Chronische lymphozytäre Thyreoiditis E06.3

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

AIT; Autoimmunthyreoiditis; Hashimoto`s thyroiditis; Hashimotothyreoiditis; Hashimoto Thyreoiditis; Hashimoto-Thyreoiditis; Thyreoiditis chronische lymphozytäre

Erstbeschreiber

Hakaru Hashimoto 1912

Definition

Häufigste, über Jahre verlaufende, schmerzlose, autoimmunologische Entzündung der Schilddrüse (autoimmunologische Thyreoiditis) mit partieller oder kompletter Zerstörung der Schiddrüse. Es besteht eine familiäre Disposition sowie eine gehäufte Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen. Häufigste Ursache einer Hypothyreose (Caturegli P et al. 2014).

Einteilung

Verlaufsformen der Hashimoto-Thyreoiditis

  • Atrophe Form: Hierbei kommt es zu einer Atrophie des Organs. In Deutschland leidet die Mehrheit der Patienten an dieser Variante der Krankheit.
  • Hypertrophe Form: Hierbei vergrößert sich die Schilddrüse; Ausbildung einer Struma

Weiterhin können unterschieden werden: eine fibrotische, eine IgG4-assoziierte, eine juvenile Form, die Hashitoxicose und die „painless Thyreoiditis (sporadisch oder postpartal).

Vorkommen/Epidemiologie

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen des Menschen und die häufigste Ursache der primären Schilddrüsenunterfunktion. In einer größeren Erhebungsstudie fanden sich bei 10 % der Probanden einer Bevölkerungsstichprobe erhöhte Antikörper, bei 4,3 % subklinische und bei 0,3 % klinisch manifeste Hypothyreosen. In einer weiteren Studie konnten bei 10 % der Untersuchten klinische und subklinische Hypothyreosen nachgewiesen werden. Die Prävalenz der Hashimoto-Thyreoiditis wird in Westeuropa mit 1–2 % angegeben; subklinische Verläufe sind jedoch häufiger und liegen bei 6–8 %.

Ätiopathogenese

Die exakte Ursache, die zum Ausbruch einer Hashimoto-Thyreoiditis führt, ist noch nicht hinreichend geklärt und sie ist wie beim Morbus Basedow vielfältig. Diskutiert werden neben einer genetischen Vorbelastung (familiär gehäufte Fälle, die Konkordanz bei monozygoten Zwillingen liegt bei 30-60%), Infektionen (Bakterien, Viren: Mononukleose, Zoster),  Jodbelastungen, Medikamente (Nivolumab, Lithium), hormonelle Umstellungen (Pubertät, Entbindung, Wechseljahre), psychischer Stress.

Die Bildung von mikrosomalen Antikörpern gegen die Schilddrüsen-Peroxidase (Anti-TPO, MAK) und von Antikörpern gegen Thyreoglobulin (Tg-AK) findet in einer Nebenreaktion statt. Bei 10-20% der Patienten werden keine Antikörper gebildet. Fehlende Antikörper schließen somit das Vorliegen einer Hashimoto-Thyreoiditis nicht aus. Im Gegensatz zum Morbus Basedow sind die Antikörper nicht krankheitsverursachend. Die Schilddrüsenhormone T3 und T4 werden bei fortschreitender Entzündung unzureichend gebildet und vermindert freigesetzt. Die Hashimoto-Thyreoiditis zählt zu den häufigsten Ursachen einer Schilddrüsenunterfunktion.

Manifestation

Betroffen sind v.a. Frauen zwischen dem 30-50 LJ. w:m= 2(5):1.

Klinisches Bild

Die lymphozytäre Thyreoiditis verläuft anfänglich meist beschwerdefrei; es kann sich jedoch auch  eine diffus  vergrößerte, selten leicht schmerzhafte Struma einstellen ggfl. mit Zeichen der Hyperthyreose. Diese passagere Schilddrüsenüberfunktion wird als „Hashitoxikose“ bezeichnet und zeichnet sich aus durch:

  • Schwitzen, Herzrasen, hohen Blutdruck (Hypertonie), Gewichtsabnahme, Durchfall, gesteigerte Angst, Rast-und Ruhelosigkeit („immer auf der Überholspur“), zitternde Hände, Muskelschwäche, Muskelzittern, Schlaflosigkeit, Nervosität und Heißhunger.

