Synonym(e)
Definition
Ultraviolette (UV) Reaktivierungsreaktionen sind seltene und bisher wenig bekannte, Arzneimittel-bedingte dermatitische Reaktionen, die in Arealen auftreten die zuvor einer unterschiedlich intensiven UV-Bestrahlung ausgesetzt waren. Derartige Reaktionen wurden primär nach Verabreichung von Chemotherapeutika, Antibiotika und anderen Medikamenten (z.B. Suramin - Lowitt MH et al. 1995) beobachtet. Analoge strahlenassoziierte Arzneimittelreaktionen wurden als „Radiation Recall“ nach Strahlentherapie und nachfolgender Therapie mit Zytostatika (auch andere Medikamentengruppen können derartige Recall-Reaktionen auslösen) beschrieben. UV Reaktivierungsreaktionen können innerhalb von Tagen nach UV-Exposition auftreten (z.B. nach Methotrexat), aber auch Monate später (z.B. nach Ampicillin).
Ätiopathogenese
Die UV Reaktivierungsreaktion ist eine spezielle Form einer UV-Recall-Dermatitis, die durch eine frühere Sonneneinstrahlung induziert wird. Es handelt sich um eine immunologische Reaktion, die histopathologisch durch epidermale Spongiose, durch das Auftreten intraepidermaler apoptotischer Keratinozyten charakterisiert ist (Basile FG (2011). Da es sich um ein seltenes Phänomen handelt, ist die Pathophysiologie dieser Reaktion bisher noch nicht gut charakterisiert. Es wird vermutet, dass sich in teilenden Keratinozyten durch Sonneneinstrahlung nichtletale Zellschäden entwickeln die unter einer späteren durch Arzneimittel ausgelösten Immunreaktion klinisch evident werden.
Zahlreiche Chemotherapeutika können UV Reaktivierungsreaktionen verursachen, so Taxane, Methotrexat, Gemcitabin, Etoposid, Cyclophosphamid, Paclitaxel, Anthracycline, Docetaxel / Cyclophosphamid (Burris H et al. 2010). Weiterhin wurden mehrere Antibiotika als Auslöser eines UV-Recalls identifiziert, darunter Ampicillin, Cephalosporine und Gentamicin (Hil HZ et al. 2002).
Letztlich ist auch die fixe-Arzneimittelreaktion als eine "Reaktivierungsreaktion" anzusprechen, da sie einem analogen Aktiverungsprozess folgt.
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Pathophysiologie
Die Mechanismen, die dieser Raktivierungsrfeaktion zugrunde liegen sind letztlich noch unbekannt. Anzunehmen ist eine erhöhte Reaktionsfähigkeit der Epithelzellen auf epigenetischen, transkriptionellen und metabolischen Programmen nach vorübergehender Stimulation. Dieses Phänomen wird als "trainierte Immunität" oder "angeborenes Immungedächtnis" bezeichnet. TI wurde zuerst in Zellen des angeborenen Immunsystems entdeckt, z. B. in Monozyten, Makrophagen und natürlichen Killerzellen. TI wurde aber auch in Zellen mit langer Lebensdauer, wie Stammzellen und Fibroblasten, gefunden (Naik, S et al. 2017). So konnte gezeigt werden, dass epitheliale Stammzellen (EpSCs) ein lang anhaltendes Gedächtnis für frühere Entzündungsreize, z. B. eine topische Imiquimod-Behandlung etnwickeln können, wodurch die Haut in die Lage versetzt wird, auf nachfolgende Schädigungsreize schnell zu reagieren. Nach dem ersten Stimulus behalten EpSCs die chromosomale Zugänglichkeit mehrerer kritischer Gene für die Entzündungsreaktion bei, was eine schnelle Transkription von AIM2 und seiner nachgeschalteten Effektorgene bei einem sekundären Stimulus, d. h. einer Hautverletzung, ermöglicht (Naik, S et al. 2017). Dieses Gedächtnis wird durch das Aim2-Gen vermittelt das für einen Aktivator des Inflammasoms kodiert. Das Fehlen des AIM2-Proteins oder seiner nachgeschalteten Effektoren, Caspase-1 und Interleukin-1beta, hebt das Gedächtnis der EpSCs für Entzündungen auf (Naik, S et al. 2017).
