Lineare IgA-DermatoseL13.8

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

(e) Linear IgA bullous dermatosis; IgA bullöses Pemphigoid; IgA bullous pemphigoid; IgA-Dermatose lineare; IgA-lineare Dermatose; LABD; LAD; Lineares IgA bullöses Pemphigoid; Linear IgA bullous dermatosis; Linear IgA-bullous dermatosis; Linear IgA disease (e)

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Erstbeschreiber

Chorzelski u. Jablonska 

Definition

Seltene, chronische, autoimmunologische, blasenbildende Dermatose mit linearer IgA- und C3-Ablagerung an der dermo-epidermalen Junktionszone, die zur Pemphigoid Gruppe gezählt wird. Grundsätzlich werden unterschieden:

IgA-lineare Dermatose (LAD) im Erwachsenalter:

  • idiopathische IgA-lineare Dermatose
  • medikamentös ausgelöste IgA-lineare Dermatose (z.B. durch At1-Rezeptor-Blocker)

IgA-lineare Dermatose im Kindesalter =  benigne chronische bullöse Dermatose bei Kindern

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz (für Deutschland und Frankreich): Ca. 0,02-0,05/100.000 Einwohner/Jahr. In  größeren Kontingenten blasenbildender Erkrankungen finden sich weniger als 1% an Patienten mit linearer IgA-Dermatose. In China und einigen Regionen Afrikas scheint die Erkrankung häufiger zu sein. 

Bei Kindern ist die Erkrankung die häufigste blasenbildende Autoimmunerkrankung!

Ätiopathogenese

Grundsätzlich müssen aus ätiopathogenetischer Sicht bei der LAD im Erwachsenenalter 2 Formen unterschieden werden.

  • Idiopathische LAD: Bei dieser Variante sind Zusammenhänge mit anderen Autoimmunerkrankungen sowie malignen Tumoren beschrieben. 
  • medikamentöse LAD: Folgende Medikamente wurden als auslösend beschrieben: Vancomycin (über 50 % der medikamenteninduzierten Fälle bei Erwachsenen sind auf Vancomycin zurückzuführen), Diclofenac, Glibenclamid, Jod, Penicillin, Piperacillin, Interferon gamma, Sulbactam, Zytostatika (Lammer J et al. 2019), Atezolizumab, COVID-19-Vakzination (Zouh H et al. 2023)

Nachgewiesen wurden mit einem hohen Prozentsatz IgA-Antikörper (bei 60% der Fälle), mit einem geringeren Prozentsatz IgG-Antikörper (30%) und seltener beide Ak-Typen (20%) gegen Autoantigene.

Zielautoantigene sind das 120 kDa-Protein LAD-1 (entsteht durch Proteolyse am NH2-Terminus der extrazellulären Domäne von BP 180 = bullöses Pemphigoid Antigen=Typ XVII-Kollagen - s.a. unter COL17A1-Gen).

Seltener sind IgA-Antikörper gegen BP230 (s.u. Dystonin). Unterschiede im Auftreten der Antikörper zwischen Erwachsenen und Kindern (chronische bullöse Dermatose des Kindesalters) existieren nicht.

Ultrastrukturell können die Antigene an den Ankerfibrillen der Lamina lucida und an der Lamina densa nachgewiesen werden.

Pathophysiologie

Mehrere HLAs, darunter HLA-B8, HLA-DR3, HLA-DQ2 und HLA-cw7, wurden mit dem Auftreten der Linearen IgA-Dermatose in Verbindung gebracht. 

Manifestation

Häufigste blasenbildende Erkrankung des Kindesalters, meist im Alter von 2-4 Jahren (Durchschnitt 2,7 Jahre) erstmals auftretend. Jungen sind im Kindesalter häufiger betroffen (m:w= 1,78 :1,0).

Beginn im Erwachsenenalter meist zwischen dem 20.-40. LJ und nach der 6. Dekade (in größeren Kontingenten lag der Durchschnitt bei Erwachsenen bei rund 60 Jahren). Im Erwachsenenalter w:m= 2:1

Lokalisation

Häufig ist der Befall des Gesichts (v.a. perioral und Ohren) und /oder des Kapillitiums.

Stamm, hier ohne besondere Prädilektionsstellen ggf. mit Betonung der Sakralregion, der Leisten - und Anogenitalregion. Diese (klassische großblasige Form) ist von ihrem Verteilungsmuster nicht von einem bullösen Pemphigoid zu unterscheiden.

