Synonym(e)
Erstbeschreiber
Kaposi, 1886; Wise u. Rein, 1936; Nekam, 1938
Kaposi beschrieb 1886 die Erkrankung als „Lichen ruber moniliformis“. Mit dieser Bezeichnung hatte er sich hinsichtlich ihrer Ätiopathogenese weitgehend festgelegt. Kaposi dachte an eine Variante des Lichen ruber, wobei er mit „moniliformis“ die streifig-perlschnurartigen, lichenoiden (rötlichen) Papeln als Besonderheit hervorhob. 74 Jahre später, erinnerte sich der am 4.6. 1868 geborene, budapester Dermatologe Lajos Sándor Nékám, an dieses Krankheitsbild. Nekam reaktivierte 1938 mit der Publikation: „Sur la question du lichen moniliforme“ das Krankheitsbild. Der heute übliche Terminus „Keratosis lichenoides chronica“ wurde sehr viel später, im Jahre 1972 von M. Margolis eingeführt. Margolis hat mit dieser Begrifflichkeit dreierlei verbunden, die keratotische Hyperproliferation, den lichenoiden Aspekt und die Chronizität der Dermatose.
Definition
Seltene, eminent chronische, durch hyperkeratotische, mäßig bis erheblich juckende Papeln, Plaques und Exkoriationen gekennzeichnete, lichenoide Hauterkrankung unklarer Ätiologie. Variante eines Lichen planus verrucosus?
Auch interessant
Ätiopathogenese
Bei den spontan auftretenden Fällen von Keratosis lichenoides chronica (KLC) ist die Ätiopathogenese ungeklärt.
Eine Variante des Lichen planus (Lichen planus verrucosus)wird diskutiert .
Ein koinzidentes Auftreten mit einem anaplastischen Lymphom wurde beschrieben (Einzelkasuistik). Ebenso beschrieben bei der sporadischen KLC ist das koinzidente Auftreten mit Keratoakanthomen (Marzano AV et al. 2005)
Weiterhin werden Infekte (Hepatitiden, Glomerulonephritiden, Tuberkulose) als Auslöser genannt.
Bei der familiären Keratosis lichenoides chronica (FKLC) wurde eine Funktionsgewinn-Mutation (GOF) in NLRP1, dem Gen, das für das NLRP1-Inflammasom-Sensorprotein kodiert nachgewiesen. Das NLRP1-Protein ist eines der wichtigsten Inflammasom-Sensorproteine, die in der Haut produziert werden. Die für familiäre Keratosis lichenoides chronica verantwortliche GOF-Mutation bewirkt eine übermäßige Aktivierung des Inflammasoms, mit vermehrter Sekretion diverser Komponenten des Inflammasoms wie CASP1, ASC, IL-1b und IL-18. Diese Inflammasom-Aktivierung führt zugleich zu Entzündungssymptomen wie auch Verhornungsanomalien (Zhong FL et al. 2016). Erkrankungen dieses Typs ordnete Akiyama unter der Bezeichnung „Autoinflammatorische Keratinisierungskrankheiten“ - AiKDs - ein. Akiyama postulierte eine pathogene, primär bidirektionale Beziehung zwischen Autoinflammation einerseits und genetischer bzw. erworbener, funktioneller und gfls. struktureller Störung des Oberflächen- und/oder Tiefenepithels der Haut (Akiyama M et al. 2020). In seltenen Fällen können Überschneidungen bei der familiären Keratosis lichenoides (FKLC) mit multiplen selbstheilenden palmo-plantaren Karzinomen (Keratoakanthomen) auftreten.
Manifestation
Meist um das 20. oder 50. Lebensjahr auftretend; grundsätzlich aber immer möglich (zweigipfelige Inzidenzmaximakurve). Auch bei Kindern ist das Krankheitsbild beschrieben.
Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen (2:1?).
Lokalisation
Meist Ausbreitung, ausgehend von einem Herd, auf große Teile des Integuments; bevorzugt sind Rumpf und Extremitätenstreckseiten.
Klinisches Bild
Generalisierte, hyperkeratotische, rotbraune juckende, lichenoide Papeln, die zu linearen und retikulären Formationen, seltener zu psoriasiformen Plaques konfluieren.
Die Gesichtsbeteiligung erinnert an eine seborrhoische Dermatitis oder eine atypische Rosazea.
Befall von Mundschleimhaut ( Aphthen, Laryngitis) und Augen (Keratokonjunktivitis, Blepharitis, Synechie-Bildung) ist möglich.
Nicht selten sind palmoplantare Keratosen. Weiterhin auch Nagelveränderungen (aufgetriebener hyperkeratotischer Nagelfalz, verstärkte Krümmung der Nagelplatte).
