Definition
Unter einem Vorhofseptumdefekt (ASD) versteht man eine pathologische Öffnung mit Shunt zwischen beiden Vorhöfen. Davon abzugrenzen ist das persistierende Foramen ovale, welches keine hämodynamische Bedeutung hat. Die Übergänge sind jedoch mitunter aber fließend (Lapp 2010).
Einteilung
Der ASD zeigt anatomisch 4 verschiedene Erscheinungsformen:
- Ostium- secundum- Defekt, auch als Septum- secundum- Defekt bezeichnet oder ASD II: Dieser Defekt entsteht als Folge einer Entwicklungshemmung des Septum secundum und ist im mittleren Abschnitt des Vorhofseptums lokalisiert, nahe des Foramen ovale. (Pinger 2019). Der Defekt muss von einem persistierenden Foramen ovale diagnostisch abgegrenzt werden (Kasper 2015). Bei ca. 25 % dieser Defekte besteht zusätzlich eine partielle Lungenvenenfehlmündung (Pinger 2019).
- Ostium- primum- Defekt, auch als Septum- primum- Defekt bezeichnet oder ASD I: Zu diesem Defekt kommt es durch eine gestörte Entwicklung des Septum primum. Der Defekt befindet sich nahe der AV- Klappen, die meistens missgebildet oder insuffizient sind (Kasper 2015). Der Defekt ist fast immer mit einem Spalt der Mitralklappe (sog. Cleft) verbunden (Pinger 2019) und tritt gehäuft bei Kindern mit Trisomie 21 auf (Kasper 2015).
- Sinus- venosus- Defekt, auch als hoher Vorhofseptumdefekt bezeichnet: Dieser Defekt ist im hinteren oberen Bereich des Vorhofseptums lokalisiert, meistens an der Einmündungsstelle der V. cava superior (Kasper 2015), dann als Superior- Typ bezeichnet (Herold 2019), seltener an der V. cava inferior (< 1 %), welcher dem Inferior- Typ entspricht (Herold 2019). Er ist bis zu 90 % mit einer partiellen Lungenvenenfehlmündung kombiniert (Pinger 2019).
- Koronarsinus- Defekt: Hierbei liegt der Defekt im Bereich der Mündung des Koronarvenensinus (Pinger 2019).
Auch interessant
Vorkommen
Der Vorhofseptumdefekt macht bei Erwachsenen ca. 25 % der angeborenen Vitien aus (Herold 2019). Er tritt überwiegend in Kombination mit anderen Vitien auf (Pinger 2019).
Frauen sind im Vergleich zu Männern doppelt so häufig betroffen (Herold 2019), wobei bis zu 75 % der ASD II auf das weibliche Geschlecht entfällt, während die anderen Formen keine Geschlechterpräferenz zeigen (Pinger 2019).
Der ASD I tritt in ca. 15 % der Fälle auf, der ASD II in ca. 80 %, der Sinus- venosus- Defekt in ca. 5 % (Pinger 2019), der Rest sind selten vorkommende Defekte (Herold 2019).
Ätiologie
Der Lungen- und Systemkreislauf stehen durch die interatriale Öffnung miteinander in Verbindung. Der linksatriale Druck ist normalerweise etwas höher als der rechtsatriale (die Druckdifferenz beträgt ca. 4 mmHg [Krakau 2005], was dazu führen könnte, dass es zu einem Links- Rechts- Shunt kommt. Bei großen Defekten (Durchmesser > 4 mm) tritt jedoch ein Druckangleich beider Vorhöfe auf, so dass der zuvor bestehende Druckgradient nicht mehr nachweisbar ist. Dennoch bleibt der Links- Rechts- Shunt mit konsekutiver Überdurchblutung des Lungenkreislaufes bestehen, da dieser vielmehr Folge der im Vergleich zu links größeren Dehnbarkeit des rechten Vorhofes und des rechten Ventrikels ist (Herold 2019).
