonin 3-Rezeptor-Antagonisten zeigen jedoch keine Wirkung auf nephrogenen Juckreiz.
- Endothelin wird durch Endothelzellen produziert und verursacht über Stimulation von Nervenfasern und die Freisetzung von NO eine neurogene Entzündungsreaktion, die mit brennendem Juckreiz einhergeht.
- Vanilloid-Rezeptoren auf sensiblen Hautnerven sind Kationenkanäle, die Vanilloide binden und u.a. auch durch Capsaicin und Wärme aktiviert werden. Sie vermitteln brennende Schmerzen und Juckreiz. Wiederholte Capsaicin-Applikation führt zur Desensibilisierung der Nervenfaser und zur Unterdrückung von Juckreiz.
- Proteinasen wie Trypsin, Chymotrypsin und Papain scheinen ebenfalls Juckreiz auszulösen, der durch Antihistaminika-Gabe geblockt werden kann. Trypsin aus Mastzellen aktiviert PAR-2 (Proteinase activated receptor 2), der auf peripheren Nervenfasern exprimiert wird. Erhöhte Konzentrationen von Trypsin und PAR-2 wurden bei Patienten mit atopischer Dermatitis gefunden.
- Modulation der Sensibilität:
- Prostaglandine potenzieren Histamin-induzierten Juckreiz und sind auch selber in der Lage, leichten Juckreiz auszulösen.
- Interleukine: IL-2 verursacht Juckreiz durch Aktivierung von C-Nervenfasern. IL4 kann in Mäusen atopisches-Ekzem-artige Hautveränderungen auslösen. IL-6 und der IL-6-Rezeptor werden in Nervenzellen exprimiert und vermehrt z.B. in Prurigo-Papeln gefunden.
- Neurotrophine und Nerve Growth Factor (NGF) bewirken Nervenwachstum. NGF und Neurotrophin-4 aus Keratinozyten werden bei Prurigo nodularis und bei der atopischen Dermatitis überexprimiert.
- Opioide (z.B. β-Endorphin, Enkephaline und Endomorphine) scheinen über verschiedene Opioid-Rezeptoren die Sensibilität peripherer Nervenendigungen über Hemmung z.B. von Substanz P-Ausschüttung zu vermindern. Systemisch verabreichte Opioide können jedoch Juckreiz induzieren.
- Cannabinoide vermindern über CB1- und CB2-Rezeptoren Histamin-induzierten Juckreiz. Zur Behandlung von chronischem Pruritus wurden in einer Studie topisch Cannabinoidagonisten eingesetzt. Bei 86,4% der Probanden erfolgte nach mehrwöchiger Therapie eine signifikante Juckreizlinderung.
- Die Aktivierung der Kälterezeptoren CMR1 und ANKTM1 (Ionenkanäle) durch Abkühlung der Hautoberfläche führt zu einer Reduktion von Juckreiz.
-
Eosinophile Granulozyten:
- In der Haut werden eosinophile Granulozyten bei entzündlich allergischen Erkrankungen häufig in der Nähe peripherer Nervenfasern gefunden. So stehen eosinophile Granulozyten bei der Prurigo nodularis in direktem Kontakt mit peripheren Nerven. EDN und ECP haben neurotoxische Wirkung. EDN kann in Läsionen von Patienten mit Prurigo nodularis nachgewiesen werden. Eosinophile Granulozyten können Neurotrophine wie NGF (Nerve growth factor) und BDNF (Brain-derived-neurotrophic factor) freisetzen. BDNF verhindert die Apoptose eosinophiler Granulozyten. Neurotrophine sind für ihre neurotrophe und neuroprotektive Aktivität bekannt. Weiterhin induzieren Neurotrophine die Chemotaxis eosinophiler Granulozyten. Sie stellen daher wichtige Mediatoren für die Einflussnahme der kutanen Entzündungen dar. Sie spielen eine wichtige Rolle bei dem Vorgang der Sensibilisierung und bei der Entwicklung von Pruritus. Neben Neurotrophinen können eosinophile Granulozyten auch Neuropeptide wie Substanz P, VIP (vasoaktives intestinales Peptid) freisetzen. Beide Mediatoren sind an der Vermittlung von Pruritus beteiligt.
