Phäochromozytom D35.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Phäochromozytom / Paragangliom; Pheochromocytoma

Erstbeschreiber

Felix Fränkel 1886; der Berliner Pathologe Ludwig Pick verwendete 1912 als erster den Begriff Phäochromozytom.

Definition

Phäochromozytome (von griech. phaios=dunkel, chroma =Farbe) sind seltene, Katecholamin-produzierende, spontan auftretende, aber auch hereditäre (etwa 25%), neuroendokrine, einseitig (etwa 90%) oder doppelseitig lokalisierte Geschwülste des chromaffinen Gewebes des Nebennierenmarks (80 % der Phäochromozytome sind im Nebennierenmark lokalisiert) oder der extraadrenalen Paraganglien (s.u. Paragangliome)( Farrugia FA et al. 2019). Bei Kindern sind etwa 30% der Tumoren extraadrenal lokalisiert.

Etwa 60% der Phäochromozytome sezernieren sowohl Adrenalin als auch Noradrenalin. Extraadrenale Phäochromozytome (diese werden als Paragangliome bezeichnet) oberhalb des Zwerchfells bilden nur Noradrenalin; maligne Phäochromozytome bilden auch das Katecholamin Dopamin.

 

Einteilung

Spontan auftretende Phäochromozytome (75%)

Hereditäre Phächromozytome (25%):

  • Multiple endokrine Neoplasie (MEN) Typ 2 (Mutation des RET-Proonkogens)
  • Von Hippel-Lindau-Syndrom Typ 2 (Mutation im VHL-Gen)
  • Neurofibromatose (Typ 1)
  • Familiäres Paragangliom (Mutation der Gene für versch. mitochondriale Enzyme: Bis zu 10% der genetisch determinierten PCC/PGLs werden durch eine Keimbahnmutation in einem der folgenden SDHx-Gene verursacht: SDHD (11q23), SDHC (1q21), SDHB (1p36.1-p35), SDHA (5p15) und SDHAF2/SDH5 (11q31.1)) -s.a. unter Paragangliome.

 

 

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: < 1/100.000/Jahr (2-8 Fälle pro 1 Mio. Einwohner). Die Krankheitshäufigkeit(Prävalenz) wird in der Allgemeinbevölkerung auf 0,05-0,13% geschätzt, bei Patienten mit Bluthochdruck auf 0,1-0,5 %. Etwa 0,1% aller Hypertonien werden durch ein Phäochromozytom hervorgerufen.    

Ätiopathogenese

Etwa 25% der Phäochromozytome sind hereditär und treten im Rahmen von Syndromen auf:

Bei einer Reihe von Phäochromozytomen können Keimbahn- oder somatische Mutationen nachgewiesen werden.

Manifestation

Medianes Alter bei den sporadischen Formen 40 – 50J., bei den hereditären Formen < 40 J. In einer größeren spanischen Studie an 693 nicht ausgewählten Phäochromozytom / Paragangliom-Patienten wurden bei 69% der Patienten ein Phäochromozytom, bei 15% ein sympathisches Paragangliom und bei 22% ein parasympathisches Paragangliom nachgewiesen (Cascon A et al. 2009). Ein kleinerer Teil erwies sich als Mischtyp.

Klinisches Bild

Paroxysmale Hypertonie mit Blutdruckkrisen (50 % bei Erwachsenen) oder persistierende Hypertonie (50 % bei Erwachsenen - bei Kindern jedoch 90 %). Während einer hypertonen Krise, die manchmal durch Palpation des Abdomens ausgelöst werden kann, klagt die Patienten über Kopfschmerzen,

Kopfschmerzen  70-90%, Schweißausbrüche (65-70%), Tachykardie (50-70%), Wärmeunverträglichkeit (40-70%), Zittern (40-50%), Blässe (40-45%), Gewichtsabnahme (35-40%), Nervosität, Panik- und Angstzustände (35-40%). Angina pectoris (20-50%). Bei der 24 h-Blutdruckmessung (fehlende Nachtabsenkung). Evtl. paradoxer Blutdruckanstieg nach Gabe von Betablockern.

