Thrombangiitis obliterans I73.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Billroth-von-Winiwarter-Erkrankung; Buerger-Krankheit; Buerger`s disease; Buerger-Syndrom; Endangiitis obliterans; Endarteriitis; Leo-Buerger-Krankheit; Morbus Winiwarter-Buerger; TAO; von-Winiwarter-Buerger-Erkrankung; Winiwarter-Bürger M.

Erstbeschreiber

Friedländer, 1876; von Winiwarter, 1879; Buerger, 1908

Definition

Entzündliche, schubweise verlaufende, nicht-atherosklerotische (autoimmunologische?), multilokuläre, segmentale, meist obliterierende Panarteriitis der kleinen und mittleren Arterien und Venen, die v.a. junge männliche Raucher betrifft (Buerger 2009). Die Erkrankung darf diagnostiziert werden, wenn die klinischen Erscheinungn vor dem 40.Lebenjahr begannen , die distalen Arterien (Unterschenkel, Hand-Fuß) selektiv betroffen sind und eine Thrombophlebitis saltans vorliegt.  

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweite Verbreitung mit höherer Prävalenz im Orient, Indien, Südostasien, Osteuropa. Geschätzte Inzidenz von 6,8/100.000 weißer Männer zwischen 22 und 44 Jahren. In Israel liegt die Inzidenz bei 1:5000 /Jahr.

Ätiopathogenese

Unbekannt. 

Tabakmissbrauch: Auffällig ist die sehr enge Beziehung des Auftretens der Erkrankung und der Krankheitsschübe zu einem zumeist schweren Tabakmissbrauch („no tabacco, no Buerger’s disease“). Die ausgeprägten geographischen und ethnischen Prävalenzunterschiede deuten auf genetische Faktoren hin (es bestehen Assoziationen zu HLA-A9, HLA -B5), die eine besondere Suszeptibilität für die Erkrankung bei gleichzeitigem aktiven und/oder passiven Raucherverhalten hervorruft (Nikotin induziertes Eigenantigen in der Gefäßwand).

Genetik: MICA-Genotypisierungsdaten bei 81 japanischen Patienten mit Takayasu-Arteriitis, 38 japanischen Patienten mit Thrombangiitis oblterans und 160 gesunden japanischen Kontrollpersonen zeigten, dass Polymorphismen im MICA-Gen signifikant mit Takayasu-Arteriitis bzw. Thrombangiitis obliterans assoziiert waren (Kimura A et al. 1998) .

Immunologie: Nachweisbar sind Ablagerung von Immunglobulinen und Komplement in der Gefäßintima, jedoch nur in frischen Läsionen. Sie konzentrieren sich um die Lamina elastica interna, die im Rahmen dieses inflammatorischen Geschehens zwar alteriert wird, im Gegensatz zu vielen anderen Vaskulitiden jedoch erhalten bleibt (Klein-Weigel et al. 2014). Diskutiert wird auch ein durch Streptokokken bedingte Initiierung des Prozesses. Pathogenetisch weisen Anti-Elastin-Antikörper auf eine gesteigerte zellvermittelte Immunität gegen Kollagen hin.

Manifestation

Meist bei Männern auftretend (in 98% der Fälle Raucher), vor allem zwischen dem 17. und 44. Lebensjahr. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau scheint sich in den letzten Jahren zu Ungunsten von Frauen zu verändern (frühere Zahlen belegten ein Verhältnis von 100:2,5; neuere Zahlen belegen ein Verhältnis von m:w=3:1)

Lokalisation

Vor allem untere Extremitäten (infrapopliteal).

Klinisches Bild

Raucheranamnese!

Selektiver Befall der distalen Arterien und Venen, rezidivierende, meist oberflächliche Thrombophlebitiden, Thrombophlebitis saltans, später vor allem akrale Nekrosen ohne Heilungstendenz.

Integument: Häufig livides oder zyanotisches Kolorit der betroffenen Akren. Initial rote, 2,0-5,0 cm große, isolierte oder auch konfluierte, spontan und auf Druck schmerzhafte Plaques und Knoten; auch nur tastabare schmerzhafte Indurationen. Oftmals nässende, gelegentlich verkrustete, schmerzhafte Ulzera mit hyperkeratotischem Randsaum. Kuppennekrosen und akrale Osteolysen in fortgeschrittenen Verläufen.