Im weiteren Verlauf der autoimmunologischen Entzündung kommt es zu einer zunehmenden Zerstörung des Organs durch zytotoxische T-Zellen. Es wird allmählich funktionsuntüchtig.

Es stellen sich die klinischen Zeichen einer Hypothyreose ein mit:

  • Müdigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, allgemeine körperliche Erschöpfung, fehlende Belastbarkeit, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit, Depressionen, Infektanfälligkeit, Schlafstörungen, Gelenk- und Muskelschmerzen, diffuses Effluvium, trockener Haut, brüchigen Fingernägel, Blähungen, Verstopfung, Zyklusstörung bei der Frau, nächtliches Kribbeln und Einschlafen von Händen und Unterarmen (Karpaltunnelsyndrom), Libidoverlust, Anstieg der Blutfette, Herzrhythmusstörungen, Ödembildungen, Schwerhörigkeit, rauhe Stimme.

Eine Hashimoto-Thyreoiditis tritt oft gemeinsam mit anderen Autoimmunkrankheiten auf. So z.B. mit Vitiligo (Baldini E et al. 2017), Alopecia areata, Zöliakie, Diabetes mellitus Typ 1, Morbus Addison, Hypoparathyroidismus (Radetti G 2014). Derartige Konstellationen werden als polyendokrine Autoimmunsyndrome bezeichnet.   

 

Labor

Antikörper-Nachweis:

Bei fortschreitendem Krankheitsprozess Zeichen der Schilddrüsenunterfunktion.

Histologie

Lymphozytäre (zytotoxische T-Zellen)  Infiltration des Schilddrüsenparenchyms. Im Spätstadium zunehmende fibrotische Umwandlung mit Atrophie des Drüsenkörpers. 

Diagnose

Sonographie der Schilddrüse einschließlich Farbdoppler: inhomogenes Schallmuster des geschrumpften Schilddrüsenparenchyms.

Evtl. Sintigramm: Verminderte Radionuklidaufnahme.

Interne Therapie

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine der häufigsten Ursachen einer Schilddrüsenunterfunktion im Erwachsenenalter; sie ist nicht heilbar. Die wichtigste Therapiemaßnahme bei der Hashimoto-Thyreoiditis ist die Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion mit L-Thyroxin (Levothyroxin). Glukokortikoide und weitere Immunsuppressiva sind sinnlos. Engmaschige Kontrollen sind wichtig. Über die positive Wirkung von Selen bei AIT mit Euthyreose wird diskutiert (Dosierung: 200 µg/Tag) (Zagrodzki P et al. 2014). In der Schwangerschaft erhöhter Hormonbedarf. Für eine ausreichende LT4-Substitution ist u sorgen.

Verlauf/Prognose

Die Hashimoto-Thyreoiditis verläuft individuell sehr unterschiedlich. Sie entwickelt sich oft schleichend mit vielen uncharakteristischen Beschwerden, die gerade zu Beginn der Erkrankung nur schwer zu erfassen sind. Im Spätstadium der Atrophie und Fibrose des Organs mit Hypothyreose, kann bei korrekter LT4-Substitution von einer normalen Lebenserwartung ausgegangen werden.

Hinweis(e)

Als Variante der Hashimoto-Thyreoiditis gilt die IgG4-assozziierte fibrosierende Riedel-Struma (E06.5), die als sog. „eisenharte“ Struma die Umgebung der Schilddrüse infiltriert.

Literatur
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  1. Baldini E et al. (2017) Vitiligo and Autoimmune Thyroid Disorders. Front Endocrinol (Lausanne)8:290. 
  2. Caturegli P et al. (2014) Hashimoto thyroiditis: clinical and diagnostic criteria. Autoimmun Rev 13:391-397. 
  3. Kobayashi T et al. (2018) Patients With Antithyroid Antibodies Are Prone To Develop Destructive Thyroiditis Patients With Antithyroid Antibodies Are Prone To Develop Destructive Thyroiditis by Nivolumab: A Prospective Study. J Endocr Soc 2:241-251. 
  4. Radetti G (2014) Clinical aspects of Hashimoto's thyroiditis. Endocr Dev 26:158-170.
  5. Zagrodzki P et al.(2014) The importance of selenium in Hashimoto's disease.Postepy Hig Med Dosw (Online) 68:1129-37. 

 

 

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