Synonym(e)
Definition
Ältere Bezeichnung für die nicht granulomatöse mikroskopische Polyangiitis. Aus historischen Gründen ist die ältere Bezeichnung hier nochmals abgehandelt.
Definition: Seltene, potenziell lebensbedrohlich verlaufende, multiorganischen Systemerkrankung, mit nekrotisierender Vaskulitis mittelgroßer Gefäße (kein Befall kleiner Gefäße), rheumatoiden Allgemeinsymptomen, Abdominalschmerzen, verschiedenen Hautsymptomen sowie Zeichen einer arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK).
Hinweis: Im Kindesalter ist die mikroskopische Polyangiitis nicht vom Kawasaki-Syndrom zu unterscheiden.
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Vorkommen/Epidemiologie
Inzidenz: Inzidenzen sind seit 20 Jahren abnehmend. In früheren Jahrzehnten lagen nachweisliche Assoziationen (etwa 1/3 der Fälle) mit einer Hepatitis-B-Virusinfektion vor. Derartige Zusammenhänge werden in neueren Studienkollektiven nur noch bei etwa 5% der Patienten gefunden.
Die derzeitige Inzidenz liegt bei 0,1-1,0/100.000 Einwohner/Jahr.
Die Prävalenz liegt bei 0,2-3,0/100.000 Einwohnern. Sie ist deutlich größer bei HBsAg (Hepatitis B Surface Antigen) Positivität.
Ätiopathogenese
Idiopathisch (90%). In 5% der Fälle ist HbS-Antigen i.S. nachweisbar, teils auch in den betroffenen Gefäßabschnitten in Form von Immunkomplexen.
Die PAN als Folge einer Minozyklin-Einnahme ist eine sehr seltenes Ereignis. Diese Konstellation kann bei längerzeitiger Einnahme des Präparates eintreten.
Bemerkenswert ist das Auftreten einer PAN mit Epididymitis nach einer COVID-19 Vakzinierung (Ohkubo Y et al. 2023).
Es wird weiterhin angenommen dass bei einem kleineren Teil der Patienten ANCA eine induzierende Rolle bei der Auslöung der Erkrankung spielen. ANCA jedoch meist negativ.
Eine genetische Variante der systemischen Polyarteriitis nodosa wird durch eine autosomalrezessiv vererbte Mutation im CECR1-Gen hervorgerufen und geht mit einem Mangel an Adenosin-Deaminase 2(ADA2) einher.
Manifestation
Meist im mittleren Lebensalter auftretend, die Mehrzahl der Patienten ist bei Beginn > 50 Jahre alt. Erkrankungsgipfel: 65.-74. LJ. Männer sind 3mal häufiger als Frauen betroffen (diese Zahlen beziehen sich auf eine kaukasische Bevölkerung; in anderen Ethnien z.B. Persien keine Geschlechtsbetonung).
Klinisches Bild
Systemische Manifestationen:
- Schwere Störung des AZ mit Fieber, Gewichtsverlust und/oder Nachtschweiß.
- Nierenbeteiligung (70%): Z.T. glomeruläre Herdnephritis (Proteinurie), Gefahr der Urämie. Myalgien (50%), Arthralgien (50%).
- Gastrointestinale Symptome (50%): Magendarmulzerationen mit Koliken (Befall der Mesenterialgefäße).
- Neurologische Symptome (80%): Polyneuropathie, Krämpfe, Apoplex (jugendlicher Schlaganfall).
- Kardiale Symptome (70%): Angina pectoris, Perikarditis, Myokardinfarkt. ZNS-Symptomatik (50%):
- Opthalmologische Symptome: Fundus hypertonicus, Vaskulitis.
- Orchitis mit Hodenschmerzen.
- Bemerkung: Die PAN betrifft viszeral nur mittelgroße und kleine Arterien. Kapillaren, Arteriolen und Venolen werden nicht betroffen. Es kommt nicht zu Glomerulonephritiden noch zu einer Beteiligung der kleinen Lungengefäße.
Hauterscheinungen (50% der Fälle):
- im Rahmen der (primär) systemischen PAN auftretende Hautmanifestation mit subkutanen Papeln oder Knoten, die entlang des Arterienverlaufs tastbar sind.
- Livedo racemosa (Leitsymptom!)
- Atrophie blanche
- Purpura (flächenhaft oder petechial: keine leukozytoklastische Vaskulitis!)
- Ischämische Fingerkuppennekrosen durch Digitalarterienverschlüsse.
- therapieresistente Ulzera
Labor
Erhöhung der Entzündungsparameter mit hoher BSG und erhöhtem CRP, Leukozytose (Neutrophilie); evtl Thrombozytose;
zu suchen ist nach Hepatitis-B-Oberflächenantigenen, Komplementverbrauch (Komplement erniedrigt) sowie nach antineutrophilen Antikörpern (pANCA).
Merke! pANCA sind nur bei einem kleineren Teil der Patienten positiv.
Somit ist die Immunpathogenese der PAN heterogen.
Histologie
Degeneratives Stadium: Fibrinoide Nekrose aller Wandschichten der befallenen mittleren Arterie.
Entzündliches Stadium: Infiltration mit Neutrophilen, Eosinophilen, Rundzellen, evtl. Thrombosierung.
Granulomatöses Stadium: Granulationsgewebe.
Fibrotisches Stadium: Vernarbung.
Akzentuiert um postkapilläre Venolen und größere Gefäße in Haut und Subkutis |
Betrifft Arteriolen und Arterien in der Subkutis oder an der Grenze zwischen Kutis und Subkutis. |
perivaskuläre, intramurale und intraluminale Leukozytoklasie |
Schädigung von Endothelzellen |
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden |
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten |
Kein Ödem in der papillären Dermis |
Patholog. Veränderungen beschränkt auf Gefäßposition, keine extravaskulären, interstitiellen oder Weichgewebe-Granulome |
Variable (eher geringe) Eosinophilie |
Plasmazellen oder Fibrosklerose in geringerem Ausmaß |
Reorganisation durch lymphoyztärer Vaskulitis |
Diagnose
Kriterien des American College of Rheumatology (ARA) zur Diagnostik der PAN.
Die Diagnose PAN wird gestellt, wenn mindestens 3 der Kriterien zutreffen. Die Sensitivität der Methode beträgt ca. 82%, die Spezifität ca. 86%.
- Gewichtsverlust > 4 kg KG seit Krankheitsbeginn.
- Bild der Livedo "racemosa" an den Extremitäten oder am Stamm.
- Hodenschmerz, der nicht auf Infektionen, Traumen oder andere fassbare Ursachen zurückgeht.
- Diffuse Myalgien oder Muskelschwäche außerhalb von Schulter- oder Becken oder Atrophie der Beinmuskulatur.
- Hypertonie mit Diastole > 90 mm Hg.
- Mononeuropathie, multiple Mononeuropathien oder Polyneuropathie.
- Anstieg des Blutharnstoffs > 40 mg/dl oder des Kreatinins > 1.5 mg/dl.
- Nachweisbarkeit von HBsAg- oder Antikörpern.
- Aneurysmen oder Verschlüsse von Baucharterien, die nicht auf Arteriosklerose, fibromuskuläre Dysplasie oder nichtentzündliche Ursachen zurückzuführen sind.
- Biopsie: granulozytäres- oder mononukleäres Infiltrat in den Arterienwänden kleiner oder mittlerer Arterien.
Therapie
Allgemein gültige Therapieschemata können bei dieser (sicherlich sehr heterogenen) Erkrankung nicht gegeben werden. Die Therapie wird Organ- und Aktivitäts-adaptiert eingesetzt (s.a. Tab. 3).
Die kontinuierliche Glukokortikoid- (100-150 mg Prednison-Äquivalent) und Cyclophosphamid-Therapie (Endoxan) (Fauci-Schema) wird nur noch bei schwer verlaufenden systemischen Vaskulitiden so lange eingesetzt, bis eine stabile Teilremission eingetreten ist. Anschließend Cyclophosphamid-sparende Intervalltherapie. Alternativ: Niedrigdosistherapie mit 25-30 mg Methotrexat (MTX), 1mal/Woche i.v.
Cave! Die Cyclophosphamiddosis ist stets der Nierenfunktion anzupassen; Leukozyten: > 3000-3500/μl!
Liegt eine chronische Hepatitis B-Virusinfektion vor (HBsAd pos., HBeAg pos., HBV neg., PCR pos.), kann auch mit Interferon alfa und/oder Lamivudin behandelt werden.
Verlauf/Prognose
Schubweise intermittierender Verlauf. Fulminanter Verlauf mit Exitus letalis innerhalb von 1-2 Jahren in 20-30% der Fälle möglich. Mögliche Abheilung unter Glukokortikoidtherapie. 5-Jahres-Überlebenszeit ohne Therapie ca. 10-15%, mit Therapie 80%.
Tabellen
|
Therapieschema1 |
Klinik/Verlauf |
Substanz |
Dosierung |
Induktion |
Fauci-Schema |
aktiv |
CP |
2 mg/kg KG/Tag p.o. |
(NIH-Standard2 intensiviert3) |
rapid-progressiv |
CP |
3-4 mg/kg KG/Tag p.o. |
|
Intervalltherapie |
Austin-Schema (Bolus-Verfahren4) |
aktiv |
CP |
15-20 mg/kg KG i.v. über 21 Tage |
Erhaltung |
MTX-Bolus |
T-Remission |
MTX |
30 mg/Woche i.v. |
Azathioprin |
T-Remission |
Azathioprin |
2-3 mg/kg KG/Tag p.o. |
|
Ciclosporin A |
T-Remission |
CyA |
3-4 mg/kg KG/Tag p.o. |
|
1 immer in Kombination mit systemischer Glukokortikoidgabe; 2 Cyclophosphamiddosis wird bis 1 Jahr nach Erreichen der Remission beibehalten, dann in 6-8 wöchentlichen Abständen um 25 mg/Tag reduziert (= NIH-Protokoll); 3 Cyclophosphamiddosis orientiert sich am Gesamtleukozytenwert (meist nur wenige Tage!); 4 Cyclophosphamiddosis orientiert sich an der Leukozytenzahl (8.-12. Tag nach Bolus: > 3000/μl; CP = Cyclophosphamid; MTX = Methotrexat; CyA = Ciclosporin A |
Hinweis(e)
Es gibt derzeit keine gesicherten Belege dafür, dass sich eine kutane PAN (kutane Polyarteriitis nodosa) in eine systemische PAN umwandelt. Die kutane Polyarteriitis nodosa wird somit als eigenständiges Krankheitsbild mit einer grundsätzlich besseren Prognose definiert.
Unlängst wurde eine Mutation im CECR1-Gen bei PAN beschrieben. Diese Mutation ist mit einer deutlich verringerten Aktivität der Adenosin-Desaminase 2 (ADA 2) verbunden und phänotypisch mit dem klinischen Bild der PAN. Pathogenetisch wird vermutet, dass die erhöhten Adenosin-Spiegel für die Makrophagenaktivierung, die konsekutive Immundefizienz sowie die thrombotischen Verschlüssen mittelgroßer Gefäße verantwortlich ist (s.u. CECR1-Gen).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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