Durch den Shunt kommt es zu einer Volumenbelastung des rechten Vorhofes, der Trikuspidalklappe, des rechten Ventrikels, der Pulmonalklappe und dem Lungenkreislauf, da sich das Shuntvolumen, welches dem rechten Vorhof zufließt, zu dem effektiven Herzminutenvolumen addiert. Das Herzminutenvolumen ist dadurch im kleinen Kreislauf groß und im großen Kreislauf niedrig. Durch das erhöhte Blutvolumen rechts kommt es zu einer relativen Stenose sowohl der Trikuspidalklappe als auch der Pulmonalklappe (Herold 2019).
Als Folge der Volumenbelastung treten eine Dilatation des rechten Atriums und eine Dilatation und Hypertrophie des rechten Ventrikels auf. Das enddiastolische Volumen und die Ejektionsfraktion des rechten Ventrikels sind dadurch größer als die des linken Ventrikels. (Krakau 2005). Die Shuntmenge selbst ist abhängig von:
- der Größe des Defektes (relevante Shunts finden sich bei Erwachsenen erst ab einer Shuntgröße von > 10 mm Durchmesser)
- den Widerstandsverhältnissen der beiden Kreisläufe
- der Compliance der Ventrikel
Ab einer Qp / Qs (Qp = Summe aus den mittleren Flüssen in der linken und rechten Pulmonalarterie; Qs = mittlerer Fluss in der Aorta descendens) von 1,5 : 1 und einem Durchmesser des ASDs von mindestens 10 mm besteht ein relevanter Shuntfluss (Pinger 2019).
Ein Anstieg des Drucks im linken Vorhof (z. B. durch KHK, Hypertonus, Kardiomyopathie, Defekte der Aorten- oder Mitralklappe) und eine Reduktion der linksventrikulären Compliance bedingen eine Zunahme des Links- Rechts- Shunts (Herold 2019).
Der Lungendurchfluss ist durch den L/R- Shunt deutlich gesteigert. Er kann im Extremfall das 5 bis 6-fache des Normwertes erreichen. Der PA- Druck ist bei einem Lungendurchfluss bis zu 15 l / min noch normal, da es kompensatorisch zu einer Verringerung des pulmonalen Widerstandes kommt.
Durch den ständig erhöhten Lungendurchfluss kommt es jedoch im weiteren Verlauf zu einer Gefäßschädigung mit sekundärer pulmonaler Hypertonie. Wenn der Lungengefäßwiderstand über längere Zeit stark erhöht ist, kann es zu einem gekreuzten Shunt bzw. zu einer Shuntumkehr kommen (sog. Eisenmenger- Syndrom), aus der dann ein Rechts- Links- Shunt resultiert (Pinger 2019).
Ätiologie
Der ASD zählt zu den angeborenen Herzvitien.
Es gibt auch einen familiär bedingten ASD mit autosomal- dominantem Erbgang. Dieser ist jedoch ausgesprochen selten und wird als Holt- Oram- Syndrom bezeichnet. Hierbei können sowohl ein ASD als auch ein Ventrikelseptumdefekt neben anderen Anomalien (Radiusaplasie, kompletter Rechtsschenkelblock oder AV- Block etc.) bestehen.
(Schmaltz 2008)
Klinisches Bild
Das klinische Bild variiert sehr stark, je nach Schweregrad des Defektes.
Bei Kindern finden sich in jungen Jahren oftmals lediglich:
- Wachstumsstörungen
- rezidivierende Infekte
(Kasper 2015)
Die eigentliche Manifestation der Erkrankung beginnt i. d. R. frühestens im jugendlichen Alter. Dann kann es kommen zu:
- verminderter körperlicher Belastbarkeit
- Apnoe, anfänglich nur unter Belastung
- Palpitationen
- gehäuften Atemwegsinfekten
- im weiteren Verlauf können Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz auftreten (Ödeme der abhängigen Körperpartien, Halsvenenstau, Lebervergrößerung, im späten Stadium auch Aszites und Pleuraerguss möglich [Herold 2018])
Patienten mit kleinen bzw. mittleren Defekten (bis 10 mm) bleiben oftmals bis ins Erwachsenenalter hinein asymptomatisch.
