Synonym(e)
Definition
Infektionen durch ein humanpathogenes, behülltes, B-lymphotropes, doppelsträngiges DNA-Virus aus der Familie der Herpesviridae Subfamilie: Gamma-Herpesvirinae (HHV-4, Typ A und Typ B). Es wird durch engen Kontakt leicht übertragen und hat seine Eintrittspforte gewöhnlich in den lymphoepithelialen Zellen des Rachenrings. Das Virus ist Erreger der Infektiösen Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber) sowie weiterer EBV-assoziierten Erkrankungen.
Wie alle Herpesviren besitzen EBV-Viren die Fähigkeit zur „Latenz“, das heißt zum „Überdauern“ im Organismus über lange Zeit. In der Regel kann das Virus nach Infektion nicht mehr vollständig eliminiert werden. Meist verursacht dies jedoch keine weiteren Probleme, es kann jedoch wieder aufleben und sich erneut vermehren, wenn das Immunsystem geschwächt ist.
Einteilung
Es besteht der Verdacht, dass HHV-4 (EBV) eine wichtige ätiologische Rolle bei einer Reihe versch. tumoröser und inflammatorischer Erkrankungen spielt:
- HHV-4 als Auslöser versch. tumoröser Erkrankungen:
- Morbus Hodgkin (3-fach erhöhtes Risiko bei Patienten mit Infektiöser Mononukleose)
- HHV-4-assoziierte B-Zell-Lymphome bei AIDS-Erkrankungen
- HHV-4-positives diffus-großzelliges B-Zell-Lymphom (afrikanisches Burkitt-Lymphom - in Äquatorialafrika endemisch)
- Schmincke-Tumor (gehäuft in Südchina)
- HHV-4-assoziiertes NK-T-Zell-Lymphom
- HHV-4-assoziierte Larynxkarzinom (in Südchina und Alaska endemisch)
- HHV-4-assoziiertes Nasopharynxkarzinom (in Südchina und Alaska endemisch)
- HHV-4-positives mukokutanes Ulkus
- Hydroa-Vacciniforme-ähnliche lymphoproliferative Erkrankung (bei Kindern inAsien und Südamerika)
- HHV-4 als gesicherter onkogener Ko-Faktor für verschiedene Erkrankungen:
- HHV-4-assoziierte hämophagozytotische Lymphohistiozytose (EBV-HLH) ein lebensbedrohliches hyperinflammatorisches Syndrom, verursacht durch eine massiv überschießende, entzündliche Reaktion des Immunsystems (Coffey AM et al. 2019).
- Orale Haarleukoplakie (HHV-4 als Koinfektion zur HIV-Infektion)
- HHV-4-assoziiertes Leiomyosarkom (Aida N et al. 2019)
- Posttransplantative lymphoproliferative Erkrankung (PTLD) (Hyun H et al. 2019)
- X-Chromosomal rezessiv vererbtes lymphoproliferatives Syndrom, auch Duncan`s disease oder Purtilo-Syndrom (EBV-als Auslöser bei genetischer Immundepression) (Duncan`s disease)
- HHV-4-Infektion als mögliche oder nachweisbare Auslöser nicht-tumoröser Organerkrankungen:
- HHV-4-induziertes Chronisches Erschöpfungssyndrom (EBV-induzierte Fatigue)
- Encephalitis lethargica
- HHV-4-Myokarditis (selten) im Rahmen der akuten EBV-Infektion
- Polyradikulitis Guillain-Barré mit aufsteigender Paralyse (Auftreten mehrere Wochen nach der Infektion)
- Akute zerebelläre Ataxie
- HHV-4-induzierte akute Hepatitis
- HHV-4-induzierte Myokarditis
- HHV-4-Infektion des Urogenitaltraktes (z.B. Fokal segmentale Glomerulosklerose, Orchitis)
- Acrodermatitis papulosa eruptiva infantilis
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Vorkommen/Epidemiologie
Wie alle Herpesviren ist HHV 4 ubiquitär verbreitet und infiziert den Menschen persistent. Es wird über den Speichel ausgeschieden und auch übertragen. Der hauptsächliche Übertragungsmodus ist die Tröpfcheninfektion, daher wurde der mit der Primärinfektion auftretenden Mononukleose auch der Name „kissing disease“ gegeben. In den Industrienationen erreicht die Durchseuchung bis zum 15. Lebensjahr etwa 40 %, um dann mit der Pubertät steil auf 80–90 % im Erwachsenenalter anzusteigen. In den Entwicklungsländern beträgt die Durchseuchung aufgrund der niedrigeren Hygienestandards schon bei den unter 3-Jährigen praktisch 100 %. Iatrogene Übertragungen bei Transplantationen sind berichtet. Insbesondere HHV-4-seronegative Empfänger sind gefährdet (Schnitzler P et al. 2019).