- Mastzellen:
- Vasoaktives intestinales Peptid, Neurotensin, Somatostatin, Sekretin sowie Substanz P und Corticotropin-releasing Hormone (CRH) induzieren Juckreiz, Quaddelbildung und Erythem durch Degranulation von Mastzellen.
- Substanz P wirkt über Neurokinin-Rezeptoren auf Mastzellen und die Freisetzung von NO. Durch Stress kommt es zu erhöhten Substanz P- und CRH-Konzentrationen in der Haut und damit zur Mastzelldegranulation.
- Gemeinsam mit Substanz P wird häufig das Neuropeptid Calcitonine-gene-related Peptide (CGRP) gefunden, welches möglicherweise einen inhibitorischen Effekt auf Substanz P bewirkt.
- Leukotriene:
- Die Rolle von Leukotrienen (s.u. Eikosanoide) bei der Entstehung von Juckreiz ist unklar. Leukotrien-B4 verursacht bei Mäusen Juckreiz; die nächtliche Leukotrien-B4-Ausscheidung im Urin korreliert mit der Stärke des Juckreizes bei der atopischen Dermatitis. Substanz P, ein potenter Juckreizvermittler, setzt die Arachidonsäurekaskade zur Produktion von Prostaglandinen und Leukotrienen in Gang, Leukotrienantagonisten wirken u.a. daher antipruriginös.
- Haes:
- Ablagerungen von HAES oder Polyvinylpyrrolidon in den peripheren Nervenendigungen können ebenfalls massiven Juckreiz auslösen.
Labor
- Laboruntersuchungen die zur Abklärung des Symptoms Prurigo führen können:
- BSG, Differential-Blutbild, Harnsäure, Harnstoff, Kreatinin, Transaminasen, Alkalische Phosphatase, Bilirubin, Glukose, HbA1c Schilddrüsenfunktionstest (TSH, T3, T4), Nebenschilddrüsenfunktion (Calcium, Phosphat), Serumeisen, Ferritin, Serumproteinelektrophorese, Serumimmunelektrophorese, Antinukleäre Antikörper (ANA), Extranukleäre Antikörper (ENA), HIV-Diagnostik (ELISA, PCR)
- Röntgenbild des Thorax
- Stuhluntersuchung auf Eier, Parasiten, okkultes Blut
- Allergiediagnostik: Gesamt IgE, Histamin, Serotonin, Pricktest (Hauptallergene), Epikutantest, Urindiagnostik (Sediment, 5-Hydroxyindolacetin-Säure, Mastzellmetaboliten).
Diagnose
Der Pruritus ist ein subjektiv empfundenes Symptom, das nicht mit physikalischen oder biophysikalischen Methoden messbar ist. Daher sind verschiedenste Skalen (kategorielle Skalen, Intervall-Skalen, kontinuierliche Skalen) und Fragebögen (Worchester Itch Index, Eppendorf Itch Questionnaire) zur direkten oder indirekten (über das Kratzverhalten) Evaluation des Juckreizes entwickelt worden.
Bei der indirekten Beurteilung des Juckreizes über das Kratzverhalten ist zu beachten, dass stark juckende Erkrankungen wie z.B. die Urtikaria und die Mastozytose nur selten zum Kratzen mit Kratzerosionen, sondern vielmehr zum Reiben und Drücken der Haut führen.
