Synonym(e)
Definition
Meist reversibler, plötzlich einsetzender, symptomloser, kreisrunder Haarausfall unterschiedlicher Ausprägung und unbekannter Ursache (autoimmunologische Faktoren werden diskutiert), dem histomorphologisch ein Anageneffluvium zugrunde liegt. Selten sind foudroyante Verläufe mit kompletter Kahlheit ("Kahlwerden über Nacht").
Der Schweregrad der Alopecia areata kann mit dem SALT-Score eingeteilt werden. Dieser errechnet sich aus dem Ausmaß und des Ausmasses des Haarausfalls auf der Kopfhaut und kann auch zur Therapiekontrolle eingesetzt werden.
Auch interessant
Einteilung
Man unterscheidet:
- Alopecia areata localisata
- Sonderform: Alopecia areata vom Typ der Ophiasis
- Alopecia areata diffusa
- Alopecia areata totalis
- Alopecia areata universalis (maligna)
- Alopecia areata unguium.
Vorkommen/Epidemiologie
Inzidenz unklar; betrifft etwa 1% des dermatologischen Krankengutes. Das Lebenszeitrisiko für das Auftreten der Alopecia areata liegt bei 1,7%. Die Prävalenz wird mit 0,1-0,2% angegeben. Eine eindeutige Geschlechtspräferenz findet sich nicht.
Ätiopathogenese
Alopecia areata ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Haarfollikel in der Wachstumsphase (Anagen) vorzeitig in die nichtproliferative Rückbildungsphase (Katagen) und die Ruhephase (Telogen) übergehen. Die Mechanismen, die zu Alopecia areata führen, sind nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden:
- Infektallergische Auslösung!
- Genetische Prädisposition (z.B. Genlokus TRAF1/C5); bei der Trisomie 21/(Down-Syndrom, tritt die Alopecia areata mit 10% der Fälle überdurchschnittlich häufig auf. Weiterhin ist ein Zusammenhang mit den Genen PTPN22, CTLA4 und dem IL2-Gen weithin anerkannt. Daneben wurde durch Fortschritte in der Genforschung eine zunehmende Zahl spezifischer genbezogener Loci entdeckt. So kann beispielsweise die Genanalyse von microRNAs die entscheidende Rolle von miRNAs bei der Regulierung der Genexpression aufzeigen und so zum Verständnis der funktionellen Regulationsmechanismen in Zellen und Organismen beitragen.
- Autoimmunologische Faktoren (häufige Komorbidität mit Schilddrüsenerkrankungen, rund 20% der Pat. zeigen eine Erhöhung der Anti-TPO-Antikörper bzw. der Anti-TG-Antikörper)
- AA und Zöliakie: Ein Zusammenhang zwischen AA und Zöliakie (CD) wurde erstmals 1995 aufgezeigt (Corazza GR et al. 1995) und in nachfolgenden Studien bestätigt, wobei die Prävalenzschätzungen zwischen 1:85 und 1:116 lagen (Mascart-Lemone F et al. 1995; Hallaji Z et al. 2011). Bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis wurde eine höhere Prävalenz von Alopecia areata und Vitiliga im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung festgestellt. Eine erhöhte Prävalenz von Anti-Gliadin-Antikörpern wird auch mit ausgepräger AA (Alopecia universalis) in Verbindung gebracht (Mokhtari F et al. 2016). Ertekin et al. fanden heraus, dass 41,7 % der pädiatrischen AA-Patienten positiv auf IgA-Anti-tG-Antikörper getestet wurden. Diese Patienten wiesen bei der Darmbiopsie eine totale Zottenatrophie (Marsh Typ-IIIc) auf (Ertekin V et al. 2014). Durch den Verzicht auf Gluten stellte sich das Haarwachstum wieder ein. Diese Befunde implizieren ein CD-Screening für pädiatrische AA-Patienten. Hinweis: In einer späteren Studie (2016) wurde jedoch kein signifikanter Unterschied bei den serologischen CD-Markern zwischen Fall- und Kontrollgruppen festgestellt (p=0,35), was auf die Notwendigkeit alternativer CD-Nachweisverfahren hinweist (Mokhtari F et al. 2016).
- Zusammenfassung: Trotz begrenzter Evidenz wird für refraktäre AA-Fälle ein GFD-Versuch (Gluten-freie-Diät) empfohlen (Muddasani S et al. 2021/Rusk AM et al. 2021).