Ätiopathogenese
CD21 ist als Rezeptorprotein für den Infektionsvorgang von essentieller Bedeutung. CD21 wird auf naso-pharyngealen Epithelien und B-Lymphozyten exprimiert. Dort können die EBV-Viren andocken. Ein zweiter Infektionsweg gilt für EBV-assoziierte T-Zell-Erkrankungen. So erfolgt für das Extranodale (NK)/T-Zell-Lymphom, einem aggressiven malignen Lymphom, die EBV-Infektion der NK-Zellen über einen direkten Transfer von viralen Episomen unabhängig von EBV-positiven (CD21-positiven) B-Zellen (Lee JH et al. 2018)
In diesen Fällen entwickelt sich eine chronische EBV-assoziierte T-Zell-Erkrankung die in seltenen Fällen zu einem infektassoziierten hämophagozytotischen Syndrom (HHS) führen kann (Shah MV et al. 2014; Taylor GS et al.2015).
Die geographischen Prävalenzen versch. EBV-assoziierter Erkrankungen wie z.B. dem Burkitt- und dem Schmincke-Tumor lassen an eine onkogenetische Bedeutung einer Koinfektion z.B. mit Malaria denken.
Manifestation
Die Infektion mit dem Virus erfolgt zumeist im Kindesalter. In diesem Falle verläuft die Infektion infolge der nicht ganz ausgereiften T-Lymphozyten-response dann meist subklinisch. Bei Jugendlichen oder Erwachsenen kommt es in 30–60 % zum Ausbruch des Pfeiffer-Drüsenfiebers (infektiöse Mononukleose) mit generalisierter Lymphadenopathie, Hepato-Splenomegalie (EBV-Hepatitis) und Tonsillitis. Seltener (3-15%) assoziiert ist das makulo-papulöse, morbilliforme Mononukleose-Exanthem (Taylor GS et al. 2015).
Klinisches Bild
Akute Infektion: Zielzellen der akuten EBV-Infektion sind die naso- und oropharyngealen Epithelien sowie B-Lymphozyten die das Protein CD21 auf ihren Oberflächen tragen, das dem Virus als Rezeptor dient.
4-6 Wochen nach der Infektion kommt es zu einer massiven Virämie und zu einer Infektion der CD21 positiven B-Lymphozyten. Diese werden von zytotoxischen T-Lymphozyten attackiert und eliminiert. Die große Zahl an Killerzellen ist im Blutbild als akute Mononukleose nachweisbar.
Latente Infektion: Während die meisten B-Lymphozyten produktiv-lytisch infiziert werden, kommt es bei einigen Infizierten zur latenten Infektion und zur Immortalisierung der infizierten B-Zellen. Hierbei stehen die Zellen jedoch lebenslang unter Kontrolle der T-Lymphozyten. Infektreaktivierungen bleiben meist subklinisch.
Infektionen bei Immundefekten: Der EBV-Krankheitsverlauf nimmt jedoch einen fatalen Weg bei primär Infizierten, die an Immundefizienzsyndromen leiden (s.u. Immundefekte primäre bei Immundysregulationen).Die Mutationen betreffen folgende Gene: SH2D1A, BIRC4, ITK, MAGT1, CORO1A und LRBA (Cohen 2015). Beim Vorliegen eines X-chromosomal rezessiv oder eines autosomal rezessiv (nicht X-chromosomal) vererbten lymphoproliferativen Syndrom werden Mutationen u.a. in den Genen CD27, CD70, XIAP, SH2D1A nachgewiesen.
Im Falle einer späteren Immunstörung kann sich ein immortalisierter B-Zell-Klon zu einem Lymphom entwickeln (z.B. Burkitt-Lymphom, z.B. Schmincke-Tumor - Taylor GS et al.(2015)
Labor
Fast alle Patienten weisen bei der akuten Infektion eine ausgeprägte Leukozytose (10.000-40.000 Zellen/l) mit einer absoluten und relativen Lymphozytose >50% bei >10% atypischen monozytoiden Zellen (Virozyten). Geringe transiente Neutro- und Thrombopenie. Leberenzyme ↑↑↑.
