Urtikaria (Übersicht)L50.8

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Nesselausschlag; Nesselfieber; Nesselsucht; Urticaria

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Erstbeschreiber

Heberden, 1767; Cullen, 1769; Plenck, 1776; Willan (1757-1812)  gab der Urtikaria ihren Namen. 

Definition

Häufige, akute oder chronische, überwiegend exanthematische, polyätiologische Krankheitsbilder mit schubweisem Verlauf, denen ein charakteristisches meist monomorphes Hautreaktionsmuster, der Bildung von Quaddeln (Urtica = lokalisiertes Ödem der Dermis) und/oder Angioödemen (Ödem der tiefen Dermis und Subkutis) zugrunde liegt. Bemerkung: Die Urtica ist die einzige Effloreszenz die krankheitsspezifisch ist! Bei der Urtica handelt es sich um eine stark juckende, kutanvaskuläre Hautreaktion (Bestanddauer < 12 Std.) unterschiedlicher Größe, Konfiguration und Anordnung, die residuenfrei abheilt.

Angioödeme hingegen sind definiert, als nicht juckende, brennende oder schmerzende, subkutane oder submuköse Schwellungen, deren Abheilung bis zu 72 Std. andauert. Angioödeme können je nach Lokalisation und Größe lebensbedrohlich sein.

Einteilung

Klinisch unterscheidet man, je nach Dauer der Symptomatik und Ätiologie spontane (Ursache nicht eruierbar) und nicht spontane, induzierbare (Ursachen bekannt oder leicht eruierbar) sowie akute oder chronische Formen der Urtikaria:

I. Spontane Urtikaria

  1. Akute spontane Urtikaria (< 6 Wochen):
  2. Chronische spontane Urtikaria  (> 6 Wochen; chronisch kontinuierlich oder chronisch rezidivierend).

II. Induzierbare Urtikaria (Ursachen bekannt oder leicht eruierbar z.B. physikalische Urtikaria u.a.): 

  1. Urtikaria, physikalische (induzierbare):
  2. Cholinergische Urtikaria (Anstrengungsurtikaria)
  3. Adrenergische Urtikaria (Entität ist umstritten)
  4. Kontakturtikaria
    • Kontakturtikaria, nicht-allergisch (z.B. durch Brennesseln, Milben)
    • Kontakturtikaria, allergisch (z.B. durch Latex, Tierhaare)

Vorkommen/Epidemiologie

Prävalenz in der Bevölkerung: ca. 1,3%. Prävalenz bei dermatologischen Patienten: ca. 3%. Etwa 25% aller Menschen leiden mindestens 1mal in ihrem Leben an einer (meist akuten) Urtikaria. Eine Lebensprävalenz bei chronischer Urtikaria erreichen >20% aller Menschen. 

Ätiopathogenese

Allen Formen der Urtikaria ist gemein die Freisetzung verschiedener Mediatoren (z.B. Histamin, Heparin, PAF, Proteasen) aus den Mastzellen und Basophilen durch eine Vielfalt von Auslösern (s. Tab.). Die Bildung von Quaddeln beruht auf einer erhöhten Durchlässigkeit der dermalen Gefäße. Im Falle eines Angioödems sind auch tieferliegende Gefäße involviert. Die Mastzellen werden bei der Urtikaria überwiegend nicht-immunologisch, in einigen Fällen aber auch IgE-Rezeptor-vermittelt aktiviert. Von Quaddeln betroffene Haut zeigt nahezu immer eine Hochregulierung endothelialer Adhäsionsmoleküle. Perivaskulär läßt sich ein meist schütteres entzündliches Infiltrat aus neutrophilen und eosinophilen Granulozyten, aus Makrophagen und T-Zellen nachweisen.   

Man unterscheidet je nach auslösenden Faktoren:

 

 Merke! Bis zu 70% der Fälle bleiben ätiologisch ungeklärt!

Manifestation

Erwachsene>Kinder; w>m; Erkrankungsgipfel zwischen dem 20. - 50. LJ.

