Synonym(e)
Erstbeschreiber
Erstbeschreiber der transitorisch ischämischen Attacken (TIA) ist Hippokrates, der ca. 230 v. u. Z. Attacken von Taubheit und Gefühllosigkeit als Zeichen eines bevorstehenden Schlaganfalls beschrieb (Limroth 2019).
Die motorische Aphasie wurde von P. Broca (1824 – 1880) erstmals beschrieben als die Hirnregion im Frontallappen der dominanten Hirnhemisphäre und nach ihm als „Broca- Aphasie“ benannt. Die kortikale sensorische Aphasie, die trotz intaktem Broca- Sprachzentrum besteht, wurde von C. Wernicke im Jahre 1874 entdeckt (Gerabek 2007).
Das rekombinante Gewebe- Plasminogen- Aktivator Alteplase wurde 1996 in den USA zugelassen und stellt bislang das einzige Medikament dar, das bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall im Frühstadium gute Heilungsergebnisse zeigt (Lee 2022).
Definition
Der Apoplex ist primär klinisch definiert als ein plötzliches Syndrom mit fokal- neurologischen Defizit(en), dass durch eine vaskuläre Ursache entsteht (Herold 2023).
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Vorkommen/Epidemiologie
Der Apoplex hat in den Industrieländern, insbesondere den Ostblockländern und Deutschland die höchste Inzidenz. Sie liegt bei 55 bis 64- jährigen bei 300 / 100.000 / Jahr und bei den 65 – 74- jährigen bei 800 / 100.000 / Jahr. Die Lebenszeitprävalenz, die bei ca. 15 % liegt, steigt nach dem 60. Lebensjahr deutlich an. Insgesamt sind mehr Männer als Frauen betroffen (Herold 2023). Ab dem 55. Lebensjahr bis zum 75. Lebensjahr z. B. ist das Risiko für Männer, einen Schlaganfall zu erleiden, doppelt so hoch wie das für Frauen (Gehring 2023).
Der ischämische Insult tritt mit ca. 80 % deutlich häufiger auf als der hämorrhagische, der lediglich bei 20 % die Ursache des Apoplexes ist (Herold 2023). Primäre Hirnblutungen treten bei ca. 10 – 12 % auf, Subarachnoidalblutungen bei lediglich 3 % (Mader 2020).
Bei Patienten mit chronischem Vorhofflimmern beträgt – ohne Thromboembolieprophylaxe - das Risiko, eine Hirnembolie zu erleiden, bei 6 % / Jahr (Herold 2023).
Ätiopathogenese
Beim Apoplex differenziert man hinsichtlich der Ätiologie zwischen einem ischämischen und einem hämorrhagischen Insult:
I. Ischämischer Insult:
- Ia. Makroangiopathie
Die Makroangiopathie verursacht bis zu 50 % aller Schlaganfälle. Hierbei handelt es sich um arterio- arterielle Embolien bzw. hämorrhagische Infarkte im Bereich extra- oder intrakranieller Arterien. Den wichtigsten Risikofaktor stellt die arterielle Hypertonie dar, wobei typischerweise der systolische Blutdruckwert am bedeutsamsten ist (Herold 2023).
Bei ca. 75 % der Schlaganfallpatienten besteht eine arterielle Hypertonie. Hypertoniker haben – verglichen mit Normotonikern – ein 4fach höheres Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Bei einem Anstieg des systolischen Blutdrucks um lediglich 10 mmHg steigt das Schlaganfallsrisiko bereits auf ca. 30 %. Weitere Risikofaktoren sind: Verwandte ersten Grades, die vor dem 60. Lebensjahr einen Apoplex erlitten, Alter, bestehende KHK und kardiovaskuläre Risikofaktoren wie z. B. Rauchen, Diabetes mellitus, östrogenhaltige Kontrazeptiva, Migräne mit Aura und hoher Alkoholkonsum (Herold 2023).
- Ib. Mikroangiopathie
Mikroangiopathie als Ursache tritt bei ca. 25 % der Apoplexpatienten auf. Hierbei sind kleine perforierende Gefäße mit Status lacunaris und subkortikaler vaskulärer Enzephalopathie (SVE) betroffen (Herold 2023).