Serologischer Antikörpernachweis: Man unterscheidet verschiedene Antigene: heterophile Antikörper die in Schnelltests nachgewiesen werden; infektionsfrühe Antigene (early antigens EA), Viruskapsidantigene (VCA), kernassoziierte (Tumor)antigene (EBNA) sowie Membranantigene.
Zum Nachweis der akuten Infektion werden versch. Schnelltests angewendet (Paul-Bunnell-Reaktion, EBV-Schnelltest, Monotest): Hierbei werden heterophile Antikörper nachgewiesen, die Schafserythrozyten agglutinieren. Die Schnelltests liefern je nach Lebensalter bis zu 20 % falsch positive und 30 % falsch negative Resultate.
Weitere wichtige EBV-Antigene für den serologischen Nachweis der Infektion:
- EA (early antigens): Diese von der infizierten Zelle frühzeitig gebildeten Antigene sind weniger immunogen als das virale Capsid-EBV-Antigen (VCA). Sie bilden sich nach Wochen wieder zurück. Reaktivierungen können durch diesen IgG-Antikörper hochsensitiv erfasst werden.
- EA-R (early antigens restricted – Denaturierung der Proben durch Methanolfixierung): Antikörper der IgG-Klasse gegen diese „Restricted-Antigene“ sind besonders aussagekräftig beim Burkitt-Lymphom und bei reaktivierten Infektionen.
- Anti-VCA (virales Capsid-Antigen, IgG und IgM-Antikörper): Dass VCA-Antigen ist stark immunogen. Die meisten Infizierten bilden IgM und IgG-Anti-VCA-Antikörper bereits unmittelbar zu Krankheitsbeginn. Der IgM-Antikörper persistiert nicht länger als 10 Wochen. Der IgG-Antikörper persistiert nach einer Infektion lebenslang.
- Anti-EBNA-1-IgG (Antikörper gegen das Epstein-Barr-Nuclear-Antigen): Dieses Tumorantigen erscheint im Kern aller persistent infizierten Zellen. Es wird erst relativ spät in immunogener Form exprimiert. Die Antikörperbildung gegen das EBNA 1 kommt nach einigen Monaten in Gang.
- Virus-DNA-PCR: Nachweis des Virusantigens. Die PCR spielt nur bei bestimmen Fragestellung eine Rolle. PCR-Diagnostik bei Liquoruntersuchungen; weiterhin zur Erkennung des lymphoproliferativen Syndroms nach Knochenmarks- und Stammzelltransplantation (Niller HH et al. 2017).
Charakteristische Antikörperkonstellationen bei Patienten mit EBV-assoziierten Krankheiten.
- Infektiöse Mononukleose: VCA-Ig M ++++/VCA-IgG++++; EA-IgG+
- Subklinische Infektion bei Kindern: VCA-IgM ++++/VCA-IgG++++; EA-IgG-
- Lange zurückliegende Primärinfektion: VCA-IgM+/VCA-IgG+; EA-IgG-; EBNA-1-IgG +
- Reaktivierte Infektion: VCA-IgM (+)/VCA-IgG++++; EA-IgG++; EBNA-1-IgG (+)
- Nasopharyngeales Karzinom: VCA-IgM -/VCA-IgG++++; EA-IgG++; EA-R+/-; EBNA-1-IgG ++
- Burkitt-Lymphom: VCA-IgM -/VCA-IgG++++; EA-IgG++; EA-R+/-; EBNA-1-IgG +
Hinweis(e)
Das Burkitt-Lymphom stimuliert besonders gut die Bildung der Antikörper gegen einen Teil der vielen EBV-spezifischen EAs (early antigens) der nicht durch Methanol denaturiert wird (EA-R = restricted antigen). Auffällig ist, dass die afrikanische Form des Burkitt-Lymphoms geographisch auf die Bereiche beschränkt ist, in denen auch die Malaria endemisch ist. Die Tatsache, dass es in den Gegenden Afrikas, in denen die Malaria zurückgedrängt wird, auch zu einer deutlich niedrigen Inzidenz des Burkitt-Lymphoms kommt, zeigt eine enge pathogenetische Verzahnung der beiden Lymphomarten. Die Zusammenhänge sind bisher noch nicht geklärt. Jedoch konnte gezeigt werden, dass mit einer Malaria-Attacke eine deutlich verringerte EBV-spezifische Zytotoxizität vorhanden ist. Daher scheint es möglich zu sein, dass EBV-transformierte B-Lymphozyten prolongiert proliferieren können.
