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Lichen simplex chronicusL28.0
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Charakteristisches, jedoch unspezifisches, eminent chronisches, umschriebenes, durch Scheuern hervorgerufenes, juckendes, plaqueförmiges, entzündlich-lichenoides Reaktionsmuster der Haut, das morphologisch klinisch durch die unterschiedlichen Lokalisationen und die chronische mechanische Irritation entscheidend geprägt wird. In der Literatur wurden für den Lichen simplex chonicus in unterschiedlichen Regionen verschiedene Namen geprägt (s. unten), die aber nicht als eigenständige Entitäten zu werten sind.
Ätiopathogenese
Ungeklärt
Diskutiert wird eine Minusvariante des atopischen Ekzems.
Atopiestigmata können jedoch komplett fehlen.
Beschrieben sind Beziehungen zu Magen-Darm-Störungen, Lebererkrankungen, Cholezystopathien, Diabetes mellitus
Psychogene Faktoren: vielfach wird die Symptomatik zwar beklagt; ursächlich kristallisiert sich bei geduldigem Nachfragen das Kratzen als automatisierte, manchmal als lustvoll empfundene Handlung heraus.
Manifestation
w>m; Erstmanifestation im mittleren und höheren Erwachsenenalter, seltener im Kindesalter.
Lokalisation
Vor allem Nackenregion (Lichen nuchae): "nachdenkliches" Reiben der Nackenpartien
Kinnregion (Follikuläre Keratose des Kinns, s dort): Abstützen des Kinns auf den Händen;
Streckseiten von Unterarmen
Streckseiten von Unterschenkeln (Prätibiale pruritische papulöse Dermatose): Reiben der Unterschenkel gegeneinander
Ellenbogen: Aufstützen
Innenseiten der Oberschenkel und der Knöchelregionen (häufiges Reiben der Knöchelpartien gegeneinander; möglich ist eine verruköse Komponente - Verruköser Lichen simplex chronicus)
Kreuzbeingegend (Scheuereffekte bei idiopathischem Juckreiz - s.a Notalgia paraesthetica)
Skrotum und Vulva (hier mitauslösend sind Okklusiveffekte, durch eng anliegende Kleider - Chan MP et al. 2015). S.a. unter Skrotaldermatitis, Vulvadermatitis.
Klinisches Bild
Das Leitsymptom ist der als stark und quälend empfundene Juckreiz, der sich in Stresssituationen verstärken kann. Es finden sich 10-15 cm große, rundliche oder ovale, seltener längliche oder streifenförmige Plaques, typischerweise mit einem Dreizonenaufbau: flächige zentrale Lichenifikation, randwärts lichenoide Knötchen, periphere Hyperpigmentierung. Die Plaques setzen sich aus 0,1-0,2 cm großen, soliden, planen, grau bis braunrötlichen oder hautfarbenen, nicht selten zerkratzte, lichenoiden Papeln zusammen. Bei seitlicher Betrachtung der Herde kann man häufig einen matten (lichenoiden) Glanz der Läsionen erkennen. Der Dreizonenaufbau weicht einer homogenen Flächigkeit der derben Papeln/Plaques wenn eine verruköse Komponente sich überlagernd auswirkt (starker Juckreiz mit konsekutiven Scheuereffekten).
Histologie
Ausgeprägte, plumpe Akanthose mit unregelmäßiger Elongation der meist kolbig aufgetriebenen Reteleisten. Kräftige Orthohyperkeratose mit fokaler Parahyperkeratose. Weite Kapillaren im Stratum papillare sowie in der oberen Dermis. Vorwiegend gefäßgebundenes, aber auch diffuses, eher schütteres lymphohistiozytäres Infiltrat. Meist deutliche Fibrose der Dermis, mit senkrecht zur Epidermis verlaufenden Kollagenbündeln. Das histologische Bild verlangt zu seiner Interpretation ein exaktes klinisches Korrelat.
Differentialdiagnose
Therapie
Die Erkrankung erweist sich i.A. als äußerst therapieresistent.
Therapeutische Richtlinien:
- Die Therapie des Lichen simplex chronicus ist als Langzeitstrategie anzulegen!
- Es sollte klargestellt werden, dass es sich um eine eminent chronische Erkrankung handelt!
- Bei Bedarf sollte frühzeitig ein Psychotherapeut mit in die Therapie eingebunden werden!
- Gegen den Juckreiz können Antihistaminika eingesetzt werden. Die Erfolge sind mäßig. Besser sind Glukokortikoid-haltige Salben z.B. Betamethasonvalerat R029 oder Triamcinolonacetonid-haltige Cremes oder Salben.
- Bei Sekundärinfektionen sind Kombinationstherapeutika wie Clioquinol-haltige Glukokortikoid-Externa (z.B. Locacorten-Vioform) oder Triclosan/Glukokortikoid-Kombinationen (Duogalen Creme) angezeigt.
- Kurzfristig können immer wieder Okklusionsverbände angelegt werden.
- Alternativ: Tacrolimus-haltige Externa (0,03% Protopic Salbe).
Gute Erfolge erzielt man mit mehrfachem Unterspritzen der Läsion mit Glukokortikoid-Kristall-Suspension (Volon A 10 Kristallsuspension gemischt mit 1% Xylocain).
In geeigneter Lokalisation kann Kryochirurgie (offenes Sprayverfahren, 1-2mal kurz einfrieren) eingesetzt und ggf. mit Triamcinolonacetonid-Unterspritzung kombiniert werden. Eigene Erfahrungen sind durchaus positiv.
Bei geeigneter Lokalisation kann lokale PUVA-Therapie eingesetzt werden. Bei genitaler Lokalisation empfehlen wir neben den oben angeführten Maßnahmen konsequente Anwendung von Sitzbädern, ggf. mit gerbenden Zusatzstoffen (z.B. Tannosynt).
Dermatologische Klimatherapie (Nordseebäder) bringt in einigen Fällen sehr gute Erfolge.
Bestrahlungstherapie
Verlauf/Prognose
Hinweis(e)
Entscheidend für die Diagnose sind Klinik und Histologie. Das Fehlen oder Vorhandensein von Atopie-Zeichen (Erhöhung des IgE-Spiegels, Sensibilisierungen im Epikutan- und Pricktest) hilft bei der Diagnosestellung nicht!
Bei genitalem oder perianalem Lichen simplex chronicus empfiehlt sich das Tragen einer geeigneten, nicht eng ansitzenden Unterwäsche.
Literatur
- Chan MP et al. (2015) Vulvar dermatoses: a histopathologic review and classification of 183 cases. J Cutan Pathol 42: 510-518
- Fartasch M et al. (2000) Current status of the interdisciplinary model project "Neurodermatitis Education for Children and Adolescents". Hautarzt 51: 299-301
- Lotti T et al.(2008) Prurigo nodularis and lichen simplex chronicus. Dermatol Ther 21:42-46.
- Niedner R (2003) Topical corticosteroids versus topical inhibitors of calcineurin. Hautarzt 54: 338-341
- Pandhi D et al. (2001) Lupus vulgaris mimicking lichen simplex chronicus. J Dermatol 28: 369-372
- Tan ES et al.(2015) Effective treatment of scrotallichen simplex chronicus with 0.1% tacrolimus ointment: an observational study. Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology 29:1448–1449.
- Vidal E (1886) Du lichen (lichen, prurigo, strophulus). Ann Dermatol Syphilogr (Paris) 7: 133-154
- Virgili A et al. (2003) Evaluation of contact sensitization in vulvar lichen simplex chronicus. A proposal for a battery of selected allergens. J Reprod Med 48: 33-36