- Ic. Proximale Embolien
Die proximalen Embolien machen ca. 20 % aller Hirninfarkte aus. Hier spielen 2 Emboliequellen eine Rolle
- Ic.1 Kardial
Diese stammen aus dem linken Vorhof bei z. B. Vorhofflimmern, Myokardinfarkt, Aorten- und Mitralklappenvitium, bakterieller Endokarditis, Herzwandaneurysma, Herzkatheter- Manipulationen (Herold 2023).
- Ic.2. Proximal der Aorta
Hier entstammen die Thromben aus einem Anteil der proximalen Aorta und treten vorwiegend bei Aortensklerose auf (Herold 2023).
- Id. Andere Ursachen
Die restlichen Ursachen betreffen ca. 5 % aller Schlaganfallpatienten. Hiervon sind insbesondere jüngere Menschen betroffen. Die Ursachen können z. B. sein: Dissektion der extrakranialen Hirnarterien (z. B. nach chiropraktischen Manövern), entzündliche und nicht- entzündliche (wie z. B. Moyamoya- Angiopathie) Gefäßwandstörungen (wie z. B. Vaskulitiden), paradoxe Embolien bei Rechts- Links- Shunt (wie z. B. bei Ventrikel- und Vorhofseptumdefekten inklusive pulmonalen AV- Shunts und persistierendem Foramen ovale), Antiphospholipid- Syndrom, Kokain- oder Amphetaminkonsum, genetische und hereditäre Erkrankungen (wie z. B. Morbus Osler, Morbus Fabry, CADASIL etc.) (Herold 2023).
Laut TOAST- Kriterien lassen sich ischämische Schlaganfälle ätiologisch unterteilen in:
- Ca. 25 % kardiale Embolie
- Ca. 20 % Makroangiopathie
- Ca. 20 % Mikroangiopathie
- Ca. 10 % andere zu identifizierende Ursachen
- Ca. 25 % kryptogen (Litmathe 2016)
In einer Metaanalyse hat sich gezeigt, dass sich bei zunehmendem Alkoholkonsum ein linear ansteigendes Risiko für hämorrhagische Infarkte besteht (Mader 2020).
- IIa. Spontane intrazerebrale Blutung (ICH), auch als primäre intrazerebrale Blutung bezeichnet.
Sie macht ca. 15 % aller Schlaganfälle aus. Wesentlicher Risikofaktor ist der arterielle Hypertonus, durch den es an typischer Stelle im subkortikalen Marklager oder der Pons zu einer Ruptur der Gefäße kommen kann (Herold 2023).
- II. b. Sekundäre intrazerebrale Blutung
Diese kann durch z. B. Antikoagulantien, Malformationen, Gerinnungsstörungen, Amyloidangiopathie oder Vaskulitis etc. verursacht werden (Herold 2023).
- II. c. Sympathomimetisch wirkende Drogen
Hierzu zählen Kokain, Amphetamine, Crack, Pseudoephedrine etc. (Litmathe 2016). Insbesondere Kokain kann zu intrazerebralen, intraventrikulären und zu Subarachnoidalblutungen führen (Kraft 2020).
Pathophysiologie
Der Energiebedarf des Gehirns liegt bei 20 % des Herzzeitvolumens, obwohl es lediglich 2 % des Gesamtkörpergewichts ausmacht. Die Möglichkeit einer Energiespeicherung besteht beim Gehirn nicht, wohl aber die einer Autoregulation des Blutflusses zum Gehirn und die der Kollateralisation über den Circulus arteriosus cerebri (Litmathe 2016).
- Ischämischer Infarkt
Beim ischämischen Infarkt ist die Fähigkeit zur Autoregulation eingeschränkt (Litmathe 2016).
Durch eine Abnahme der Hirndurchblutung auf Null kommt es innerhalb von 4 – 10 min zum Absterben des Hirngewebes. Bei einer Durchblutung des Gewebes von < 16 – 18 ml / 100 g kommt es innerhalb einer Stunde zum Infarkt. Bei Durchblutungs- Werten von < 20 ml / 100 g resultiert daraus, sofern sie nicht über Stunden oder mehrere Tage anhält, eine Ischämie ohne Infarkt (Kasper 2015).
