Synonym(e)
Definition
Im Dezember 2019 meldete China die ersten Fälle der Coronavirus-Erkrankung 2019 (COVID-19). Im März 2020 wurde diese Infektionskrankheit von der Weltgesundheitsorganisation als globale Pandemie klassifiziert. Die Krankheit, die durch das Schweres-Akutes-Respiratorisches-Syndrom-Coronavirus-Typ 2 (SARS-CoV-2) verursacht wird, hat sich zu einer Pandemie entwickelt (Erklärung der WHO im März 2019).
SARS-Cov-2 ist ein einzelsträngiges RNA-Virus, ein Betacoronavirus, das aus 16 nicht-strukturellen Proteinen besteht, die spezifische Aufgaben bei der Replikation von Coronaviren haben. Bis heute hat die Erkrankung zu etwa 85 Millionen bestätigten Fällen (Tendenz steigend) geführt und fast 1,8 Millionen damit verbundene Todesfälle weltweit verursacht. Die COVID-19-Pandemie ist zweifelsohne die schwerste gesundheitliche und sozioökonomische Krise unserer Zeit.
Die häufigsten Symptome der Krankheit sind Husten und Fieber. Mehr als 80% der Patienten haben eine asymptomatische bis mittelschwere Erkrankung. 15% erkranken an einer schweren Pneumonie und 5% entwickeln ein Multiorganversagen.
Im Zusammenhang mit COVID-19 werden zunehmend dermatologische Auffälligkeiten beobachtet. Dies ist von besonderem Interesse, da dermatologische Symptome auch bei asymptomatischen oder wenig symptomatischen Patienten auftreten können (Gaspari V et al. 2020). Dies ist epidemiologisch umso wichtiger, als dass diese oligo-oder asymptomatische Patientengruppe die weitaus größte Gruppe der COVID-19-Patienten stellt. Somit gilt es, den monitorischen Zeichen der Haut eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, um auch bei dieser Patientengruppe die wichtigen und notwendigen medizinischen und organisatorischen Maßnahmen hinsichtlich einer möglichen COVID-19-Infektion einzuleiten.
Einteilung
Grundsätzlich lassen sich Hautveränderungen bei viralen Infekten (Virusexantheme) und damit auch bei COVID-19 wie folgt einteilen:
- durch Viren direkt (infektiöse Exantheme) oder indirekt (parainfektiöse Exantheme) induzierte, generalisierte oder lokalisierte Ausschläge unterschiedlicher klinischer Symptomatik und Morphologie; die Klinik der infektiösen Virusexantheme ist Ausdruck eines definierten Erregers (z. B. Varizellen, Masern, Röteln u.a.)
- parainfektiöse Virusexantheme (z.B. Gianotti-Crosti-Syndrom; unilaterales laterothorakales Exanthem; postherpetisches Erythema multiforme, morbilliforme Exantheme bei Infektiöser Mononukleose) – Diese können durch unterschiedliche Erreger oder durch Arzneimittel hervorgerufen werden; sie sind meist Erreger-unspezifisch; beispielsweise sind bisher 13 unterschiedliche Virusarten bekannt, die ein Gianotti-Crosti-Syndrom auslösen können.
- Eine Sonderrolle spielt das (parainfektiöse) Multisystemisches Entzündungssyndrom in Verbindung mit COVID-19. Epidemiologische Daten belegen, dass COVID-19 bei Kindern offenbar weniger häufig auftritt und v.a. einen milderen Verlauf hat. 2020 wurde ein häufig schwer verlaufendes Krankheitsbild bei Kindern und Jungendlichen beschrieben mit einem Phänotyp, der dem Kawasaki-Syndrom ähnelt. Dermatologisch zeigten sich bei schwerer fieberhafter Allgemeinsymptomatik makulo-papulöse Exantheme, Konkunktivits, Cheilits, Palmarerytheme sowie Hand- und Fußödeme (Pouletty M et al. 2020).
- arzneimittelinduzierte Exantheme, wobei der virale Infekt eine initiierende Rolle spielt.