Klinisches Bild

Erhabene, scharf begrenzte, palpable, solitäre oder konfluierende, juckende, weißliche bis rote, auch rote weißlich umränderte (Halo), flüchtige Erhabenheiten (Urticae). Die Größe der Effloreszenzen kann sehr variabel sein, von 0,1 cm bis zu 20,0 cm un größer. Überwiegend entwickeln sich Urticae innerhalb weniger Minuten nach Histaminfreisetzung. Sie persistieren in loco < 24 Std.!

Es besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen dem klinischen Bild der Urtikaria und ihrer Ursache. So ist die cholinerge Urtikaria  eher durch kleine Quaddeln, die Arzeinmittel-induzierte durch eine großflächige hochaktive Quaddelbildung gekennzeichnet, und die Druckurtikaria durch tiefere, schmerzende rote Schwellungen. Bei der solaren Urtikaria ist der Zusammenhang zwischen solarem Expositionsort und Quaddelbildung klar durch die solare Exposition gekennzeichnet.  

Der Juckreiz bei der Urtikaria wird als "brennend, stechend oder prickelnd" beschrieben. Er tritt v.a. abends und nachts auf, kann alle Partien des Körpers betreffen, bevorzugt jedoch die Arme (> 80%), Rücken und Beine (70-80%) und den Rumpf. Wichtig: Der Juckreiz wird nie mit einem forcierten Kratzen mit den Fingernägeln (man findet nie kratzinduzierte erosive, blutende Kratzspuren der Haut) beantwortet sondern mit Reiben oder Kneifen der Haut.

Eine Sonderform der Urtikaria stellt das Histamin-vermittelte Angioödem (s.u. Angioödem, Histamin-vermitteltes) dar, das v.a. an den Augenlidern sowie im Bereich der Lippen, aber auch an anderen Hautpartien auftritt. Seltener sind Zungen- und Glottisödeme. Dauer der Symptomatik meist 1-5 Tage, danach Restitutio ad integrum.

Für die akute und chronische spontane Urtikaria wird zur Bestimmung der Krankheitsaktivität ein einheitliches und einfaches Einteilungssystem, der Urtikaria-Aktivitäts-Score ( UAS), empfohlen. Der UAS basiert auf der Beurteilung der charakteristischen Urtikariasymptome Quaddeln und Juckreiz.
Da sich Urtikariasymptome häufig in ihrer Intensität ändern, ist es zur Bestimmung der Gesamtkrankheitsaktivität nützlich, dass die Patienten mittels des UAS die Symptome einige Tage in Folge dokumentieren. Der UAS7, d. h. die Summe der Scores von sieben aufeinanderfolgenden Tagen, ist in der klinischen Praxis zur Bestimmung der Krankheitsaktivität und des Behandlungserfolges bei Patienten mit spontaner Urtikaria geeignet.

Bestimmung der Erkrankungsaktivität bei Patienten mit spontaner Urtikaria mittels Urtikaria-Aktivitäts-Score (UAS)

Score*: Quaddeln (Q): Juckreiz:
0 0=keine 0=kein
1 1=leicht (< 20 Q/24 h) 1=leicht (vorhanden, doch nicht störend)
2 2=mittel (20-50 Q/24 h) 2=mittel (störend, aber keine wesentliche Beeinflussung der täglichen Aktivitäten oder des Schlafs)
3 3=stark (> 50 Q/24 h oder große konfluierende Flächen) 3=stark (schwerer Juckreiz, der die täglichen Aktivitäten oder den Schlaf wesentlich beeinflusst)

*Summe der Scores: 0-6 pro Tag, d.h. 0-42 pro Woche (=UAS7); Angioödeme sollten separat erfasst werden.

Labor

  • Je nach Urtikariaform ist die Diagnostik unterschiedlich!
  • Allgemein: Differentialblutbild, Gesamt-IgE, ggf. spezifisches IgE, CRP, BSG, Hepatitis-Serologie, Helicobacter-Diagnostik, autologer Serumtest, antinukleäre Antikörper, Schilddrüsenantikörper, Stuhl auf Parasiten (Würmer, Hefen, pathogene Keime), Urinstatus.