-
AA und Vitamin D: AA-Patienten haben häufig niedrigere Serum-Vitamin-D-Spiegel als Kontrollgruppen. Auch die Prävalenz des Vitamin-D-Mangels ist erhöht. Die Autoren empfehlen daher, den Vitamin-D-Spiegel bei Patienten mit kreisrundem Haarausfall zu überprüfen.
- AA und Atopische Diathese (familiäres Vorkommen in 10-25% der Fälle, häufiges konkordantes Auftreten bei eineiigen Zwillingen und Assoziationen mit verschiedenen HLA-Markern: DR-4, DR-5, DR-6, DR-7, DR-11, DQ3, DQB-1)
- AA und psychische Faktoren (möglich; wissenschaftlicher Beleg fehlt)
- AA und Umweltfaktoren (z.B. Toxine) werden diskutiert, nachhaltige Belege fehlen
- Immunologie: Betroffene Haarfollikel verlieren ihr "Immunprivileg" (Haarfollikel sind durch eine fehlende MHC- und ICAM-1-Expression vor Übergriffen des Immunsystems geschützt) und exprimieren im Gegensatz zu den gesunden Haarfollikeln vermehrt Oberflächenmoleküle der MHC- und ICAM-Klasse. Hierdurch wird die Präsentation von Haarfollikelantigenen möglich. Der Nachweis dieser Autoantigene und der Nachweis von CD4- und CD8-Lymphozyten spricht für eine T-Zell-vermittelte Autoimmunpathogenese. Eine zentrale Rolle in der Pathogenese scheint jedoch den CD8-T-Zellen zuzukommen: Depletion von CD8-Zellen führt zum Haarwachstum. Hierbei scheint der Januskinase-(JAK-)Signalweg eine wichtige Rolle zu spielen. JAK-Inhibitoren (Ruxolitinib) wurden bei einigen Patienten erfolgreich eingesetzt. Weitere molekularbiologische Befunde wie eine vermehrte Expression von Zytokinen (IL-1 beta, IL-2 und Interferon gamma) in läsionaler Kopfhaut bedürfen noch ihrer Wertung. Die Initiatoren dieses Geschehens sind unbekannt.
Manifestation
Häufigkeitsgipfel im 2. und 3. Lebensjahrzehnt. Laut Statistiken sind nur etwa 6% der Patienten älter als 60 Jahre. Der jüngste beschriebene Patient war 2 Monate alt.
Keine eindeutige Geschlechtsbevorzugung, wenn auch in einigen Kollektiven eine weibliche Dominanz zu verzeichnen ist (m:w=3:7).
Familiäre Häufung nachweisbar (etwa 25-30% der Patienten; Assoziation mit Trisomie 21 und Variationen im TRAF1-Gen - Redler S et al. 2010).
Lokalisation
In den meisten Fällen ist das Kapillitium befallen (etwa 70%).
Weitere Stellen sind:
- Augenbrauen und Wimpern (1,5%)
- Barthaare (1,5%)
- Achsel- und Pubesbehaarung
- seltener Extremitäten- oder Rumpfbehaarung.
Klinisches Bild
Klinischer Verlauf:
- Das klinische Bild kann außerordentlich variabel sein. Die Erkrankung beginnt meist mit einem Einzelherd aus völliger Gesundheit, sozusagen "über Nacht". Lokale Beschwerden fehlen.
- Typischerweise finden sich kreisrunde, sich zentrifugal ausbreitende, ggf. konfluierende, nicht entzündliche, eher blasse Kahlstellen (keine Erythembildung in den befallenen Arealen).
- Im aktiven Randbereich lassen sich Haare büschelweise schmerzlos als telogene - oder dystrophsche Haare (s.u. Haarzyklus) ausziehen.
- Im aktiven Randbereich werden pathologische Stummelhaare produziert (Ausrufezeichen-Haare, Kadaverhaare - s. Abbn.)
- Follikel bleiben stets sichtbar erhalten (wichtige Abgrenzung gegenüber den vernarbenden Alopezien, bei welchen die Follikel zerstört werden).
- Nach Wochen bis Monaten setzt Haarwuchs erneut ein; häufig sind nachwachsende Haare depigmentiert. Der zeitliche Verlauf der A.a. ist zumeist chronisch, geht mit Schüben und Remissionen einher. Schübe können innerhalb weniger Tage zu großflächigem Befall bis hin zur universellen Kahlheit führen.