Ein fokaler Hirninfarkt kann über zwei Wege erfolgen:
1. Nekrotisch
Hierbei erfolgt der Abbau des zellulären Zytoskeletts rasch. Die Folge ist ein Energieausfall in der Zelle (Kasper 2015)
2. Apoptotisch
Beim apoptotischen Weg werden die Zellen auf den Tod vorprogrammiert. Die Ischämie führt dadurch zu Nekrosen, indem den Neuronen Glukose und Sauerstoff entzogen wird, die Mitochondrien somit kein ATP mehr produzieren können und damit das intrazelluläre Kalzium ansteigt (Kasper 2015).
Penumbra
Hierbei findet sich um den Kernbereich des Infarktes eine ischämische Zone, auch bezeichnet als „Penumbra“. Dieses Gebiet ist reversibel dysfunktional und kann mittels Bildgebung (s. d.) als Halbschatten dargestellt werden (Kasper 2015).
- Hämorrhagischer Infarkt
Dieser resultiert meistens aus einem spontanen Bruch einer kleinen penetrierenden Arterie tief im Gehirn. Am häufigsten sind die Basalganglien, insbesondere das Putamen, der Thalamus, der Pons und das Kleinhirn betroffen. Dringt Blut in den Ventrikelraum ein, so erhöht das die Mortalität erheblich oder kann einen Hydrozephalus verursachen (Kasper 2015).
Hypertensive intrazerebrale Hämorrhagien (ICH) entwickeln sich meistens innerhalb von 30 – 90 min. ICH unter einer Antikoagulationstherapie hingegen entwickeln sich bis zu 24 – 48 h lang. Innerhalb von 48 h beginnen hierbei die Makrophagen, die äußere Oberfläche der Blutung zu phagozytieren. Bei Überleben des Patienten löst sich innerhalb von 1 – 6 Monaten die Blutung auf und es bildet sich ein Hohlraum, der mit Glia- Narben und Hämosiderin- beladenen Makrophagen ausgekleidet ist (Kasper 2015).
Klinisches Bild
Bei der Verschlusskrankheit der extrakraniellen Hirnarterien differenziert man zwischen 3 Stadien:
- Stadium I:
Das entspricht dem asymptomatischen Stadium (Herold 2023).
- Stadium II:
In diesem Stadium finden sich transitorisch ischämische Attacken (TIA). Es handelt sich dabei um kurzfristig bestehende neurologische Ausfälle, die jedoch innerhalb von 24 h reversibel sind. Im MRT findet sich kein Nachweis von Diffusionsrestriktionen. Dennoch muss die TIA als Notfall angesehen werden, da sich 20 % der Schlaganfälle durch eine TIA ankündigen. Nach einer TIA liegt das Schlaganfallrisiko bei 12 % innerhalb eines Monats und 20 % innerhalb eines Jahres (Herold 2023).
- Stadium III:
Im Stadium III kommt es zum sog. Hirninfarkt mit lediglich partieller oder ganz fehlender Rückbildung der neurologischen Ausfälle (Herold 2023).
Leitsymptome des Schlaganfalls sind:
- Motorische Halbseitensymptome
- Sensible Halbseitensymptome
- Motorische Sprachstörungen
- Sensible Sprachstörungen
- Gesichtsfeldausfälle (Herold 2023)
Das klinische Bild lässt keinen Hinweis auf die Ursache eines Apoplexes zu, die Symptomatik hingegen wird durch die Verschlusslokalisation bestimmt:
I. Verschluss extrakranieller Hirnarterien:
Sie verursachen ca. 20 % aller Schlaganfälle und werden unterteilt in:
- 1. Carotis- Typ
Hierbei besteht ein Verschluss der A. Carotis interna (ACI), am häufigsten im Abgangsbereich. Falls eine gute Kollateralisierung vorliegt, können einseitige Verschlüsse symptomlos sein.
Typisch für einen einseitigen ACI- Verschluss ist eine einseitige Amaurosis fugax. Es können kontralaterale sensomotorische Hemiparesen bestehen, die meistens brachiofazial betont sind. Bei einem Infarkt in der dominanten (überwiegend der linken) Hemisphäre kommt es zu aphasischen Sprachstörungen. Sollte es sich um einen großen Infarkt handeln, treten zusätzlich Bewusstseinsstörungen auf mit eventueller Kopf- bzw. Blickwendung zur Seite des Infarktes (Herold 2023).