Histologie

Für die klinische Diagnostik der Urtikaria ist die histologische Untersuchung meist ohne Belang. Auffällig ist ein ausgeprägtes, interstitielles dermales Ödem mit unterschiedlich stark erweiterten Gefäßen. Nur schütteres perivaskulär orientiertes Infiltrat aus Eosinophilen, Neutrophilen und wenigen Lymphozyten. Gelegentlich wenige perivasale Erythrozyten. Keine Leukozytoklasie (DD: Urtikariavaskulitis).

Direkte Immunfluoreszenz

Kein spezifisches Fluoreszenzmuster; keine diagnostische Wertigkeit.

Differentialdiagnose

  • Klinische Differentialdiagnosen:
    • Insektenstiche: akute, 0,2-0,4 cm große, meist multiple, häufig auch gruppierte, seltener einzelne, stark juckende, rote Papel(n). Bei frischen Läsionen ist stets eine zentrale Hämorrhagie nachweisbar.   
    • Erythema anulare centrifugum: chronisch aktive, zentrifugal und nur mäßig schnell wachsende (nicht innerhalb von Stunden auftretend; Markierungstest), anuläre, feste (Randbereich tastet sich wie ein nasser Wollfaden) Papeln oder Plaques (keine Quaddeln!). Häufig "korneolytische" zarte Schuppung. Wenig oder fehlender Juckreiz!. 
    • Erythema exsudativum multiforme: kokardenförmiger Aspekt ist meist immer nachweisbar. Keine Quaddeln sondern Plaques, auch Bläschen oder Blasen.
    • Urtikariavaskulitis: klinisch mit der Urtikaria weitgehend identisch. Keine Quaddeln sondern Papeln, die sich nur mäßig schnell verändern (verschwinden nicht innerhalb von Stunden; Markierungstest durchführen). Histologische Klärung (s.u.).
    • Trombidiose: rote, stark juckende, 0,1-0,3 cm große Flecken und Papeln, auch Papulovesikel, hämorrhagische Einstichstellen im Zentrum.

       Merke! Meist an Stellen auftretend, an denen die Kleidung anliegt. Jahreszeit: Spätsommer und Herbst!

    • Zerkariendermatitis: Juckende Papeln an den Invasionsstellen der Larven, wenige Minuten bis zu einer Stunde nach Exposition. Dauer: Etwa 1 Woche (nach Baden in stehenden Gewässern).
    • Dermatose, akute febrile neutrophile: AZ ist meist deutlich reduziert! Fieber, Leukozytose mit Neutrophilie! Papeln häufig neben Blasen oder Pusteln (Mischeffloreszenzen), keine Quaddeln!
    • Dermatitis herpetiformis: kleinherdige, streckseitig lokalisierte, rote Papeln oder Flecken, auch kleine Erosionen oder Bläschen. Immer stechender Juckreiz.
    • Granuloma anulare disseminatum: disseminierte, nicht juckende, permanente (nicht flüchtige) rote Flecken oder Plaques; Eigeninfiltrat ist nachweisbar.
    • Pemphigoid, bullöses: initial disseminierte Papeln oder Plaques. Im Vollbild typische, subepitheliale Blasenbildung, meist beugeseitig lokalisiert. Häufig Juckreiz. IF und Serologie sind diagnostisch!
    • Urticaria pigmentosa: meist disseminierte, ortstreue (negativer Markierungstest), 0,1-0,2 cm große, rote oder bräunliche Papeln und Flecken. Der Reibetest ist positiv (nach Reiben der Läsion Rötung oder Quaddelbildung). Juckreiz und Rötung nach warmen Bädern.
    • PUPPP: DD nur bei Schwangerschaft.
    • Melkersson-Rosenthal-Syndrom: umschriebene permanente Schwellung, evtl. Spannungsgefühl; Als DD nur bei V.a. Angioödem infrage kommend.
    • Urtikarielle (infektiöse) Exantheme: s.u. DD Exanthem.
  • Histologische Differentialdiagnosen:
    • Arzneimittelexanthem: Perivaskulär betontes Lymphozyteninfiltrat.
    • Virales Exanthem: Perivaskulär betontes Lymphozyteninfiltrat.
    • Urtikariavaskulitis: Das histologische Entzündungsmuster ist der Urtikaria analog. Unterschiedlich permanente (nicht flüchtige) rote Flecken oder Plaques. Eigeninfiltrat ist nachweisbar.
    • Urtikariavaskulitis: Das histologische Entzündungsmuster ist der Urtikaria analog. Unterschiedlich sind Zeichen der leukozytoklastischen Vaskulitis mit neutrophilen Granulozyten in den geschwollenen Wänden der Venolen. Perivaskulärer Kernstaub als Zeichen der Leukozytoklasie. Markante Erythrozytenextravasate.
    • Bullöses Pemphigoid: In der Initialphase der Blasenbildung sind die histologischen Veränderungen (dermales Ödem, Eosinophilie) sehr ähnlich und nicht sicher zu differenzieren. Verlaufsbiopsien sind notwendig. Abgrenzung durch Immunhistologie ist sicher möglich.
    • Dermatitis herpetiformis: Frühe Läsionen sind reich an eosinophilen Granulozyten. Typisch sind Papillenabszesse. Abgrenzung durch Immunhistologie ist sicher möglich.
    • Akute febrile neutrophile Dermatose: Das sehr markante, diffuse dermale Infiltrat aus neutrophilen Granulozyten schließt eine Urtikaria sicher aus.
    • Erythema anulare centrifugum: Markantes, perivaskuläres Lymphozyteninfiltrat (schließt eine Urtikaria aus), bei 1/3 der Fälle deutliche Eosinophilie. Bei der superfiziellen Form des Erythema anulare centrifugum besteht fokale Spongiose (sicherer Ausschluss der Urtikaria).

