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Urtikaria akute spontaneL50.8
Synonym(e)
Definition
Nicht länger als 6 Wochen bestehende Urtikaria, die in über 90% aller Fälle 2-3 Wochen nach dem ersten Auftreten spontan abheilt.
Vorkommen/Epidemiologie
Eine akute Urtikaria (in 50% der Fälle mit einem Angioödem kombiniert) tritt bei 20-25% der Bevölkerung 1mal im Leben auf (Lebenszeitprävalenz).
Ätiopathogenese
Polyätiologische Genese!
Infekte: Ein Zusammenhang mit akuten Infekten kann häufig nachgewiesen werden und wird in den meisten Leitlinien bejaht. Am häufigsten sind Assoziationen mit viralen Infekten des oberen Respirationstraktes. Auch bakterielle Infekte (Sinusitiden, Harnwegsinfekte, gastrointestinale Infekte) können ursächlich sein. Die beste Evidenz existiert für die Infektion mit Helicobacter pylori).
Nicht selten kann ein Kombinationseffekt von Infektion und Medikamenteneinnahme eintreten (v.a. Antiphlogistika, nichtsteroidale insbes. Aspirin oder Antibiotika).
Arzneimittel können auf unterschiedliche Arten auslösend wirken. So können bestimmte Medikamente (Opiate, Muskelrelaxantien, Röntgenkontrastmittel, versch. Antibiotika, Biologika) eine direkte Histaminliberation induzieren. Andere Medikamente (nicht-steroidale Antiphlogistika) setzen im Rahmen einer Analgetika-Hypersensitivität Cysteinyl-Leukotriene bei.
Typ I-Allergien (Akute spontane allergische Urtikaria): Als auslösende Ursache sind Typ I-Allergien bei Erwachsenen < 1% nachweisbar; bei Kindern (häufig vorbestehendes atopisches Ekzem) ist eine IgE-vermittelte akute Urtikaria (meist Nahrungsmittelallergien) bis zu 15% nachweisbar. In diesen Fällen sind weitere Erkrankungen des atopischen Formenkreises (Rhinitis allergica, allergisches Asthma bronchiale, orales Allergiesyndrom) vorbekannt. Die ursächlichen Nahrungsmittelallergien (Bemerkung: diese Allergien sind den Pat. meist bekannt) werden durch Ei, Kuhmilch, Erdnuss, Baumnüsse, Soja, Weizen, Fisch, Schalentiere (s.u. Nahrungsmittelallergene) ausgelöst. In Portugal wurde eine Urtikaria (Angioödem) auf Fischnematoden (Anisakiasis) beschrieben (Anisakis simplex ist ein häufiger Parasit von Fischen und die Anisakiasis ist in Japan, wo Sushi häufig aus frisch gefangenem Fisch hergestellt wird, heute noch verbreitet; Mensch ist akzidenteller Fehlwirt).
Intoleranzreaktionen (Pseudoallergie) durch Arzneimittel oder durch biogene Amine können vereinzelt als Ursache einer akuten Urtikaria nachgewiesen werden.
Manifestation
m:w=1:1; am häufigsten sind jüngere Menschen betroffen, v.a. Kinder mit atopischer Dermatitis;
Klinisches Bild
Akut aufgetretene, erhabene, scharf begrenzte, palpable, solitäre oder konfluiert, juckende, weißliche bis rote Quaddeln. Die Größe der Effloreszenzen kann sehr variabel sein, von stecknadelkopfgroß bis großflächig. Überwiegend entwickeln sich Urticae innerhalb weniger Minuten nach Histaminfreisetzung. Gelegentlich ist das Orangenhautphänomen auslösbar. Die Erkrankung heilt innerhalb von längstens 6 Wochen, meist bereits innerhalb von 1-2 Wochen ab.
Als klinische Sonderform der akuten Urtikaria stellt sich das ( Histamin-induzierte) Angioödem dar, das mit akuten Schwellungen des Gesichts, v.a. der Lippen und Augenlider einhergeht.