(Pinger 2019)
Bildgebung
Röntgen Thorax
Im Röntgen- Thorax finden sich als typische Zeichen für angeborene Vitien mit Links- Rechts- Shunt:
- verstärkte Lungenperfusion
- verstärkte Lungengefäßzeichnung (auch als pulmonale Plethora bezeichnet [Stierle 2014]; diese schwächt sich bei der Entwicklung einer pulmonalen Gefäßerkrankung ab [Kasper 2015])
- prominenter Pulmonalisbogen
(Herold 2019)
Außerdem können im Röntgenbild auftreten:
- vergrößerter Vorhof rechts
- vergrößerter Ventrikel rechts (kann linksseitig randbildend werden [Stierle 2014])
- verschmälerte Aorta
(Herold 2019)
- verstrichene Herztaille (Pinger 2019)
Echokardiographie
Die Echokardiographie sollte sowohl transthorakal als auch transösophageal erfolgen, da manche Veränderungen bei der transösophagealen Untersuchung besser darstellbar sind (Herold 2019).
Von subcostal ist der Septum- secundum- Defekt am besten darstellbar, von apikal der Primum- Defekt (Pinger 2019).
Folgende Veränderungen können bestehen:
- im Vorhofseptum findet sich ein Konturdefekt
- Erweiterung des rechten Atriums, rechten Ventrikels und des Truncus pulmonalis
- das interventrikuläre Septum zeigt eine paradoxe Bewegung (verursacht durch die Volumenbelastung des rechten Ventrikels)
- Erfassung der Shuntrichtung
im Dopplerverfahren:
- Schätzung des rechtsventrikulären und pulmonalarteriellen Druckes
im Kontrastmittelecho
(Herold 2019)
- Nachweis des Shunts‘:
- geringer Kontrastmittelübertritt vom rechten Atrium zum linken Atrium
- ein eventuell vorhandenes Auswaschphänomen gibt Hinweise auf einen Links- Rechts- Shunt
(Pinger 2019)
Kardio- MRT
Diese Untersuchungsmethode ist bei einem einfachen ASD II nicht erforderlich, es sei denn, der Patient lässt sich nur schlecht schallen.
Falls jedoch der V. a. weitere Anomalien besteht, sollte eine Kardio- MRT erfolgen, um diese nachzuweisen, zu differenzieren bzw. ausschließen zu können. (Pinger 2019)
Mitunter lässt sich der rechte Ventrikel auf Grund seiner anterioren Position im Thorax echokardiographisch nur eingeschränkt beurteilen. Dann ist ebenfalls eine Kardio- MRT angezeigt (Kasper 2015). Ebenso zur exakten Shunt- Quantifizierung (Qp/Qs [Stierle 2014]) und zur postoperativen Verlaufskontrolle (Kasper 2015).
Herzkatheter
Durch die Herzkatheteruntersuchung lassen sich konkrete Angaben zur oxymetrischen Shunt- Quantifizierung machen, der pulmonale Widerstand lässt sich exakt berechnen und die Defektgröße (balloon- sizing) bestimmen (Herold 2019).
Indikationen für die Untersuchung sind:
- nicht- invasive Maßnahmen haben sich für die Beurteilung als unzureichend erwiesen
- V. a. eine pulmonale Hypertonie
- V. a. assoziierte Anomalien
- V. a. eine KHK
Sofern ein unkomplizierter ASD vorliegt bzw. durch nicht- invasive Maßnahmen der Defekt bereits genau beurteilt werden konnte, ist eine Herzkatheteruntersuchung nicht erforderlich.
(Pinger 2019)
Natürlicher Verlauf
Der natürliche Verlauf bei einem ASD kann sehr differieren. Es sind möglich:
- Spontanverschluss
Zu einem Spontanverschluss kann es bei einem kleinen ASD (< 5 mm) in 80 % der Fälle in den ersten 4 Lebensjahren kommen.
- Gefahr einer Endokarditis
Bei einem isolierten ASD ist die Gefahr einer Endokarditis allerdings nur gering.
