Synonym(e)
Definition
DRESS ist das Akronym für "Drug reaction (rash) with eosinophilia and systemic symptoms". Klinisch handelt es sich um eine seltene, potenziell lebensbedrohlich verlaufende, fieberhafte Arzneimittelreaktion (Hypersensitivitäts-Syndrom) mit Exanthem sowie variabler Bluteosinophilie und Anstieg der Leberenzyme. Neben dem auslösenden Medikament (häufig Carbamazepin und Phenytoin - frühere Bezeichnung: Carbamazepin-Phenytoin-Hypersensitivitäts-Syndrom) spielt eine Reaktvierung von Virusinfektionen (speziell HHV-6) eine pathogenetische Rolle.
Auch interessant
Ätiopathogenese
Als Auslöser beschrieben wurden Medikamente wie:
- Allopurinol (s. Fallbericht)
- Carbamazepin
- Phenytoin
- Barbiturate (Phenobarbital)
- Dapson
- Sulfonamide
- Minocyclin
- Strontiumranelat (Osteoporosemittel)
- Vemurafenib/Cobimetinib
Seltener assoziiert ist das Syndrom mit Medikamenten wie: Primidon, Goldderivate, Cyclosporin, Captopril, Diltiazem, Terbinafin, Azathioprin und Allopurinol (Kumari R et al. 2011).
Bemerkung: Offenbar bestehen auch Zusammenhänge zwischen der Reaktivierung von HHV-6 und dem klinischen Schweregrad der Reaktion.
Klinisches Bild
2-6 Wochen nach Einnahme von auslösenden Medikamenten (lange Latenzzeit zwischen Medikamenteneinnahme und Aufreten der Symptome), Auftreten eines generalisierten, makulo-papulösen, lichenoiden oder multiformen, u.U. auch hämorrhagischen (etwa 10%) Exanthems, das sich zu einer Erythrodermie ausweiten kann. Die Hautsymptome breiten sich vom Gesicht auf den ganzen Körper aus. Das Gesicht ist häufig flächig gerötet und geschwollen, wobei die Periorbitalregion betont ist. Die Veränderungen am Stamm und den Extremitäten sind außerordentlich polymorph. Atypische Kokarden werden häufig angetroffen. Nicht selten sind sterile, follikuläre und nicht follikuläre Pusteln sowie Spannungsblasen.
Mundschleimhautveränderungen treten als flächige Rötungen der Wangen und des Rachens oder als flächige Erosionen auf.
Das Exanthem ist meist kombiniert mit erheblicher AZ-Minderung, hohem (>38,5°C) Fieber (>80%), Hepatopathie (>70%), Nephropathie (50%), pulmonaler Beteiligung (31%- akutes Atemnotsyndrom, Dyspnoe, interstitielle Pneumonitis, trockener Husten, pathologishe Lungenfunktion), Arthralgien, Myosititden, Lymphadenopathien mehrerer (>2) Stationen, ZNS-Beteiligungen (aspetische Meningitis, Enzephalitis, Koma, Krampfanfälle, Sprachstörungen). Gastrointestinale Beteiligungen sind eher selten. Nicht selten wird ein wiederkehrendes Auffiebern über Wochen beobachtet (Mockenhaupt M 2017). S. a. Validierungsscore zur Absicherung der Diagnose.
Labor
Nicht obligate (60-70% der Patienten) Eosinophilie > 1500/ul; Auftreten atypischer Lymphozyten. Weitere path. Laborparameter je nach Organbeteiligungen (s.a. Fallbericht) z.B. path. Nieren- und Leberwerte.
Histologie
Meist oberflächliche perivaskuläre und interstitielle ödematöse Dermatitis mit Lymphozyten und einem variablem Anteil an eosinophilen Granulozyten. Ödem im Str. papillare; fokale Epitheliotropie mit Vakuolisierung der basalen Epithelien. Auch ekzematöse Veränderungen mit Spongiose nachweisbar.
Ein bandförmiges epidermotropes Infiltrat atypischer Lymphozyten läßt differenzialdiagnostisch auch an ein kutanes T-Zell-Lymphom denken (s.a. Abbildung: DRESS bei Angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphom).
Differentialdiagnose
Klinisch:
- makulo-papulöses Arzneimittelexanthem: es fehlt i.Allg. das hochakute, potenziell lebensbedrohliche Gefährdungsszenario des DRESS
- Virusexanthem unterschiedlicher Genese (Varizellen, Hand-Fuß-Mund-Krankheit - positive Serologie!)
- Erythema multiforme: Exanthem mit typischen Kokarden-Effloreszenzen; es fehlt die systemische Beteiligung des DRESS
- Staphylococcal Scalded Skin Syndrome (SSSS): