Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger) Q82.3

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. Stephan Traidl

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Bloch-Sulzberger Krankheit; Bloch-Sulzberger-Syndrom; Incontinentia pigmenti; Melanoblastosis Bloch-Sulzberger; Melanoblastosis cutis linearis sive systematisata (Carol und Bour); Melanosis corii degenerativa (Siemens); Naevus pigmentosus systematicus; Pigmentdermatose Siemens-Bloch; Poikilodermie Bloch-Sulzberger

Erstbeschreiber

Garrod, 1906; Bloch, 1926; Sulzberger, 1927

Definition

X-chromosomal-dominant vererbbare, bereits bei Geburt vorhandene oder innerhalb der 1. Lebenswoche auftretende (nahezu 100%), neuroektodermale Erkrankung des Kindesalters mit Befall von Haut, Nägeln, Haaren, Zähnen und Augen. Zunächst imponiert eine entzündlich verlaufende Hauterkrankung, die in dem späteren "nicht-entzündlichen Stadium IV"  spritzerartige Pigmentierungen und Atrophien hinterlässt.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 1/50.000 Geburten/Jahr.

Ätiopathogenese

X-chromosomal-dominanter Erbgang von Mutationen des NF-kappa-B essential modulator Gens (IKBKG-Gens früher als NEMO Gen bezeichnet; Genlokus: Xq28). In 64% handelt es sich um eine Neumutation. Dieses Gen kodiert ein Protein, das für die Regulation verschiedener Zytokine, Chemokine und Adhäsionmoleküle verantwortlich ist. Es ist essentiell für den Schutz vor TNF-alpha induzierter Apoptose. Die Mutationen sind nur mit dem Leben vereinbar, wenn sie als genetisches Mosaik vorliegen. Mosaike entwickeln sich am häufigsten bei Frauen im Rahmen der X-chromosomalen Inaktivierung. Betroffene männliche Feten sterben meist intrauterin ab; selten bestehen genetische Mosaike bei männlichen Patienten durch Klinefelter-Syndrom, durch Chromatiden-Mutation oder frühe somatische Mutationen. 

Manifestation

Vor allem bei Mädchen (95%), in utero oder direkt nach der Geburt auftretend.

Lokalisation

Vor allem Extremitäten, seitliche Rumpfpartien.

Klinisches Bild

  • Die Erkrankung verläuft phasenhaft und präsentiert sich am Integument in unterschiedlicher Klinik, die in 4 (teilweise sich überlappende) Stadien eingeteilt werden kann:
    • Stadium 1 (Geburt bis 4. Monat): Rote Bläschen, Blasen, (eosinophile) Pusteln, Papeln, Plaques in streifen- oder girladenförmiger, teils auch wirbeliger Anordnung ( Blaschko-Linien).
    •  Stadium 2 (2.-6. Monat): Abheilung der akuten Erscheinungen. Ausbildung von hyperkeratotischen, gelb-bräunlichen, verrukösen Plaques
    • Stadium 3 (7. Monat - 12. Lebensjahr): schmutzigbraune oder stahl- bis schiefergraue, spritzerartige, streifenförmig oder girlandenartig angeordnete, auch anuläre Flecken.
    • Stadium 4 (6. Lebensjahr bis zum Ewachsenenalter): Läsionen sind abgeblasst.  Ausbildung von hypopigmentierten, atrophischen Narben mit Haaranomalien (in 50% der Fälle), Alopezie und Verlust der Schweißdrüsen.
  • Fehlbildungen weiterer Organe:
    • Zahn-Kiefer( 67- 90% der Pat.): Zahnhypoplasie, Hypodontie, Zapfenzähne, Mikrodontie, Prognathie
    • Augen (20-70% der Pat.): Strabismus (etwa 20%), Pseudoglioma retinae, Hornhaut- und Linsentrübungen, Pigmentdystrophie und Ablösungen der Netzhaut, Optikusatrophie, Mikrophthalmie, blaue Skleren, Ptosis
    • ZNS (20- 30% der Pat.) Mikrozephalie, Debilität, spastische Diplegie, Krampfanfälle (häufigstes neurologisches Symptom intellektuelle Defizite (ca. 10% der Pat.), Ataxie
    • Skelett (sporadisch):  Hüftgelenkdysplasie, Syndaktylie
    • Herz (sporadisch): Endomyokard-Fibrose, Fallot-Tetralogie
    • Nägel (sporadisch): Grübchen, Onychogrypose
  • Begleitend:
    • Blut- (Stadium 1: 35% der Pat. Bluteosinophilie kann exzessiv bis zu 80% der peripheren Leukozyten ausgeprägt sein). Bluteosinophilie in späteren Stadien reduziert (im Stadium 4 nur noch bei 10% der Pat.) 
    • Gewebseosinophilie

Labor

Hohe Blut- und Gewebseosinophilie (Bluteosinophilie bei etwa 35% der Patienten).

Histologie

Intraepidermale und subkorneale Blasen mit reichlich eosinophilen Zellen, akanthotisch verbreiterte, spongiotisch aufgelockerte Epidermis mit Einzelzellverhornungen. im Stadium 3 und 4: erhebliche Melaninansammlungen (Pigmentinkontinenz) in der Dermis. Dort in  Melanophagen.

Externe Therapie

Im entzündlichen Stadium kurzfristig potente Glukokortikoide wie Prednicarbat (z.B. Dermatop-Creme). Bei Bläschenbildung feuchte Umschläge mit antiseptischen Zusätzen wie Kaliumpermanganat (hellrosa).

Interne Therapie

Bei ausgeprägter Entzündungsreaktion Glukokortikoide wie Prednisolon (z.B. Decortin H) 0,5-1 mg/kg KG/Tag p.o., schnelles Ausschleichen. Überwachung bzgl. Sekundärinfektionen.

Verlauf/Prognose

Rückbildung der Hauterscheinungen bis zum Erwachsenenalter, evtl. leichte Hypopigmentierungen und teilweise Narben. Sonst abhängig von den Begleiterkrankungen (v.a. Anfallsleiden). 

Nur in Ausnahmefällen kommt es in späteren Stadien (z.B. infektassoziiert) zu einem Rezidiv der inflammatorischen Phasen 

Prophylaxe

Es empfiehlt sich eine genetische Untersuchung der Mutter zu veranlassen! 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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  3. Bloch B (1926) Eigentümliche, bisher nicht beschriebene Pigmentaffektion (Incontinentia pigmenti). Schweiz med Wschr 56: 404-405
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  12. Sulzberger MB (1927) Über eine bisher nicht beschriebene kongenitale Pigmentanomalie (Incontinentia pigmenti). Arch Derm Syph 154: 19-32
  13. Yang Yet al. (2014)Neonatal incontinentia pigmenti: Six cases and a literature review. Exp Ther Med 8:1797-1806

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