- 2. Vertebralis- Typ
Beim Vertebralis- Typ finden sich insbesondere folgende Symptome: Nystagmus, Erbrechen, Paresen, Sehstörungen etc. Ein Verschluss der A. cerebelli inferior posterior führt zum sog. Wallenberg- Syndrom mit ipsilateraler Pharynx-, Gaumen- und Stimmbandparese, Subclavian- Steal- Syndrom, Horner- Syndrom, Nystagmus, Trigeminusausfall, Dysmetrie (Fehlleistung der Entfernungsabschätzung), Gliedmaßenataxie, kontralateraler dissoziierter Sensibilitätsstörung für Schmerz und Temperatur ab der Halsgegend (Herold 2023).
- 3. Subclavian- Steal- Syndrom
Dieses findet sich nur sehr selten. Ein Verschluss der A. subclavia proximal des Abgangs von der A. vertebralis führt in den meisten Fällen zu einer überwiegend symptomlosen Strömungsumkehr, dem sog. Subclavian- Steal- Phänomen. Lediglich bei gleichseitiger Armarbeit kann es zu Sehstörungen und Schwindel kommen (Herold 2023).
II. Verschluss intrakranieller Hirnarterien
- 1. Aneurysmatische Subarachnoidalblutung
- 2. Hypertensive intrazerebrale Blutung (Kasper 2015)
Verschlüsse dieser Art betreffen i. d. R. das Stromgebiet der A. cerebri media (ACM). Die Symptome sind ähnlich denen eines ACI- Verschlusses mit dem Unterschied, dass die Amaurosis fugax fehlt (Herold 2023). Es können folgende Symptome auftreten: Halbseitenlähmung der Gegenseite, Parästhesien der Gegenseite, Sprachstörungen und Wortfindungsstörungen (bei Läsion in der dominanten Hemisphäre), Blickdeviation in Richtung Herd, Gesichtsfeldausfälle, sofern die Okzipitalregion betroffen ist (Litmathe 2016).
In selteneren Fällen kann auch das Stromgebiet der A. cerebri anterior (ACA) betroffen sein. Hierbei findet sich eine beinbetonte kontralaterale Hemiparese (Herold 2023).
Ebenfalls seltener findet sich ein Verschluss der A. cerebri posterior (ACP) mit einer Hemianopsie (Herold 2023).
Falls es zu einem Verschluss der A. basilaris kommt, finden sich z. B. eine progrediente Bewusstseinsstörung, eventuell Sehstörungen durch Störungen der Okulo- und Pupillomotorik, Dysarthrie, Hemiparese, Ataxie, Schwindel (Herold 2023).
Diagnostik
Bei der Diagnostik spielen die Anamnese und die klinischen Symptome eine große Rolle.
Initial sollte der FAST- Test (Face, Arms, Speech, Time- Test) durchgeführt werden:
- 1. Faziale Parese (Grimasse, Lachen, Stirnrunzeln)
- 2. Armparese (Arme nach vorne gestreckt halten, Händedruck)
- 3. Sprache und Sprechen (Dinge benennen lassen, Satz nachsprechen lassen)
- 4. Time –die weiteren Maßnahmen sollten unverzüglich eingeleitet werden (Litmathe 2016)
Sollte sich der FAST- Test als positiv erweisen (mindestens eine positive Pathologie), ist umgehend der Notarzt zu informieren. Der FAST- Test hat eine 80 % Sensitivität (Herold 2023).
Bei negativem FAT- Testsollten 4 weitere Funktionen überprüft werden:
- 1. Blickparese (Augenwendung nach rechts und links überprüfen)
- 2. Beinparese (Im Liegen jedes Bein nach vorne ausgestreckt anheben lassen)
- 3. Visusstörung (rechtes und linkes Gesichtsfeld überprüfen)
- 4. Hemihypästhesie (Berührungsempfinden im Gesicht, Armen und Beinen überprüfen)
(Herold 2023)
Zusätzlich sollte der Blutdruck an beiden Armen gemessen werden (das Subclavian- Steal- Phänomen wird durch eine Blutdruckmessung beider Arme diagnostiziert, sobald eine Differenz von > 20 mmHG vorliegt) und der Puls (Vorhofflimmern) mit Auskultation beider Aa. carotis gemessen werden (Herold 2023).
Bildgebung
Bei V. a. einen Schlaganfall ist die sofortige Bildgebung obligat, da sie unter dem Leitsatz „Time is brain“ steht. Auch weitere diagnostische Untersuchungen zur Ätiologie des Schlaganfalls sind obsolet (Herold 2023).