Anamnestisch wichtige Faktoren die zur Abklärung des Symptoms führen können:
- Beginn (z.B. abrupt, graduell, bereits vorausgehende Juckreizepisoden)
- Zeitlicher Verlauf (z.B. kontinuierlich, intermittierend, zyklisch, nacht-betont)
- Dauer (z.B. Tage, Wochen, Monate, Jahre)
- Charakter des Juckreizes (z.B. prickelnd, brennend, stechend)
- Schwere (z.B. beeinträchtigt das alltägliche Leben bzw. die Nachtruhe)
- Lokalisation (z.B. generalisiert, lokal begrenzt, einseitig, beidseitig)
- Beziehung zu bestimmten Aktivitäten (z.B. Beruf, Hobbies)
- Provozierende Faktoren (z.B. Wasser, Hautkühlung, Luft, körperliche Anstrengung)
- Löst Kratzen, Reiben oder Druck bereits Juckreiz aus?
- Theorie des Patienten zur Ursache des Pruritus (Dosierung, Dauer und Häufigkeit der Anwendung bzw. Einnahme topischer oder systemischer Medikamente
- Gezieltes Befragen nach HAES-Infusionen (s.u. Pruritus nach HAES-Infusionen) oder Dialyse
- Bekannte lokale oder systemische Allergien
- Atopische Diathese (Ekzeme, allergische Rhinitis, allergisches Asthma)
- Vorerkrankungen (Schilddrüsen-, Leber-, Nieren- oder andere systemische Erkrankungen)
- Familienanamnese zur Atopie, Hauterkrankungen und Juckreiz
- Berufliche Tätigkeit
- Hobbies
- Soziales Umfeld (häusliche Umgebung, Personenkontakte, Ernährung, Stressfaktoren)
- Drogen (Nikotin, Alkohol, i.v.-Drogen)
- Hautpflegegewohnheiten, Gebrauch von Kosmetika
- Haustiere (Typ I Sensibilisierungen)
- Sexualanamnese (bei Pruritus genitalis)
- Reiseanamnese (Ausschluss von Epizoonosen oder Zoonosen)
- Bereits gestellte Verdachtsdiagnosen.
Therapie
Bisher gibt es kein antipruriginöses Medikament, dessen Wirksamkeit mit dem Erfolg des Aspirin in der Schmerztherapie gleichzusetzen wäre. Daher muss die Therapie individuell in Abhängigkeit von Patient und Erkrankung zusammengestellt werden.
- Allgemein:
- Tragen bequemer Kleidung (keine Wolle oder synthetische Fasern, stattdessen Baumwollkleidung)
- Vermeiden exzessiver extrem temperierter Bäder. Besser sind warmes Wasser oder kurzes Abduschen ohne austrocknende Detergenzien.
- Regelmäßige Feuchtigkeitspflege der Haut mit Basispflegeprodukten (Basodexan, Optiderm) entsprechend der individuellen Verträglichkeit (reichhaltige Emmolients zur Nacht, Cremes für den Tag).
- Ratschläge zur Unterbrechung des Juckreiz-Kratz-Kreislaufs befolgen (z.B. kalten Waschlappen auflegen, leichten Druck ausüben).
- Maßvolle körperliche Aktivität.
- Meidung von Stress und Angst.
- Meidung von Kontakt mit Staub und Hausstaubmilben.
- Meiden von heißen Speisen, Getränken oder anderen heißen Flüssigkeiten.
- Teilnahme an einer Entspannungstherapie.
- Topische Therapie:
- Individuell adaptierte Hautpflege
- Topische Glukokortikoide
- Cannabinoid-Agonisten
- Kühlende Agenzien: Schüttelmixturen (z.B. ethanolische Zinkoxidschüttelmixtur NRF)
- Lokalanästhetika (z.B. Optiderm, Lidocain-Gel)
- Antihistaminika: z.B. Diphenhydramin, Dimetinden, Promethazin
- Diverses: Capsaicin , Kampfer, Menthol-Creme 1%, Tacrolimus, Pimecrolimus, Crotamiton, u.a.