Therapie
Die Behandlung der UV Reaktivierungsreaktion ist empirisch. Die meisten Fälle wurden mit topischen Steroiden behandelt, und es ist unklar, ob sie den klinischen Verlauf oder das Risiko eines Wiederauftretens bei nachfolgenden Chemotherapiezyklen wirklich verändern oder nicht.
Verlauf/Prognose
Typischerweise neigen z.B. Taxan-induzierte Photo-Recall-Phänomene dazu, sich bei nachfolgenden Behandlungen abzuschwächen (Basile FG 2011). Der therapeutische Nutzen systemischer Steroide ist bisher ungeklärt.
Hinweis(e)
UV Reaktivierungsreaktionen sind selten, aber klinisch medizinisch wichtig. Es wird onkologischen Patienten geraten während und mehreren Monaten nach Chemotherapie UV-Expositionen explizit zu vermeiden.
Fallbericht(e)
Bei einer 43-jährigen prämenopausalen Frau wurde ein T1bN0M0-Östrogenrezeptor (ER) positives, invasives Duktalkarzinom der rechten Brust diagnostiziert. Die Patientin wurde brusterhaltend operiert und entschied sich vor der Bestrahlung für eine adjuvante Chemotherapie (Docetaxel und Cyclophosphamid). Vor Antritt der chemotherapeutischen Behandlung wurde ein lang geplanter 1-wöchiger Urlaub in Florida angetreten. Die UV-Belastungen in Florida verliefen ohne UV-Dermatitis. An Tag 5 der Chemotherapie entwickelte die Patientin ein makulo-papulöses Exanthem an den zuvor lichtexponierten Hautarealen. Nicht-UV-exponierte Hautareale blieben frei. Die Patientin erhielt 100mg Prednisolon i.v. über 5 Tage sowie extern eine Glukokortikoid-Creme mittlerer Stärke. Die Hautreaktion klang innerhalb von 2 Wochen ab. Beim 2. Zyklus der Chemotherapie (keine Dosisreduktion) trat erneut eine ähnliche, aber weniger schwerwiegende Hautreaktion auf, die jedoch deutlich geringer ausfiel sodass keine Intervention erforderlich war.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Badger J et al. (2005) Photo therapy recall with gemcitabine following ultraviolet B treatment J Clin Oncol 23: 7224– 7225
- Basile FG (2011) Docetaxel/Cyclophosphamide–Induced Ultraviolet Recall Dermatitis. Journal of Clinical Oncology
- Burris H et al. (2010) Radiation recall with anti-cancer agents The Oncologist 15: 1227– 1237
- DeVore KJ (2010): Solar burn reactivation induced by methotrexate Pharmacotherapy 30: 123e– 126e
- Domínguez-Andrés J et al. (2023) Trained immunity: adaptation within innate immune mechanisms. Physiol Rev 103:313-346.
- Guzzo C et al. (1995) Recurrent recall of sunburn by methotrexate. Photodermatol Photoimmunol Photomed 11: 55– 56
- Hil HZ et al. (2002) Photo recall of sunburn induced by radiation therapy 50 years later J Med 33: 115– 118
- Hock-Leong E et al. (2003) Photo recall phenomenon: An adverse reaction to taxanes Dermatology 207: 296– 298
- Lowitt MH et al. (1995) Cutaneous eruptions from suramin. A clinical and histopathologic study of 60 patients. Arch Dermatol 131:1147-1153.
- Naik, S et al. (2017) Inflammatory memory sensitizes skin epithelial stem cells to tissue damage. Nature 550: 475–480.
- Piipponen M et al.(2020) The Immune Functions of Keratinocytes in Skin Wound Healing. Int J Mol Sci 21:8790.
- Westwick TJ et al. (1987) Delayed reactivation of sunburn by methotrexate: Sparing of chronically sun-exposed shin Cutis 39: 49– 51
Weiterführende Artikel (10)
AIM2-Gen; Ampicillin; Antibiotika; Arzneimittelreaktion fixe; Caspase-1; Cyclophosphamid; Gemcitabin; Interleukin-1beta; Methotrexat; Radiation-Recall-Dermatitis;Disclaimer
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