Synonym(e)
Definition
Seltenes, aggressives, erythrodermisches (Erythrodermie > 80% der Hautoberfläche) und leukämisches (> 1000 zirkulierende Tumorzellen/µl im peripheren Blut; klonales T-Zell-Rezeptor-Rearrangement, erhöhtes CD4/CD8 Verhältnis, sowie der Verlust von CD7) kutanes T-Zell-Lymphom (CTCL) mit generalisierter Lymphadenopathie sowie diffusen leukämischen Infiltraten in Haut und ggf. Knochenmark. Hohe Rezidivraten sowie eine ungünstige Prognose komplizieren seinen klinischen Verlauf.
Auch interessant
Ätiopathogenese
Diskutiert wird die erythrodermische Variante der Mycosis fungoides. Der Zusammenhang ist jedoch umstritten.
Die zirkulierenden Sézary-Zellen, weisen überwiegend einen T-Helfer-Zelltyp (CD4+/Cd8+) auf, seltener sind Varianten wie CD4-/CD8+ oder CD4+/CD8-. Sie scheinen eine Th2-Reaktivität zu haben, die die Th1-Reaktion supprimiert. Hierdurch entsteht ein generelles Th1/Th2-Ungleichgewicht. Möglicherweise spielt eine Hochregulierung von GATA3, einem Schlüssel-Transkriptionsfakor bei der Th2-Differenzierung, in Sézary-Zellen eine bedeutende Rolle; ebenso die Expression von Galectin-1 auf diesen Zellen.
Neuere Untersuchungen legen nahe, dass die Sézary-Zellen von reifen T-Zellen z.B. von regulatorischen T-Zellen (Treg-Zellen), bzw. Th2- und Th17-Zellen abstammen. Dabei ist unklar, in welchem Reifestadium und durch welchen Mechanismus die Zellen arretiert werden.
Im Unterschied zur Mycosis fungoides exprimieren Sézary-Zellen vermehrt CD27. Weiterhin ist TWISTI in Sézary-Zellen hochreguliert, wohingegen es in normalen Lymphozyten nicht exprimiert wird.
Weiterhin gilt als zuverlässiger diagnostischer Marker CD158k; CD158k fungiert als ko-inhibitorischer Rezeptor auf Sezary-Zellen. Der Rezeptor CD158k erkennt CpG-Oligonukleotide (CpG-ODN), wird durch diese aktiviert und iduziert über STAT3 Apoptose.
Manifestation
Überwiegend in der 5.-7. Lebensdekade auftretend. Männer sind häufiger als Frauen betroffen.
Lokalisation
- Generalisierter Hautbefall
- Erythrodermie mit palmarer und plantarer Hyperkeratose
- Generalisierte Lymphknotenschwellung
Klinisches Bild
Zunächst großflächige, wenig charakteristische, schuppende und massiv juckende Erytheme. Rasche Entwicklung einer Erythrodermie ( Homme rouge) mit lederartig infiltrierter, zur diffusen Hyperpigmentierung neigender, braun-roter ( Melanoerythrodermie), zeitweise auch diffus nässender Haut. Hyperkeratosen an Palmae und Plantae (47% der Pat.), diffuse Alopezie (13%), Onychodystrophie, Pruritus. Obligat werden generalisiert auftretende, deutlich vergrößerte, hautnahe Lymphknoten (im Frühstadium der Erkrankung unspezifische Lymphadenopathie, später in einem hohen Prozentsatz spezifischer Befall) gefunden. Knochenmarkbefall (15%). Plaqueartige und tumoröse Hautinfiltrate können vorkommen. Klinisch charakteristisch sind scharf abgesetzte Bezirke gesunder Haut in erythrodermischer Umgebung ( Nappes claires).
Labor
Charakteristisch sind leukämische Blutbildveränderungen, die sich morphologisch (Nachweis von Sézary Zellen im Blutausstrich oder im Buffy coat mittels Elektronenmikroskopie), immunphänotypisch (CD4/CD8 Ratio > 10 oder CD4+/CD7- T-Zellen > 40%) oder molekularbiologisch (Nachweis eines T-Zell-Klons mittels Southern-Blot oder PCR, chromosomale Alterationen) fassen lassen.
- Blutbild: Leukozytose, relative Lymphozytose, Nachweis großer lymphozytischer Zellen (Lutzner-Zellen - oder Sézary-Zellen) > 5% der Gesamtlymphozyten; Absolutzahlen: > 1000 Zellen/ml. PCR: T-Zellrezeptor-Gen-Rearrangement (diagnostisch wichtig aber nicht beweisend; Nachweis der Monoklonalität der β oder γ Kette). FACS-Analyse: CD2 pos., CD3 pos., CD4 pos., CD5 pos., CD27pos., CD45 pos., RO pos. CD27 wird als spezifischer Marker für Sézary-Zellen diskutiert.
- Polyklonale Hypergammaglobulinämie bei 25% der Pat.