Allgemein: Parästhesien (40%), Kältegefühl (60%), Zyanose (40%), Claudicatiobeschwerden in Fußrist-, Fußsohlen (Fußsohlenclaudicatio - oft als orthopädisches Leiden fehldiagnostiziert)- oder Wadenbereich (70%), ischämische Ruheschmerzen (50%), begleitende oberflächliche Venenentzündungen (40%), frühzeitige trophische Störungen und Nekrosen an Nagelfalz, Akren (Kuppennekrosen) oder Fußrücken (50%), Episoden von Phlebitis saltans/migrans (27%), Raynaud-Phänomen. Selten zerebrale oder abdominelle Beteiligung.

In Einzelfällen nekrotisierende Sialometaplasie.

Labor

BSG: normal

Erhöhung von pro- und antiinflammatorischen Zytokinen:TNF-α, IL-1β, IL-4, IL-17, IL-23- im Plasma (im Vergleich zu gesunden Kontrollpesonen mit und ohne Nikotinabusus).

Nachweis von Antikörpern gegen Endothelzellen, Elastin sowie Kollagen.  Diese Konstellation unterstützt die Immunhypothese der TAO (Klein-Weigel et al. 2014).

Histologie

Entzündliche Wandinfiltration, Intimaverdickung der Arterien, evtl. Verschluss. Segmentale Panangiitis mittlerer und kleiner Arterien und Venen der unteren Extremitäten. In frischen Läsionen frühzeitig organisierte, zellreiche Thromben mit Mikroabszessen aus Riesenzellen, Epitheloidzellen und Leukozyten. Lymphozytär-fibroblastäre Infiltration aller Gefäßwandschichten. In älteren Thromben meist Zeichen unterschiedlich fortgeschrittener Revaskularisation.

Diagnose

Raucheranamnese!

Klinik (Raucheranamnese, Beginn vor dem 40.Lebensjahr, Befall der distalen Arterien,Thrombophletitis saltans-fehlt in 40% der Fälle).

Farbduplex: Zeichen der AVK 

MR-Angiographie:  Fehlen von Plaques in den proximalen Arterien. In den distalen Arterien plötzlich oder allmählich ("tapering"-Typ) schmaler werdendes Kaliber, segmentäre Verschlüsse ("skip"-Läsionen), Korkenzieher- oder Wurzel-artige kleine Kollateralen bzw. revaskularisierte Gefäße (Korkenzieherkollateralen). Oft auffallende bilaterale Symmetrie.

Kapillarmikroskopie: Die Bedeutung der Kapillarmikroskopie liegt vor allem in der differenzialdiagnostischen Abklärung. Bei der TAO zeigen sich unspezifische kapillarmorphologische Veränderungen,Elongationen, kapillare Blutungen und vorrangig eine Rarefizierung von Kapillaren (Klein-Weigel C et al. 2014).

Differentialdiagnose

Cholesterinembolien: Männer > 60 Jahre; allg. Arteriosklerose; meist Zeichen der Livedo racemosa mit zackig begrenzten Ulzera.

Erythromelalgie: anfallsartig auftretende, flächige Rötungen; charakteristisch ist der Kaltwassertest = sistieren der Schmerzen unter kaltem Wasser, nach Wiedererwärmung erneute Schmerzen.

Perniones: keine Zeichen der AVK; meist sind Frauen betroffen

Erythema nodosum: hochschmerzhafte Attacken; meist Allgemeinsymptome z.B. Fieber, Infektzeichen; keine AVK; Frauen sind häufiger als Männer betroffen.

Systemische Polyarteriitis nodosa: Zeichen der Systemerkrankung; Gewichtsverlust; diffuse Myalgien oder Muskelschwäche; Hypertonie mit Diastole > 90 mm Hg; Polyneuropathie; Niereninsuffizienz; Aneurysmen oder Verschlüsse von Baucharterien; Hautbefall (nicht obligat): Livedo, schmerzhafte Papeln und Knoten v.a. der unteren Extremität.

Chilblain-Lupus: meist akral lokalisierte Plaques und Knoten; fast ausschließlich bei Frauen; keine AVK; Zeichen des Lupus erythematodes.

Köhlmeier-Degos-Krankheit: auch als maligne atrophische Papulose bekannt, ist eine seltene, potenziell tödliche , thrombo- obliterative Mikrovaskulopathie, unbekannter Pathogenese, die die durch ausgeprägte infarktartige Läsionen der Haut, des Magen-Darm-Trakts und des zentralen Nervensystems gekennzeichnet ist; wobei die Läsionen an den beiden letztgenannten Stellen häufig zum Tode führen. Charakteristisch sind kaum münzgroße Paplen mit spritzerartigen, weißen, zentralen Atrophien.

Therapie allgemein

Nikotinverzicht ist erste Maßnahme! Zudem Verringerung weiterer Risikofaktoren durch Fokus-Sanierung  (Streptokokken-Infekte), Vermeidung von Kälteeinwirkung.

Merke! Warme Bäder sind aufgrund des erhöhten O2-Bedarfes der peripheren Gefäße kontraindiziert!

Externe Therapie

Die Erkrankung geht mit den Symptomen einer arteriellen Verschlusskrankheit einher. S.u. Thrombophlebitis; Arterielle Verschlusskrankheit, akute; akuter Gefäßverschluss; Ulkus; Gangrän. S.a.u. Wundbehandlung.

Interne Therapie

Evtl. kurzfristig Glukokortikoide hoch dosiert wie Prednisolon 100-150 mg/Tag (z.B. Decortin H Tbl.).

Prostaglandine: Der Nutzen einer mehrwöchigen Therapie mit Prostanoiden, überwiegend des Prostacyclin-Analogum Iloprost, wurde in zwei multizentrischen Studien herausgearbeitet und in einer neueren Arbeit im Vergleich zur Sympathektomie bestätigt (Klein-Weigel C et al. 2014). Die Behandlung erfolgt dabei üblicherweise über drei bis vier Wochen mit 20 μg/Tag über fünf bis sechs Stunden, ggf. wiederholt.

Andere gefäßerweiternde Substanzen wie Pentoxifyllin (z.B. Trental) sind in ihrer Wirkung umstritten.

Operative Therapie

Wenn bei Patienten mit Thromboangiitis obliterans (TAO) eine kritische Extremitätenischämie (CLI) auftritt, reicht die Raucherentwöhnung häufig allein nicht aus, um Ruheschmerzen zu lindern und die Wundheilung zu fördern. Dementsprechend sind ergänzende Maßnahmen erforderlich, um eine angemessene Durchblutung wiederherzustellen, die für die Rettung der Gliedmaßen erforderlich ist. Die perkutane transluminale Angioplastie kann als technisch machbare und potenziell wirksame Behandlung für Patienten mit TAO sowie als letzter Ausweg für die Rettung von Gliedmaßen angesehen werden, wenn andere Optionen versagt haben. Allerdings kann eine erneute Intervention erforderlich sein, insbesondere bei Patienten, die weiterhin rauchen (Modaghegh MS et al. 2018).

Alternativ: Grenzstrangblockade und Sympathektomie sind vorübergehend wirksam.

Ultima ratio ist die Amputation (nicht selten!).

Verlauf/Prognose

Die Sterblichkeit von Patienten mit TAO ist nicht erhöht, da die koronare und die zerebrale Strombahn nicht befallen werden. Bei bis zu 75 % der Erkrankten sind Amputationen erforderlich, wobei Minoramputationen überwiegen. Majoramputationsrate >  30 % (Börner C et al. 1998). Der (Teil-)Gliedmaßenverlust an mehreren Extremitäten ist nicht ungewöhnlich. Die  hohe Amputationsrate bei noch relativ jungen Patienten wird das Gesundheitssystem mit hohen krankheitsbedingten Kosten und sozialen Folgen der TAO belastet. Sozialmedizinische Bedeutung der Erkrankung: häufige Verlusten des Arbeitsplatzes, frühzeitige Berentungen, soziale Isolation und hohen Trennungs- und Scheidungsraten (Börner C et al. 1998).

Hinweis(e)

Die Endangitis obliterans stellt wegen der zur Obliteration peripherer Gefäße führenden Gefäßwandentzündung eine definitive klinische Besonderheit dar. Sie gehört somit zu den Vaskulitiden, auch wenn sie meistens dort nicht mit aufgeführt wird.

Fallbericht(e)

Der 35 Jahre alte Patient (Raucher seit dem 16. LJ; 30-40 Zigaretten/Tag), bemerkte seit mehreren Monaten schmerzhafte Knoten an beiden Unterschenkeln sowie an den Fußsohlen. Der deutliche Schmerz war das führende klinische Symptom.

Befund: Akrale Akrozyanose der distalen Extremität; tief zyanotische Verfärbung des Dig. IV re. An der re. Fußsohle zeigen sich zwei ca. 2 x 2 cm große, unscharf begrenzte, druckschmerzhafte, rote Plaques. Rote, flächige, schmerzhafte Indurationen waren im Bereich des Malleolus lat. des li. Fußes nachweisbar. Herabgesetzte Verschlussdrücke der re. A. dorsalis pedis (70 mm Hg) und der li. A. tibialis post. (85 mm Hg) bei einem Systemdruck von 130/85 mm Hg. Die Duplexsonographie erbrachte den Nachweis von Stenosierungen der li. A. tibialis ant. und post. Ausbildung von Kollateralen (Korkenzieherkollateralen).

Histologisch konnte mittels tiefer Exzisionsbiopsie in Serienschnitten eine mittelgroße Arterie mit okkludierendem Granulationsgewebe nachgewiesen werden. Im Zentrum des Thrombus Zeichen der Revaskularisation.

Literatur
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  1. Börner C et al. (1998) Long-term follow-up of thromboangiitis obliterans. Vasa 27:80–86
  2. Buerger L (1908) Thrombangitis obliterans: a study of the vascular lesion leading to presenile spontaneous gangrene. Am J med Sci 136: 567-580
  3. Buerger L (2009) Landmark publication from the American Journal of the Medical Sciences, ‚Thromboangiitis obliterans: a study of the vascular lesions leading to presenile spontaneous gangrene‘1908. Am J Med Sci 337:274–284
  4. Diehm C, Stammler F (2001) Thromboangiitis obliterans (Buerger's disease). N Engl J Med 344: 230-231
  5. Friedländer C (1876) Arteriitis obliterans. Zentralbl med Wiss (Berlin) 1876: 14
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  8. Hoeft D et al. (2004) Nodöse Erytheme beider Füße. Hautarzt 55: 874-876
  9. Jiménez-Ruiz CA et al. (2006) Smoking characteristics and cessation in patients with thromboangiitis obliterans. Monaldi Arch Chest Dis 2006 65: 217-221
  10. Kimura A et al. (1998) MICA gene polymorphism in Takayasu's arteritis and Buerger's disease. Int J Cardiol 66 Suppl 1:S107-113
  11. Klein-Weigel PF et al. (2014) Thromboangiitis obliterans (Buerger’s disease). Vasa 43:337–350
  12. Lee T et al. (2003) Immunobiologic analysis of arterial tissue in Buerger's disease. Eur J Vasc Endovasc Surg 25: 451-457
  13. Leitlinien zu Diagnostik und Therapie in der Gefäßchirurgie. Hrsg. vom Vorstand der Dt. Ges. f. Gefäßchirurgie; Deutscher Ärzteverlag, Köln 1998
  14. Modaghegh MS et al. (2018) Endovascular Treatment of Thromboangiitis Obliterans (Buerger's Disease). Vasc Endovascular Surg 52:124-130. 
  15. Olin JW (2001) Thromboangiitis obliterans (Buerger's disease). N Engl J Med 343: 864-869
  16. Paraskevas KI, Liapis CD et al. (2007) Thromboangiitis obliterans (Buerger's disease): searching for a therapeutic strategy. Angiology 58: 75-84
  17. Takanashi T, Horigome R et al. (2007) Buerger's disease manifesting nodular erythema with livedo reticularis. Intern Med 46: 1815-1819
  18. v. Winiwarter F (1879) Über eine eigentümliche Form von Endocarditis und Endophlebitis mit Gangrän des Fußes. Arch klin Chir Berlin 23: 202-226

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