- Vorhofarrhythmien können auftreten (Vorhofflattern bzw. - flimmern)
- Erhöhung des Lungenarteriolenwiderstandes (diese Gefahr ist bei einem isolierten ASD nur gering und tritt dann vorzugsweise erst im höheren Lebensalter auf)
- Symptomatik bei natürlichem Verlauf:
Bei einem kleinen Links- Rechts- Shunt können die Patienten bis zum 5. Lebensjahrzehnt asymptomatisch sein. Erst danach treten Symptome auf. Im 6. Lebensjahrzehnt sind nahezu alle Patienten symptomatisch.
(Herold 2019)
- Lebenserwartung bei natürlichem Verlauf:
Die Lebenserwartung insgesamt ist reduziert, jedoch nicht so sehr wie bei anderen Vitien. Die durchschnittliche Lebenserwartung ohne Therapie liegt bei ca. 40 Jahren. Bei einem ASD I bzw. bei einem kompletten AV- Kanal- Defekt ist die Prognose unbehandelt bereits im Säuglingsalter sehr schlecht. Die Letalität liegt im 1. Lebensjahr bei ca. 50 %.
(Stierle 2014)
Eine sehr gute Prognose hingegen haben Patienten mit kleinen Vitien (männliche Patienten > 18 Jahre haben ein medianes Überleben von 80 Jahren [Pinger 2019]).
Die Mortalität beim ASD liegt insgesamt in den ersten 4 Lebensjahrzehnten bei bis zu 6,3 % und nach dem 4. Lebensjahrzehnt zwischen 6,3 % bis 9,4 % (Apitz 1998)
- Todesursachen können sein:
- Hirnembolie (bei Vorhofflimmern)
- Lungenembolie
- paradoxe Embolie (Passage eines Thrombus über den ASD)
- Rechtsherzversagen (in späteren Jahren)
- Hirnabszess
- Endokarditis (bei assoziierten Mitralklappenveränderungen; bei isoliertem ASD ist die Gefahr nur gering)
(Herold 2019)
Diagnose
Inspektion / Palpation
- meistens findet sich ein graziler Körperbau
- die Hautfarbe ist blass
- es finden sich hebende Pulsationen im 3. ICR links, im rechtsventrikulären Ausflusstrakt
Bei bereits bestehendem Rechts- Links- Shunt kommen hinzu:
- Zyanose
- Trommelschlegelfinger(Kasper 2015)
Auskultation
- im 2. ICR links ist der 2. Herzton weit und fixiert gespalten auskultierbar (typisches Zeichen des ASD; dieses ist jedoch nicht immer auskultierbar; es entsteht durch den Rechtsschenkelblock und das erhöhte rechtsventrikuläre Schlagvolumen, welches zu einem verspäteten Schluss der Pulmonalklappe führt
- im 2. ICR links ist außerdem ein systolisches Intervallgeräusch zu hören (verursacht durch eine relative Pulmonalstenose, die durch den vermehrten Blutdurchfluss bedingt ist)
- im 4. ICR links und entlang des linken Sternalrandes (Kasper 2015) ist ein frühdiastolisches Intervallgeräusch auskultierbar (dieses entsteht durch die relative Trikuspidalklappenstenose)
Bei Patienten mit bereits bestehender pulmonaler Hypertonie können außerdem vorhanden sein:
- im 2. ICR links ein frühsystolischer pulmonaler Ejection- Klick
- ein systolisches Intervallgeräusch
- paukender 2. Herzton
- frühdiastolisches Decrescendo- Geräusch (bedingt durch die relative Pulmonalklappeninsuffizienz, auch als Graham- Steell- Geräusch bekannt.
