Synonym(e)
Definition
Läsionen, die als Folge eines fokalen, langanhaltenden Druck auf Haut und subkutanes Gewebe entstehen.
Einteilung
- Grad I: epidermal
- Grad II: subkutan
- Grad III: subkutan mit Faszien und Muskeln
- Grad IV: subkutan mit Sehnen, Knochen, Gelenken
- Grad V: Unterminierung, Taschen, Fisteln.
Auch interessant
Ätiopathogenese
Sowohl permanenter fokal einwirkender Druck, als auch Reibung und Scherkräfte gegen einen festen Widerstand, werden als ursächlich für Kompression und Schädigung versorgender Kapillaren und Nerven in Haut, Subkutis und Muskulatur betrachtet. Hieraus folgt eine fokale, konsekutive Minderperfusion und Malnutritution, wobei es einen gegenseitigen Zusammenhang zwischen Druck und Zeit zu geben scheint. Toxische Stoffwechselprodukte (Milchsäure, CO2, Pyruvate) werden in loco durch die anaerobe Stoffwechselsituation angehäuft. Es folgen Ödembildung und zelluläre Infiltration durch erhöhte Kapillarpermeabilität und Gefäßdilatation der Arteriolen und Venolen, die auf dem Wege einer Shuntbildung durch Steal-Effekte die nutritive Zirkulation beeinträchtigen. Ischämie und Nekrosen sind die Folge.
Manifestation
Dekubitusgefährdet sind Patienten mit eingeschränkter Mobilität (Lähmung, Bewusstseinsstörung, Kachexie, hohes Lebensalter, posttraumatisch, postoperativ). Ein erhöhtes Risiko tragen Patienten mit herabgesetzter oder komplett fehlender Sensibilität aufgrund einer peripheren Polyneuropathie (z.B. Diabetes mellitus) oder einer zentralen Polyneuropathie (z.B. bei multipler Sklerose).
Lokalisation
Klinisches Bild
Histologie
Differentialdiagnose
Therapie
Lokaltherapie:
- Wundreinigung (s.a.u. Wundbehandlung): Die Tiefenausdehnung des abgestorbenen Gewebes ist entscheidend für das Vorgehen beim Débridement. Abtragung epidermaler und dermaler Nekrosen. Ein Débridement kann autolytisch, mechanisch oder enzymatisch erfolgen.
Mechanisch: Gründlich, unter Schonung des gesunden Gewebes. Das Débridement erfolgt mittels Skalpell.
Die Wundspülung erfolgt mit Leitungswasser durch Handdusche/Whirlpool, mit Kochsalzlösung oder Ringerlösung.
Als Antiseptika kommen Polyvidon-Jod, Octenidin und Polihexanid in Betracht. - Feuchte Wundbehandlung (s.a.u. Wundbehandlung): Interaktive Wundverbände sind wirkstofffreie Medizinprodukte, die ein feuchtes Wundmilieu aufrechterhalten können, ohne dass es zu einer Gewebemazeration der umliegenden Haut kommt. Die hochresorptiven Polymere nehmen das Exsudat auf und regulieren interaktiv die Feuchtigkeitsverhältnisse in der Wunde. Zu den interaktiven Wundverbänden gehören z.B. Alginat-, Hydrogel-, Hydrokolloid-, Weichschaum- und Folienverbände sowie Aktivkohleverbände. Die feuchten Wundverhältnisse ermöglichen im Vergleich zur offenen, austrocknenden Wunde ein leichtes "Wandern" der frischen Epithelzellen. Durch die thermische Isolation wird das Zellwachstum positiv beeinflusst. Außerdem fördert die gewünschte, durch die feuchten Wundverhältnisse hervorgerufene Hypoxie im Bereich der Wundoberfläche die Angiogenese.