Histologie
Akanthose und Orthohyperkeratose, seltener säulenförmige Parakeratose über eingesenkter Epidermis, auch follikuläre Keratose, vakuoläre Degeneration des Stratum basale, lichenoides lymphozytäres Infiltrat (Interface-Dermatitis) mit fokalen Ansammlungen von zytoiden Körperchen und Plasmazellen.
Differentialdiagnose
Dyskeratosis follicularis: untpyische Lokalisation; Histologie ist für die Dyskeratosis follicularis diagnostisch.
Lichen planus verrucosus: das klinische und histologische Bild kann völlig vergleichbar sein. Bei Familiarität ist der Nachweis der NLRP1-Mutation beweisend.
Pityriasis rubra pilaris: eher flächige, psoriasiforme Hautveränderungen.
Parakeratosis variegata: poikilodermatisches Krankheitsbild. Der besondere klinische Aspekt mit den "striären oder netzförmigen angeordneten, lichenoiden und atrophischen, wenig schuppenden Papeln und Plaques rechtfertigt keine Eigenständigkeit des Krankheitsbildes.
Lupus erythematodes chronicus: Immunhistologie ist beweisend. Lokalisationen sind lichtbetont.
Externe Therapie
In der Regel komplette Resistenz gegenüber Lokaltherapeutika. Vorübergehende Besserung kann erreicht werden mit 5–10% Harnstoff-haltigen Externa (z.B. als Rezeptur: Harnstoff-Creme hydrophile 5 oder 10% (NRF 11.71.), Basodexan® Salbe). Glukokortikoide führen zu einer zeitweisen Besserung.
Alternativ: Vitamin A-Säure-Salbe/Creme (z.B. Cordes VAS).
Alternativ: Tacrolimus Salbe.
Bestrahlungstherapie
Interne Therapie
Retinoide: Acitretin (Neotigason) initial 0,5 mg/kg KG/Tag, Erhaltungstherapie nach Klinik. Ggf. Kombination aus PUVA-Therapie und Retinoiden entsprechend der RePUVA-Therapie. Auch eine Kombination von Acitretin und Methotrexat erwise sich in einem Einzelfall als erfolgreich (Li AW et al. 2017).
Als Einzelfall wurde ein positives Ansprechen auf eine Efalizumab-Therapie beschrieben.
Hinweis(e)
Die Entität dieser seit 1895 durch Kaposi beschriebenen Erkrankung war lange Zeit umstritten. Die meisten Autoren gingen davon aus, dass es sich um eine Variante des Lichen planus handelt (s. klinische Analogein zum Lichen planus verrucosus), zumal weder histologisch noch immunhistologisch eindeutige Unterschiede erkennbar sind.
Familiäre Formen der Keratosis lichenoides chronica (LKLC) mit Funktionsgewinn-Mutationen in NLRP1 belegen jedoch die Eigenständigkeit der Erkrankung (Zhong FL et al. 2016).
Fallbericht(e)
55-jährige Frau, die seit 4 Jahren an diffusen, anhaltenden, leicht juckenden Hautläsionen litt, die vorwiegend das Gesicht und die Extrmiäten betraf. Differentialdiagnostisch wurde an eine Pityriasis lichenoides chronica, einen diskoiden Lupus erythematodes gedacht. Topische Kortikosteroide, Calcineurininhibitoren, Phototherapie, Hydroxychloroquin und Methotrexat wurden mit geringem Effekt eingesetzt.
Klinisch fanden sich zahlreiche keratotische, rötliche Papeln mit einem Durchmesser von 2–4 mm, die symmetrisch auf den oberen und unteren Gliedmaßen verteilt und in einem linear-netzförmigen Muster angeordnet waren. Im Gesicht befanden sich gut abgegrenzte erythematöse Papeln und Plaques mit gelblichen Schuppen, insbesondere in seborrhoischen Bereichen. Es wurde berichtet, dass sich Hautläsionen durch Sonneneinstrahlung besserten. Ein zusätzlicher Befund war eine begleitende Blepharitis mit einer schmerzhaften Erosion der tarsalen Bindehaut des linken Auges. Die Laboruntersuchungen lagen im Normbereich. Die histopathologische Untersuchung ergab eine fokale Parakeratose und Hypergranulose, bandförmige lymphatische Infiltrate in der Dermis und eine Exozytose von Lymphozyten am dermal-epidermalen Übergang. Die direkte Immunfluoreszenz zeigte granuläre Ablagerungen von Immunglobulin M (IgM) an der dermal-epidermalen Junktionszone.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Zhong FL et al. (2016) Germline NLRP1 Mutations Cause Skin Inflammatory and Cancer Susceptibility Syndromes via Inflammasome Activation. Cell 167:187-202.e17.
Verweisende Artikel (17)
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