Weitere Befunde: Blasse Haut, Hyperglykämie und Glukosurie (1/3 d.F.), Leukozytose, Gewichtsverlust (Hypermetabolismus)

Diagnostik

Labor! Ist ein Hormonüberschuss bewiesen erfolgen bildgebende Verfahren: (Endo-)Sonografie, CT und Kernspintomografie sind für die Darstellung der Nebennierenregion geeignet (Sensitivität ca. 95 % und Spezifität ca. 75 %). Bei extraadrenal gelegenen Phäochromozytomen (Paragangliome) muss eine weiterführende Bildgebung erfolgen.

In den meisten Fällen werden CT oder MRT des Abdomens sowie Szintigrafie oder SPECT (Single Photonen-Emissions-CT) mit 123Jod-MIBG (Metajod-benzylguanidin) eingesetzt. Bei negativem MIBG-Befund kann bei fortbestehendem Tumorverdacht auch eine Somatostatin-Rezeptor-Szintigrafie durchgeführt werden.

 

Histologie

In Zellballen angeordnete polygonale und spindelförmige chromaffine Zellen und Stützzellen. Gehäuft sind Zellkernatypien. Meist gute Vaskularisation des Parenchyms. Ein malignes Phäochromozytom wird erst bei Nachweis von Metastasen diagnostiziert. Metastasen treten in regionären Lymphknoten oder hämatogen bevorzugt in Leber, Lunge und Knochen auf.

Diagnose

Verdächtig sind sporadisch auftretende, therapieresistente Hypertonie (-krisen) mit Herzklopfen, Kopfschmerzen, unmotivierte Schweißattacken, Gesichtsblässe, 24 h-Blutdruckmessung (fehlende Nachtabsenkung). Nachweis einer autonomen Katecholaminüberproduktion.

Bemerkung: Eine biochemische Diagnostik sollte bei folgenden Patienten vorgenommen werden:

  • Patienten mit neu aufgetretener therapieresistenter Hypertonie, Patienten mit paradoxer Blutdruckreaktion während Anästhesie oder operativer Eingriffe, Patienten mit einer hereditären Prädisposition bezüglich eines Phäochromozytoms, asymptomatische Patienten mit einem Inzidentalom der Nebennieren, Patienten mit plötzlichen Panikattacken.
  • Beachte: 2 Wochen vor Labordiagnostik interferierende Medikamente möglichst absetzen (z.B. Sympathomimetika, alpha-Rezeptoren-Blocker, Antidepressiva, Clonidin). Diuretika, Kalziumantago-nisten, ACE-Hemmer und Sartane können belassen werden.
  • Bestimmung der freien Plasma-Metanephrine unter strengen Abnahmebedingungen (Legen einer Venüle, mind. 30 Min. Ruhelagerung des Patienten vor Blutabnahme). Ein Phäochromozytom wird wahrscheinlich bei einzelnen Werten > 3fachem der Norm oder gleichzeitig erhöhtem Metanephrin und Normetanephrin. Alternativ können auch die fraktionierten Metanephrine im angesäuerten 24 h-Urin bestimmt werden. Weiterhin Bestimmung von 3-Methoxytyramin, Dopamin und Homovanillinsäure im Plasma.
  • Clonidin-Hemmtest (Voraussetzung: systolische Blutdruckwerte > 120 mmHg): Nach Gabe von Clonidin sinkt durch zentrale Hemmung des sympathischen Nervensystems bei gesunden Probanden die Plasmakonzentration der Katecholaminmetaboliten, nicht dagegen bei autonomer Katecholaminsekretion infolge eines Phäochromozytoms.

Differentialdiagnose

Blutdruckkrisen anderer Genese, insbes. bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz; bei Hyperglykämie Diabetes mellitus, Hyperthyreose, Kokain- oder Amphetaminmissbrauch; andere Geschwülste der Nebenniere (z. B. Ganglioneurome).

Therapie

Laparoskopische Tumorentfernung (falls nicht möglich: offen operativer Eingriff).

Beim unilateralen Phäochromozytom unilaterale Adrenalektomie. Bei MEN-2- Syndrom und bilateralen Tumoren bilaterale subtotale (organerhaltende) Adrenalektomie (lebenslange Substitution mit Glukokortikoiden wird vermieden!).