- Auffallend ist die Beobachtung, dass bei grau melierten Patienten die grauen Haare anfänglich verschont bleiben. Bei massivem Haarausfall kann so ein "Ergrauen über Nacht" eintreten.
Es werden 4 Schweregrade unterschieden:
- Grad 1: Einzelner Herd oder multiple Herde, < 30% des Kapillitiums
- Grad 2: Multiple Herde > 30% des Kapillitiums
- Grad 3: Alopezie des gesamten Kapillitiums (Alopecia areata totalis)
- Grad 4: Alopezie des gesamten Integumentes (Alopecia areata universalis).
Bzgl. der Progredienz der Herde prognostisch ungünstiges Zeichen: Ausrufezeichenhaare oder Kommahaare sowie kadaverisierte Haare in Form komedonenartiger "points noirs".
Histologie
Dichtes, lymphozytäres perifollikuläres Infiltrat mit fokaler Follikelinfiltration: Ausschließlich betroffen sind Haarfollikel der Anagenphase. Pathologischer Ablauf: Schädigung des Follikels durch das Infiltrat; Unterbrechung der Anagenphase; Dystrophie des Haarschafts mit resultierendem Abbrechen, unvollständiger Keratinisierung (Ausrufungszeichenhaar) oder Ausfall. Verkleinerung zum Miniaturfollikel; zyklische Erneuerung des Haarfollikels (Katagen/Telogen) bleibt erhalten, währenddessen Rückbildung des Infiltrates. Die neue Anagenphase führt entweder zu einer erneuten Infiltratattacke oder spontanem Haarwachstum.
Differentialdiagnose
- Alopecia androgenetica: charakteristisches fronto-parietales Ausfallsmuster. Protrahierter Verlauf über Jahrzehnte
- Pseudopélade: keine nosologische Entität; bezeichnet den Endzustand nosologisch unterschiedlicher Vorgänge (Lichen planus, Folliculitis decalvans; chronisch diskoider Lupus erythematodes). Klinik entsprechend!
- Alopecia specifica diffusa: Diffuse Alopezie; postive Syphilis-Serologie
- Mikrosporie: umschriebene miest entzündliche Alopezie, meist Kinder und Jugendliche. Mykologischer Nachweis
- Trichotillomanie: Umschriebene, meist unscharf begrenzte Kahlstelle (tonsurartig); seltener sind mehrere Alopezieareale vorhanden. Die Kopfhaut selbst ist unauffällig. Die Haarfollikel sind im Herd stets vorhanden (Abgrenzung zu einer narbigen Alopezie). Kurze Haarschäfte bleiben stets bestehen (typisches Zeichen und Abgrenzung zur Alopecia areata)
- Lichen planus: Meist diffuse Alopezie; follikuläre Entzündungen; weitere Zeichen des Lichen planus nachweisabr (z.B. Mundschleimhautbefall)
- Lupus erythematodes: Bei der chronisch diskoiden Form umschriebene vernarbende Alopezie. Immunhistologische Abklärung.
- Folliculitis decalvans (massive pyodermische Follikulitis): Disseminierte, kleine, follikuläre, mäßig schmerzhafte, diskrete rote Papeln; zunehmende Entzündungssymptomatik mit follikulären Pusteln, beginnender fleckförmiger, später auch großflächiger, spiegelnder Hautatrophie mit Haarlosigkeit. Charakeristisch sind am Rande der Läsionen keratotische haarbodennahe Einscheidungen der Haarschäfte. Es bilden sich reisfeldartige Konglomeratfollikel (Büschelhaarbildung).
Therapie
Therapie allgemein
Bei leichteren Formen Ausschöpfen der externen Therapiemöglichkeiten, bei rasch progredienten Formen kann direkt interne Therapie eingesetzt werden.
Therapieresistenz: Bei therapeutisch nicht zu beeinflussenden Alopezien sollte eine Perücke verordnet werden. Dies sollte natürlich bei ausgedehnten Fällen einer Alopecia areata bereits bei Therapiebeginn schon erfolgen.
Externe Therapie
Glukokortikoide, topische: Einzelherde 2mal/Tag pinseln, z.B. Prednicarbat (Dermatop Lösung), Mometason-furoat (z.B. Ecural-Lösung), Triamcinolonacetonid (z.B. Volon A Tinktur). Behandlung bis etwa 1 cm in die gesund erscheinende Umgebung hinein. Therapieergebnisse sind unbefriedigend.