Extremitäten einschließlich der Handrücken und Handflächen können betroffen sein.Varianten mit klinischer (kleinblasiger) Analogie zur Dermatitis herpetiformis zeigen eine streckseitige Betonung (Ellenbogen, Kreuzbeinregion) kleinblasiger, herpetiform oder "juwelenförmig" gruppierter Bläschen.   

Varianten mit klinischer Analogie zu dem vernarbenden Schleimhautpemphigoid zeigen Schleimhautbefall von Mundschleimhaut, Pharynx, Nase, Augen.

Klinisches Bild

Vielfach herpetiform oder rosettenartig angeordnete, aber auch anuläre oder girlandenartig konfigurierte, mäßig bis intensiv juckende, urtikarielle Plaques mit randständigen vesikulösen oder bullösen Läsionen. Die Rosettenform entsteht durch das schubweise Auftreten von ringförmigen blasigen Neubildungen um ältere noch nicht abgeheilte Blasen.   

In Einzelfällen kann das Bild der bullösen Dermatose durch eine IgA-Purpura (Purpura Schönlein-Henoch) ergänzt werden.

Bemerkung: Die klinischen Bilder entsprechen einerseits der Dermatitis herpetiformis, andererseits auch dem bullösen Pemphigoid. In seltenen Fällen finden sich auch ausgedehnte, an das Erythema exsudativum multiforme erinnernde Hauterscheinungen, auch unter dem klinischen Befund des Stevens-Johnson-Syndroms.

Bei 50%-80% der Pat. finden sich Schleimhautveränderungen, insbes. an Mundschleimhaut und Konjunktiven. Bei okulärer Beteiligung können Vernarbungen bis hin zur Erblindung auftreten.

Seltener assoziiert sind:

In seltenen Fällen sind Assoziationen mit einem angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphom (AITL), einer aggressiven Form des peripheren T-Zell-Lymphoms beschrieben worden (Colmant C et al. 2020).  

Histologie

Die Histologie der LAD ist nicht diagnostisch!

Gefunden werden sowohl subepidermale Blasenbildung mit Infiltrat aus Lymphozyten und zahlreichen neutrophilen Granulozyten, wenigen eosinophilen Granulozyten sowie gelegentlich intrapapillären Mikroabszessen (s. DD zur Dermatitis herpetiformis), als auch subepidermale Blasenbildung mit perivaskulärem und interstitiellem lymphozytärem Infiltrat.

Es exitieren Fälle bei denen eosinophile Granulozyten domineren (Abgrenzung zum bullösen Pemphigoid wird dann schwierig)  

Immunelektronenmikroskopisch lassen sich 2 Typen unterscheiden, der häufigere Lamina lucida-Typ und der Sublamina densa-Typ.

Direkte Immunfluoreszenz

Die DIF zeigt lineare IgA-Ablagerungen an der dermoepidermalen Junktionszone (100%), weiterhin, aber schwächer C3 (50%) und IgG (30%).  

Bei Spaltuntersuchungen (Präparat wird in 1 M NaCl-Lösung vorbehandelt) sind die Ablagerungen an der dermalen oder der epidermalen Seite zu finden; selten an beiden Seiten.

Immunelektronenmikroskopisch sind die Ablagerungen an der Lamina lucida sowie an der Sublamina densa zu finden.

Differentialdiagnose

Komplikation(en)

Als assoziierte Ekrankungen wurden meist in Einzelfallkausistiken beschrieben:

Bei Befall der Konjunktiven kann es zu Vernarbungen und zur Erblindung kommen.

Externe Therapie

Antipruriginöse und antientzündliche Behandlung z.B. mit 3-5% Polidocanol-Lotio (z.B. Optiderm, R200) im Wechsel mit schwachen bis mittelstarken Glukokortikoiden wie 1% Hydrocortison-Creme (z.B. Hydrogalen, R119 ), 0,1% Hydrocortison-17-butyrat-Creme (z.B. Laticort), 0,1% Methylprednisolon-Creme (z.B. Advantan), 0,1% Mometason-Fettcreme (z.B. Ecural). Bewährt hat sich auch die Behandlung mit synthetischen Gerbstoffen, z.B. Tannosynt, Tannolact.

