Synonym(e)
Definition
Auch interessant
Vorkommen/Epidemiologie
Klinisches Bild
Präpubertär: keine sicheren Symptome, gelegentlich Oligophrenie. An der Haut findensich fokale Atrophien, Pigmentveränderungen, Knotenbildungen.
In der Pubertät bzw. postpubertär: obligat kleine Hoden mit Volumina unter 3-5 ml im Sinne eines primären Hodenschadens mit kompensatorisch hypergonadotropem Hypogonadismus ( FSH stark erhöht, LH/ICSH mäßig erhöht oder normal), Azoospermie bzw. hochgradige Oligozoospermie mit meist irreversibler Infertilität (vereinzelt sind Vaterschaften beschrieben worden); fakultativ in 30-50% der Fälle manifester oder latenter Testosteronmangel mit gynoidem Habitus ( Gynäkomastie mit einer möglichen verstärkten Pigmentierung des Mamillen-areola-Komplexes, weibliches Fettverteilungsmuster, weibliche Sekundärbehaarung, erhöhte Stimmlage). Weiterhin findet sich vermehrt:
- lange Extremitäten
- Adipositas
- Osteoporose
- Intelligenzdefekte
- Gefäßdysplasien
- Ulzera der Unterschenkel
- Cutis verticis gyrata (selten)
- Nageldysplasien
- Warzenförmige Papillen der Haut und Schleimhaut (Krause W 2017)
Patienten mit Klinefelter-Syndrom haben gegenüber einem gesunden Mann ein 50-mal erhöhtes Risiko an einem Brustkrebs zu erkranken (Hultborn R et al. 1996).
Diagnose
Molekulargenetische Untersuchung, Familienanamnese, Klinik
Obligat herabgesetztes Hodenvolumen (unter 3–5 ml); Azoospermie oder hochgradige Oligozoospermie, Hypotestosteronämie, FSH-Erhöhung, Hodenbiopsie mit exzessiver Tubulussklerose und Hyperplasie der v. Leydig'schen Zwischenzellen, Mundschleimhautabstrich mit Nachweis eines oder mehrerer Chromatinkörperchen in den Zellkernen, Chromosomenanalyse.
Differentialdiagnose
Therapie
Bei erniedrigtem Testosteronspiegel bzw. LH-Serumspiegeln > 7 mU/ml Beginn mit einer Testosteronsubstitutionstherapie im ca. 11. Lebensjahr, s. Tabelle 1.
Bei den Dosierungen im Kindesalter handelt es sich um Leitlinien, die immer an der Klinik (Längenwachstum, Ossifikation, psychosexuelle Entwicklung) abgeglichen werden müssen. Zur Überwachung der Testosteronsubstitution siehe Kallmann-Syndrom. Die Behandlung muss lebenslang durchgeführt werden. Einen therapeutischen Sonderfall bilden kriminell auffällig gewordene Patienten, die eine sorgfältig überwachte Substitutionstherapie erhalten sollten. Bei Kinderwunsch kann im Hodengewebe nach Spermien gesucht werden und ggf. mittels der TESE-(testicular sperm extraction)-Technik aus einem kleinen Hodenbioptat vitale Spermien für eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion gewonnen werden.
Eine Gynäkomastie bleibt durch die Testosteronsubstitution unbeeinflusst und muss ggf. operativ angegangen werden. Sorgfältige Überwachung dieser Patienten, da das Risiko der Entwicklung eines Mammakarzinoms im Vergleich zu normalen Männern um das 20fache erhöht ist.
Extragonadale Keimzelltumoren (mediastinale nichtseminomatöse Keimzelltumoren, intrazerebrale Keimzelltumoren) müssen operativ angegangen werden.