Alternativ: Intrafokale, streng intrakutane Injektionen (Verwendung eines Dermojet) von Triamcinolon-Kristallsuspension (z.B. Volon A 10 verdünnt 1:3 mit LA wie Mepivacain), sind Therapie der Wahl bei Behandlung einzelner Herde. Cave! Injektionen im Schläfen- und vorderen Scheitelbereich, Gefahr der Verschleppung von Kristallen bis in die Retinaarterien mit nachfolgender Erblindung. Wiederwachsen der Haare ca. 4-6 Wochen nach Behandlungsbeginn. Dauererfolge sind fraglich.
Alternativ: Calcineurininhibitoren: Hier wurde in Studien Pimecrolimus (z.B. Elidel) 2mal/Tag auf die läsionalen Stellen eingesetzt. Gute Erfolge werden explizit bei Alopecia areata im Rahmen des atopischen Formenkreises beschrieben. Z.Zt. sind Calcineurinantagonisten ausschließlich bei der Behandlung des atopischen Ekzems zugelassen, so dass es sich beim Einsatz bei der Alopecia areata um Off-Label-Use handelt. Strengste Indikationsstellung wegen unklarer Langzeitnebenwirkungen!
Alternativ: Dithranol: Beschrieben wird auch die Erzeugung eines toxischen Kontaktekzems durch Dithranol, anfänglich 0,05%, in steigender Konzentration. Tgl. Anwendungen. Aufklärung über Dithranol-Therapie erforderlich (s.a. unter Psoriasis vulgaris).
Alternativ: Benzylnicotinat: Hyperämisierung mit 2% Benzylnicotinat oder anderen durchblutungsfördernden Substanzen (z.B. Kopftinktur hyperämisierende, Rubriment). Auftragen der Essenzen auf die haarlosen Areale. Nach Einführung kann der Patient diese Behandlung ggf. auch selbständig durchführen.
Imiquimod (Aldara 5% Creme): Kasuistisch wird über gute Ergebnisse berichtet (Off-Label-Use).
Sonstiges:
- Externe Behandlungen mit Minoxidil (z.B. Regaine), Tretinoin (z.B. Cordes VAS Creme, Pigmanorm Creme) oder Ciclosporin A können versucht werden.
- Barrón-Hernández YL et al. 2017 berichteten über gute Ergebnisse bei der Alopecia areata im Augenbrauenbereich und im Lidbereich durch das lokal applizierbare Prostaglandinderivat Bimatoprost, das eine primäre ophthalmologische Indikation besitzt (erhöhter Augeninnendruck). Eine bekannte "Nebenwirkung" dieses Präparates ist Wimpernwachstum und eine vermehrte Wimperpigmentierung (s.u. Wimpernverlängerung durch Prostaglandin-Analoga).
- Thymuskin soll in kleinen Studienkohorten einen günstigen Einfluss auf das Haarwachstum gezeigt haben.
Bestrahlungstherapie
PUVA-Therapie lokal ( PUVA-Bad-Therapie oder PUVA-Creme-Therapie). Applikation des Methoxsalens auch in Form eines PUVA-Turbans möglich. Bestimmung der MPD zur Festlegung der initialen UVA-Dosis dann langsame Steigerung der UVA-Dosis. Aufklärung des Patienten über gesteigerte Lichtempfindlichkeit in den behandelten Arealen.
Empfehlung: PUVA-Therapie 3-4mal/Woche. Bei nachweisbarer Therapieresistenz nach 20-30 Behandlungen: Absetzen der Therapie. Wirksamkeitsnachweis aus Placebo-kontrollierten Studien fehlt. Nach eigenen Erfahrungen sind Erfolge nachweisbar, leider hohe Rezidivquote und fehlender Dauererfolg!
Interne Therapie
In der europäischen Union, in den USA und Japan wurde Baricitinib, ein oraler selektiver reversibler Januskinase (JAK1/JAK2)-Inhibitor) zur Behandlung von Erwachsenen mit schwerer Alopecia areata zugelassen. Die Dosierung beträgt 2m/4mg/Tag p.o. Als Nebenwirkungen müssen opportunisitsche Infektionen (u.a. Zoster) beachtet werden (King B et al. 2023).
Interne Therapie
Glukokortikoide, systemische (zahlreiche Publikationen): Bei rasch progredienten Verlaufsformen Versuch mit Methylprednisolon (z.B. Urbason), initial 20-60 mg p.o., nach 2-3 Wochen Reduktion unter die Cushing-Schwelle. Therapiedauer: 6-8 Wochen. Lediglich morbostatische Wirkung ist zu erwarten, die nachgewachsenen Haare fallen nach Absetzen der Therapie wieder aus, nur in 20% der Fälle bleiben die Haare erhalten.
