Thalidomid

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Talidomida; Thalidomide; Thalidomidum

Definition

Thalidomid (N-Phtalimidoglutarimid) ist ein Glutamatderivat, das als Racemat in R- und S- Enantiomeren vorliegt. Die Plasmaproteinbindung beträgt 55% bzw. 65%. Über 90% des aus dem Gastrointestinaltrakt aufgenommen Wirkstoffes wird innerhalb von 48 Std. über Urin und Fäzes ausgeschieden. Der "first-pass" Effekt der Leber ist minimal, da es fast ausschließlich hydrolysiert und passiv über die Niere ausgeschieden wird. Die Maximalkonzentration liegt bei 1-2 mg/l und wird circa 3-4 Std. nach Administration erreicht. Unklar ist die Ausscheidung von Thalidomid über Muttermilch und Sperma.

Halbwertzeit

4,7–12,7 h

Pharmakodynamik (Wirkung)

  • Sedativ: Aktivierung des zentralnervösen Schlafzentrums.
  • Wahrscheinlich antineoplastisch: Durch die Reduktion von CRP und IL-6 vermehrtes Ansprechen von Nierenzellkarzinomen auf IL-2.
  • Antiangiogen: Verminderung der Produktion von FGF-2 und VEGF, Hemmung der Angioneogenese, über eine Rezeptorhemmeung von VEGFR durch Interferenz mit Interleukin-6 (Il-6) sowie durch Immunmodulation über die Steuerung der Zytotoxizität von NK-und Killerzellen.
  • Immunmodulatorisch: Inhibierung der Funktion verschiedener Entzündungszellen.
  • Reduktion von Zellproliferationen.

Indikation

Dosierung und Art der Anwendung

S. Tabelle 1.

Unerwünschte Wirkungen

Teratogenität, Exantheme, Pruritus, Urtikaria, Obstipation, Müdigkeit, Verlangsamung des Reaktionsvermögens, Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen. Bei längerer Einnahme treten evtl. sensorische Neuropathien der oberen Extremitäten mit handschuhförmigem Verteilungsmuster, mit Par- und Hypästhesien auf (sofortiges Absetzen des Präp., regelmäßige neurologische Untersuchungen!).

Merke! Treten unter der Therapie Pruritus, Erytheme oder Quaddeln auf, kann zunächst mit H1-Antagonisten versucht werden, die Beschwerden zu unterdrücken!

Wechselwirkungen

Wirkungssteigerung ZNS-dämpfender Substanzen wie Sedativa, Barbiturate, Neuroleptika, trizyklischer Antidepressiva und Alkohol. Erhöhung des Wirkspiegels und der Toxizität von Acetaminophen.

Kontraindikation

  • Schwangerschaft (Phokomelie, Schädigungen des inneren und äußeren Ohres, Atresien des Gastrointestinaltraktes, Missbildungen des Herzens und der großen Gefäße bereits bei einmaliger Einnahme des Präparates in der Frühschwangerschaft), Stillzeit, Thalidomid-Überempfindlichkeit.
  • Weiterhin: Nicht durch Lepra induzierte Polyneuritiden oder Polyneuropathien, z.B. verursacht durch Blei, Schwermetalle, Alkoholabusus, Vitaminmangel, Arzneimittel, Diabetes mellitus. Kein gesicherter Konzeptionsschutz.
  • Toxische epidermale Nekrolyse.

Präparate

Thalidomide Celgene

Hinweis(e)

Merke! Thalidomide Celgene für die Anwendung in Deutschland ist nur über Apotheken zu beziehen, die für das S.T.E.P.S-Programm der Fa. Celgene registriert sind.

Cave! Frauen, die mit Thalidomid therapiert werden sollen, müssen eine effektive Antikonzeption betreiben, mit mindestens zwei Methoden. Hier schreibt das S.T.E.P.S-Programm eine hoch effektive Methode kombiniert mit einer effektiven Methode vor. Hocheffektiv wirksam sind Intrauterindevice [Spirale], Tubenligation, Vasektomie beim Partner, hormonelle Antikonzeption mit "Pille", Hormonspritze oder Hormonimplantat. Effektive Methoden sind Latex-Kondome, Diaphragma, Portiokappe. Zudem muss die Antikonzeption mindestens 4 Wochen vor Thalidomidtherapie beginnen. Männer, die mit Thalidomid behandelt werden sollen, müssen gemäß S.T.E.P.S-Programm ausnahmslos Latex-Kondome bei jedem sexuellen Kontakt mit Frauen mit Geburtspotenzial verwenden. Hocheffektive Antikonzeption bei der Partnerin ist ebenfalls zu empfehlen. Siehe auch Apremilast, ein Thalidomit-Analogon.

Patienteninformation(en)

Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen sind eingeschränkt. Die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen wird erheblich beeinträchtigt. Das Führen von Fahrzeugen, die Bedienung von Maschinen oder sonstige gefährliche Tätigkeiten sollten während der Behandlung unterbleiben!

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bekanntmachung der deutschen Bundesärztekammer (2004) Dt Ärztebl: 101
  2. Chasset F et al. (2018) Efficacy and tolerance profile of thalidomide in cutaneous lupus erythematosus: A
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  3. Dander CS et al. (2004) Successful treatment of cutaneous langerhans cell histiocytosis with thalidomide. Dermatology 208: 149-152
  4. Du W, Hattori Y et al. (2004)Tumor angiogeneseis in the bone marrow of multiple myeloma patients and its alteration by thalidomide treatment. Pathol Int 54: 285-294
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  7. Ständer S et al. (2006) Diagnostic and therapeutic procedures in chronic pruritis. J Dtsch Dermatol Ges 4: 350-370
  8. Teo SK et al. (2004) Clinical pharmacokinetics of thalidomide. Clin Pharmacokinet 43: 311-27
  9. Wu JJ et al. (2005) Thalidomide: dermatological indications, mechanisms of action and side-effects. Br J Dermatol 153: 254-273

Tabellen

Dosierung bei verschiedenen Indikationen

Indikation

Dosierung

Erythema nodosum leprosum

100-400 mg/Tag p.o.

Erhaltungsdosis 50-100 mg/Tag

Prurigo nodularis Hyde

200-400 mg/Tag p.o.

Aktinische Prurigo

100-300 mg/Tag p.o.

Chronisch-diskoider Lupus erythematodes

100-400 mg/Tag p.o.

Stomatitis aphthosa

100-400 mg/Tag p.o.

M. Behçet

200-400 mg/Tag p.o.

Graft-versus-Host-Erkrankung

100-800 mg/Tag p.o.

Erhaltungsdosis 100-200 mg/Tag

Nephrogener Pruritus

100 mg/Tag p.o.

Post-Zoster-Neuralgie

100-300 mg/Tag p.o.

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