Komplikation(en)

Angioödem mit lebensbedrohlichen Anschwellungen der Atemwege.

Therapie

S.u. den jeweiligen klinischen Erscheinungsformen. S.u. Urtikaria, akute; s.u. Urtikaria, chronische; s.u. Urtikaria, physikalische.

  • Nicht sedierende Antihistaminika, in den empfohlenen Dosierungen, täglich oder bei Bedarf (in Deutschland hierfür zugelassen sind: Desloratadin, Cetirizin, Ebastin, Loratadin, Mizolastin, Rupatadin, Levocetirizin, Fexofenadin).
  • Bei Therapieresistenz kann die Dosierung deutlich erhöht werden. Entsprechend der aktuellen EACCI/GA2LEN/EDF-Leitlinien bis zur vierfach empfohlenen Dosis in 2 Portionen über den Tag verteilt.
  • Falls erfolglos: Sedierendes Antihistaminikum zur Nacht hinzugeben (nicht leitliniengerecht!; für stationäre Patienten zu empfehlen sind z.B. Clemastin, Doxepin, Hydroxyzin); ggf. zusätzlich H2-Rezeptorenblocker (z.B. Ranitidin) und/oder Leukotrienrezeptor-Antagonisten (z.B. Montelukast).
  • Wenn nach 6 Monaten keine Symptomkontrolle möglich ist, so kann leitliniengerecht ab dem 12. LJ  Omalizumab (300mg s.c. alle 4 Wochen) zusätzlich verabfolgt werden (Staubach P 2018).
  • Falls diese Therapie ohne Erfolg verläuft, bleiben als weitere Optionen der Einsatz von Ciclosporin evtl.in Kombination mit Glukokortikoiden (keine Leitlinienempfehlung!); Dapson (Evidenz?).
  • Hinweis: die Therapieeffekte können mittels des Urtikaria-Control-Tests (UCT) sehr gut kontrolliert werden (Cut-off-Wert = 12 Punkte).

Verlauf/Prognose

Unterschiedlich und abhängig vom jeweiligen Urtikariatypus. S.u. Einteilung. Der Urtikaria-Control-Test erlaubt eine Beurteilung der Krankheitssituation während der letzten 4 Wochen.