CCT
Hämorrhagische Infarkte lassen sich umgehend sicher nachweisen (Herold 2023).
Ischämische Infarkte hingegen zeigen in den ersten 4 h ein unauffälliges Ergebnis, anschließend erscheint die Infarktregion hypodens (Herold 2023).
MRT
Auch hiermit lassen sich hämorrhagische Infarkte umgehend sicher nachweisen (Herold 2023).
Bei ischämischen Infarkten ist ein Insult in der DWI- Wichtung bereits nach 30 min. nachweisbar (Herold 2023).
Perfusionsbildgebung CT und MRT
Damit lässt sich zwischen vitalen, infarzierten und wertig versorgten Bereichen (Penumbra) differenzieren. Dies ist wichtig für eine eventuelle Lyse, da der Bereich der Penumbra durch eine schnelle Lyse noch gerettet werden kann (Herold 2023).
Bildgebung extra und intrakranieller Gefäße
Diese erfolgt mit:
- Duplex- Sonographie der Aa. carotis und der Aa. vertebralis
- Transkraniellen Farbduplex- Sonographie der intrakraniellen Gefäße
- MR- oder CT- Angiographie (Herold 2023)
Bei einem schweren Apoplex sollte die Gefäßdiagnostik unverzüglich erfolgen mit der Frage eines proximalen Verschlusses. Eine DAS hingegen ist ausschließlich bei geplanten invasiven Maßnahmen zu empfehlen (Herold 2023).
Kardiale Diagnostik
Zum Ausschluss einer kardialen Emboliequelle sollten erfolgen: EKG, Langzeit- EKG, Event- Recorder mit der Frage nach Vorhofflimmern, sowohl transthorakale als auch ösophageale Echokardiographie.
Zum Ausschluss eines kardialen Rechts- Links- Shunts empfehlen sich die kontrastmittelverstärkte TEE (transösophageale Echokardiographie) und / oder die kontrastmittelverstärkte TCD (transkranielle Dopplersonographie) (Herold 2023).
Dysphagie- Screening
Bei bis zu 50 % der Schlaganfallpatienten kommt es initial zu einer Dysphagie und der damit verbundenen Gefahr einer Aspirationspneumonie. Da die Aspirationspneumonie einen wichtigen Letalitätsfaktor darstellt, ist ein Dysphagie- Screening in der akuten Phase obligat.
Hierzu sollte eine Inspektion des Mund- Rachenraums vorgenommen werden mit der Frage nach einem Speichelsee. Ebenso sind die Zungen- und Rachenmotorik, der Würgereiz und der Hustenreflex zu überprüfen. Falls diese Untersuchungen unauffällig verlaufen und der Patient eine ausreichende Vigilanz zeigt, empfiehlt sich ein Schlucktest mit wenigen ml Wasser (Herold 2023).
Labor
In der Akutsituation sollten insbesondere folgende Parameter bestimmt werden:
- Gerinnungsparameter wie z. B. INR, Prothrombin- Zeit, aPTT Thrombinzeit
- GFR
- Troponin
Dem Troponinwert kommt eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Prognose zu. Die Prognose ist um so schlechter, je höher der Wert in den ersten Stunden bzw. Tagen nach dem Schlaganfall ansteigt (Gehring 2023).
Differentialdiagnose
Differentialdiagnostisch sind bei einem Schlaganfall auszuschließen:
- Raumfordernde Hirnprozesse
- Intoxikationen
- Epileptischer Anfall
- Reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS)
- Migräneanfall
- Schädel- Hirn- Trauma
- Encephalitis disseminata
- Meningoenzephalitis (Herold 2023)
- Transiente globale Amnesie
- Funktionelle Störungen (Litmathe 2016)
Komplikation(en)
Die Komplikationen bei einem Apoplex sind zahlreich. Dazu gehören z. B.:
- Atemregulationsstörungen
- Harnwegsinfekte bei Anlage eines Blasenkatheters
- Schluckstörungen mit der Gefahr einer Aspirationspneumonie (diese stellt die häufigste Komplikation dar)
- Epileptische Anfälle
- Inkontinenz von Urin und Stuhl
- Erneuter Apoplex
- Tiefe Venenthrombose mit der Gefahr einer Embolie (diese verursacht bis zu 25 % der Todesfälle nach Apoplex)
- Sturzgeschehen mit der Gefahr von Frakturen
- Demenz
- Depressionen
- Psychosoziale Probleme (Herold 2023)
Therapie allgemein
Prästationär:
Bei V. a. einen Apoplex bzw. eine TIA sollte der Patient umgehend einer Stroke- Unit zugeführt werden (Herold 2023).