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Aktuell werden neben den COVID-19-assoziierten Exanthemen vaskulitische und nicht-vaskulitische Hautveränderungen beschrieben (Drerup, K.A. et al 2021)
Exanthematische Hautveränderungen:
- vesikuläre, ggf. juckende Exantheme, die in 15 % der Fälle vor anderen COVID-19-Symptomen auftreten
- makulopapulöse, häufig juckende Exantheme, in der Regel zusammen mit weiteren COVID-19-Symptomen, v.a. bei schwerwiegenderen Verläufen
- urtikarielle, stark juckende Exantheme, meist gleichzeitig mit anderen Symptomen
Akrale vaskulitische Hautveränderungen:
- Livedo, Purpura oder nekrotische Hautveränderungen, v. a. bei älteren, schwer erkrankten Patienten, zeitgleich mit den ersten Symptomen, hohe Mortalität bis zu 10 %
- Chilblain-artige Hautveränderungen
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Vorkommen/Epidemiologie
Das Durchschnittsalter der Patienten mit COVID-Hautveränderungen beträgt 49,03 Jahre (5-91Jahre); w:m=6:4. Die Hautveränderungen traten durchschnittlich 9,92 Tage (1-30) nach Auftreten der systemischen Symptome auf (Zhao Q et al. 2020). Wichtig ist, dass die Hautveränderungen bei ansonsten oligo-oder asymptomatischen Patienten auftreten können.
Pathophysiologie
Die Pathologie von COVID-19 ist multifaktoriell: Zustand der Hyperkoagulabilität, Schädigung des Lungengewebes, Beteiligung des neurologischen und/oder gastrointestinalen Trakts, ein monozytäres/Makrophagen-Aktivierungssyndrom, das in einer übersteigerten Zytokinsekretion (Zytokinsturm) gipfelt, die zu einer Verschlimmerung des Infektionsgeschehens und zum Tod führen kann. Damit verbunden sind Veränderungen in verschiedenen Genen (IFNAR2, OAS1, TYK2, DPP9 und CCR2), die mit der angeborenen Immunabwehr assoziiert sind.
Diese systemischen Zustände können mit vielgestaltigen kutanen Läsionen assoziiert sein, bei denen sich ebenfalls auf histopathologischer Ebene verschiedene Entzündungsmuster zeigen. Die Hautveränderungen können mit unterschiedlichen multisystemischen Manifestationen assoziiert sein (Criado PR et al. 2020).
Klinisches Bild
Spanische Dermatologen haben an einem größeren Kollektiv grob orientierend fünf charakteristische klinische Muster herausgearbeitet (Catalá Gonzalo A et al. 2020). Hinzu kommt eine 6. Kategorie mit sonstigen Hautveränderungen, über die kasuistisch berichtet wurde.
- Makulopapulöse Exantheme (21,3% der COVID-Hautverändeurngen). Sie betrafen am häufigsten Erwachsene mittleren Alters (Durchschnittsalter 53,2 Jahre): Die Patienten wiesen unterschiedlich ausgeprägte morbilliforme Exantheme der Haut auf, z.T. mit hämorrhagischen sowie punktförmigen oder großflächigen Rötungen. Auch diese Läsionen wurden bei schweren Verläufen der Covid-19-Erkrankung beobachtet, bei denen mehrere Medikamente zum Einsatz kamen. Somit könne nicht ausgeschlossen werden, so die spanischen Dermatologen, dass diese Hautreaktionen Ausdruck einer Arzneimittelnebenwirkung seien. Zu den makulopapulösen Exanthemen gehören auch die purpurischen vaskulitischen Exantheme, die bei starker Exsudation auch einen vesikulösen Aspekt einnehmen können. Ihnen liegt eine leukozytoklastische Vaskulitis zugrunde (Camprodon Gómez M et al. 2020).
- Chilblain-Lupus-artige Veränderungen (COVID‐19 Chilblains; Blue-Toe-Syndrom): Akrale, schmerzhafte, livid-rote Schwellungen (Pseudo-Frostbeulen) waren mit 40,4 % aller COVID-Hautsymptome die am häufigsten identifizierten Läsionen (Daneshgaran G et al. 2020, Le Cleach L et al.2020). Die meist asymmetrisch an Händen (Finger) und Füßen (Zehen) auftretenden, frostbeulenähnlichen Veränderungen treten vorwiegend bei jüngeren weiblichen Patienten mit geringerer COVID-19-Symptomatik auf (58,5% betrafen Frauen zwischen 18 und 39 Jahren, Durchschnittsalter 23,2 Jahre) (Daneshgaran G et al. 2020). Sie bildeten sich erst im späteren Verlauf der Erkrankung aus und persistierten für durchschnittlich 12,7 Tage. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen waren die Hautveränderungen schmerzhaft oder verursachten Juckreiz (Daneshgaran G et al. 2020). Histopathologisch finden sich unterschiedliche Grade einer lymphozytären Vaskulitis, die von Endothelschwellung und Endotheliitis bis zu fibrinoider Nekrose und mikrothrombotischen Phänomenen reichen. Weiterhin sind oberflächliche und tiefe perivaskuläre lymphozytäre Infiltrate mit paraekkriner Akzentuierung sowie leichte vakuoläre Interfaceschäden nachweisbar. Bei einigen Fällen war die SARS-CoV-2-Immunhistochemie in Endothelzellen und Epithelzellen der ekkrinen Drüsen positiv. Elektronenmikroskopisch wurden von einer Autorengruppe Coronavirus-Partikel im Zytoplasma der Endothelzellen gefunden (Colmenero I et al. 2020). Dies scheint jedoch eher eine Seltenheit zu sein (Herman A et al. 2020; Le Cleach L et al. 2020). Obwohl die klinischen und histopathologischen Merkmale anderen Formen von Chilblains ähnlich sind, stützen das Vorhandensein von Viruspartikeln im Endothel und der histologische Nachweis von Gefäßschäden einen kausalen Zusammenhang der Läsionen mit SARS-CoV-2. Wahrscheinlich ist die durch das Virus induzierte Endothelschädigung wichtig für die Pathogenese der akralen „Frostbeulen-artigen“ Veränderungen.