Sobald ein Rechts- Links- Shunt besteht, ändern sich die Auskultationsgeräusche:
- das Pulmonal- und Trikuspidalgeräusch nehmen an Intensität ab
- es findet sich eine Betonung des pulmonalen Anteils des 2. Herztones und des systolischen Austreibungsgeräusches
- beide Teile des 2. Herztones können zusammenfallen
- ein diastolisches Geräusch der Pulmonalklappeninsuffizienz kann auftreten
(Kasper 2015)
EKG
Im EKG können folgende Veränderungen vorhanden sein:
- Rechtslagetyp ( typisch bei einem ASD II [Stierle 2014])
- Steiltyp
- überdrehter Linkstyp (typisch bei einem ASD I; kann auch bei einem assoziierten Mitralklappenprolaps auftreten)
- ektoper Vorhofrhythmus (besonders bei Patienten mit einem Sinus- venosus- Defekt [Kasper 2015])
- Vorhofarrhythmien
- P- dextroatriale ( P in II und III spitz positiv mit > 0,2 mV und in V1 , V2 ist der positive Anteil der P- Zacke spitz positiv und höher als 0,15 mV)
- AV- Block 1. Grades (tritt bevorzugt bei Patienten mit einem Sinus- venosus- Defekt auf [Kasper 2015])
- inkompletter oder kompletter Rechtsschenkelblock
- Rechtsherzhypertrophie (Sokolow- Lyon- Index: RV1 + SV 5 / 6 > 1,05 mV)
(Herold 2019)
Differentialdiagnose
- Idiopathische Dilatation der Pulmonalarterie. Hierbei finden sich:
- ein systolisch- pulmonales Austreibungsgeräusch
- Dilatation des Truncus pulmonalis
- zentrale Pulmonalarterien sind prominent
Abgrenzung zum ASD möglich durch:
- bei der Auskultation findet sich eine normale Spaltung des 2. Herztones
- EKG ist unauffällig
- im Röntgen Thorax keine pulmonale Plethora nachweisbar
- im Echo ist kein ASD nachweisbar; es finden sich keine Zeichen der re- kardialen Belastung
- im Zweifelsfall sollte eine Rechtsherzkatheteruntersuchung erfolgen
- Funktionelles Herzgeräusch:
- ist meistens leiser
- die Intensität nimmt ab sowohl im Sitzen als auch beim Valsalva- Manöver
- Abnormalitäten des Thoraxskelettes:
- beim Pectus excavatum und beim Flachrücken finden sich oftmals ein systolisches Austreibungsgeräusch und ein inkompletter Rechtsschenkelblock
Abgrenzung möglich durch:
- bei der Auskultation findet sich eine normale Spaltung des 2. Herztones
- Röntgen Thorax findet sich keine pulmonale Plethora
- das Echo zeigt keinen ASD
- Bikuspide Aortenklappe:
- hierbei besteht oftmals ein systolisches Austreibungsgeräusch
Zur weiteren Abgrenzung sollten erfolgen:
- EKG, Röntgen- Thorax und Echo
Es finden sich hierbei
- eine weite Spaltung des 2. Herztones
- Zeichen der Belastung des rechten Ventrikels
Eine Abgrenzung ist möglich durch:
- bei der Auskultation zeigt der 2. Herzton eine nicht- fixierte Spaltung
- im Röntgen- Thorax findet sich keine pulmonale Plethora
- das Echo zeigt keinen ASD
- sofern weiterhin Zweifel bestehen, empfiehlt sich ein Rechtsherzkatheter
- Mitralklappendefekt:
Eine Abgrenzung ist möglich durch:
- bei der Auskultation zeigt der 2. Herzton eine nicht- fixierte Spaltung
- im Röntgen Thorax findet sich keine pulmonale Plethora
- im EKG kein Rechtsschenkelblock
- das Echo zeigt keinen ASD
Sollten sowohl ein ASD als auch ein Mitralklappendefekt vorliegen, empfiehlt sich zur weiteren Diagnostik eine Rechtsherzkatheter- Untersuchung.
- Lutembacher- Syndrom:
- das Lutembacher- Syndrom stellt eine sehr seltene Missbildung dar. Es ist vom ASD durch eine Echokardiografie und eine Doppleruntersuchung zu unterscheiden.
- Persistierendes Foramen ovale (PFO):
- findet sich oftmals als Zufallsbefund bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung. Das PFO stellt eine Normvariante dar, es handelt sich nicht um einen ASD im eigentlichen Sinne. Die Prävalenz liegt bei 30 %, wobei die Angaben in der Literatur allerdings sehr differieren (Herold 2019). Es lässt sich vom ASD nur anhand der Sättigungs- und Druckkriterien unterscheiden. Mitunter sind die Übergänge jedoch fließend.