Interne Therapie

Mittel der 1. Wahl ist DADPS (z.B. Dapson-Fatol). Einschleichende Dosierung, initial 50-75 mg/Tag, nach 2 Wochen volle Dosis von 100-150 mg/Tag bis max. 300 mg/Tag. Erhaltungsdosis nach Klinik (große Schwankungsbreite). Zu Beginn adjuvant Prednison (z.B. Decortin) 20-40 mg/Tag p.o. Bei Befundverbesserung Dapson als Monotherapie fortsetzen, bei Verschlechterung temporäre adjuvante Gabe von Prednisolon. Auslassversuch frühestens nach 6 Monaten Erscheinungsfreiheit.

Falls der klinische Erfolg unbefriedigend ist, kommt der Einsatz von Azathioprin (z.B. Imurek) 1-2 mg/kg KG/Tag in Kombination mit systemischen Kortikoiden infrage. Weitere Therapieoptionen sind Cyclophosphamid, Mycophenolatmofetil, Colchizin, Methotrexat und Ciclosporin A.

Zur Reduktion des Juckreizes evtl. zusätzlich systemische Gabe von Antihistaminika wie Desloratadin (z.B. Aerius) 5 mg/Tag p.o. oder Levocetirizin (z.B. Xusal) 10 mg/Tag p.o.

Diätetische Maßnahmen sind bei der IgA-linearen Dermatose weitgehend wirkungslos.

Operative Therapie

Im Falle der Ausbildung eines Entropiums ist eine ophthalmologische Korrektur dringend zu empfehlen.

Verlauf/Prognose

Bei der idiopathischen LAD muss mit einem jahrelangem Verlauf gerechnet werden.

Bei der medikamentös ausgelösten LAD ist nach Absetzen der auslösenden  Medikation mit einer Abheilung innerhalb weniger Wochen/Monate zu rechnen.

Während die Hautveränderungen narbenlos abheilen, kann es bei Augenbeteiligung zu Vernarbungen, im Extremfall zur Erblindung kommen.

Die Prognose der Erkrankung hängt auch von den Organbeteiligungen ab: Colitis ulcerosa, M. Crohn, IgA-Nephropathie, Gluten-sensitive Enteropathie 

Hinweis(e)

Lineare IgA-Dermatose, bullöses Pemphigoid, Pemphigoid gestationis und Schleimhautpemphigoid haben das identische Zielantigen (BP 180/Typ VIII-Kollagen). Im Gegensatz zu diesen gehört der Autoantikörper der linearen IgA-Dermatose jedoch zur IgA-Klasse.

Die Rolle der Colitis ulcerosa, als seltene Begleiterkrankung der IgA-linearen Dermatose bleibt bisher unklar. Sie kann der LAD um Jahre vorausgehen.

Fallbericht(e)

32 Jahre alte Patientin, seit 7 Jahren schubweise exanthematische, vesikulöse und urtikarielle Hautveränderungen, zunächst an den Unterschenkeln, später Gesäß und Stamm. Gesicht frei. Mehrmals immunhistologische Sicherung der Diagnose. Während der Menstruation Besserung der Hautveränderungen! Einleitung einer Therapie mit Dapson (100 mg/Tag p.o.) führte anfänglich zu sehr gutem Erfolg. Nach 1 Jahr unter Dapson erneute Schubsymptomatik, daher additive Therapie mit Methyprednisolon (MP) (4-8 mg/Tag Methyprednisolon p.o.). Zunächst Besserung. Nach 3 Monaten erneute Befundverschlechterung. Passagere Erhöhung der Therapie mit MP auf 16 mg/Tag p.o. Nach Befundbesserung erneute Reduktion auf 4 mg/Tag. 1 Jahr später erneute massive Schubaktivität. Steroid-Stoßtherapie (Methylprednisolon 250 mg/Tag i.v. an 5 Tagen). Danach vollständige Abheilung für ca. 1,5 Wochen! Anschließend deutliches Rezidiv. Derzeit mittlere Entzündungssymptomatik unter 4 mg MP und 100 mg Dapson.

Literatur

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  3. Chorzelski TP, Jablonska S (1975) Diagnostic significance of immunofluorescent pattern in dermatitis herpetiformis. Int J Dermatol 14: 429-436
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  7. Gameiro A et al. (2016) Vancomycin-induced linear IgA bullous dermatosis: associations. Dermatol Online J 22:13030/qt8k63322n.
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  12. Lammer J et al. (2019) Drug-induced Linear IgA Bullous Dermatosis: A Case Report and Review of the Literature. Acta Derm Venereol 99: 508-515.
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