Alternativ: Glukokortikoid-Pulstherapie: In einer randomisierten Placebo-kontrollierten Studie wurden signifikante Besserungen unter einer Glukokortikoid-Pulstherapie (Prednisolon 1mal/Woche 200 mg p.o. über 3 Monate) nachgewiesen. Eine alternative Pulstherapie wurde mit 5mg/kgKG p.o. alle 4 Wochen (9-12x wiederholen) angegeben.
Alternativ: Dapson (z.B. Dapson-Fatol): 100 mg/Tag p.o. über Monate soll den Verlauf beim Erwachsenen ebenfalls günstig beeinflussen. Der Effekt ist umstritten.
Alternativ: Ciclosporin A (z.B. Sandimmun, Optoral): Hoch dosiert (4-6mg/kgKG/Tag) gfls. in Kombination mit Glukokortikoiden (Prednisolon 4-5mg/p.o. /Tag) wirksam; wegen der bekannten Nebenwirkungen des Ciclosporin A ist die Behandlung nur in Einzelfällen vertretbar. Hohe Rezidivquote nach Absetzen der Therapie.
Alternativ: Ciclosporin A - Low dose -Anwendung: Niedrig dosierte Anwendung (50-100 mg p.o./Tag) ist z.Zt. (mit gutem Erfolg -persönliche Erfahrung) in klinischer Erprobung.
Alternativ: Methotrexat: 10-15mg p.o./Woche gfls. in Kombination mit Glukokortikoiden (Prednisolon 10-20mg p.o./Tag).
Alternativ: Bei schwerer Alopecia areata kann, entsprechend EMA, der orale, selektive Januskinase-Inhibitor Baricitinib (Olumiant®) eingesetzt werden. Dieser ist seit dem 01.08.2022 bei schwerer Alopecia areata zugelassen (FDA und EMA). Opportunitische Infektionen sind als Nebenwirkungen zu beachten.
Seit November 2023 ist ein JAK Inhibitor in Deutschland zugelassen auf dem Markt. Die Europäische Kommission hat Ritlecitinib (Litfulo®) die Zulassung zur Behandlung der schweren Alopecia areata bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren erteilt. Ritlecitinib hemmt selektiv die Januskinase 3 (JAK3) und die Tyrosinkinase. Allerdings übernehmen die deutschen Krankenkasse die Kosten dieses zugelassenen Präparates nicht: § 34 SGB V schließt die Kostenübernahme von Arzneimitteln zur Verbesserung des Haarwuchses aus.
Als experimentell einzustufen sind die JAK-Inhibitoren Ruxolitinib (dieser wurde bei einigen Patienten erfolgreich eigesetzt) sowie Tofacitinib (wurde in einer Dosierung von 2x10mg/Tag eingesetzt/Jabbari et al. 2018; unter dieser Therapie kam es zu einem Neubewuchs von >50% bei rund 66% der Betroffenen). Bei beiden JAK-Inhibitoren kommt es bei längerzeitiger Verabreichung zu erheblichen Nebwirkungen. Sie sind für diese Indikation in der EU nicht zugelassen.
Unterstützend: Zinkhydrogenaspartat (z.B. Unizink 100®) 2mal/Tag 50mg p.o. oder Zinksulfat (z.B. Solvezink®) 2mal/Tag 200 mg p.o. über mindestens 6-8 Wochen. Zudem begleitend Biotin (Vitamin H) z.B. Bio-H-Tin® 1mal/Tag 1 Tbl. p.o. über mindestens 6-8 Wochen, verbessert die Haar- und Nagelqualität und verringert das Effluvium. Diese Therapieansätze werden kontrovers diskutiert.
Verlauf/Prognose
- Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß, der Anzahl der Kahlstellen, der Zeitdauer (langer klinischer Verlauf bedeutet schlechte Prognose hinsichtlich der Heilung) wie auch von den klinischen Typen (der Ophiasis-Typ hat eine besonders schlechte Heilungsprognose). Weiterhin gelten als prognostisch ungünstige Faktoren:Die Erstmanifestation im Kindesalter vor der Pubertät, das familiäre Auftreten, assoziierte Autoimmunerkrankungen, Bestehen einer atopischen Dermatitis , Nagelbeteiligung und eine Alopecia areata totalis/ universalis.