Die therapeutischen Maßnahmen sind abhängig von der Ursache des Schlaganfalls und unterscheiden sich deutlich. Da klinisch nicht zwischen einem ischämischen und einem hämorrhagischen Insult unterschieden werden kann, ist eine Therapie erst nach genauer Diagnostik durch bildgebende Untersuchungen möglich und darf niemals prästationär eingeleitet werden (Herold 2023).
- weder Heparin noch ASS prästationär verabreichen, ebenso sollten keine i. m. Injektionen erfolgen (Herold 2023).
- peripherer Zugang ist möglichst am nicht paretischen Arm zu legen
- der Oberkörper sollte hoch gelagert werden (Herold 2023) = hirndruckvermeidende Lagerung (Litmathe 2016)
- bei einer Hypoxämie von < 95 % (Mader 2020) Verabreichung von Sauerstoff über die Nasensonde bis zu einer O2 Sättigung von > 95 %.
- Insbesondere sollte man darauf achten, dass es nicht zu einem Zeitverlust kommt, da das Zeitfenster für eine eventuelle Lyse bei max. 4,5 h liegt (Herold 2018)
- Blutzuckermessung: Ab einem BZ < 60 mg / dl sollte Glucose i. v. verabreicht werden und ab einem BZ > 200 mg / dl sind Insulingaben erforderlich (Litmathe 2016).
- Blutdruckmessung:
- Ab einem systolischen Wert < 120 mm Hg sollte eine kristalloide Infusion verabreicht werden
- Bei systolischen RR- Werten von ≥ 220 mm Hg kann der Blutdruck durch eine vorsichtige medikamentöse Titration um ca. 15 % gesenkt werden (Mader 2020)
Stationär:
Hierbei geht es um die
- Sicherung der Vitalfunktionen
- Kontrolle der Atmung mit Bestimmung der Blutgaswerte und eventuell erforderlicher Intubation bzw. kontrollierter Beatmung. Eine Hypoxie und / oder Hyperkapnie sollten unbedingt vermieden werden.
- Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushaltes einschließlich der Blutzuckermessung
- Sondenernährung oder parenterale Ernährung:
- Patienten mit Schluckstörungen und / oder Bewusstseinsstörungen sollten durch eine Sonde oder parenteral ernährt werden
- Kontrolle der Blasen- und Darmfunktion:
- Falls erforderlich, sollte einen Blasenkatheter gelegt werden
- Die Darmfunktion ist regelmäßig zu überwachen.
- Thromboembolie- Prophylaxe:
- Bei immobilen Patienten ist eine low- dose- Heparinisierung erforderlich. Das gilt unabhängig von der Ursache des Apoplexes. Ebenso sollten frühzeitig Bewegungsübungen erfolgen (Herold 2018)
- Blutdruck:
- Ischämischer Insult
Es sollte in der Akutphase hochnormale bzw. leicht erhöhte Blutdruckwerte angestrebt werden, da die Hypertonie in dieser Phase meistens reaktiv ist. Ständige RR- Kontrollen sind obligat. Eine medizinische Notwendigkeit zur Blutdrucksenkung ist lediglich bei Werten >220 / 120 mmHg gegeben und bei einem hypertensiven Notfall mit der Gefahr einer hypertensiven Enzephalopathie, Lungenödem oder Angina pectoris. Die Blutdrucksenkung sollte stets schonend erfolgen und nicht mehr als ca. 20 % gegenüber dem Ausgangswert betragen. Es eignen sich zur i. v. Blutdrucksenkung insbesondere: Captopril, Metoprolol und Urapidil (Herold 2018).
- Hämorrhagischer Insult:
Bei einem hämorrhagischen Insult empfiehlt sich die Absenkung des systolischen Blutdrucks auf Werte von 140 – 179 mmHg.
- Therapie eventuell bestehender Begleiterkrankungen
- Rehabilitation
- Die Früh- Rehabilitation sollte bereits im Krankenhaus in Form von Krankengymnastik, Atemgymnastik und Logopädie eingeleitet werden.
