Sneddon-Syndrom M30.82

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 16.01.2025

This article in english

Synonym(e)

Livedo racemosa apoplectica; Livedo racemosa generalisata mit zerebrovaskulären Störungen; livedo reticularis and cerebrovascular lesions; OFRPHA:820

Erstbeschreiber

Ehrmann, 1907; Champion u. Allison, 1965; Sneddon, 1965

Definition

Nicht inflammatorische, potenziell lebensbedrohliche, systemische, okkludierend Vaskulopathie die sich durch die Trias:

  • Nicht thermoreagible generaliserte Livedo racemosa
  • transitorische ischämischenAttacken mit neuropsychiatrischen Auffälligkeiten
  • labile arterielle Hypertonie

kennzeichnet.

Pathophysiologisch handelt sich an der Haut um eine thrombotische Vaskulopathie kleiner bis mittlerer Gefäße an der Kutis-Subkutis-Grenze, wodurch ein gestörter Blutfluss mit "als blitzfigurenartig" beschriebenen Hautläsionen (Livedo racemosa) entstehen. Seltener sind zentrale Nekrosen.  

Eine Sonderform des Sneddon-Syndroms findet sich bei Patienten mit nachweisbaren Phospholipid-Antikörper. Hier ist das Krankheitsbild als Variante des systemischen Lupus erythematodes zu interpretieren, als sog. sekundäres Sneddon-Syndrom.

Vorkommen/Epidemiologie

Die geschätzte jährliche Inzidenz liegt bei 0,4/100.000. Sie gehört damit zu den seltenen Erkrankungen (ORPHA:820) 

Ätiopathogenese

Sowohl autosomal-dominanter als auch autosomal-rezessiver Erbgang sind beschrieben.
Bei den monogenen Formen sind Mutationen im ADA2-Gen das auf Chromosom 22q11 lokalisiert ist nachweisbar. Das ebenfalls durch ADA2-Mutationen hervorgerufene  Syndrom "Vaskulitis, Autoinflammation, Immunschwäche und hämatologischen Defekte" tritt bereits im frühen Kindesalter auf.

Risikofaktoren sind Nikotinabusus, Hypertonie, Hyperlipidämie und Einnahme hormoneller Antikonzeptiva. Pathogenetisch kommt es zu Verschlüssen von kleinen und mittleren Arteriolen.

Nach Schellong werden ätiologisch neben dem primären, idiopathischen Sneddon-Syndrom auch sekundäre Formen im Rahmen eines Antiphospholipid-Antikörper (aPLA)-Syndrom bzw. anderer thrombophiler Erkrankungen unterschieden.   

 

Manifestation

Meist bei Frauen zwischen dem 27. und 45. Lebensjahr auftretend (mittleres Alter bei 42,9 Jahren).

Lokalisation

Rumpf, Gesäß, nicht selten kombiniert mit einer Raynaud-Symptomatik.  

Klinisches Bild

Ausgeprägte Livedo racemosa mit Blitzfiguren-artigen Gefäßzeichnungen der Haut. Häufig begleitende Akrozyanose, auch Raynaud-Symptomatik.

Neurologische Symptome: Schwindel, transitorische ischämische Attacken (TIA), Hirninfarkte, Epilepsie.  

Seltener sind Beteiligungen von Herz, Nieren, Augen.

Die Hautveränderungen gehen den systemischen Veränderungen meist um Jahre voraus.

Labor

Anti-Phospholipid-Antikörper sind bei mehr als 50% der Patienten nachweisbar. Thrombozytose kann assoziiert sein (s.u. Thrombozyt)

Diagnose

Angiographie der Handgefäße: Kalibervariationen und Verschlüsse vor allem der Digitalarterien.

Zerebrale Angiographie: Pathologische Kalibervariationen und Verschlüsse mittelgroßer und kleiner intrakranieller Gefäße.

EEG: je nach Ausmaß der zerebralen Durchblutungsstörungen Allgemeinveränderungen und/oder Herdbefunde.

CT/MRT: Nachweis von Infarkten, eventuell Hirnatrophie.

Therapie

Eine kausale Therapie ist nicht bekannt, die symptomatische Therapie ist bisher noch unbefriedigend.

Interne Therapie

Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin): 100 mg/Tag p.o. ist prophylaktisch indiziert.

Cumarinpräparate (z.B. Marcumar): Sollten bei Z.n. Thrombosen über einen Zeitraum von mind. 6 Monaten eingesetzt werden. 

