Mononukleose infektiöse B27.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

This article in english

Synonym(e)

Drüsenfieber; EBV-Infektion; Epstein-Barr-Virus-Infektion; Infectious mononucleosis; Infektiöse Mononukleose; Mononucleosis infectiosa; Mononukleose, infektiöse; Monozytenangina; Pfeiffer Drüsenfieber; Pfeiffer-Drüsenfieber; Pfeiffersche Krankheit; Pfeiffersches Drüsenfieber

Erstbeschreiber

Filatov, 1887; Pfeiffer, 1889

Definition

Weltweit auftretende Infektionskrankheit durch das Epstein-Barr-Virus (HHV-4; s.u. Herpesviren, humane, s.u. EBV-Virus-Infektionen), einem Virus mit einem DNA-Genom der Gattung Lymphokryptovirus, aus der Familie der Herpesviridae. Das Virus wird mittels Tröpfcheninfektion oder Speichelkontakt (kissing disease) übertragen. Die Infektion verläuft im Kleinkindesalter meist inapparent.  

Im späteren Lebensalter tritt die Infektionskrankheit unter dem typischen Bild des "Pfeiffer`schen Drüsenfiebers"  mit nekrotisierender Angina, Lymphadenopathíe, Hepatosplenomegalie, atypischer Monozytose und Exanthem (3-15% der Fälle) auf. Das makulo-papulöse Exanthem tritt bei Gabe von Aminopenicillinen (Ampicillin, Amoxycillin) nahezu obligat auf.

Vorkommen/Epidemiologie

Wie alle Herpesviren ist HHV 4 ubiquitär verbreitet und infiziert den Menschen persistent. Es wird über den Speichel ausgeschieden und auch übertragen. Der hauptsächliche Übertragungsmodus ist die Tröpfcheninfektion, daher wurde der mit der Primärinfektion auftretenden Mononukleose auch der Name „kissing disease“ gegeben.

In den Industrienationen erreicht die Durchseuchung bis zum 15. Lebensjahr etwa 40 %, um dann mit der Pubertät steil auf 80–90 % im Erwachsenenalter anzusteigen. In den Entwicklungsländern beträgt die Durchseuchung aufgrund der niedrigeren Hygienestandards schon bei den unter 3-Jährigen praktisch 100 %. Iatrogene Übertragungen bei Transplantationen sind berichtet. Insbesondere HHV-4-seronegative Empfänger sind gefährdet (Schnitzler P et al. 2019).

Ätiopathogenese

Übertragung durch Tröpfcheninfektion, Speichel, Sexualkontakte ("kissing-disease") oder Körperkontakt. Zielzellen des EBV sind u.a. die naso-und oropharyngealen Epihtelien und die B-Lymphozyten, die als EBV-Rezeptor das CD-21-Antigen tragen.    

Manifestation

Vor allem bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auftretend, bevorzugt im Frühjahr. Bei 90% der Kleinkinder meist inapparenter Verlauf.

Klinisches Bild

Die Inkubationszeit beträgt 4-50 Tage.

Das klinische Bild ist durch die Trias gekennzeichnet:

  • fieberhafte (meist >39 °C) Angina tonsillaris.
  • generalisierte Lymphadenopathie.
  • Blutbild mit Virozyten (Leukozytose: 10.000 - 40.000 Zellen/l; Lymphozytose >50% mit atypischen Lymphozyten).

Der klinische Verlauf lässt sich nach 4 Varianten unterteilen:

  1. inapparente Verlaufsform (am häufigsten), v.a. im Kleinkindesalter.
  2. glanduläre Form (50% der Fälle): generalisierte Lymphadenopathie (>50%), Splenomegalie, Tonsillitis 
  3. exanthematische Form (3-15% der Fälle): Tonsillitis, Exanthem und petechiales Enanthem)
    • akute Tonsillitis, Pharyngitis, hohes Fieber mit erheblichem Krankheitsgefühl, zervikale Lymphadenopathie, Blutbildveränderungen.
    • Tag 4.-6. der klinisch manifesten Erkrankung: generalisiertes, Rumpf- und Extremitäten-betontes, häufig juckendes, dichtes makulo-papulöses (morbilliformes) oder auch Erythema-multiforme- artiges Exanthem; nicht selten begleitendes Enanthem mit Himbeer-Zunge. Häufig deutlich palpable Leber- und Milzvergrößerung.  
    • Selten ist das Auftreten eines Erythema nodosum.
  4. hepatische Form (5% der Fälle): Hepatitis, evtl. mit Auftreten von Ikterus

EBV bei immunsupprimierten Patienten: eine unkontrollierte Proliferation EBV-infizierter , immortalisierter B-Lymphozyten führt zu einer lymphoproliferativen Erkrankung der B-Lymphozyten. 

Labor

Leukozytose 10.000-40.000/μl, zahlreiche atypische monozytoide Zellen. Häufig Erhöhung der Transaminasen bis zu 10.000 U/l)

Wolf-Qutient: Lymphozytenzahl/Leukozytenzahl: ein Quotient >0,35 spricht für eine infektiöse Mononukleose.

Serologischer AK-Nachweis (s. detaillierte Ausführung bei EBV-Virus-Infektionen):  

Frische Infektion:

  • Paul-Bunnel-Reaktion (heterophile IgM-AK, die Hammelerythrozyten agglutinieren) ist positiv, bei Kindern nur in 40-50% der Fälle. AK sind aber nicht EBV-spezfisch!
  • Anti-VCA (virales Capsid Antigen) IgG- + IgM - Antikörper gegen Epstein-Barr-Virus, vierfacher Titeranstieg im Abstand von 10-14 Tagen.
  • Nachweis von Epstein-Barr-Virus DNA via PCR.