- Partielle Pulmonalvenenfehleinmündung:
- dieser Defekt ist größtenteils mit einem ASD kombiniert. Eine sichere Differenzierung ist mit nichtinvasiven Methoden nicht möglich. Hier sollte immer eine Rechtsherzkatheteruntersuchung erfolgen.
(Stierle 2014)
Therapie allgemein
Konservativ behandelt werden können asymptomatische, in ihrer körperlichen Aktivität nicht eingeschränkte Patienten, mit
- einem kleinen Shunt von Qp : Qs < 1,5 : 1
- einem kleinen Shunt und außerdem stark erhöhtem pulmonalen Gefäßwiderstand (PVR : SVR > 0,7 : 1).
Es sind regelmäßige Verlaufskontrollen erforderlich. Die Echokardiografie sollte alle 2 – 3 Jahre erfolgen. Falls Vorhofflimmern auftritt, kann eine Kardioversion durchgeführt werden..
(Pinger 2019)
Operative Therapie
Generell ist zu sagen, dass symptomatische Patienten – unabhängig vom Alter – hinsichtlich der Morbidität (körperlichen Belastung, Dyspnoe, Rechtsherzinsuffizienz) vom einem Verschluss des ASD immer profitieren (Herold 2019).
Die Indikation zur operativen Behandlung ist gegeben:
- bei allen symptomatischen Kindern bzw. jungen Erwachsenen
- in der Echokardiografie findet sich der Nachweis einer Rechtsherzvergrößerung
- wenn sich der Blutfluss im Lungenkreislauf zu dem Blutfluss im Systemkreislauf (Qp / Qs) ≥ 1,5 bis 2,0 : 1 verhält
- Patienten mit paradoxer Embolie nach Ausschluss anderer Ursachen
- u. U. bei Frauen vor einer geplanten Schwangerschaft
(Herold 2019)
Die Indikationsklassen zur operativen bzw. interventionellen Therapie nach ESC 2010 sind:
- Indikationsklasse I:
Patienten, unabhängig von Symptomen, bei denen ein signifikanter Shunt besteht mit Zeichen der rechtsventrikulären Volumenüberlastung und die einen pulmonalen Gefäßwiderstand (PVR) < 5 Wood- Einheiten aufweisen
- Indikationsklasse IIa:
Patienten mit paradoxen Embolien, bei denen andere Ursachen für die Embolie ausgeschlossen wurden
- Indikationsklasse IIb:
Patienten mit einem relevanten Shunt (Qp / Qs > 1,5) und einem pulmonalen Gefäßwiderstand (PVR) von > 5 Wood- Einheiten, wenn
- der pulmonale Gefäßwiderstand (PVR) weniger als 2/3 des Systemwiderstandes (SVR) beträgt
oder
- der pulmonale vaskuläre Widerstand (PVR) weniger als 2/3 des arteriellen Druckes beträgt
(Pinger 2019)
Zielsetzung der operativen Behandlung ist die Prophylaxe irreversibler kardialer Schäden durch die chronische Volumenbelastung (Herold 2019)
Kontraindikationen für eine operative Behandlung sind gegeben, wenn :
- der pulmonale Gefäßwiderstand (PVR) oder der pulmonal arterielle Druck (PAP) 2/3 des Systemwiderstands bzw. des Systemdrucks übersteigt UND das Verhältnis von Qp : Qs < 1,5 liegt ODER eine Vasoreagibilität nicht mehr besteht
- eine pulmonale Hypertonie mit einem Lungenarteriolenwiderstand von > 10 WE x m² besteht bzw. der Lungenarteriolenwiderstand nach Gabe eines Vasodilatators > 7 WE x m² beträgt
- bei linksventrikulärer Funktionsstörung – sowohl systolisch als auch diastolisch – wenn sich im Katheterlabor bei Testokklusion über eine linksatriale Drucksteigerung eine Lungenstauung entwickelt
(Herold 2019)
Bei der operativen Behandlung differenzieren wir zwischen einem interventionellen Katheterverschluss und einer chirurgischen Therapie (Herold 2019).
1. Interventioneller Katheterverschluss:
Heutzutage werden insgesamt ca. 80 % der Patienten mit einem interventionellen Katheterverschluss versorgt (Pinger 2019). Es handelt sich dabei überwiegend um Patienten mit einem ASD II (Septum- secundum- Defekt [Schmaltz 2008]).
