Myeloproliferative Neoplasien

Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Chronische Myeloproliferative Erkrankungen; CMPE; MPN; Myeloproliferative Erkrankungen

Definition

Unter der Bezeichnung „myeloproliferative Neoplasien“ (MPN) (früher: Chronische Myeloproliferative Erkrankungen - CMPE) wird eine Gruppe seltener, monoklonaler Erkrankungen der myeloischen Stammzellen mit autonomer Prolferation einer oder mehrerer hämatopoetischer Zellreihen (Leuko,-Erytho-, Thrombozytose) zusammengefasst .

Sie gehört zu den myeloischen Neoplasien wie auch:

Neben dem klinischen Erscheinungsbild, der Knochenmarkmorphologie, dem Immunphänotyp und dem zytogenetischen Befund haben v.a. die Fortschritte in der molekularen Charakterisierung zur besseren Abgrenzbarkeit der verschiedenen myeloischen Erkrankungen beigetragen. Die bessere Kenntnis der Pathogenese und des genetischen Profils erlaubt eine klarere Zuordnung des Einzelfalles und zum Teil eine bereits am molekularen Defekt angreifende Therapie.

Einteilung

Die Gruppe der MPN umfasst definitionsgemäß folgende Erkrankungen (WHO 2016) 

Allgemeine Information

Ursprünglich konnte nur die Chronische myeloische Leukämie aufgrund ihres klonalen Markers (Philadelphia-Chromosom bzw. bcr-abl-Fusionsgen) eindeutig diagnostiziert und von den anderen MPN sicher abgegrenzt werden. Durch den Nachweis der erworbenen  sog. Driver‘ Mutationen (Treiber-Mutationen), im JAK2- (Januskinase), CALR-(Calreticulin) und MPL-Gen (Thrombopoietin-Rezeptor-Gen) wurde auch bei ET, PV und PMF der Nachweis der Klonalität und damit die sichere Abgrenzung gegenüber reaktiven Zuständen möglich. Im Gegensatz zur Chronischen myeloischen Leukämie sind diese Mutationen jedoch nicht spezifisch für einen einzelnen MPN-Subtyp. Bei den Diagnosekriterien (WHO 2016) der selteneren Entitäten wie der Chronischen Neutrophilenleukämie  (CNL), der Chronischen Eosinophilenleukämie, ‘not otherwise specified’ (CEL-NOS) und den Myeloproliferativen Neoplasien, unklassifizierbar (MPN,U) kommt dem Nachweis eines klonalen Markers eine wichtige prognostische und therapeutische Relevanz zu. CEL-NOS und MPN,U  können meist aufgrund des Ausschlusses anderer MPN diagnostiziert werden, konnten bei der Chronischen Neutrophilenleukämie (CNL) diagnostisch einsetzbare ‚Driver‘-Mutationen (Punktmutationen im ‚colony-stimulating factor 3 receptor‘; CSFR3-Mutationen) nachgewiesen werden, welche eng mit der CNL assoziiert sind (Szuber N et al. (2021)

Die relativen Häufigkeiten der ‚Driver‘ Mutationen bei den klassischen bcr-abl negativen MPN (ET, PV und PMF) lassen sich folgt darstellen:

  • Essentielle Thrombozythämie -Mutierte Gene: CALR(20-30%); JAK2 (etwa 60%); MPL (3-5%)
  • Polycythaemia Vera - Mutierte Gene: JAK2 (98%)
  • Primäre Myelofibrose -Mutierte Gene: CALR(20-30%); JAK2 (etwa 60%); MPL (5-8%)

Bei ET und PMF haben 10% bis 15% Fälle keine der drei Mutationen (‚triple negative‘), sodass ihre sichere Zuordnung zu den MPN in manchen Fällen schwierig sein kann. Die Mutationen betreffen Gene von Tyrosinkinasen, die über einen gemeinsamen (JAK-STAT-) Signalweg in die Regulation der Zellproliferation eingebunden sind. Die jeweilige Mutation führt zu einer autonomen, vom Bedarf losgelösten Proliferation einer oder mehrerer Zellreihen

Die JAK2-V617F-Mutation entspricht einer Punktmutation im Exon 14 des JAK2-Gens. Ausschließlich bei PV (2% - 4%) konnte eine Mutation im Exon 12 des JAK2-Gens identifiziert werden. Die nachgewiesenen MPL-Mutationen entsprechen zumeist im Codon 515 des Thrombopoietinrezeptor-Gens lokalisierten Punktmutationen. Bei den CALR-Mutationen handelt es sich um mehrere unterschiedliche Mutationen (Insertionen/Deletionen) im Exon 9 des Calreticulin-Gens, deren genaue Lokalisation wahrscheinlich prognostischen Einfluss hat.

Weiterhin konnte gezeigt werden, dass  bei Patienten mit myeloischen Neoplasien zusätzlich somatische Mutationen (auch als non-Driver‘- oder Passenger-Mutationen bezeichnet) auftreten können. Dies sind v.a. Mutationen in den Genen TET2, ASXL1, EZH2, DNMT3A, IDH1/IDH2, SRSF2, TP53. Diese somatische Mutationen beeinflussen die Prognose der Erkrankung in unterschiedlicher Weise (Zoi K et al. (2017).

Auch das Auftreten chromosomaler Aberrationen beeinflusst die einzelnen Erkrankungen.

Hinweis(e)

Neuere molekulare Untersuchungen weisen darauf hin, dass die ‚Driver‘ Mutationen wahrscheinlich schon in der Kindheit (ggf. sogar in utero) erworben werden können und dass die Latenz bis zum Auftreten der MPN bis zu einige Dekaden betragen kann (Williams N et al. (2020). Unklar ist z.B. bei der Entstehung der MPN weiterhin das Zusammenspiel von genetischer Prädisposition und erworbenen Mutationen und warum bei der gleichen Mutation unterschiedliche Krankheitsbilder auftreten.

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024