Pemphigus chronicus benignus familiaris Q82.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Pia Nagel

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

chronic recurrent acantholysis; Dyskeratoid dermatosis; Dyskeratosis bullosa; Dyskeratosis bullosa hereditaria; familial benign pemphigus; Familiärer gutartiger Pemphigus; Gougerot- Hailey-Hailey-Krankheit; Gougerot-Hailey-Hailey-Krankheit; Hailey-Hailey Morbus; M. Hailey-Hailey; Morbus Hailey-Hailey; OMIM:169600; Pemphigus chronicus; Pemphigus familiärer gutartiger; Pemphigus familiaris chronicus benignus; Pemphigus Gougerot-Hailey-Hailey; recurrent herpetiform dermatitis repens

Erstbeschreiber

Gougerot, 1933; Howard Hailey u. Hugh Hailey (Brüder), 1939

Definition

Eminent chronisch verlaufende, rezidivierende Genodermatose, die durch entzündliche, nässende und mazerierte Areale in den großen Körperfalten gekennzeichnet ist. Häufig familiäres Auftreten. Keine nosologische Beziehung zum Pemphigus vulgaris. Provokation ist u.a. durch Sonne, Hitze, Scheuern und mikrobielle Infektionen (Candida) möglich. Vermutlich Variante des M. Darier.

Ätiopathogenese

Autosomal-dominanter Erbgang mit variabler Penetranz. Auch Neumutationen. Nachgewiesen wurden mehrere Mutationen im ATP2C1-Gen, das auf dem Chromosom 3q21-24 kartiert ist. Das ATP2C1-Gen kodiert eine Golgi-assoziierte Ca-ATPase (SERCA2), die für den Ca-Gehalt im Golgi-Apparat verantwortlich ist (Deng H et al. 2017). Eine Verminderung des Ca-Spiegels führt zu fehlerhaftem Prozessing verschiedener Adhäsionsmoleküle (E-Cadherin), zu einer ungenügenden Zell-zu-Zell Adhäsion und zur Akantholyse. S.a.u. Dyskeratosis follicularis.

Manifestation

Erstmanifestation selten vor dem 10 LJ, meist erst nach dem 20. Lebensjahr.

Lokalisation

V.a. Halsbereich, Axillen und Inguinalregion sind befallen. Seltener am Stamm auftretend.

Klinisches Bild

Initial solitäre oder gruppierte, längliche Bläschen oder Blasen, ausgeprägter Juckreiz oder Brennen. Durch Konfluenz Ausbildung juckender, geröteter, von schmierigen Schuppenkrusten bedeckter, rundlicher, ovaler oder zirzinärer, meist scharf begrenzter Plaques mit typischen quer verlaufenden Fissuren. Oft Sekundärinfektionen (z.B. mit Candida). Nikolski-Phänomen I und Nikolski-Phänomen II sind positiv.

Histologie

Akanthose, Akantholyse mit Ausbildung breitflächiger, intraepidermaler Spalt- und Blasenbildung, die ganze Retezapfen betreffen kann und sich auch über den Papillenspitzen fortsetzt; dyskeratotische Umwandlung der akantholytischen Zellen vor allem im Stratum granulosum, häufig corps ronds und grains (Dyskeratosen), parakeratotische Zellen im Blasendach. Dermal zeigt sich ein dichtes lymphohistiozytäres Infiltrat. 

Elektronenmikroskopie: Spärliche Desmosomen, Desmolyse.

DD: Pemphigus vulgaris: Im Gegensatz zum P.v. fehlen eosinophile Granulozyten in den intraepidermalen Lumina und es fehlt eine follikuläre Beteiligung.

IF: Negativ!  

Differentialdiagnose

Merke! Bei nicht heilenden intertriginösen "Mykosen" stets an Pemphigus chronicus benignus familiaris denken!

Komplikation(en)

Sekundärinfektionen.

Therapie allgemein

Meiden provozierender Faktoren, z.B. von enger Unterwäsche oder von Jeanshosen.

Externe Therapie

Therapie bei kleineren Herden mit schwachen bis mittelstarken topischen Glukokortikoiden wie 0,5% Hydrocortison-Cremes/Lotionen (z.B. Hydro-Wolff, R123 ), 0,1% Triamcinolonacetonid (z.B. Triamgalen), 0,25% Prednicarbat-Creme (z.B. Dermatop). Statt Glukokortikoidexterna können die Läsionen auch vorsichtig mit Glukokortikoidkristallsuspension unterspritzt werden, z.B. Triamcinolon (z.B. Volon A 10-20 mg verdünnt 1:2 mit LA wie 1% Scandicain Lsg.).