- Als Faustregel kann gelten, dass innerhalb der ersten 6 Monate 30% der Alopecia areata-Patienten Wiederwachstum oder komplette Ausheilung zeigen. Innerhalb eines Jahres sind es 50%, nach 5 Jahren 75%.
- Spontanes Wiederwachsen tritt meist im Zentrum der Kahlstelle ein und breitet sich zur Peripherie aus. Oft erscheinen zuerst dünne, komplett weiße Flaumhaare, die allmählich durch längere häufig noch unpigmentierte Haare ersetzt werden. Erst später beginnt sich das Haar normal zu färben. Bei älteren Patienten können die läsionalen Haare langzeitig weiß bleiben.
Tabellen
Mögliche Behandlungsformen der Alopecia areata in Abhängigkeit vom Grad der Erkrankung
|
Therapie |
Grad der Erkrankung |
Extern |
Hyperämisierende Substanzen |
Grad 1 |
Vitamin A-Säure |
Grad 1 |
|
Glukokortikoidtinkturen- oder lösungen |
Grad 1 |
|
Diphenylcyclopropenon |
Grad 1-2 |
|
Dithranol |
Grad 1-3 |
|
PUVA lokal |
Grad 1-3 |
|
UV-Bestrahlungen (SUP) |
Grad 1-4 |
|
|
||
Intern |
Zink |
Grad 1-4 |
Biotin (Vitamin H) |
Grad 1-4 |
|
PUVA systemisch |
Grad 2-4 |
|
Glukokortikoide |
Grad 3-4 |
|
Dapsone |
Grad 2-4 |
Hinweis(e)
Die früher als Standardtherapie der Alopecia areata aufgeführte Immuntherapie mit Diphenylcyclopropenon (alternativ: Quadratsäuredibutylester) ist heute wegen ihrer Nebenwirkungen obsolet. Sie wird an dieser Stelle nur aus historischen Gründen aufgeführt:
Diphenylcyclopropenon (DPCP): Immuntherapie mit Kontaktallergenen bei schweren, therapieresistenten Formen der Alopecia areata. Derzeit die effektivste Behandlungsart. Cave! Es existieren keine Handelspräparate (kein Arzneimittel im Sinne des Gesetzes), der behandelnde Arzt trägt die volle Verantwortung für die Therapie und ihre NW! Einmalig halbseitiges Auftragen einer 2% DPCP-Lösung am Kopf zur Erzeugung einer Kontaktsensibilisierung: 2-7 Tage (erwünschtes) Brennen und Juckreiz, Ekzemreaktion. Nächste Applikation einer hochverdünnten DPCP-Lösung (0,001%) 14 Tage nach Sensibilisierung, danach 1mal/Woche. Langsame Steigerung der Konzentration. Titration an eine Dosierung (individuell sehr verschieden), die am nächsten Tag eine Entzündungsreaktion mit Rötung und Juckreiz hervorruft und mit Schuppung abheilt. Behandlung 1mal/Woche über zunächst 6-12 Monate, ggf. Jahre. Wirkungseintritt nach ca. 10 Applikationen. Begleitende Therapie mit steroidfreien Cremes (z.B. Dermatop Basiscreme etc.). Textiler Sonnenschutz! In einer größeren Studie (142 Pat.) wurden bei rund 40% der Fälle eine "complete response, bei 15% eine "partial response", bei 20% eine "minimal response" und bei etwa 30% "no response" beobachet.
Alternativ: Quadratsäuredibutylester (SADBE): Alternative zur Behandlung mit DPCP, s.o
Hinweis(e)
Begleiterscheinungen:
Nagelveränderungen: Gehäuft Tüpfelnägel (zahlreiche kleinste Einsenkungen - nicht vergleichbar mit den Tüpfeln der Psoriasis vulgaris - die häufig zum Verlust des Nagelglanzes führen); grundsätzlich gilt, dass die Nagelveränderungen um so häufiger zu beobachten sind, je ausgedehnter die Alopezie ist. Als Maximalvariante (einer "isolierten Alopecia areata der Nägel") wird die 20-Nägel-Dystrophie diskutiert.
Weitere Nagelveränderungen:
-
Längs- und Querrillen, Trachyonychie, Rötung der Lunulae.
-
seltener: Leukonychie, Koilonychie, Onycholyse, Onychomadese.
Umschriebene Keratosen: Selten werden Keratosen an den Ellenbogen beobachtet.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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