Der Schmincke-Tumor stimuliert die EBV-Antikörper der IgA-Klasse insbesondere den VCA-Antikörper.
Prolongierte Ausheilung der EBV-Infektion bei Hochleistungssportler: Hinweis: Bei starker körperlicher Belastung (besonders bei Leistungssportlern) kann das VCA-IgM persistieren. Man spricht von einer verlängerten (prolongierten) Ausheilung, wenn das EBNA-1-IgG bereits positiv ist.
EBV-Infektion des ZNS: Die seltene EBV-Infektion des ZNS kann durch intrathekal gebildete Antikörper gegen das VCA nachgewiesen werden. Die Antikörperbildung erfolgt oligoklonal durch Lymphozyten die über den Plexus chorioideus in den Liquorraum eingewandert sind.
Aviditätstestung (Die Avidität (von lat. avidus, „gierig“) eines Antikörpers ist die Stärke einer multivalenten Bindung zwischen Antigen und Antikörper): In diagnostischen Problemfällen kann häufig durch einen Immunoblot und/oder eine Aviditätstestung eine akute von einer zurückliegenden Infektion unterschieden werden. Der Nachweis einer hohen Avidität der VCA-IgG-Antikörper beweist einen länger zurückliegenden Infektionszeitpunkt.
EBV-Infektion bei Immunschwäche: Bei Immunschwäche (Immuninkompetenz) kann das Virus von der Ruhephase (Latenz) wieder in eine aktive Vermehrung übergehen (Reaktivierung). Hierbei kann das EBNA-1-IgG beispielsweise bei HIV-Patienten sekundär wieder negativ werden. Eine zuverlässige Einschätzung von EBV-Reaktivierungen bei Immunschwäche ist nur anhand der Bestimmung der Viruslast durch Polymerase-Kettenreaktion möglich.
PCR: Der direkte Nachweis der Virus-DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion ist bei Immungesunden meist nicht sinnvoll, da im Blut auch das latente Genom nachgewiesen werden kann und gleichzeitig symptomlose Träger das Virus konstant oder vorübergehend mit dem Speichel ausscheiden. Die oben genannten Reaktivierungen bereiten einem immungesunden Menschen in aller Regel keine Beschwerden, sie stellen lediglich ein labordiagnostisches Problem dar, da der Nachweis von VCA-IgG in hohen Konzentrationen und ggf. wieder auftretendes VCA-IgM zu Fehlinterpretationen führen kann. Weiterhin ist der Einsatz der PCR zur Diagnostik des lymphoproliferativen Syndroms nach Knochenmarks- und Stammzelltransplantation geeignet.
Reaktivierung des immunologischen Gedächtnisses: Die akute EBV-Infektion induziert bei den infizierten B-Lymphozyten eine Art „Recall- Effekt“. Dies führt dazu, dass B-Lymphozyten erneut IgM-Antikörper bilden und zwar von Infektionen die bereits ausgeheilt waren. Das Resultat ist das gleichzeitige Vorhandensein von IgM-Antikörpern gegen Röteln, Masern, Hepatitis A, CMV u.a. Diese serologische Konstellation imitiert somit akute Infektionen durch diese Erreger. Ein Patient mit > 1 positiven IgM-Titer unterschiedlicher viraler Antigene ist stets EBV-verdächtig.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Shah MV et al. (2014) EBV-positive peripheral T-cell lymphoma with extensive hemophagocytosis. Blood 124:3329.
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- Taylor GS et al.(2015) The immunology of Epstein-Barr virus-induced disease. Annu Rev Immunol 33:787-821.
Verweisende Artikel (8)
CD21; Hydroa-vacciniforme-artige lymphoproliferative Erkrankung ; Immundefekte primäre (bei Immundysregulationen); Immundefizienz 64 ; Immundefizienz 87 und Autoimmunität; Immundefizienz X-chromosomale mit Magnesiumdefekt, Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektion und Neoplasie ; Lymphoproliferatives Syndrom Typ 2 ; VEGF;Weiterführende Artikel (17)
CD21; CD70-Gen; EBV-positives diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom; Fokal segmentale Glomerulosklerose ; Gianotti-Crosti-Syndrom; Haarleukoplakie orale; Hämophagozytische Lymphohistiozytose primäre (Übersicht); Hepatitis akute; Hydroa vacciniforme; Hydroa-vacciniforme-artige lymphoproliferative Erkrankung ; ... Alle anzeigenDisclaimer
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