Selbsthaftende Verbände sollen die Wundränder 2-3 cm überragen. Nicht selbsthaftende Verbände werden der Wunde so angepasst, dass sie diese locker ausfüllen. Tiefere Wundhöhlen können z.B. mit einem Hydrogel oder einem drapierfähigen Kalziumalginat- oder Weichschaumverband ausgefüllt werden. Abschließender Wundverband. Bei Problemzonen bzw. nicht selbsthaftenden Verbänden kann die Fixierung auch mit einem Haut-Schutzfilm unterstützt werden. In jedem Fall soll der Wundverband der Wundfläche anliegen. - Verbandswechsel während der Exsudationsphase: Der Verband wird so oft gewechselt, dass die Aufnahmekapazität des Verbandes nicht überschritten wird. Bei Hydrokolloidverbänden bildet sich als Zeichen der Notwendigkeit eines Verbandswechsels eine Flüssigkeitsblase; nach dem Freilegen der Wunde ist diese mit einem gelblichen Gel ausgefüllt, dessen Beschaffenheit und Geruch putride sind; es handelt sich dabei nicht um eine Wundsekretion, sondern um Bestandteile des Verbandes in Verbindung mit aufgenommenem Exsudat. Bei Hydrogel-, Alginat- und Weichschaumverbänden wird das Exsudat ohne Gelbildung aufgesaugt. Die Entfernung des Wundverbandes ist in der Regel atraumatisch, für den Patienten schmerzlos. Sollte ein Verband doch einmal an der Wunde haften, so kann er unter Spülung mit Leitungswasser durch eine kurze Dusche mit Kochsalz- oder Ringerlösung gelöst werden.
Enzymatisches Débridement: Bei fibrinbedeckten Ulzerationen kann eine enzymatische Wundabtragung erfolgen. - Granulation: Als proliferative Phase wird die zunehmende Ausbildung von Granulationsgewebe bezeichnet. Exsudate während der Granulation sind durch Wundspülung leicht zu entfernen. Es genügt jetzt, wenn der interaktive Wundverband durchschnittlich dreimal wöchentlich gewechselt wird, z.B. zweimal zu Hause, einmal in der Praxis, wo ein Débridement erfolgen kann. Hypergranulationen bedürfen keiner hemmenden Therapie.
- Epithelisierung: Der Verbleib eines interaktiven Wundverbandes kann in der Epithelisierungsphase auf bis zu sieben Tage gesteigert werden. Es tritt dann kaum noch Exsudation auf, andererseits wird das frisch entstandene Epithel im feuchten Milieu geschützt und trocknet nicht aus.
- Schnittstelle Arzt/Pflegepersonal/Angehörige:
Zu Beginn tägliche Vorstellung beim behandelnden Arzt zum Débridement und zur Infektionskontrolle. Die weitere Therapie wird durch die häusliche Krankenpflege erfolgen. Wichtig ist eine reibungslose Zusammenarbeit von Arzt, professionellen und Laien-Pflegekräften. Die Realisierung der lückenlosen Umlagerung bei der Pflege im ambulanten Bereich erfordert allerdings eine oder mehrere körperlich kräftige Bezugspersonen, die sich ständig um den Patienten kümmern können.
Systemische Therapie:
- Septisches und aseptisches Ulkus: Es können sich unter geschlossenen Nekrosekappen Ansammlungen von Wundsekreten und Eiter verbergen, die durch den Okklusiveffekt ideale Bedingungen für Entstehung, Ausbreitung und Generalisation von Infektionen schaffen.
- Antibiogramm- und Resistenzbestimmung aus Wundabstrichen und Blut sind zur Behandlung im Rahmen der Statuserhebung bei gegebener Lokal- und Systeminfektionssymptomatik jederzeit sowie bei immunsupprimierten Patienten regelmäßig durchzuführen. Bei Verdacht auf eine Sepsis müssen Blutkulturen während eines Fieberschubes entnommen werden.Vollständiges Débridement nekrotischen Materials, Gewährleistung eines suffizienten Sekretabflusses und Druckentlastung sind neben der spezifischen systemischen Antibiose bei ausgedehnten Infektionen Eckpfeiler der Ulkusbehandlung.Die so genannte Normalflora, aber auch pathogene Mikroorganismen, kolonisieren Haut und Schleimhäute ohne ins Gewebe einzudringen oder eine Reaktion des Makroorganismus hervorzurufen. Bei allen offenen Wunden kommt es zu einer Sekundärbesiedlung durch Bakterien und gegebenenfalls Pilze. Es ist jedoch nicht möglich (und nicht notwendig), durch lokale oder systemische Antibiose vollständig keimfreie Wundverhältnisse zu schaffen. Die lokale Instillation antibiotischer Wirkstoffe ist aufgrund der um ein Vielfaches erhöhten Gefahr einer Sensibilisierung oder Resistenzentwicklung bei chronischen Wunden sowie einer raschen Inaktivierung dieser Substanzen nicht zu empfehlen! Die systemische, keimspezifische Antibiose ist neben dem mechanischen Débridement sowohl bei lokaler als auch systemischer Infektion die Therapie der Wahl. Bis zum Erhalt des Antibiogramms kann die Therapie mit einem Breitspektrumantibiotikum eingeleitet werden. Lokal sollte nach dem Eröffnen von Abszessen bzw. mechanischen Débridements lediglich eine Spülung mit Kochsalz- oder Ringerlösung erfolgen. Die Verwendung von Antiseptika bringt keine weiteren Vorteile!Bei Vorliegen einer Wundinfektion sollen Alginatverbände/-tamponaden und geruchs- und bakterienabsorbierende Aktivkohleverbände mit elementarem Silber eingesetzt werden.