Es sind seit Jahren unterschiedliche Verschlusssysteme verfügbar (z. B. Angel Wings, CardioSeal Starflex, Amplatzer- Septal- Occluder etc.).
Indikation:
Defekte mit einer Größe von < 38 mm – 40 mm und einem Randsaum von mindestens 5 mm
(Pinger 2019)
Die Erfolgsrate liegt bei über 90 %.
Komplikationen treten bei ca. 1,4 % auf.
Ein Rest- Shunt bleibt bei ca. 5 % bis 10 % der Fälle bestehen.
Die Mortalität beträgt 0 %.
Die Langzeiterfahrungen beziehen sich im Mittel auf 78 Monate.
(Pinger 2019)
Postoperativ sollten die Patienten für 6 Monate einen Thrombozytenaggregationshemmer (z. B. ASS) und eine Endokarditisprophylaxe erhalten (Herold 2019).
Dosierungsempfehlung zur Endokarditisprophylaxe:
- Amoxicillin oder Ampicillin 2 g p. o.
- falls eine orale Gabe nicht möglich ist, empfiehlt sich Ampicillin oder Cefalexin 2 g i.v.
- bei Ampicillin- oder Penicillinallergie sollte oral Clindamycin 600 mg gegeben werden bzw. i.v. - Gabe Clindamycin 600 mg i.v.
(Herold 2018)
2. Chirurgische Therapie:
Eine chirurgische Therapie erfolgt beim ASD I (hierbei sind oftmals zusätzlich auch Clefts zu beheben [Kasper 2015]), beim Sinus- venosus- Defekt und beim Koronarsinus- Defekt.
Ein ASD II wird i. d. R. nur dann chirurgisch versorgt, wenn eine interventionelle Behandlung nicht möglich ist.
Sollte eine signifikante Trikuspidalklappeninsuffizienz vorliegen, muss ebenfalls chirurgisch vorgegangen werden zur Klappenrekonstruktion.
(Pinger 2019)
Zeitpunkt der Operation:
Bei Vorliegen eines unkomplizierten ASD II sollte die chirurgische Therapie noch vor der Einschulung, ca. im 3. - 5. Lebensjahr erfolgen. Bei älteren Patienten empfiehlt sich die chirurgische Maßnahme als elektiver Eingriff nach Diagnosestellung.
(Herold 2019)
Technische Ausführung:
Der Verschluss des ASDs erfolgt durch eine direkte Naht oder durch einen Patchverschluss.
(Herold 2019)
Operationsletalität:
Die Operationsletalität bei einem unkomplizierten ASD liegt in den beiden ersten Dekaden < 1 %(Herold 2019). Nach dem 60. Lebensjahr steigt sie auf > 6 % an (Stierle 2014).
Eisenmenger- Syndrom
Bei Patienten, bei denen bereits ein Eisenmenger- Syndrom besteht, ist eine operative Maßnahme zum alleinigen Defektverschluss kontraindiziert (Stierle 2014). Hierbei sind vielmehr eine Lungentransplantation plus operativem ASD- Verschluss oder eine Herz- Lungen- Transplantation erforderlich.
(Herold 2019)
Prognose
Patienten mit einem unbehandelten, hämodynamisch wirksamen ASD haben eine Lebenserwartung von ca. 40 – 50 Jahren (Barmeyer 2010).
Die Mortalität liegt bis zum 36. Lebensjahr bei 50 %, nach dem 60. Lebensjahr bei 90 % (Pinger 2019).
Eine pulmonale Hypertonie entwickelt sich vor dem 20. Lebensjahr in ca. 4 % der Fälle, zwischen dem 20. - 40. Lebensjahr in 18 % und nach dem 40. Lebensjahr in 40 %.
Wenn die chirurgische Korrektur des Defektes erst im Erwachsenenalter erfolgt, ist die Zahl der Patienten mit normalem EKG und normalem Röntgenbild geringer, als wenn die Korrektur bereits vor dem 6. Lebensjahr stattfand.