Histologie
Therapie allgemein
Eliminieren bzw. Meiden eines auslösenden Agens (Infektion, Medikamente, Nahrungsmittelallergene) so weit möglich. Häufig sind die Ursachen nicht zu eruieren. Die Therapie ist dann auf eine symptomatische Akuttherapie auszurichten.
Externe Therapie
Kühlende feuchte Umschläge im Gesicht (0,9% NaCl-Lösung), juckreizstillende Lotion mit Zusatz von z.B. Polidocanol 2-5% als Fertigarzneimittel (z.B. Optiderm Lotion/Creme), als Rezeptur (z.B. Polidocanol-Creme 2–5% bzw. R200) oder 1% Menthol-Lösung.
Alternativ: Glukokortikoid-haltige Cremes/Emulsionen wie 0,5-2% Hydrocortison-Creme oder Eulsionen wie R123 , R120 .
Hinweis: Die gerne verwendeten Antihistaminika-haltige Gele (z.B. Fenistil, Tavegil, Soventol) zeigen mäßige Erfolge.
Interne Therapie
- Lokalisierte Form: Bei Juckreiz orale, nicht sedierende Antihistaminika wie Desloratadin (Aerius) 1mal/Tag 10 mg p.o. oder Levocetirizin (Xusal) 1mal/Tag 5 mg p.o.
- Generalisierte Form ohne Schleimhautbeteiligung: Im akuten Schub Antihistaminika i.v. wie Dimetinden (z.B. Fenistil) 1-2mal/Tag 1 Amp. i.v. oder Clemastin (z.B. Tavegil) 2-4 mg i.v. Später Umstellung auf orales nicht sedierendes Antihistaminikum. Glukokortikoide in mittleren Dosierungen wie Prednisolon (z.B. Solu Decortin H) initial 50-100 mg i.v., dann schrittweise Dosisreduktion je nach Klinik. Später Umstellung auf ein orales Präparat wie Methylprednisolon (z.B. Urbason) oder Prednisolon.
- Generalisierte Form mit Schleimhautbeteiligung und Angioödem: Volumensubstitution, Glukokortikoide hoch dosiert i.v. wie Prednisolon (z.B. Solu Decortin H) 250-500 mg, ggf. auch höher. Nach klinischem Befund ggf. auch wiederholte Gabe. Schrittweise Dosisreduktion nach Klinik 250-150-100-75-50-25 mg und Umstellung auf orales Präparat wie Methylprednisolon (z.B. Urbason).
Antihistaminika initial z.B. Dimetinden (z.B. Fenistil) 4 mg i.v. (Umsetzen auf orale Medikation bis 6 mg/Tag, Reduktion nach Klinik) oder Clemastin (z.B. Tavegil) 2-4 mg. - Bei Larynx-Glottisödem: Zusätzlich Adrenalin (Suprarenin 1:1000) 0,3-0,5 ml s.c., auch wiederholte Gabe möglich. In hochakuten Fällen: nach Verdünnen von 1 ml der handelsüblichen Epinephrin-Lösung (1:1000) auf 10 ml oder unter Verwendung einer Epinephrin-Fertigspritze (1:10.000) werden zunächst 0,5-1,0 ml (= 0,05-0,1 mg Epinephrin) unter Puls- und Blutdruckkontrolle langsam i.v. injiziert (0,1 mg/Min.).
Cave! Eine Maximaldosis von 1 mg Adrenalin sollte i.d.R. nicht überschritten werden.
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Merke! Gefahr von Arrhythmien bis zum Kammerflimmern und myokardiale Ischämie!
Sauerstoffgabe 4-6 l/Min. Falls erforderlich Intubation. Ultima ratio sind Koniotomie bzw. Tracheotomie. - Insbesondere bei Atemnot und begleitender obstruktiver Atemwegserkrankung Injektion von Terbutalinsulfat (z.B. Bricanyl) 0,5-2,0 mg/Tag i.v. oder Fenoterol (z.B. Berotec Dosier Aerosol) einmal 1 Hub.
- Generalisierte Form mit Angioödem und anaphylaktischem Schock: Stadiengerechte Schocktherapie.
Literatur
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