- Monoklonale Hypergammaglobulinämie bei 29% der Pat.
- LDH-Erhöhung bei 40% der Pat.
- Erhöhung der CD4/CD8 Ratio bei 20-25% der Pat.
- TCR-Rearrangement in der Haut bei 89% der Pat.
- TCR-Rearrangement im Blut bei 84% der Patienten.
Histologie
- Monomorphes, subepidermales Infiltrat aus atypischen Lymphozyten mit stark gelapptem Kern (Lutzner Zellen) und deutlicher Epidermotropie. Abszessartige Anhäufung der Tumorzellen im Epithel (Pautrier-Abszesse) sind vorhanden jedoch seltener als bei der MF im Plaquestadium: vereinzelt sind Blasten nachweisbar sowie eosinophile Granulozyten und atypische Plasmazellen. Epidermis: Unregelmäßige Akanthose, fokale Parakeratose, Spongiose.
- Immunhistologie: Die Tumorzellen exprimieren einen T-Helfer-Zelltyp (CD3+; CD4+; CD45R0+: 80% der Fälle); CD7 neg. Große Blasten sind reaktiv für CD30.
- Klonalität der T-Zell-Population läßt sich sowohl in der Haut wie auch im peripheren BLut nachweisen.
- Die Ursache für das "Homing" in die Haut ist noch unklar. Um in die Haut zu gelangen müssen die T-Zellen bestimmte "Homing-Rezeptoren" exprimieren. Hierzu gehören das kutane Lymphozytenantigen (CLA), das auf normalen ZH2-Zellen nicht exprimiert wird. CLA ist ein Kohlenhydratmolekül, das unter Beteiligung einer Fucosyltransferase VII (fut7) an ein Kernprotein gebunden wird. Andere Homing-spezifischen Faktoren sind CCR4, CCR8, CCR10 und CXR3. Durch Blockade dieser Faktoren ergeben sich möglicherweise neue therapeutische Ansätze.
Diagnose
Differentialdiagnose
Klinisch:
- Erythrodermische Psoriasis: psoriatische Anamnese; häufig Pustelbildungen die beim Sézary-Syndrom fehlen. Keine Tumorzellen im peripheren Blut.
- Erythrodermische atopische Dermatitis: meist kombinierte mit einer jahrelangen Atopie-Anamnese; keine Alopezie; Nachweis von spez. IgE. Keine Tumorzellen im peripheren Blut.
- Pityriasis rubra pilaris: jahrelange Krankheitskarriere, mögliche Familiarität; keine Tumorzellen im peripheren Blut.
- Erythrodermisches Arzneimittelexanthem: plötzliches Ereignis; meist exfoliative Blasenbildung.
Histologisch:
- Andere T-Zell-Lymphome: bei dieser schwierigen Differenzialdiagnose ist der klinische Befund miteinzubeziehen.
Therapie
Viele retrospektive Studien zur Therapie beinhalten keine präzisen Angaben zur Diagnostik und Stadieneinteilung der Erkrankung, was einen Vergleich der therapeutischen Optionen unmöglich macht. Wir sehen die Rangfolge der angeführten Therapiemodalitäten beim Sézary Syndrom entsprechend weitgehend der S2-Leitlinie (2021):
Therapie der ersten Wahl:
- Extrakorporale Photopherese (als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Verfahren). Monotherapeutische ECP sicherte in einer Patientengruppe (n = 37) eine Überlebenszeit von 60 Monaten (in einer historischen Kontrollgruppe: 30 Monate). Gute Behandlungsergebnisse wurde in einer Gruppe mit 12 Pat. mit einer Kombinationstherapie von ECP, PUVA (3mal/Woche), IFN-alpha (3mal/Woche 3-9 Mio. IE) und externen Glukokotikoiden erreicht. Weitere in Einzelstudien belegte Kombinationspartner mit ECP sind: GM-CSF (s.u. Wachstumsfaktoren) und Bexaroten.
- PUVA-Therapie + Interferon alfa-2a
- Addendum: Interferon-alpha (Roferon®) wurde mittlerweile vom Markt genommen und steht nicht mehr zur Behandlung zur Verfügung. Generika des Medikaments gibt es nicht. In der Literatur finden sich einige Fallberichte zur erfolgreichen Behandlung mit verfügbarem off-label eingesetzten pegylierten Interferonen (PEG-IFN).
