Arzneimittelreaktion fixe L27.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Arzneimittelexanthem fixes toxisches; Arzneimittelreaktion fixe generalisierte bullöse; FDE; Fixe Arzneimittelreaktion; Fixed drug eruption; Fixes Arzneimittelexanthem; Fixes toxisches Arzneimittelexanthem; Fixe toxische Arzneimittelreaktion; Fixe toxische Arzneireaktion; GBFDE; Generalisierte bullöse fixe Arzneiexanthem; Generalized bullous fixed drug eruption; Toxidermie medicamenteuse

Erstbeschreiber

Bourns 1899; Brocq 1894;

Definition

Lokalisierte, fleck- oder plaqueförmige, auch bullöse oder exfoliative Arzneimittelreaktion,

  • die in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme von Arzneimitteln (auslösende Medikamente s. Tab.) in therapeutischer Dosis auftritt
  • sich auf einen solitären Herd oder auf wenige Herde beschränkt
  • zu Rezidiven an Ort und Stelle (Rezidiv in loco) neigt. 

Das fixe Arzneimittelexanthem (FDE) kann solitär, verstreut oder generalisiert auftreten; die Mehrheit der Patienten hat fünf oder weniger Läsionen (Pai V et al. 2014). Das Intervall zwischen der Medikamentenexposition und dem Ausbruch der FDE kann bis zu zwei Wochen betragen, aber bei den meisten Patienten, insbesondere bei denen, die bereits früher mit dem Medikament in Kontakt gekommen sind, tritt der Ausbruch innerhalb von 48 Stunden auf. Zum Zeitpunkt der Vorstellung geben die meisten Patienten an, dass in der Vergangenheit ähnliche Läsionen aufgetreten sind. Bei jedem Wiederauftreten treten die Läsionen typischerweise an denselben Stellen auf wie bei früheren Ausbrüchen, und bei wiederholter Exposition gegenüber dem verursachenden Medikament kann sich die Erkrankung auf weitere Stellen ausbreiten, die zuvor nicht betroffen waren. Bei etwa einem Viertel der Patienten treten lokale Symptome wie Juckreiz und/oder Brennen im Zusammenhang mit dem Ausbruch auf .

Ätiopathogenese

Der immunpathogenetische Mechanismus der fixen Arzneimittelreaktion ist bisher ungeklärt (s.a.unter Erythema multiforme).

Eine wichtige Rolle spielen CD8+ Memory-T-Zellen, die sich in der Basalschicht der Epidermis ruhender FDE-Läsionen befinden. CD8+ positive Zellen persistieren über Jahre in alten, bereits klinisch abgeheilten Läsionen (tissue-resident memory-t-cells) und können nach erneuter Exposition mit dem Agens über eine wahrscheinlich TNF-alpha induzierte Hochregulierung von ICAM-1 (s.u. Adhäsionsmoleküle) auf Keratinozyten exprimiert und aktiviert werden (s.a. UV Reaktivierungsreaktion). Innerhalb von 24 Stunden nach Einnahme eines verusachenden Medikaments wandern diese CD8+ T-Zellen in der Epidermis nach oben, produzieren Zytokine wie Interferon-gamma und TNF-alpha und nehmen den Phänotyp einer natürlichen Killerzelle an, die das Zelloberflächenmolekül CD56 sowie die zytotoxischen Moleküle Granzym B und Perforin exprimieren. Diese Aktivität führt zu der epidermalen Nekrose, die bei FDE beobachtet wird [15]. Gleichzeitig wandern CD4+ Foxp3+ regulatorische T-Zellen in die Epidermis ein und dämpfen den von den CD8+ T-Zellen verursachten Schaden. Die Wirkung der CD4+ regulatorischen T-Zellen, zu der auch die Produktion des entzündungshemmenden Zytokins IL-10 gehört, erklärt die selbstlimitierende Natur der Fixen Arzenimittelreaktion. Nachdem die akute Phase der FDE abgeklungen ist, verlieren die CD8+-Zellen den natürlichen Killer-Phänotyp, den sie während eines akuten Ausbruchs der FDE erworben hatten, und sie verbleiben in der Basalschicht der Epidermis an der Stelle des früheren Ausbruchs für viele Jahre in Ruhe (Mizukawa Y et al. 2008).