Tabellen
Testosteronsubstitution bei Klinefelter-Syndrom
Alter |
Applikation |
Beispielpräparat |
Dosierung |
11. Lebensjahr |
oral |
Andriol |
40 mg/Tag |
Alternativ: |
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Proviron |
12,5 mg/Tag |
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12. Lebensjahr |
oral |
Andriol |
40 mg 2mal/Tag |
Alternativ: |
|||
Proviron |
12,5 mg 2mal/Tag |
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ab 13. Lebensjahr |
oral |
Andriol |
40 mg 2mal/Tag |
Alternativ: |
|||
Proviron |
25 mg 2mal/Tag |
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Alternativ: |
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i.m. |
Testoviron |
100 mg/Monat |
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Erwachsene |
i.m. |
Testoviron Depot 250 mg |
alle 2-3 Wochen |
Alternativ: |
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Testosteron Depot 250 mg |
alle 2-3 Wochen |
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Alternativ: |
|||
p.o. |
Andriol |
24 Kps./Tag |
|
Alternativ: |
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transdermal |
Testogel |
25-50 mg/Tag |
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Alternativ: |
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Androderm |
2 Membranen/Tag |
Hinweis(e)
X-gebundene Genodermatosen
Die Gene eines der beiden X-Chromosomen bei der Frau sind üblicherweise inaktiviert (Lyonisierung). X-gebundene Dermatosen, die für die männlichen Nachfahren letal sind, können daher nur bei Frauen beobachtet werden. Hierzu zählen folgende Syndrome:
- Incontinentia pigmenti
- Fokale dermale Hpoplasie
- Conradi-Hünermann-Happle-Syndrom
- Oral-fazial-digitales Syndrom
- MIDAS (Microphthalmie, dermale Aplasie, Sclerocornea)-Syndrom.
Weitere nicht-letal verlaufende x-chromosomal gebundene Erkrankungen sind:
- Hypohidrotische ektodermale Dysplasie Christ-Siemens-Touraine
- IFAP-Syndrom (Ichthyosis, follikuläre Alopezie, Photophobie)
- Dyskeratosis congenita
- Da beim Klinefelter-Syndrom 2 oder > 2 X-Chromosomen vorhanden sind, besteht die Möglichkeit, dass auch männliche Kinder mit einem der für männliche Nachfahren letalen Krankheitsbilder überleben. Beschrieben wurden eine Incontinentia pigmenti und eine fokale Hypoplasie (Krause W 2017)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Amory JK (2000) Klinefelter's syndrome. Lancet 356: 333-335
- Christiansen P (2003) Longitudinal studies of inhibin B levels in boys and young adults with Klinefelter syndrome. J Clin Endocrinol Metab 88: 888-891
- De Geyter CH et al. (1996): Assistierte Fertilisation. In: Nieschlag, E., Behre HM (Hrsg.) Andrologie - Grundlagen und Klinik der reproduktiven Gesundheit des Mannes. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, S. 350–353
- Hultborn R et al. (1997) Prevalence of Klinefelter's syndrome in male breast cancer patients. Anticancer Res 17:4293-4297.
- Keller K et al. (2001) Klinefelter syndrome and cutis verticis gyrata. Am J Med Genet 103: 249-251
- Klinefelter HF, Reifenstein EC Jr, Albright F Jr (1942) Syndrome characterized by gynaecomastia, aspermatogenesis without A-Leydigism and increased excretion of follicle-stimulating hormone. Journal of Clinical Endocrinology (Baltimore) 2: 615-627
-
Krause W (2017) Hautkrankheiten beim Klinefelter-Syndrom. Hautnah Dermatologie 33:32-35
- Nieschlag E et al. (1996): Störungen im Bereich der Testes. In: Nieschlag E, Behre HM (Hrsg.) Andrologie - Grundlagen und Klinik der reproduktiven Gesundheit des Mannes. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, S. 153–154 u. 315–329
Verweisende Artikel (13)
Akute Leukämie; Andrologie; Gonadendysgenesie; Gonadotropin-Releasinghormon-Stimulationstest; Hodendysgenesie; Hodengröße; Hodenschaden, primärer; Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger); Marfan-Syndrom; Reifenstein-Syndrom; ... Alle anzeigenWeiterführende Artikel (12)
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