Therapie der 2. Wahl:
-
Mogamulizumab (Poteligeo)
ist der erste zugelassene monoklonale Anti-CCR4-Antikörper zur gezielten Therapie von systemisch vorbehandelten Erwachsenen mit Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom. In der Zulassungsstudie zeigte Mogamulizumab im Vergleich zur Behandlung mit Vorinostat eine deutliche Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, zudem war die Gesamtansprechrate mehr als fünffach höher. - Bexaroten (Second-line Therapie)
- Low-dose Methotrexat
- Chlorambucil/Glukortikoide (Winkelmann-Schema)
- Ganzkörperbestrahlungen mit schnellen Elektronen (über einen Zeitraum von 12-16 Wochen; GD 10-36Gy)
- Denileukin Diftitox (das Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen [ Off-Label-Use])
- Alemtuzumab (MabCampath): gentechnologisch hergestellter, humanisierter monoklonaler IgG1-Kappa-Antikörper, der spezifisch an das 21- bis 28-kDa-Glykoprotein CD52 (wird von B-und T-Zellen exprimiert) auf der Zelloberfläche von Lymphozyten bindet.
- Doxorubicin (pegyliertes liposomales Doxorubicin ist im Regefall nicht zu Lasten der gesetzl. Krankenkassen verordnungfähig), Fludarabin, Cladribin, Gemcitabin
- Allogene Stammzeltransplantation
- Brentuximab Vedotin (Off-Label-Use)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Baccaredda A (1937) Reticuloendotheliosi cutanea e melanodermia. Atti Soc ital Derm Sifilogr: 649-657
- Baccaredda A (1939) Reticulohistiocytosis cutanea hyperplastica cum melanodermia. Arch Derm Syph (Berlin) 179: 209-256
- Beylot-Barry M et al. (2005) Is bone marrow biopsy necessary in patients with mycosis fungoides and Sézary syndrome? Br J Dermatol 152: 1378-1379
- Booken N et al. (2010) Die Kombinationstherapie mit extrakorporaler Photopherese, Interferon-alpha, PUVA und lokalen Glukokortikoiden in der Behandlung des Sézary-Syndrom. JDDG 8: 428-438
- Bunn PA et al. (1994) Systemic therapy of cutaneous t-cell lymphomas (mycosis fungoides and the sezary syndrome). Ann Internal Med 121: 592-602
- Dummer R et al. (2001) Current pathogenetic aspects of Sezary syndrome and mycosis fungoides Hautarzt 52: 189-192
- Duvic M et al. (2001) Phase 2 and 3 clinical trial of oraö bexarotene (Tagretin capsules) for the treatment of refractory or persistent early-stage cutaneous T-cell-lymphoma. Arch Dermatol 137: 581-593
- Fierro MT et al. (2006) Expression pattern of chemokine receptors and chemokine release in inflammatory erythroderma and Sezary syndrome. Dermatology 213: 284-292
- Fung MA et al. (2002) Practical evaluation and management of cutaneous lymphoma. J Am Acad Dermatol 46: 325-357
- Introcaso CE et al. (2008) Total skin electron beam therapy may be associated with improvement of peripheral blood diease in Sezary syndrome. JAAD 58: 592-595
- Karsai S et al. (2008) Sézary syndrome coexisting with B-cell chronic lymphocytic leukemia: case report. Dermatology 216: 68-75
- Macheiner W et al. (2003) Sezary syndrome and seronegative polyarthritis: treatment with extracorporeal photochemotherapy. J Am Acad Dermatol 48: 220-226
- Nicolay JP et al. (2016) Das Sézary-Syndrom: von ungelösten Fragen zu neuen Therapieansätzen. JDDG 14: 256-265
- Olsen et al. (2001) Pivotal phase III trial of two dose levels of denileukin difitox for the treatment of cutaneous T-cell lymphoma. J Clin Oncolog 19: 376-378
- RichardsonSK et al. (2006) High clinical response rate with multimodality immunmodulatory therapy for Sezary-syndrome. Clin Lymphoma Myeloma 7: 226-232
- Scarisbrick JJ et al. (1999) Secondary malignant neoplasms in 71 patients with Sezary syndrome. Arch Dermatol 135: 1381-1385
- Schappell DL et al. (1995) Treatment of advanced mycosis fungoides and sezary syndrome with continuous infusions of methotrexate followed by fluorouracil and leucovorin rescue. Arch Dermatol 131: 307-313
- Sézary A, Bouvrain Y (1938) Érythrodermie avec présence de cellules monstrueuses dans le derme et le sang circulant. Bull Soc Franc Derm Syph 45: 254-260
Verweisende Artikel (14)
Alemtuzumab; Bexaroten; CCR4-Inhibitoren; Hydrochlorothiazid; Mogamulizumab; Mycosis fungoides Erythrodermie-Stadium; Non-Hodgkin-Lymphome; Persistierende Lichtreaktion; Reticulohistiocytosis cutanea hyperplastica benigna cum melanodermia; Reticulohistiocytosis cutanea hyperplastica maligna cum melanodermia; ... Alle anzeigenWeiterführende Artikel (32)
Alemtuzumab; Alopezie (Übersicht); Atopische Dermatitis (Übersicht); Bexaroten; Brentuximab Vedotin; CD158k; CD-Klassifikation; CpG-Oligonukleotide; Denileukin Diftitox; Erythrodermie (Übersicht); ... Alle anzeigenDisclaimer
Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.