Acrodermatitis continua suppurativa L40.2

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 16.09.2024

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Synonym(e)

Acrodermatitis continua of Hallopeau; Acrodermatitis continua suppurativa; Acrodermatitis perstans; Akrodermatitis continua suppurativa; Dermatitis infektiöse ekzematoide; Dermatitis pustularis; Dermatitis repens; Dermatitis vegetans; Eiterflechte; Hallopeau-Leredde-Syndrom; Hallopeau's disease; Morbus Hallopeau

Erstbeschreiber

Crocker 1888; Hallopeau 1889

Definition

Eminent chronische, sterile, meist schmerzende, pustulöse Dermatitis der Finger- (seltener: Zehen-)endglieder, die zu Haut-und Nagelatrophie, bei jahrelangem exsudativem Verlauf. Kann auch zu osteolytischen Veränderungen der Akren führen.      

Ätiopathogenese

Ungeklärt; postuliert wird die pustulöse Variante einer akral lokalisierten Psoriasis pustulosa palmaris et plantaris. In größeren Kollektiven wird allerdings nur eine schwache Assoziation zur Psoriasis gefunden. Es kann angenommen werden, dass die Entwicklung durch eine Kombination von Umwelteinflüssen, genetischen Faktoren und Anomalien des Immunsystems beeinflusst wird.

Eine Assoziation mit HLA-B27 ist beschrieben.

Weitere Assoziationen bestehen zu Mutanten des IL-36RN Gens, die bei der Akropustulose, wie bei der Psoriasis pustulosa generalisata nachgewiesen werden. IL36RN ist ein Protein-kodierendes Gen, das mit 8 weiteren Genen der Interleukin-1-Familie auf Chromosom 2 einen Zytokin-Gencluster bildet. Zytokine dieser Familie spielen eine wesentliche Rolle bei der epithelialen Barrierfunktion sowie bei entzündlichen Prozessen. 

Bei den generalisierten Formen der pustulösen Psoriasis kommt es zu einer Dysregulation der IL-36-, Th17-, Neutrophilen- und Keratinozyten-gesteuerten Entzündungswege. Die Serum- und mRNA-Spiegel der IL-17-Zytokinfamilie sind bei diesem Patientenklientel im Vergleich zu Patienten mit nicht-pustulöser Erkrankung signifikant erhöht. Da IL-17 starke neutrophile chemotaktische Faktoren sind, stehen ihre erhöhten Spiegel im Einklang mit der klinischen Pustulation. 

Weiterhin werden Mutationen im AP1S3-Gen (Adaptor related protein-1 complex subunit delta1C) nachgewiesen, einem Gen das für eine Untereinheit des Adaptorprotein complex 1 (AP-1) kodiert. Die nachgewiesenen Mutationen führen zu einer autoreaktiven Inflammationsbereitschaft über eine Überexpression von IL 36 (Setta-Kaffetzi N et al. 2014).

AP1S3-Mutationen werden ebenfalls bei der Psoriasis pustulosa generalisata und bei der Pustulosis palmoplantaris nachgewiesen (Setta-Kaffetzi N et al. 2014). 

 

Manifestation

Alter bei Erstmanifestation > 40 Jahre. In sehr seltenen Fällen wurde das Krankheitsbild auch bei Kindern beschrieben. 

Lokalisation

Dorsalseiten und Kuppen der Endphalangen der Finger und/oder Zehen. In der Regel starker Befall des Nagelorgans mit komplexer Nageldystrophie bis hin zum komplettem Verlust des gesamten Nagels (vernarbende Anonychie).

Seltener werden Bläschen oder Pusteln an den Fußsohlen oder Handflächen beobachtet.

Ein Übergang in eine Psoriasis pustulosa generalisata ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, ist aber die Ausnahme.

Klinisches Bild

Meist scharf nach proximal abgesetzte, rote, schmerzhafte, Plaques mit oberflächlichen, meist gruppierten, häufig konfluierten, 0,2-0,5 cm großen gelblichen oder weißlichen Pusteln. Daneben feuchte Schuppen und Schuppenkrusten. Pusteln bilden sich häufig auch subungual und an den Nagelfalzen. Bei einer derartigen Beteiligung kommt es zu einer, je nach Akuität der klinischen Symptomatik unterschiedliche schweren Onychodystrophie. 

Rund 20% der Fälle von Acrodermatitis chronica suppurativa sind von einer Enthesitis/Arthritis begleitet.

Ebenfalls gehäuft assoziiert ist die Exfoliatio areata linguae.

Typisch ist der eminent chronische und schubweise, jahrelange Verlauf der Erkrankung.