Ernährungstherapie:
- Angemessene Nahrungszufuhr sichern
- Ernährungsstatus erheben
- Anleitung zu erhöhter Nährstoffaufnahme bzw. Supplementierung
- Vitamin-, Mineralstoff- und Spurenelemente-Defizite feststellen und ausgleichen. Hierzu gelten vier Regeln:
Schmerzen mit Leit- und Warnfunktion:
- Beim Grad I und II Dekubitus ist der Schmerz in der Regel gut lokalisierbar und muss als nützliches Warnsignal angesehen werden. Der Patient kann den Schmerzzustand selbst beenden, wenn er seine Lage ändert. Weil der Lagewechsel eine adäquate Reaktion ist, darf der Schmerz nicht durch Analgetika oder Tranquilizer gedämpft werden, sofern er allein durch Lagewechsel ausreichend unterdrückt werden kann.Abgeschwächte oder fehlende Schmerzempfindung bei Neuropathie ist möglich, bei spinalen Prozessen (z.B. Querschnittssyndrom) die Regel. Die medikamentöse Behandlung akuter und chronischer Schmerzen basiert auf dem "analgesic dosing ladder"-Konzept der WHO. Diesem Schema zufolge sind als erstes Nichtopiatanalgetika einzusetzen und danach zunehmend stärkere Medikationen (Opiate), gegebenenfalls unter Einsatz von Zusatzmedikationen. Die Implantation einer Morphiumpumpe und Rückenmarksstimulation sind weitere Verfahren zur Behandlung unbeeinflussbarer chronischer Schmerzen oder beim Versagen anderer Methoden.
Therapie allgemein
Druckentlastung, um die Blutversorgung wieder herzustellen.
Regelmäßige Umlagerung z.B. bei Querschnittgelähmten. Diese kann mit einfachen Hilfsmitteln, wie einem Kopfkissen oder einem zusammengerollten Handtuch, erfolgen. Bei oberflächlichen Ulzera kann zunächst auf einer normalen Matratze gelagert werden.
Die Selbständigkeit des Patienten muss durch eine sachgerechte Lagerung gefördert werden. Es muss so viel Körperfläche wie möglich aufliegen und eine korrekte Hüftabknickung gewährleistet sein.
Zur lokalen Dekubitus-Prophylaxe subkutaner Ulzera ist der Einsatz therapeutischer Lagerungssysteme angemessen, z.B. Liegehilfen zur Be- und Nachbehandlung wie Schaumstoffmatratzen zur Entlastung des Sakralbereichs, Wechseldruckmatratzen oder statische und dynamische Luftstrommatratzen.
Prophylaxe
- Zu lange Umlagerungsintervalle
- Fehlerhafte Lagerungstechnik
- Verwendung nicht atmungsaktiver Lagerungsmaterialien (z.B. Gummiring)
- Einsatz druckbelastender Lagerungshilfsmittel (z.B. Luftring)
- Falsche Körperpflege (z.B. austrocknender Franzbranntwein)
- Anwendung von Pudern oder Okklusivverbänden
- Zu lange verordnete Bettruhe
- Fehlende Physiotherapie.