Zurückliegende Infektion:

  • Nachweis von Anti-VCA vom IgG-Typ 

Differentialdiagnose

Cytomegalie-Virusinfektion

Gewöhnliche Streptokokkenangina

Multiforme Arzneimittelexantheme

Akute HIV-Infektion (HIV-Serologie)

Angina Plaut-Vincenti

Diphtherie 

Syphilitische Exantheme

Infektionen mit HHV-6- und HHV-7- Viren

Toxoplasmose

Bei Lymphadenopathie und Leukozytose muss auch an eine myeloproliferative Erkrankung gedacht werden 

Komplikation(en)

  • Granulozytopenie, Thrombozytopenie
  • Selten ist ein infektassoziiertes hämophagisches Syndrom (IHS) mit Panzytopenie. Evtl. Blutungen infolge der gesteigerten Hämophagozytose
  • Milzruptur (selten: vermehrte Gefahr bei Hochleistungssportlern, die vorzeitig wieder in belastende Trainingseinheiten einsteigen (Shephard RJ 2017)
  • Meningoenzephalitis
  • Myokarditis
  • Evtl. postinfektiöse Müdigkeit (Fatigue-Syndrom) (diese kann mehrere Monate anhalten)
  • Chronisch aktive EBV-Infektion mit anhaltender Virusreplikation: v.a. bei Kindern, Fieber, Gewichtsverlust, Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie, evtl.hämolytische Anämie.
  • Orale Haarleukoplakie: bei koinzidenter HIV-Infektion.  
  • EBV-Infektionen bei immundefizienten Patienten (s.v.a. unter:Immundefekte primäre (Defekte der intrinsischen Immunität) durch unkontrollierte Proliferation EBV-infizierter , immortalisierter B-Lymphozyten resultieren lymphoproliferative Erkrankungen der  B-Lymphozyten.
  • Patienten mit einer infektiösen Mononukleose in der Anamnee, haben ein 3-fach erhöhtes Risiko für einen M. Hodgkin.

  • EBV-assoziiertes Burkitt-Lymphom, das in Äqutorialafrika endemisch ist. EBV spielt bei diesem Lymphom die Rolle eines Co-Faktors.

  • EBV-assoziiertes Nasopharynxkarzinom, das in Süchina und Alaska endemisch ist.

Therapie

  • Symptomatische Therapie nach Klinik mit Bettruhe, Fiebersenkung durch Wadenwickel und/oder Paracetamol (z.B. Ben-u-ron) 3mal/Tag 500 mg p.o.
  • Bei Juckreiz extern Tannolact Lotio, Lotio alba, auch mit Zusatz von 3-5% Polidocanol R200 oder ggf. Behandlung mit Antihistaminika wie Desloratadin (z.B. Aerius) 1-2 Tbl./Tag oder Levocetirizin (z.B. Xusal) 1-2 Tbl./Tag.
  • Bei Befall der Mundschleimhaut antiphlogistische und adstringierende Mundspülung (z.B. Kamillosan, R255 ).
  • Bei schwerem Verlauf sonographische Kontrollen von Leber und Milz

Merke! Keine Applikation von Aminopenicillinen (z.B. Ampicillin, Amoxycillin, Bacampicillin) bei Mononukleose! Bei Einnahme von Aminopenicillinen in der akuten Phase (der nicht exanthematischen Verlaufsformen) kommt es bei >1/3 der Fälle zum Auftreten eines makulopapulösen Exanthems! S.u. Arzneimittelreaktion, unerwünschte. Ferner kommt es zu einem periorbitalen Gesichtsödem (30%) und Petechien am Gaumen. 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Balfour HH Jr et al. (2015) Infectious mononucleosis. Clin TranslImmunology 4:e33
  2. Berger C et al. (2001) Dynamics of Epstein-Barr virus DNA levels in serum during EBV-associated disease. J Med Virol 64: 505-512
  3. Chen J et al. (2003) Just another simple case of infectious mononucleosis? Lancet 361: 1182
  4. Chovel-Sella A et al. (2013) Incidence of rash after amoxicillin treatment in children with infectious mononucleosis.Pediatrics 131:e1424-1427
  5. Filatov N (1887) Lektsii ob ostrikh infeksionnîkh boleznyakh u dietei. Vol. 1 u.2, A. Lang, Moskau
  6. Ikediobi NI, Tyring SK (2002) Cutaneous manifestations of Epstein-Barr virus infection. Dermatol Clin 20: 283-289
  7. Lennon P et al.(2015) Infectious mononucleosis. BMJ 350:h1825
  8. McArthtur JR et al. (2002) Infectious mononucleosis, peripheral blood. Hematology morphology forum. Hematology 7: 201-202
  9. Pfeiffer E (1889) Drüsenfieber. Jahrbuch für Kinderheilkunde und physische Erziehung (Wien) 29: 257-264
  10. Rosenberg ES et al. (1999) Acute HIV infection among patients tested for mononucleosis. N Engl J Med 340: 969
  11. Shephard RJ (2017) Exercise and the Athlete With Infectious Mononucleosis.
    Clin J Sport Med 27:168-178.
  12. Schnitzler P et al. (2019) Virologie. In: Hof H et al. (Hrsg) Medizinische Mikrobiologie Thieme Verlag S 256-260 

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024