Bei  Fortschreiten der Erkrankung können schwere Nageldystrophien, auch der Verlust der Nägel  (narbige Anoynchie) auftreten; weiterhin werden akrale Knochenatrophien, Versteifungen der distalen Fingerendgelenke (DIP) beobachtet.

Bemerkungen:

  • Die klinisch wegweisenden Pustelationen können (z.B. durch Vorbehandlung) fehlen,  sodass  bei Erstdiagnose das Krankheitsbild als chronische Paronychie verkannt werden kann.   
  • Als Minusvariante, die v.a. bei Kindern < 8 Jahren auftritt, kann die sog. Parakeratosis Hjorth-Sabouraud bezeichnet werden. 

Histologie

Hyperkeratosen, Akanthose, unilokuläre, intraepitheliale Pustel mit neutrophilen Leukozyten, spongiforme Degeneration der Epidermiszellen im Randgebiet der Pustel.

Externe Therapie

In der akuten Schubphase Glukokortikoide unter Okklusion. Geeignet sind 0,1% Triamcinolon-Creme oder halogenierte Glukokortikoide wie 0,05-0,1% Betamethason Creme/Salbe oder Mometasonfuroat Salbe (Ecural).

Glukokortikoidkristallsuspensionen mittels Dermojet intraläsional injiziert sind bei sehr hartnäckigen Läsionen indiziert. Hinweis: Injektionen sind lokalisationsbedingt sehr schmerzhaft!

Ergänzend können adstringierende Handbäder mit Gerbstoffen (z.B. Tannosynt flüssig) durchgeführt werden.

Bestrahlungstherapie

Die lokale PUVA-Therapie als PUVA-Bad-Therapie oder PUVA-Creme-Therapie ist bei mittelschweren und schweren Formen der Acrodermatitis continua suppurativa Therapie der 1. Wahl.

Interne Therapie

Die Erkrankung ist eine klassische Indikation für eine Systemtherapie. Derzeit liegen  keine standardisierten Leitlinien für die Behandlung der Acrodermatitis continua suppurativa vor, da die Erkrankung nur selten vorkommt und auf herkömmliche externe Behandlungen kaum anspricht. Somit beruhen die Therapieerfahrungen meist auf Einzefallberichten. Biologische Therapien spielen inzwischen eine Schlüsselrolle bei der Behandlung der pustulöse Psoriasisvarianten, einschließlich der Acrodermatitis continua suppurativa. Der therapeutische Ansatz muss je nach den klinischen Merkmalen und Begleiterkrankungen des Patienten individualisiert werden (Maliyar K et al. 2019). Bisher liegen Einzelfallberichte über folgende erfolgreiche Therapien mit:

  •  Acitretin:
    • Erwachsene: Initial 0,5 mg/kg KG Neotigason/Tag, über 2-4 Wochen, dann je nach Wirkung Steigerung auf maximal 1 mg/kg KG/Tag. Erhaltungsdosis: In der Regel 0,1-0,5 mg/kg KG/Tag für weitere 6-8 Wochen, ggf. auch länger.
    • Kinder: Sehr strenge Indikation, sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung. Initial: 0,5 mg/kg KG/Tag. Erhaltungsdosis: 0,1 mg/kg KG/Tag, keinesfalls > 0,2 mg/kg KG/Tag bzw. > 35 mg/Tag.

 Merke! Die systemische Therapie sollte mit der externen Behandlung kombiniert werden.

Alternativ:

  •  Fumarsäureester (z.B. Fumaderm): Bei schweren Verläufen Versuch mit ansteigender Dosierung z.B. Fumaderm initial 1 Tbl./Tag in Woche 1 bis auf maximal 6 Tbl./Tag Fumaderm in der 6. Woche.
  •  Methotrexat: Initial 10-15 mg/Woche p.o. oder s.c. Je nach Ansprechen kann die Dosis langsam Woche für Woche reduziert werden. Erhaltungsdosis: 2,5-5,0 mg/Woche.
  •  Ciclosporin A: Reservetherapeutikum! Initial: 2,5 mg/kg KG/Tag p.o., Steigerung auf 5 mg/kg KG möglich, Dosisreduktion nach Hautbefund, möglichst niedrige Erhaltungsdosis anstreben.
  • Biologika: Der Einsatz von Biologika ist naheliegend.  In der Literatur können zahlreiche Einzelfallberichte Fälle (>50) von ACSH identifiziert, die mit Biologika behandelt wurde (Galluzzo M et al. 2019). Die meisten Fallbericht existieren zu den TNF-α-Blockern. Diese verlieren leider oft im Laufe der Zeit an Wirksamkeit,  erfordern Komedikationen oder Dosissteigerungen, um die Wirksamkeit aufrechtzuerhalten. Die Behandlung der Acrodermatitis coninua suppurativa mit Etanercept, allein oder in Kombination mit anderen Medikamenten wie Acitretin, hat zu unterschiedlich befriedigenden Ergebnissen geführt. Ein gutes Ansprechen bei ACH wurde für Adalimumab berichtet; auch Ustekinumab wurde als wirksam eingestuft, obwohl vereinzelt die therapeutische Standarddosis erst verdoppelt werden musste und schließlich erst durch Zugabe von Acitretin stabilisiert werden konnte. Selbst Ustekinumab in Kombination mit Ciclosporin und Prednison führte bei einer hochgradig resistenten Form von ACH nicht zur Heilung. Secukinumab, ein rekombinanter monoklonaler humaner Immunglobulin G1κ-Antikörper mit hoher Affinität zu dem Entzündungsmediator IL-17A, konnte ebenfalls erfolgreich eingesetzt werden. 
  • Biologika im einzelnen: 
    • Etanercept:  S.a.u. Psoriasis vulgaris. Standarddosis (Pat. > 18 J.): 2mal/Woche 25 mg s.c. Alternativ: 2mal/Woche 50 mg s.c. für bis zu 12 Wochen, anschließend 2mal/Woche 25 mg s.c.
    • Adalimumab: 40 mg s.c. alle 4 Wochen (Standarddosis)
    • Ustekinumab: 45mg s.c. alle 12 Wochen (Standarddosis) 
    • Secukinumab: Gute und anhaltende Erfolge wurden mit dem IL-17-Inhibitor Secukinumab erzielt (Galluzzo M et al. 2019; Schmid E et al. 2019)

  • Weitere Einzelfallberichte existieren zu:

Fallbericht(e)

1) Ein 43-jähriger Patient mit ausgeprägter, therapierefraktärer Akrodermatitis continua suppurativa an mehreren Fingern beider Hände erhielt nach dem Einsatz multipler, wenig erfolgreicher Topika sowie einer nur mäßig erfolgreichen Systemtherapie mit Methotrexat (15mg/Woche p.o.)  sowie Ciclosporin A (3x100mg/Tag) Adalimumab als off-label-use  in einer Dosierung von 40mg alle 2 Wochen über die Dauer von insgesamt 32 Wochen. Darunter deutliche Besserung. Bis auf das gelegentliche Auftreten von "dyshidrotischen Bläschen" im läsionalen Gebiet ist der Patient erscheinungsfrei.

2) Ein 72-jähriger Patient beklagte seit 2 Jahren schmerzhafte Erytheme und Ödeme an seinem rechten Zeigefinger. Es zeigten sich Erythem, Ödem, Schuppung und 2-3 mm große weißliche Pusteln am Nagelfalz und an der Fingerkuppe; deutliche Onychodystrophie. Die Familienanamnese war positiv für Psoriasis. Die vorherige Behandlung umfasste topische und systemische Antibiotika ohne klinischen Nutzen. Die Labortests einschließlich mikrobiologischer Untersuchungen verliefen bis auf Hinweise für latente HBV-Infektion normgerecht. Der histologische Befund zeigte intraepidermale Pusteln. Sonographisch zeigten die kleinen Gelenke der Hände Hinweise für eine Enthesitis. Aufgrund der klinischen und histologischen Merkmale wurde die Diagnose Acrodermatitis continua suppurativa (Hallopeau) gestellt.

Ein 25-jähriger Mann stellte sich im August 2021 mit Acrodermatitis continua of Hallopeau an der Endphalanx beider Daumen vor, die zu einer deutlichen Onychodystrophie mit Druckempfindlichkeit der Nägel führte. Eine 8-jährige Anamnese von Plaque-Psoriasis, die auf die Arme, die Achselhöhle, die Leiste und die Gesäßspalte beschränkt war, ging voraus. Die übrige Anamnese war negativ. Keine Medikamenteneinnahme. Keine familiäre Belastung. Initial wurde topisch mit Calcipotriol und Betamethasondipropionat-Schaum behandelt. Später ergänzend systemisch mit Acitretin und Methotrexat (15mg/Woche/per os). Der klinische Effekt war unbefriedigend. Im Juli 2022 begann der Patient mit der Behandlung mit Bimekizumab (320 mg alle 4 Wochen). Er berichtete über ein ausgezeichnetes Ansprechen. Keine UAWs. Beide Daumennägel waren unter dieser Therapie nach 2 Monaten normal nachgewachsen (Cirone KD et al. 2023).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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