Tabellen
Stadieneinteilung und Therapie des Dekubitus
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Klinik |
Therapie |
Grad I |
Hautrötung, die auf Fingerdruck verschwindet. Keine Schmerzen. Heilt bei Druckentlastung in kurzer Zeit ab. |
Prophylaxe ist entscheidend! Möglichst schnelle Mobilisierung, Krankengymnastik, adäquate Lagerung sowie häufige und regelmäßige Umlagerung (mind. alle 2 Std.) bettlägriger Patienten (Umlagerungsplan!), durchblutungsfördernde Maßnahmen. Druckentlastung ggf. durch Lagerungshilfen: Wasserkissen, Spezialmatratzen, Dekubitusbetten (wechselnde Druckgradienten), Fersenring. |
Grad II |
Blasenbildung, bläulich livide Hautverfärbung, heftige Schmerzen (Epidermis und Dermis betroffen). |
Druckentlastung wie Grad I! Zudem: Bei nässenden Veränderungen mit Blasenbildung feuchte Umschläge mit antiseptischen Zusätzen wie Kaliumpermanganat (hellrosa). |
Grad III |
Umwandlung in Nekrose, Ödem und Entzündung des Randbezirks; rückläufige Schmerzsymptomatik (Hautdefekt bis Periost). |
Zudem: Abtragen von Nekrosen und reinigende, granulationsfördernde Externa (z.B. Fibrolan), Hydrokolloidfolien (z.B. Varihesive extra dünn), Abdeckung der Umgebung mit harter Zinkpaste. Ggf. Zinksprays (z.B. Desitin-Salbenspray). Vermeidung von Sekundärinfektionen und regelmäßige Abstriche (s.a. Ulkustherapie). |
Grad IV |
Offenes Dekubitusulkus (alle Schichten incl. Periost und evtl. Knochen beteiligt). |
Abtragen der Nekrosen, Reinigung der Wunde s. Grad III. Druckentlastung und Umlagerung s. Grad I. Antibiose nach Antibiogramm. Chirurgische Konsultation, ggf. operative Sanierung, konsekutive VAC-Therapie und Defektdeckung. Abklärung einer Knochenbeteiligung. |
Grad V |
Unterminierung, Taschen, Fisteln |
Evaluierung und Dokumentation des Dekubitalulkus
Ärztliches Gespräch: Einschätzung der Schwere der Krankheit durch den Patienten |
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Vorerkrankungen, Familie, persönlich |
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Ulkusalter |
unter 2 Wochen □ mehr als 2 Wochen □ |
Rezidivulkus □ 1. Ulkus Jahr: □ |
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Bisherige Behandlung |
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Bisherige Diagnostik |
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Ulkusklassifikation Inspektion Palpation Sondierung |
Grad I Grad II Grad III Grad IV Grad V |
epidermal, dermal subkutan subkutan mit Faszien und Muskeln subkutan mit Sehnen, Knochen, Gelenken Untermination, Taschen, Fisteln |
□ □ □ □ □ |
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Ulkusgröße |
Größte senkrecht aufeinander stehende Ø in cm |
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Ulkus-Lokalisation |
Hinterhauptknochen Schulterblatt Brustbein Kreuz- und Steißbein Sitzbein Kniescheibe |
□ □ □ □ □ □ |
Ferse Ohrmuschel Schulter Gr. Rollhügel Knöchel
|
□ □ □ □ □ |
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Blutdruck ( mm Hg) |
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Infektionsstatus |
Überwärmung Rötung Schwellung Schmerz |
(calor) (rubor) (tumor) (dolor) |
□ □ □ □ |
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Wundabstrich |
Keime und Resistenzen |
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Schmerzbefund |
Akut, nicht zyklisch Akut, zyklisch Chronisch |
□ □ □ |
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Blutzucker nüchtern |
mg/dl |
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Blutzucker postprandial |
mg/dl |
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Urinstatus |
|
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Baumgarten M et al. (2003) Pressure ulcers and the transition to long-term care. Adv Skin Wound Care 16: 299-304
- Brem H et al. (2003) Wound-healing protocols for diabetic foot and pressure ulcers. Surg Technol Int 11: 85-92
- Diem D (1992) Dekubitusprophylaxe und Therapie. Hautarzt 43: 461
- Gillitzer R (2002) Modern wound management. Hautarzt 53: 130-45
- Schoeller T et al. (2003) Coverage of pressure sores with free flaps. Chirurg 74: 671-676
- SeilerWo (1987) Rationale Dekubitustherapie. Dtsch med Wochenschr 112: 889–890
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