- Systemtherapie:
- Antihistaminika (auch als Hochdosistherapie in Mono- oder Mehrfachtherapie)
- Doxepin
- Systemische Glukokortikoide
- Ciclosporin A
- Ondansetron
- Paroxetin
- Thalidomid
- Opioidantagonisten (z.B. Naloxon, Naltrexon, Nalmefen)
- Neurokinin Rezeptor 1(NKR1)-Antagonisten, z.B. Aprepitant. Die Primärindikation von Aprepitant ist die chemotherapeutische Emesis (z.B. Emend 80 mg p.o./Tag). Alternativ einsetzbar bei Patienten mit chronischem Juckreiz ist der NKR1-Antagoist Serlopitant (1,0-5,0mg/Tag).
-
Physikalische Therapie:
- Kutane Feldstimulation
- Akupunktur.
- UV-Bestrahlung:
-
Psychotherapie:
- Gruppentherapie
- Verhaltenstherapie
- Biofeedback
- Selbsthilfegruppen.
Naturheilkunde
Erstes Gebot ist die Ursachensuche (dermatologische, internistische oder neurologische Grunderkrankung, Medikamente, Infekte etc.), sowie das Meiden resp. die Therapie der Auslöser. Je nach Ursache gehört auch das Meiden von Histaminliberatoren dazu.
Capsaicin ist der Wirkstoff des spanischen Pfeffers, einem Nachtschattengewächs. Gesicherte Wirkung nach Einschätzung Kommission E/ESCOP als Schmerzmittel bei Muskelschmerzen, Nervenschmerzen, Neuralgien und Skelettschmerzen in der äußerlichen Anwendung.
Capsaicin wirkt durch die Entleerung, das Auswaschung von Neuropeptiden aus den freien Nervenendigungen, wodurch es zur Analgesie kommt. Vorsicht bei zeitgleicher Wärmeapplikation! Abwaschen der Capsaicin-haltigen Creme/Salbe mit öliger Grundlage - kein Wasser! Fertigpräparate: z.B. Dolenon Salbe, Kneipp Rheumasalbe Capsaicin N, Thermo Bürger, Capsamol Salbe oder als magistrale Rezeptur mit unterschiedlicher Konzentration: Neues Rezeptur Formularium NRF: Hydrophile Capsaicin-Creme 0,025 / 0,05 oder 0,1 %, NRF 11.125
Lavendelöl, positive Monographie durch die Kommission E, entfaltet zeitgleich eine sedierende und lokalanästhetische Wirkung und kann additiv bei Pruritus eingesetzt werden. Entweder als ätherisches Öl (im Raum verdampft, resp. wenige Tropfen auf ein Tuch geben) oder systemisch in Kapselform (z.B. Lasea) wirkt Lavendelöl direkt auf das limbische System emotional ausgleichend und balancierend und erleichtert so das Einschlafen.
Unterstützend können sedierend wirkende Systemtherapeutika eingesetzt werden: Baldrian und Hopfen in Kombination wirken sedierend (positive Monographie der Kommission E), Präparate z.B. Selon, Kytta-Sedativum f, Ardeysedon,Sensinerv f, Dormoverlan, Vivinox. Zu beachten ist, dass Baldrian seine volle Wirkung erst nach 14 Tagen entfaltet.