Mindestens eine Woche vor dem Eingriff wird eine Senkung des Blutdruckes mit einem Alpha-Blocker (z. B. Phenoxybenzamin) begonnen. Danach additiv ein unselektiver Beta-Blocker. Dieser Therapieansatz sollte stattfinden, da bei der operativen Entfernung der Geschwülste größere Mengen an Katecholaminen freigesetzt werden (Naranjo J et al. 2017). Ansonsten konservative Therapie: Therapie einer hypertonen Krise.

Bei Inoperabilität: Dauertherapie mit Alpha-Blockern (Phenoxybenzamin, Prazosin).

Bei metastasierendem Phäochromozytom (Nachweis von 123J-MIBG-positiven Metastasen): 131J-MIBG-Therapie (Ansprechrate ca. 25 %); ansonsten bestehen folgende Therapieoptionen: Chemo-embolisation von Lebermetastasen, palliative Chemotherapie.

Bei einem einseitigen Phäochromozytom: komplette Exstirpation der betroffenen Nebenniere.

Bei Vorliegen eines MEN-Syndroms wird bilateral lediglich das Nebennierenmark entfernt. Bei 80 % der Patienten normalisieren sich postoperativ Katecholaminspiegel und Blutdruck.

Bei Metastasenbildung wird eine systemische Radionuklidtherapie auch Endoradiotherapie genannt (MIBG-Therapie = Metaiodbenzylguanidin, das Radionuklid=131 J, ein überwiegender β‑Strahler) oder eine Polychemotherapie durchgeführt.

Alternativ: Phase II Studie mit dem Multityrosin-Kinase-Hemmer Sunitinib

Verlauf/Prognose

90 % der adrenalen Phäochromozytome sind gutartig,.

10 % der adrenalen Phäochromozytome sind maligne

Bei extraadrenalen Geschwülsten (s.u. Paragangliome) sind etwa 30 % maligne.

 > 50 % der Patienten mit benignem Phäochromozytom werden nach der Operation normotensiv, bei den übrigen Fällen liegt zusätzlich eine essenzielle Hypertonie vor. Im Langzeitverlauf zeigen ca. 15 % der Patienten ein Rezidiv; deshalb sind Kontrolluntersuchungen indiziert.

Hinweis(e)

Ein Phäochromozytom kann auch vom sympathischen Grenzstrang (parallel zur Wirbelsäule bzw. der großen Blutgefäßen) ausgehen und wird dann extra-adrenales Phäochromzytom oder Paragangliom genannt.

Literatur
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  1. Cascon A et al. (2009b) Genetics of pheochromocytoma and paraganglioma in Spanish patients. Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 94: 1701–1705.
  2. Farrugia FA et al. (2019) Pheochromocytoma. Endocr Regul 53:191-212.
  3. DeLellis RA et al. (2004) World Health Organization Classification of Tumours: Pathology and Genetics of Tumours of Endocrine Organs. Lyon, France: IARC Press; S 147–166.
  4. Fishbein L (2016) Pheochromocytoma and Paraganglioma: Genetics, Diagnosis, and Treatment. Hematol Oncol Clin North Am 30:135‐150.
  5. Karagiannis A et al. (2007) Pheochromocytoma: an update on genetics and management. Endocrine-Related Cancer 14: 935–956.
  6. Manger WM et al. (2002) Pheochromocytoma. J Clin Hypertens (Greenwich)4: 62-72. 
  7. Mannelli M et al. (2009) Clinically guided genetic screening in a large cohort of italian patients with pheochromocytomas and/or functional or nonfunctional paragangliomas. Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 94: 1541–1547.
  8. Naranjo J et al. (2017) Perioperative Management of Pheochromocytoma. J Cardiothorac Vasc Anesth 31:1427-1439.
  9. Neumann HPH et al. (2019) Pheochromocytoma and Paraganglioma. N Engl J Med 381:552‐565.
  10. Scholz T et al.: Current Treatment of Malignant Pheochromocytoma. In: The Journal of Clinical Endocrinology Metabolism 92: 1217–1225.

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