FDEs auf das gleiche Medikament wurden bei unmittelbaren Familienmitgliedern berichtet, was darauf hindeutet, dass es eine genetische Komponente in der Pathogenese der FDE geben könnte. Zu den Medikamenten, die bei familiären Fällen von FDE eine Rolle spielen, gehören Tetracyclin/Demeclocyclin , Feprazon , Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Diphenhydramin und Aspirin und Ibuprofen. Es wurden spezifische Assoziationen zwischen humanen Leukozytenantigen-Genen (HLA) und FDE durch bestimmte Arzneimittel festgestellt. So wurde beispielsweise festgestellt, dass der HLA-A30 B13 Cw6-Haplotyp bei Patienten mit FDE nach Trimethoprim/Sulfamethoxazol signifikant häufiger vorkommt als bei gesunden Kontrollpatienten (Özkaya-Bayazit E e al. 2001), während das HLA-B22-Allel mit feprazoninduzierter FDE assoziiert ist.

Die (histologisch deutlich hervortretende) Apoptose der Keratinozyten scheint durch eine FAS-FAS-Ligand-Interaktion (s.u. CD-Klassifikation - CD95, bzw. CD95L) induziert zu werden. 

Bemerkenswert ist die Rolle von viralen Infekten  (z.B. Herpes-simplex-Infektionen) als Co-Faktoren für das "Wiederauftreten" der fixen Arzneimittelreaktion. Für das rezidivierende "in-loco-Auftreten" kann eine sog. Recall-Reaktivierungsreaktion angenommen, wobei auch die immunologischen Abläufe noch ungeklärt sind (s.a. unter UV-Reaktivierungsreaktion).

Manifestation

FDE kann in allen Altersgruppen auftreten, auch bei Kindern und älteren Menschen. Am häufigsten tritt sie jedoch bei jungen bis mittelalten Erwachsenen auf, wobei das Durchschnittsalter zwischen 35 und 60 Jahren liegt. Das Durchschnittsalter von Patienten mit nicht-generalisierter bullöser FDE war signifikant jünger als das von GBFDE-Patienten (47,2 versus 69,1), und auch das Medianalter war ähnlich unterschiedlich (46 versus 74) [12]. FDE tritt bei Männern und Frauen im Wesentlichen gleichermaßen auf (Zaouak A et al. 2019)

Lokalisation

Ubiquitäres Auftreten ist gundsätzlich möglich. Jedoch gibt es eindeutig Prioritäten wie in Übersichtsstudien erkennbar (Jhaj R et al. 2018). Hierbei wird die Bevorzugung der oberen Extremität erkennbar (rund 50%), gefolgt von der unteren Extremität sowie von Lippen, Gesicht, Penis, Vulva; eine Beteiligung der Mundschleimhaut kann sehr prägnant auftreten (Wangenschleimhaut, Gingiva, harter und weicher Gaumen) (Ben Fadhel N et al. 2019). Die Mukosa von Glans penis und Vulva sind ebenfalls typische (häufig verkannte) Manifestationsorte.

In einer Studie wurde über eine geschlechtsabhängige Verteilung der Läsionen berichtet, wobei 89 % der Frauen eine Beteiligung der Gliedmaßen (insbesondere an Händen und Füßen) aufwiesen, während 90 % der Männer Läsionen an den Genitalien hatten (Brahimi N et al. 2010).

In einer retrospektiven Studie wurde festgestellt, dass in 68,8 % der Fälle von genitalen FDE, Läsionen der Mundschleimhaut mit genitalen Läsionen einhergingen (Özkaya E 2013). Läsionen der Mundschleimhaut waren in den meisten Fällen bullös und erosiv; bei einer Minderheit der Patienten wurde jedoch eine aphthöse oder erythematöse Morphologie beobachtet. Dies kann zu derf Fehldiagnose: Morbus Behçet führen (Özkaya E 2013). Bei etwa fünf Prozent der Patienten mit FDE sind nur die Schleimhäute ohne begleitende Hautläsionen betroffen.