- Die weitere Rehabilitation erfolgt dann in entsprechend ausgerüsteten Kliniken (Herold 2018)
- Ischämischer Insult
Sobald der Nachweis eines ischämischen Infarktes vorliegt, sollten Thrombozytenaggregationshemmer eingesetzt werden, z. B. 100 – 300 mg ASS / d oral. Bei Schluckstörungen sollte die Dosis i. v. verabreicht werden (Herold 2018). Falls die Medikation innerhalb von 3 h nach dem Ereignis möglich ist, verbessern sich i. d. R. die neurologischen Symptome. Einfluss auf die Mortalität hat diese Therapie jedoch nicht (Kasper 2015).
Eventuell auftretendes Fieber sollte medikamentös gesenkt werden z. B. mit Paracetamol (Litmathe 2016), da Fieber die Hirnschädigung deutlich verschlimmert. Genauso verhält es sich mit einer Hyperglykämie ab einem Glukosewert von > 11, 1 mmol / l bzw. > 200 mg / dl (Kasper 2015).
- Reperfusionsmaßnahmen:
Die Effektivität der systemischen Thrombolyse (i. v. rtPA) mit z. B. Alteplase wurde in randomisierten, kontrollierten 1995 nachgewiesen und die der mechanischen Neurothrombektomie 2014. Es handelt sich hierbei allerdings um ergänzende Behandlungsmethoden, da sofern es möglich ist, stets kombinierte bzw. Bridging- Verfahren bevorzugt werden. In Deutschland wurden im Jahre 2010 ca. 10 % durch die i. v .rtPA behandelt, der Zielwert liegt bei 30 % (Litmathe 2016).
- Endovaskuläre Thrombektomie (EVT)
Eine weitere Behandlungsmethode beim ischämischen Schlaganfall stellt die EVT dar (Jorgensen 2018). In einer Studie von Wee (2017) zeigten sich nach einer EVT bei bis zu 61,7 % der Patienten innerhalb von 24 Stunden eine signifikante neurologische Verbesserung Die Mortalität während des stationären Aufenthaltes lag bei 7,1 %.
- Hämorrhagischer Insult
- Erhöhter Hirndruck
Bei Nachweis einer intrazerebralen Blutung (ICB) ist insbesondere auf den Hirndruck zu achten. Dieser kann bei Bedarf konservativ oder chirurgisch behandelt werden.
Konservativ durch Hochlagerung des Körpers um ca 30 °, Geradelagerung des Kopfes und eventueller Intubation. Hierbei ist besonders eine Langzeithyperventilation zu vermeiden, da sich darunter die zerebrale Perfusion verschlechtern kann. Empfohlen wird außerdem eine Osmotherapie mit z. B. Mannitol 50 mg i. v. alle 6 h (Herold 2018).
Die neurochirurgische Behandlung umfasst bei Vorliegen eines großen Mediainfarktes oder einer Hirnstammdekompression bei großem Infarkt der hinteren Schädelgrube eine Dekompressionskraniotomie. Falls es sich um einen Kleinhirninfarkt mit Verschlusshydrozephalus handeln sollte, empfiehlt sich eine temporäre Ventrikeldrainage (Herold 2018).
- Minimalinvasive Chirurgie
Hierbei wird versucht, minimal invasiv das Hämatom auszuräumen (Gil- Garcia 2022).
Verlauf/Prognose
Die Gefahr des Risikos eines Re- Infarktes lässt sich in etwa mit dem Essen Stroke Risk Score abschätzen.
Es wird jeweils 1 Punkt vergeben für:
- Alter 65 – 75 Jahre
- Z. n. TIA oder ischämischen Schlaganfall
- pAVK
- KHK
- Z. n. ACVB
- Z. n. Myokardinfarkt
- Nikotinabusus
Und 2 Punkte für:
- Alter > 75 Jahre
Beurteilung:
Bei < 3 Punkten liegt das Risiko < 4 % / Jahr
Bei ≥ 3 Punkten liegt das Risiko liegt das Risiko liegt das Risiko ≥ 4 % / Jahr (Herold 2018)
In Deutschland erkranken ca. 200.000 erstmalig und 70.000 zum wiederholten Male an einem Apoplex. Von diesen Patienten versterben zwischen 25 – 33 % innerhalb des ersten Jahres nach dem Ereignis Von denjenigen, die überleben, tragen bis zu 40 % erhebliche funktionelle Einschränkungen davon (Mader 2020).