Tabellen

Auslöser der akuten und chronischen Urtikaria (modifiziert nach Zuberbier u. Henz)

Auslöser

Häufigkeit [%]

Physikalisch

ca. 50

Immunologisch (i.d.R. Typ I Allergie)

30-60

Sinusitis und Tonsillitis

15-17

Zahnentzündung

3-16

Candida im Stuhl

9

Urinveränderungen

3,5

Kryoglobuline

3

Helicobacter pylori

1-3

Erhöhte BSG

1

Erhöhter ANA-Spiegel

1

C3 + C4 erniedrigt

1

Eosinophilie

0-2

Wurmeier und Parasiten im Stuhl

0-1

Rheumafaktor (> 1:10)

0


Ursachen von akuter und chronischer Urtikaria

Auslöser im Allgemeinen

Spezielle Auslöser

Physikalische Reize

Physikalische Urtikaria

Lichturtikaria

Aquagene Urtikaria

Chemisch

Brennessel

Insektenstich

Kontaktallergene

z.B. Latex

Nahrungsmittel/Nahrungsmitteladditiva

Nahrungsmittelallergie

Nahrungsmittelunverträglichkeit

Medikamente

Antibiotika (Penicillin)

Acetylsalicylsäure

NSAR (ggf. in Kombination mit bakt. Infekten)

Insulin

Impfungen

Vaskulitiden

Infektionen

Parasiten

Würmer im Intestinaltrakt

Intestinale Candidose

Viruserkrankungen

Hepatitis-Infektionen

Grippe-Virus

Zahnwurzelgranulome/HNO-Infekte

Innere Erkrankungen

Magen-Darm-Störungen (Helicobacter-Besiedelungen)

Polyzythämie

Kälteglobulinämie

Amyloidose

Hypereosinophilie-Syndrom

Löfflersches Syndrom

Maligne Tumoren (Paraneoplasie)

Autoimmunerkrankungen

Autoimmun-Progesteron-Syndrom

Lupus erythematodes

Hormone

Schwangerschaft

Schilddrüsenerkrankungen

Psychosomatische Ursachen

Hereditäre Ursachen


Allgemeine Empfehlungen für die Diagnostik

Urtikaria, akute

Anamnese, körperliche Untersuchung, Dermographismus, keine Laboruntersuchungen, keine Testungen

Urtikaria, chronische

Anamnese, körperliche Untersuchung, Dermographismus, Differentialblutbild, Gesamt-IgE, ggf. spezifisches IgE, CRP, BSG, Hepatitis-Serologie, Helicobacter-Diagnostik, Autologer Serumtest, Antinukleäre Antikörper, Schilddrüsenantikörper, Stuhl auf Parasiten (Würmer, Hefen, pathogene Keime), Urinstatus, Provokationstestungen

Physikalische Urtikaria

Anamnese, körperliche Untersuchung, Dermographismus, Differentialblutbild, CRP, BSG

Urticaria factitia

Pseudoallergenarme Kost über 3 Wochen; Anamnese, körperliche Untersuchung, Dermographismus, Differentialblutbild, CRP, BSG

Urticaria factitia tarda

Drucktest (0,5-1,5 kg/cm2 für 10 und 20 Min.)

Kälteurtikaria

Kälteetest (Eis in Plastikröhrchen, kaltes Wasser, unterschiedliche Temeperaturen um die Toleranzschwelle zu erfassen); ggf. Test mit kaltem Wind (Ventilator); Kryoproteine, Ausschluss bakterieller oder viraler Infekte

Wärmeurtikaria

Wärmetest (Unterarm in warmes Wasser, Temperatur variieren um Toleranzschelle festzustellen)

Lichturtikaria

UV-Licht und sichtbares Licht in unterschiedlicher Wellenlänge

Urtikaria, cholinergische

Anamnese, körperliche Untersuchung, Dermographismus, Anstrengung oder heißes Bad je nach Anamnese

Diät/Lebensgewohnheiten

16 obligate Fragen an einen Patienten mit Urtikaria:

  • Seit wann besteht Ihre Nesselsucht?
  • Gab es eine Ihnen bekannte spezielle Ursache?
  • Litten Sie bei Auftreten der Urtikaria an einem fieberhaften Infekt?
  • Wurden Medikamente, z.B. fiebersenkende Mittel, eingenommen?
  • Können Sie die durchschnittliche Dauer, Ausprägung, Häufigkeit und Lokalisation der Quaddeln benennen (z.B. 1-10 Quaddeln, > 10 Quaddeln, > 100 Quaddeln)?
  • Wann und wie oft treten die Quaddeln auf?
  • Haben Sie bei den Schüben weitere Beschwerden? Atemnot, Schmerzen, Gelenkschmerzen, Husten, Durchfall, laufende Nase?
  • Leiden Sie unter weiteren Erkrankungen, z.B. Schilddrüsenerkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen?
  • Gibt es weitere Familienmitglieder mit einer Urtikaria?
  • Sind bei Ihnen oder weiteren Familienmitgliedern Allergien bekannt (z.B. Nahrungsmittelallergien, Heuschnupfen, Asthma)?
  • Gibt es vorhersehbare Situationen, in denen bei Ihnen eine Urtikaria auftritt, z.B. Wärme, Druck, Kratzen, Kälte, Wasserkontakt, Anstrengungen, Schwitzen?
  • Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?
  • Wurden Medikamente in letzter Zeit umgestellt?
  • Welche Medikamnete nehmen Sie gegen Ihre Urtikaria ein und wie hilfreich sind diese?
  • Welchen Beruf üben Sie aus, und sehen Sie einen Zusammenhang mit Ihrer beruflichen Tätigkeit?
  • Welche Hobbies üben Sie aus und sehen Sie hier einen Zusammmenhang mit Ihrer Erkrankung?

Hinweis(e)

  • Diagnostik:
    • Anamnese (Tagebuch), körperliche Untersuchung: Dermographismus, Testung auf physikalische Urtikaria, Arzneimittelkarenz (zu den auslösenden Medikamenten gehören v.a.: ASS, NSAIDs, Betablocker, ACE-Hemmer, histaminliberierende Medikamdente wie z.B. Kodein)
    • Auslassdiät für 7-10 Tage (z.B. Tee-Zwieback-Diät, Kartoffel-Reis-Diät; zu Beginn Abführen mit Glaubersalz).
    • Labor: Blutbild (Eosinophilie, IgE, CRP, Infektserologie s.u.)
    • Testungen (je nach Urtikariatyp): Pricktest und orale Provokationstest (OPT - stationär, da nicht selten eine Latenz von 6h erfolgt; seltener sind anaphylaktische Reaktionen) mit potenziellen Auslösern (Nahrungsmitteln, Additiva). 
    • Interne Foci: Tonsillen, NNH, Zähne (Wurzelgranulome),  gynäkologische und urologische Foci, Helicobacter pylori, virale Infekte (Hepatitis A,B; CMV, Coxsackie-Viren), Pilzinfektionen (Candida albicans), Parasiten (Entamoeba, Trichinella).    .
    • Autoreaktive Urtikaria: Autologer Serumtest, ANA, ENA, Schilddrüsen-AK.
    • Ausschluß Mastozytose mittels Bestimmung der Serum-Tryptase.
    • Sonstige Untersuchungen: Röntgen-Thorax, Oberbauch-Sonographie.

Für Arzt und Patienten ist die zeitweise Führung eines Urtikaria-Tagebuches hilfreich. Dies ist kostenlos erhältlich unter info@daab.de.

Literatur

  1. Cullen W (1769) Synopsia Nosologiae Methodicae. Kincaid & Creech, Edinburgh
  2. Heberden W (1767) On the Nettle-rash. Med Trans Coll Phys, London, S. 185
  3. Hogan SR et al. (2014) Adrenergic urticaria: review of the literature and proposed mechanism. J Am Acad Dermatol 70:763-766.
  4. Plenck JJ (1776) Doctrine de morbis cutaneis. Rodolphum Graeffer, Wien
  5. Raap U et al. (2010) Pruritus bei Urtikaria. Hautarzt 61: 737-742
  6. Sijapati N et al. (2022) Exercise-Induced Urticaria: A Rare Case Report. Cureus 14(3):e23062.
  7. Staubach P (2018) Urtikaria - Update zu Diagnostik, Therapie und Differenzialdiagnosen. Allergo J Int 27: 42-46
  8. Zuberbier T et al. (2011) Klassifikation und Diagnostik der Urtikaria - deutschsprachige Version der internationalen S3-Leitlinie. Allergo J 20: 249-258
  9. Zuberbier T et al. (2011) Therapie der Urtikaria - deutschsprachige Version der internationalen S3-Leitlinie. Allergo J 20: 259-276

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024