Klippel-Trénaunay-Syndrom Q87.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Angiektatischer Riesenwuchs; Angio-osteo-hypertrophisches Syndrom; Haemangiectasia hypertrophicans; Klippel-Trénaunay-Weber-Syndrom; KTS; Naevus varicosus osteohypertrophicus; Ollier-Klippel-Trenaunay-Symptomenkomplex; Ollier-Klippel-Trénaunay-Symptomenkomplex; Osteoangiohypertrophie-Syndrom; Quadrantensyndrom; Quadranten-Syndrom; Riesenwuchs angiektatischer

Erstbeschreiber

Geoffroy-Saint Hilaire, 1832; Klippel u. Trénaunay, 1900; Weber, 1907

Definition

Seltene, meist sporadisch auftretende, syndromale vaskuläre +mesenchmale (kapillär/vernös/lymphatisch/bindegwebig/osteogene) Malformation (Übersicht s.u. Vaskuläre Malformationen), gekennzeichnet durch die Trias:

  1. unilaterale kapilläre Malformation (Naevus flammeus) einer Extremität (meist untere Extremität)
  2. primäre Varikose
  3. Riesenwuchs der läsionalen Extremität (seltener, <10%, ist eine Hypotrophie) der betroffenen Extremität(en).

Bemerkung: nicht dazugehörig sind hämodynamisch relevante AV-Fisteln. Die Übergänge zum Parkes Weber-Syndrom sind allerdings fließend. 

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit auftretend, panethnisch.

Ätiopathogenese

Bisher ist die Ätiopathogenese ungeklärt.

Es wurden Gene identifiziert, die für pathologische angiogene Faktoren kodieren und eine vaskuläre Dysmorphogenese verursachen. Von  Bedeutung sind Mutationen im AGGF1-Gen (früher VG5Q) die in läsionalem Gewebe nachweisbar sind. AGGF1 kodiert für einen angiogenetischen Faktor. 

Darüber hinaus wurden bei diesem Syndrom klinische Überschneidungen mit den "Overgrowth-Syndromen" festgestellt, bei denen genetische Mutationen entlang somatischer Linien identifiziert wurden. Diese betrafen das PI3K-Enzym, das Teil des Phosphoinositid-3-Kinase-Stoffwechsels ist und von dem gleichnamigen Gen kodiert wird. Krankheiten, die mit dem PI3K- Signalweg zusammenhängen, werden als PIK3CA-assoziierte Überwuchs-Syndrome eingestuft (Harnarayan P et al. 2022).

VG5Q kodiert für einen angiogenetischen Faktor. Zumindest teilweise lassen sich offenbar auch PIK3CA-Mutationen im Mosaik nachweisen (s. u. PTEN-Gen).   

Manifestation

Die kapilläre Malformation der Haut (Naevus flammeus) ist bereits bei Geburt vorhanden und verstärkt sich merklich ab dem 2. Lebensjahrzehnt.

In der körperlichen Wachstumsphase treten bei den syndromalen vaskulären Malformationen, Riesenwuchs und orthopädische Probleme (Beckenschiefstand) in den klinischen Fokus.

Somit erscheint das Klippel-Trénaunay-Syndrom in der Kindheit und frühen Jugendzeit als (scheinbar) monoorganische vaskuläre Malformation (engl. Port-wine stain) der Haut.

Es gibt keinen gesicherten Hinweis dafür, dass das Ausmaß der Ausdehnung der kapillären Malformation der Haut  mit dem Ausmaß der systemischen Beteiligungen (Lymphödem, Überwuchsphänomene mit Hypertrophie von Skelett und Weichteilen) einher geht.

Dermatologisch wenig bekannt sind die Fälle von vaskulären Malformationen der Extremitäten ohne jegliche Hautbeteiligungen.    

Lokalisation

Meist asymmetrischer Befall einer Extremität oder des Gesichtes. Seltener sind oligosymptomatische, bilaterale, alternierende und gekreuzt dissoziierte Manifestationen.

Klinisches Bild

Hautveränderungen in der betroffenen Extremität:

Extrakutane Manifestationen:

  • Überwuchsphänomene mit dysproportionierter Riesenwuchs sowie Weichteil- und Knochenhypertrophie der befallenen Extremität. Anomalien der tiefen Beinvenen, angiomatöse Durchsetzung der Extremitätenmuskulatur. Skelettveränderungen (Beckenschiefstand, Fehlstellung der Wirbelsäule).
  • Seltener sind rektale Blutungen bzw. Hämaturie bei Kolon-, Rektum- bzw. Blasenbeteiligungen.