s.a. Cannabinoide
Tabellen
Pruritus bei Erkrankungen
Diagnose |
Auftreten von Pruritus |
Atopisches Ekzem |
100% |
Urtikaria |
100% |
Skabies |
90-100% |
Irritative und kontaktallergische Ekzeme |
80-90% |
Insektenstiche |
80-90% |
Exsikkationsekzeme |
80% |
Tinea (corporis) |
80% |
Lichen planus |
80% |
Lichen sclerosus et atrophicans |
80% |
Primäre biliäre Zirrhose |
80-100% |
Bullöse Autoimmunerkrankungen |
70-80% |
Kutanes T-Zell-Lymphom |
70-80% |
Arzneiexantheme |
50-70% |
Psoriasis |
50-60% |
Herpes Zoster / Postzosterische Neuralgie |
58% / 30% |
Polyzythämia vera |
48% |
HAES-induzierter Pruritus |
40% |
Renaler Pruritus, Dialyse |
22-66% |
Somatotrope Störungen |
40-50% |
M. Hodgkin |
25-35% |
Schwangerschaft |
18% |
Hyperthyreose |
4-7,5% |
Diabetes mellitus |
3% |
Solide Malignome |
Selten |
Eisenmangel |
keine Prävalenz bekannt |
Medikamente die Pruritus induzieren können
Substanzklasse |
Generika (Beispiele) |
ACE-Hemmer |
Captopril, Enalapril, Lisinopril |
Antiarrythmika |
Amiodaron |
Antidiabetika |
Glimipirid, Metformin, Tolbutamid |
Antihypertensiva |
Clonidin, Doxazosin, Hydralazin, Prazosin, Reserpin |
Angiotensin-2-Antagonisten |
Irbesatan, Telmisartan, Valsartan |
Betablocker |
Acebutolol, Atenolol, Bisoprolol, Metoprolol, Propanolol |
Kalizium-Antagonisten |
Amlodipin, Diltiazem, Felodipin, Nifedipin, Verapamil |
Diuretika |
Furosemid, Hydrochlorothiazid, Spironolacton |
Lipidsenker |
Clofibrat, Fenofibrat, Fluvastatin, Lovostatin, Pravastatin, Simvastatin |
Tranquilizer |
Oxazepam |
Allopurinol, Probenecid |
Phytotherapie extern
Capsaicin ist der Wirkstoff des spanischen Pfeffers, einem Nachtschattengewächs. Gesicherte Wirkung nach Einschätzung Kommission E/ESCOP als Schmerzmittel bei Muskelschmerzen, Nervenschmerzen, Neuralgien und Skelettschmerzen in der äußerlichen Anwendung.
Capsaicin wirkt durch die Entleerung, das Auswaschung von Neuropeptiden aus den freien Nervenendigungen, wodurch es zur Analgesie kommt. Vorsicht bei zeitgleicher Wärmeapplikation! Abwaschen der Capsaicin-haltigen Creme/Salbe mit öliger Grundlage - kein Wasser! Fertigpräparate: z.B. Dolenon Salbe, Kneipp Rheumasalbe Capsaicin N, Thermo Bürger, Capsamol Salbe oder als magistrale Rezeptur mit unterschiedlicher Konzentration: Neues Rezeptur Formularium NRF: Hydrophile Capsaicin-Creme 0,025 / 0,05 oder 0,1 %, NRF 11.125
s.a. unter Pruritus
Phytotherapie intern
Lavendelöl, positive Monographie durch die Kommission E, entfaltet zeitgleich eine sedierende und lokalanästhetische Wirkung und kann additiv bei Pruritus eingesetzt werden. Entweder als ätherisches Öl (im Raum verdampft, resp. wenige Tropfen auf ein Tuch geben) oder systemisch in Kapselform (z.B. Lasea) wirkt Lavendelöl direkt auf das limbische System emotional ausgleichend und balancierend und erleichtert so das Einschlafen.
Unterstützend können sedierend wirkende Systemtherapeutika eingesetzt werden: Baldrian und Hopfen in Kombination wirken sedierend (positive Monographie der Kommission E), Präparate z.B. Selon, Kytta-Sedativum f, Ardeysedon,Sensinerv f, Dormoverlan, Vivinox. Zu beachten ist, dass Baldrian seine volle Wirkung erst nach 14 Tagen entfaltet.
Hinweis(e)
- Starker Pruritus führt meist zu Schlafstörungen, welcher bei psychogenem Pruritus seltener beobachtet wird.
- Psychiatrische Komorbidität mit chronischem Pruritus wurde in einer Studie mit 109 Probanden als signifikant hoch angesehen. Daher wird eine psychotherapeutische Betreuung (s.u. somatoforme Störungen) zusätzlich empfohlen.
- Nächtlicher, generalisierter Pruritus kann in Verbindung mit einer B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust) auf das Vorliegen einer malignen Erkrankung hinweisen!
- Auf die Bezeichnung "Pruritus sine materia" sollte verzichtet werden.
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