Gute Erfolge wurden mit einer Kombinationstherapie aus Thrombozytenaggregationshemmung (z.B. Acetylsalicylsäure oder Clopedigrel), Prostaglanin E1 (Alprostadil) und ggfls. Cumarinpräparate (Phenprocoumon) erzielt (Narwutsch A et al. 2024). Therapiestudien weisen für Kombinationstherapien eine bessere Prognose (geringere Anzahl von Schlaganfällen und TIAs) aus, als für Monotherapien (Narwutsch A et al. 2024).   

Merke! Besonders wichtig sind die Einstellung des Nikotingenusses sowie das Absetzen einer oralen Kontrazeption bei Frauen!

Immunsuppressiva: Eine immunsuppressive Therapie ist lediglich beim Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern indiziert, hier ist eine Kombination von Prednison mit Azathioprin bzw. Cyclophosphamid (s.u. Lupus erythematodes, systemischer) zu empfehlen.

Verlauf/Prognose

Alölgemein und ohne suffiziente Therapie ist die Prognose quoad vitam und quoad functionem schlecht. Die Letalität wird mit etwa 23% in 9 Jahren angegeben (Narwutsch A et al. 2024).  

Hinweis(e)

Bei Familienangehörigen mit Hautmanifestationen wie Livedo racemosa, Akrozyanose oder Raynaud-Phänomen sollte auch auf zerebrovaskuläre Störungen geachtet werden.

Hinsichtlich Kinderwunsch ist eher abzuraten, da Verschlechterung der Symptomatik  gehäuft beobachtet wird.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Champion RH, Allison JR (1965) Livedo reticularis: A review. British Journal of Dermatology 77: 167-179
  2. El Benaye J et al.(2013) Sneddon's syndrome. Presse Med 42:138-144
  3. Gibbs MB et al. (2005) Livedo reticularis: an update. J Am Acad Dermatol 52: 1009-1019
  4. Gottlober P et al. (2000) Sneddon's syndrome in a child. Br J Dermatol 142: 374-376
  5. Herman E (1937) Niezwykly zespol pourazowy: livedo racemosa universalis u osobnika z objawami piramido-pozapiramidowymi i zaburzeniami psychicznymi. Warsz. zawskie Czasopismo Lekarskie 14: 83-86, 107-109
  6. Herman E, Sulat H (1957) Osobliwy zespol pourazowy pochodzenia naczynio-ruchowego livedo racemosa universalis, rozsiane zaburzenia piramidowo-pozapiramidowe i zaburzenia psychiczne. Neurologia, Neurochirurgia i Psychiatria Polska 7: 95-98
  7. Herman E, Sulat H (1957) Un syndrome particulier post-traumatique vaso-moteur: Livedo racemosa universalis, symptomes disséminés pyramidaux et extra-pyramidaux et troubles psychiques. Rev neurol 101: 731-739
  8. Hiltz RE et al. (1994) Cutaneous vasculitis. Curr Opin Rheum 6: 20-24
  9. Kalashnikova LA, Nasonov EL, Kushekbaeva AE, Gracheva LA (1990) Anticardiolipin antibodies in Sneddon's syndrome. Neurology 40: 464-467
  10. Khosrotehrani K et al. (2003) Sneddon syndrome revealing dysfibrinogenemia. Int J Dermatol 42: 561-562
  11. Mascarenhas R et al. (2003) Familial Sneddon's syndrome. Eur J Dermatol 13: 283-287
  12. Mesa HA et al. (1993) Sneddon's syndrome and phospholipid-antibodies. Clin Rheum 12: 253-256
  13. Narwutsch A et al. (2024) Kombinationstherapie des Sneddon-Syndroms zur Senkung der Inzidenz zerebrovaskulärer Komplikatonen. JDDG 20:947-955
  14. Orac A et al. (2014) Sneddon syndrome: rare disease or under diagnosed clinical entity? Review of the literature related to a clinical case. Rev Med Chir Soc Med Nat Iasi 118:654-660
  15. Pettee AD, Wasserman BA, Adams NL et al. (1994) Familial Sneddon's syndrome: clinical, hematologic, and radiographic findings in two brothers. Neurology 44: 399-405
  16. Schellong SN et al. (1997) Classification of Sneddon`s syndrome. Vasa 26: 215-221
  17. Sneddon IB (1965) Cerebro-vascular lesions and livedo reticularis. Brit J Dermatol 77: 180-185
  18. Wohlrab J et al. (2001) Diagnostic impact and sensitivity of skin biopsies in Sneddon's syndrome. A report of 15 cases. Br J Dermatol 145: 285-288
  19. Zelger B et al. (1993) Sneddon's syndrome: A long-term follow-up of 21 patients. Arch Dermatol 129: 437-441

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 16.01.2025