Bei einem hämorrhagischen Infarkt, insbesondere durch ICH, besteht ein überproportional hohes Risiko, daran zu versterben (die Mortalitätsrate liegt bei 40 % [Gil- Garcia 2022)]) oder eine langfristige Behinderung davonzutragen (Montano 2021).
Die Prognose kokaininduzierter intrazerebraler Blutungen ist grundsätzlich schlechter als die durch andere Ursachen ausgelöste Hirnblutungen (Kraft 2020).
- Hormontherapie
Frauen vor der Menopause, die bereits einen Schlaganfall erlitten haben, sollten auf eine kombinierte orale Kontrazeption verzichten. Frauen in- oder postmenopausal sollten nach einem erlittenen Schlaganfall eine eventuelle laufende Hormonersatztherapie unter Beachtung des Nutzen- Risikoverhältnisses beenden (Mader 2020).
Bei Hypertonikern sollte der Blutdruck medikamentös auf Werte < 140 / 90 mm Hg gesenkt werden (Mader 2020).
Personen mit Diabetes mellitus haben ohnehin ein hohes Schlaganfallrisiko. Nach einem stattgehabten Apoplex sollten sie entsprechend der DEGAM- S3- Leitlinie zur kardiovaskulären Prävention beraten werden (Mader 2020).
- Thrombozytenaggregationshemmer
Dem Patienten sollte zur Sekundärprophylaxe nach Apoplex eine Therapie mit ASS 100 mg/ d oder Clopidogrel 75 mg / d angeboten werden, sofern keine Indikation zur oralen Antikoagulation (OAK) besteht. Zur Primärprävention hingegen wird ASS 100 mg / d nicht empfohlen (Mader 2020).
- Lipidmanagement
Zur Sekundärprophylaxe sollte Patienten nach einem Apoplex ein Statin angeboten werden, ebenso eine Beratung zu einem Lebensstil mit günstigen Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel (Mader 2020).
Zur Primärprävention sollte Patienten mit Vorhofflimmern eine OAK- Therapie angeboten werden, als Sekundärprävention ist die dauerhafte Behandlung mit OAK indiziert (Mader 2020).
Prophylaxe
Die Schlaganfallprävention umfasst:
- Ernährungsberatung (mediterran oder nordisch)
- Reduktion der Salzaufnahme bei Patienten mit arterieller Hypertonie
- Wöchentlich mindestens 2 x Krafttraining aller großen Muskelgruppen
- Wöchentlich mindestens 75 min intensive oder mindestens 150 min mäßige körperliche Aktivitäten ausüben
- Bei bestehendem Übergewicht Hilfen zur Gewichtsreduktion
- Beschränkung des Alkoholkonsums
- Bei Rauchern Hilfe beim Einstellen des Rauchkonsums (Mader 2020)
Hinweis(e)
Der Apoplex steht deutschland- (Mader 2020) und weltweit in der Todessachenstatistik auf Platz 2 (hinter KHK / Myokardinfarkt) und auf Platz 1 der häufigsten Ursachen für Invalidität im höheren Alter. Die Aspirationspneumonie stellt dabei einen wichtigen Letalitätsfaktor dar (Herold 2018).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Gehring W G (2023) Schlaganfall (Apoplex) – Einleitung. DocMedicus DOI: https://www.gesundheits-lexikon.com/Herz-Kreislauf-Gefaesse/Schlaganfall-Apoplex/Einleitung
- Gerabek W E, Haage B D, Keil G, Wegner W (2007) Enzyklopädie Medizingeschichte, Band 1. Walter de Gruyter Verlag Berlin /New York 210, 1475
- Gil- Garcia C-A, Flores- Alvarez E, Cebrian- Garcia R, Mendoza- Lopez A- C, Gonzalez- Hermosillo L- M, Garcia- Blanco M- D- C, Roldan- Valadez E (2022) Essential Topics About the Imaging Diagnosis and Treatment of Hemorrhagic Stroke: A Comprehensive Review of the 2022 AHA Guidelines. Curr Probl Cardiol. 47 (11) 101328 doi: 10.1016/j.cpcardiol.2022.101328.
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Verweisende Artikel (1)
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