Erfolgreiche Therapieversuche mit Tacrolimus (z.B. Protopic) sind kasuistisch beschrieben (Off-Label-Use!).

Häufig sind die Herde bakteriell oder mykotisch superinfiziert, daher sind alternierende Therapien mit lokalen Desinfizienzien empfehlenswert, z.B. Polihexanid (Serasept) oder Octenidin (Octenisept). Farbstoffe sind im tgl. Gebrauch weniger praktisch (Verfärbung der Umgebung).

Alternativ können glukokortikoidhaltige/antiseptische oder glukokortikoidhaltige/antiseptische/antimykotische Kombinationen angewandt werden, wie z.B. 0,5% Clioquinol/Hydrocortison Creme R051 , Clioquinol/Flumethason Creme (Locacorten Vioform), Triclosan/Flumethason (Duogalen) oder Nystatin/ Fluprednidenacetat-Paste (z.B. Candio-Hermal Plus Paste). Cave! In Intertrigines besteht erhöhte Gefahr lokaler glukokortikaler Nebenwirkungen!

 

Interne Therapie

Die Therapie insgesamt ist nicht befriedigend. Über positive Behandlungsergebnisse mit DADPS (z.B. Dapson Fatol) 50-100-150 mg/Tag p.o. oder Acitretin (Neotigason) 10-20 mg/Tag, dauerhaft 10 mg jeden 2. Tag p.o.(nach eigenen Erfahrungen wenig wirksam) wurde in Einzelfällen berichtet.

Systemische Immunsuppressiva wie Ciclosporin A (z.B. Sandimmun) oder Methotrexat (z.B. MTX) können wegen der Langzeitnebenwirkungen nicht empfohlen werden.

Über Erfolge mit dem Biologikum Etanercept sowie dem Phosphodiesterase-4-Inhibitor Apremilast (Kieffer J et al. 2018) wurde berichtet. 

In Einzelkasuistiken wurden Erfolge mit Botulinumtoxin A (Kothapalli A et al. 2019), niedrigdosiertem Naltrexon (3,0-4,5 mg/ Nacht; Albers LN et al. 2017; Jaros J et al. 2019) beschrieben. Der mögliche Mechanismus könnte darin bestehen, dass niedrig dosiertes Naltrexon die Opioid- oder Toll-like-Rezeptor-Signalgebung beeinflusst, um die Kalziummobilisierung zu verbessern und die Differenzierung der Keratinozyten und die Wundheilung zu fördern. 

Operative Therapie

Kryochirurgie. Im offenen Sprayverfahren läsionale Haut kurz eineisen, auftauen lassen und sofort 2. Zyklus anschließen. Falls diese Therapiemodalität nicht zu einem dauerhaften Erfolg führt, komplette Exzision und sekundäre Wundheilung oder plastische Deckung mit Meshgraft.

Alternativ: Dermabrasio des epidermalen Anteils kann zur vollständigen Abheilung führen, ein- bis mehrmalige Wiederholung ist jedoch teilweise nötig.

Alternativ: Behandlung mit ablativen Laser wie CO2- oder Erbium-YAG- Laser.

Alternativ: Photodynamische Therapie (Yan XX et al. 2015) 

Verlauf/Prognose

Chronisch-rezidivierender Verlauf mit Remissionen. Bei ca. 50% der Patienten Leuconychia striata longitudinalis.

Fallbericht(e)

Anamnese und klinischer Befund:

Bei einer 53 Jahre alten Frau bestehen seit Jahren münzgroße Erytheme und Plaques, teils mit, teils ohne feucht-krustige Auflagerungen, stellenweise kleinflächige, schmerzhafte Erosionen. Im Bereich beider Axillen großflächige, rote, raue Plaques, durchzogen von multiplen Fissuren. Hier ausgeprägt fötider Geruch. Diagnostisch wegweisende, strichförmige und punktuelle Erosionen beim Spannen der Haut. Nikolski-Phänomen I + II positiv. Derzeit keine Blasen. Diese habe die Patienten jedoch schon beobachtet.

Histologischer Befund: 

Ausbildung intraepidermaler Spalt- und Blasenbildung, Im Stratum granulosum Nachweis von corps ronds und grains. Superfizielles, perivaskuläres und interstitielles Infiltrat aus Lymphozyten mit einigen eosinophilen Granulozyten.

Direkte Immunfluoreszenz: o.B.    

Literatur
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