- Urtikaria/Angioödem: Urtikarielle, meist juckende Exantheme betrafen 10,9 % der COVID-Hautveränderungen. Betroffen waren erwachsene Patienten (Durchschnittsalter 38,3 Jahre). Im Rahmen einiger Studien war dies mit einem schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung assoziiert; betroffen war v.a. der Rumpf; seltener stellen sich faciale Angioödeme im Rahmen einer manifesten COVID-19-Infektion ein (Najafzadeh M et al. 2020).
- Vesikulöse Exantheme: Primär vesikulöse Exantheme betrafen 13,0 % der COVID-Hautveränderungen. Sie traten bei Erwachsenen mittleren Alters auf (Durchschnittsalter 48,3 Jahren). Bei diesen Patienten zeigten sich an Rumpf und Extremitäten windpockenartige, vesikuläre, juckende Exantheme. Teils kann auch eine hämorrhagische Komponente hinzutreten. Die Läsionen persistierten durchschnittlich 10,4 Tage (Marzano AV et al. 2020).
- Livedovaskulitis (Livedo racemosa): Diese Hauterscheinungen mit ihren charakteristischen sattroten oder auch hämorrhagischen Blitzfiguren waren selten. Hierbei dürfte es sich um mikrothrombotische Prozesse und Gefäßschäden handeln. Die Hautveränderungen traten v.a. am Rumpf und den Extremitäten auf und betrafen 4 % der COVID-Hautveränderungen. Die Livedovaskulitiden traten v.a. bei schweren Verläufen und bei älteren Patienten auf (Durchschnittsalter 77,5 Jahre) und waren in 60 % der Fälle gleichzeitig mit nicht-kutanen COVID-19-Symptomen assoziiert (Daneshgaran G et al. 2020). Die Mortalität in dieser Gruppe lag bei 10 %. Inwieweit diese direkt viral ausgelöst sind, oder im Rahmen einer viral induzierten immunologischen Fehlfunktion auftreten, ist bisher noch ungeklärt. Den Livedovaskulitiden lag histologisch eine okklusive Vaskulitis mittelgroßer Hautgefäße zugrunde (Daneshgaran G et al. 2020).
Sonstige Hauterscheinungen:
- Erythema multiforme: Multiforme Exantheme waren selten und betrafen 3,7% der COVID-Hautveränderungen, hauptsächlich jedoch Kinder (Durchschnittsalter 12,2 Jahre).
- Gianotti-Crosti–Syndrom (Brin C et al. (2020)
- Leukozytoklastische Vaskulitis mit hämorrhagischen Flecken, auch hämorrhagischen Bläschen und Blasen; Zeichen der Isomorphie mit strichförmigen Läsionen in Kratzspuren (Camprodon Gómez M et al. (2020)
- Symmetrical drug-related intertriginous and flexural exanthema (SDRIFE) Criado PR et al. (2020)
- Acral peeling skin syndrome (Rotulo GA et al. 2020)
- SDRIFE (Chicharro P et al. 2021)
- Pityriasis lichenoides chronica, auch nach COVID-Vakzinierung (Drago F et al. 2022)
Hinweis(e)
Zusammenfassend sind Hautveränderungen im Rahmen einer COVID-Infektion als monitorische Zeichen für diese virale Infektion zu werten. Dies betrifft v.a. auch varizelliforme Exantheme. Akrale COVID-Chilblains können indikative und prognostische Marker für die Schwere der Erkrankung sein. So finden sich „COVID-Zehen“ häufig bei Kindern und asymptomatischen Patienten!
Die seltene Livedovaskulitis ist als potenzielles Korrelat zur Schwere der Krankheit zu werten. Dasselbe scheint für Angioödeme zuzutreffen.
Es ist wichtig für Angehörige von Gesundheitsberufen, sich mit den COVID-Hautveränderungen vertraut zu machen, um diese monitorischen Symptome frühzeitig einschätzen zu können.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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