 

Diagnose

Duplex-sonographische und angiographische Darstellung der Gefäße in betroffenen Arealen zum Nachweis bzw. Ausschluss arteriovenöser Fisteln. Radiologische Diagnostik der betroffenen Areale bei Weichteil- und Knochenhypertrophie ist zu erwägen.

Komplikation(en)

Mögliche Herzinsuffizienz bei großem Umfang der arterio-venösen Shunts; Neigung zu Erysipel.

Therapie

Integument: Symptomatische Behandlung von bakteriellen und mykotischen Sekundärinfektionen, die auf dem Boden der Lymphödeme entstehen. Vorbeugend regelmäßige blande Pflege der Haut (z.B. mit Ungt. emulsif. aq.). Sofortige Sanierung möglicher Eintrittspforten. Behandlung der Ödeme mittels komplexer ausgedehnter Entstauungstherapie. Wichtig ist zudem die Behandlung der Varizen mit chirurgischer Sanierung, Sklerosierung bzw. Ligierung. Ggf. Laser-Therapie des Naevus flammeus mit Argon-Laser oder Farbstoff-Laser.

Extrakutane Manifestationen: Gefäßanomalien sollten, falls möglich, frühzeitig behoben werden, um Folgeschäden (z.B. kardiale Volumenbelastung durch arterio-venösen Shunt) zu vermeiden und die Gefahr von Blutungen u. Embolien zu reduzieren. Hier kommen radiologisch-interventionelle Verfahren (z.B. Mikroembolisation), ebenso wie gefäßchirurgische Maßnahmen in Betracht.

Zudem regelmäßige Überwachung (MRT) der Knochenpartien im Bereich von Riesenwuchs und Knochenhypertrophie (Patienten neigen neben orthopädischen Veränderungen (z.B. Beckenschiefstand) aufgrund von trophischen Störungen der Haut und Lymphödeme zu mikrobieller Besiedlung, die bis zu Osteomyelitiden führen kann).

Verlauf/Prognose

Günstig (keine Progredienz, keine Dominanz hämodynamischer Faktoren).

Hinweis(e)

Auf Grund der vermehrten Blutfülle der veränderten Extremität schwitzt die Extremität vermehrt. Dies wird von manchen Patienten als unangenehm empfunden. Am Fuß kann der Patient sich durch einen vermehrten Schweißgeruch belästigt fühlen.

Literatur
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  2. Geoffroy Saint-Hilaire I (1832) Histoire générale et particulière des anomalies de l'organisation chez l'homme et les animaux. Ouvrage comprenant des recherches sur les caractères, la classification, l'influence physiologique et pathologique, les rapports généraux, les lois et les causes des monstruosités, des variétés et vices de conformation ou traité de tératologie. Baillière (Paris) 1832-1837
  3. Gianlupi A et al. (1999) Recurrent pulmonary embolism associated with Klippel-Trenaunay-Weber syndrome. Chest 115: 1199-1201
  4. Happle R et al. (1993) Klippel-Trenaunay syndrome: is it a paradominant trait? Br J Dermatol 128: 465.
  5. Harnarayan P et al. (2022) The Klippel-Trénaunay Syndrome in 2022: Unravelling Its Genetic and Molecular Profile and Its Link to the Limb Overgrowth Syndromes. Vasc Health Risk Manag 18:201-209.

  6. Helmbold P et al. (1994) Klippel-Trenaunay-Syndrom mit intestinaler Beteiligung und Mammakarzinom bei einem Mann. Akt Dermatol 20: 288-291
  7. Klippel M, Trenaunay P (1900) Du naevus variqueux osteohypertrophique. Arch Gen Med (Paris) 3: 641-642
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  15. Weber FP (1907) Angioma-formation in connection with hypertrophy of limbs and hemi-hypertrophy. Br J Dermatology (Oxford) 19: 231-235
  16. Weber FP (1918) Hemangiectatic hypertrophy of limbs - congenital phlebarteriectasis and so-called congenital varicose veins. Brit J Child Dis 25: 13.

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