 

Klinisches Bild

Solitäre oder auf wenige Herde beschränkte, 2,0-5,0 cm große (seltener bis 10 cm große), runde oder ovale (selten auch anuläre), zunächst sattrote, später blau- bis braunrote, nach Abheilung braune (postinflammatorische Hyperpigmentierung), scharf begrenzte, sukkulente, juckende oder auch leicht schmerzende Flecken oder Plaques. Blasige Umwandlung im Zentrum ist möglich. Bei intertriginösem Befall kann die Diagnose erschwert werden, weil die charakteristische klinische Morphologie dort durch einwirkende Lokalfaktoren überlagert wird. Klinisch kann an diesen Stellen eine (groß-)flächige Erosion imponieren die durch die Ablösung des Oberflächenepithels zustande kommt.

Als Maximalvariante wird die generalisierte u.U. multilokuläre, bullöse fixe Arzneimittelreaktion beschrieben (GBFDE), die bei Erwachsenen wie auch bei Kindern auftreten kann. Eine, durch ihre intertriginöse Lokalisation hervorgehobene Variante stellt das sog. "Baboon-Syndrom" dar. 

Bei Reexposition treten die Läsionen innerhalb von 24 Std. exakt an derselben Stelle wieder auf. Es kann jedoch eine Refraktärperiode unmittelbar nach Abheilung der Läsion eintreten.

Zu unterscheiden sind:

  • Klassische fixe Arzneimittelreaktion: Häufigste Form, die über eine langzeitig persistierende postinflammatorische Hyperpigmentierung abheilt
  • Nicht-pigmentierte Variante der fixen Arzneimittelreaktion: Seltenere Form; i.A. großflächiger (bis zu 10 cm groß) auftretend und ohne postinflammatorische Hyperpigmentierung abheilend
  • Urtikarielle fixe Arzneimittelreaktion: Seltene Variante, die bei Provokation wiederum urtikariell und in loco rezidiviert
  • Multilokuläre, bullöse fixe Arzneimittelreaktion: häufige Variante mit multiplen Läsionen 
  • Neutrophile fixe Arzneimittelreaktion: Extrem seltene Variante, die sich histologisch als neutrophile Dermatitis darstellt. Nur wenige Fallberichte wurden bislang publiziert

Histologie

Interface-Dermatitis mit zahlreichen apoptotischen Keratinozyten; lichenoide und perivaskuläre Entzündungsreaktion der oberen und mittleren Dermis; wenige eosinophile und neutrophile Granulozyten. Angedeutetes oder ausgeprägtes Papillenödem bis hin zur subepidermalen Spalt- oder Blasenbildung. Initial geringe, später ausgeprägte Pigmentinkontinenz.

Diagnose

Klinisches Bild mit Rezidiv in loco. 

Hinweis: Bei der Anamnese sollte auch an Augentropfen gedacht werden!

Die Ergebnisse von Prick-Scratchtestungen werden unterschiedlich bewertet. Sie werden in abgeheilten Läsionen in loco durchgeführt. In einzelnen Studien werden (z.B. für Nichtsteroidale Antiphlogistika) belastbare positive Ergebnisse von 40% berichtet (Andrade 2011) . 

Patch-Tests gelten als sicherere, wenn auch weniger empfindliche Methode zur Ermittlung des verursachenden Wirkstoffs bei FDE. Pflastertests werden an der Stelle einer früheren Läsion von FDE mindestens zwei Wochen nach Abklingen einer früheren Eruption durchgeführt. Das Medikament wird in Vaseline oder in Wasser in einer Konzentration von 10 bis 20 Prozent verdünnt. Das Pflaster wird 24 bis 48 Stunden lang aufgeklebt, und ein infiltriertes Erythem oder eine intensive lokale Reaktion stellt ein positives Testergebnis dar. Eine retrospektive Untersuchung von 52 Patienten mit einer klinischen Diagnose von FDE, die sich einem Pflastertest unterzogen, zeigte bei 40,4 % der Patienten eine positive Reaktion in der läsionalen Haut. Die positive Reaktivität betraf in dieser Studie fast ausschließlich NSAIDs, während andere Arzneimittelklassen, insbesondere Antibiotika, durchweg negative Testergebnisse ergaben, selbst wenn der klinische Verdacht hoch war. In derselben Studie war der Patch-Test auf nicht-läsionärer Haut bei allen Patienten bis auf einen negativ. Die Tatsache, dass der diagnostische Nutzen von der betroffenen Medikamentenklasse abhängt, bedeutet eine detuliche Einschränkung des Epikutantests.