Auch hinsichtlich der Belastbarkeit finden sich bessere Ergebnisse, wenn die operative Korrektur vor dem 6. Lebensjahr erfolgte. Bei einer Operation im Kindesalter können bei der Ergometrie 93,3 % die Maximalbelastung erreichen, bei Patienten mit Operation im Erwachsenenalter sind es nur 81,2 %.
(Barmeyer 2010)
Folgezustand nach operativem ASD- Verschluss:
Patienten mit operiertem ASD II haben eine mit der Allgemeinbevölkerung vergleichbare Prognose, wenn
- der operative Verschluss vor dem 24. Lebensjahr erfolgte
oder
- praeoperativ der systolische Pulmonalisdruck bei < 40 mmHg lag
(Herold 2019)
- Das 10- Jahresüberleben liegt für Patienten, deren Operation nach dem 40. Lebensjahr erfolgte, bei 95 % und für konservativ behandelte Patienten mit einem Qp : Qs > 1,5 : 1 bei 84 % (Pinger 2019).
- In der frühen postoperativen Phase kommt es häufig zum Auftreten eines Postkardiotomie- Syndroms (auch als Dressler- Syndrom bezeichnet)
- Patienten, die bereits in der Kindheit operiert wurden, zeigten nach über 26 Jahren keinerlei Komplikationen wie Apoplex, Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie und Mortalität. Lediglich symptomatische atriale Arrhythmien traten nach 15 Jahren bei 6 % auf.
(Pinger 2019)
- Bei Patienten, die erst im Erwachsenenalter operiert werden, persistieren oftmals die Dilatation des rechten Herzens und das abnorme Bewegungsmuster des Kammerseptums.
- Störungen der linksventrikulären Funktion sind möglich
- Eine verminderte Pumpfunktion der rechten Kammer und eine gestörte Compliance können auftreten
- Der erhöhte Druck in den Pulmonalarterien kann bestehen bleiben, fortschreiten oder auch neu auftreten
- Eine Obstruktion der V. cava superior kann sich nach dem Verschluss eines Sinus- venosus- Defektes entwickeln
- Herzrhythmusstörungen können auftreten (besonders häufig sind Vorhofflimmern, Vorhofflattern, supraventrikuläre Reentry- Tachykardien, die ggf. ein Ablationsverfahren erforderlich machen)
- Es kann zu einem Re- Shunt oder einem Rest- Shunt im Bereich des Vorhofes kommen
- Hirnembolien
(Herold 2019)
Hinweis(e)
- Es bestehen keine Kontraindikationen gegen eine Gravidität
- Ebenso bestehen keine Kontraindikationen gegen hormonelle Kontrazeptiva
- Gegen körperliche Aktivitäten bzw. Sport bestehen keine Restriktionen, sofern:
- keine pulmonale Hypertonie besteht
- keine signifikante Dysfunktion des rechten Ventrikels nachweisbar ist
- keine bedeutsamen Arrhythmien vorhanden sind
- Nachuntersuchungen sind bei frühzeitiger Operation nicht erforderlich (wobei der exakte Zeitraum nicht näher definiert wird)
- Die obere Altersgrenze für invasive Maßnahmen ist unklar
(Pinger 2019)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Apitz C et al. (1998) Kardiologie: Erkrankungen des Herzens bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Heranwachsenden. Steinkopff Verlag 258
- Barmeyer J et al. (2010) Das kardiologische Gutachten: Anleitung zur differenzierten Begutachtung bei Herz- Kreislauf- Erkrankungen.Thieme Verlag 138 - 140
- Herold G et al. (2019) Innere Medizin. Herold Verlag 186 – 188
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1520 - 1521
- Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1854 – 1856
- Krakau I et al. (2005) das Herzkatheterbuch: Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken. Georg Thieme Verlag 206 – 208
- Lapp H et al. (2010) Das Herzkatheterbuch: Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken. Georg Thieme Verlag 232 – 236
- Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 387 – 390
- Schmaltz A A (2008) Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern: S2- Leitlinie der DGK, DGPK und DGTHG zu Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis. Steinkopff Verlag 74 – 76
- Stierle U et al. (2014) Klinikleitfaden Kardiologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 238 - 245