Letztlich beweisend ist eine orale Provokation mit dem in Frage kommenden Medikament. Es empfihelt sich dieses Testverfahren nicht ambulant durchzuführen!     

Therapie

Absetzen der verdächtigen Substanz, je nach klinischer Ausprägung und Ausdehnung eher abwartend oder lokale Glukokortikoide.

Interne Therapie

Bei entsprechender Schwere des Krankheitsbildes: systemische Glukokortikoide in mittleren Dosierungen, z.B. 60-80 mg Prednisolonäqivalent/Tag p.o. (z.B. Decortin ®).

Später schrittweise Dosisreduktion, Magenschutz. Bei starkem Pruritus Antihistaminika wie Dimetinden, z.B. Fenistil® 2mal/Tag 1 Amp. i.v. oder Desloratadin (Aerius®) 1mal/Tag 1 Tbl. p.o.

Verlauf/Prognose

In größeren Kollektiven wurden durchschnittlich 2,6 Rezidive (1-10 Rezidive) anamnestiziert.  

Tabellen

 

 

Medikamentengruppe

Wirkstoffe

Klassische Form

Analgetika/NSAR

Acetaminophen, Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Indometacin, Naproxen, Phenazon-Derivate, Paracetamol, Sulindac

Antidepressiva/Antipsychotika

Carbamazepin, Lorazepam, Lormetazepam (Noctamid), Oxazepam, Temazepam

Antihistaminika (H1-Blocker)

Cetirizin, Dimenhydrinat, Hydroxyzinhydrochlorid (Atarax), Loratadin

Antimikrobiell wirksame Substanzen

Amoxycillin, Ciprofloxacin, Clarithromycin, Erythromycin, Fluconazol, Ketoconazol, Metronidazol, Minocyclin, Norfloxacin, Ofloxacin, Penicillin, Rifampicin, Terbinafin, Tetracycline, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Vancomycin

COX-2 Inhibitoren

Celecoxib, Parecoxib, Valdecoxib

Lokalanaesthetika

Articain, Lidocain, Mepivacain

Weitere

Aciclovir, Allopurinol, Atenolol, Barbiturate, BCG Vaccin, Benzodiazepine, Chloroquin, Clioquinol, Dapson, Foscarnet, Dextromethorphan, Diflunisal, Dimenhydrinat (Volon A), Docetaxel, Influenza Vaccin, Heparin, Interferon-Ribavirin-Kombinationen, Interleukin-2, Iopamidol (Kontrastmittel), Kakkon-To (japanische Heilpflanze), Lactose (z.B. in Botulinum-Präparationen), Magnesium, Omeprazol, orale Kontrazeptiva, Melatonin, Metamizol, Ondansetron (Zofran), Paclitaxel, Pyrimethamine-Sulfadoxine (Fansidar), Quinolone, Sulfasalazin, Sulfaguanidin, Ticlopidin, Tolmetin, Tosufloxacintosilat, Triamcinolon, Tropisetron, Tropotecan (Hyzamtin)

Nicht-pigmentierte Variante

 

Betahistin (Antiemetikum), Cimetidin, Ephedra heba ("ma huang"), Ephedrin, Paracetamol, Piroxicam, Pseudoephedrin, Tetrahydrozolin, Triamcinolonacetonid

Fallbericht(e)

Anamnese: Ein 67jähriger Patient berichtete über eine Behandlung mit Terbinafin wegen einer therapieresistenten Onychomykose. 2 Stunden nach Einnahme der 1. Tablette habe er an der Innenseite des rechten Oberarms stark juckende Quaddeln bemerkt. Hierauf sei die Behandlung abgebrochen worden. Die Symptome hätten sich zurückgebildet.

Diagnostik: Epikutan- und Pricktestungen mit Terbinafin o.B. Bei der oralen Provokation des Medikamentes (125 mg Terbinafin) entwickelte der Patient innerhalb von 3 Stunden an der Innenseite des rechten Oberarms ein juckendes Quaddelfeld von 6x6cm Größe. Die Testung wurde abgebrochen; der Patient erhielt eine symptomatische Therapie mit Prednisolon und Clemastin. Hierunter besserten sich die Symptome innerhalb von wenigen Stunden.

Diagnose: Fixe (urtikarielle) Arzneimittelreaktion.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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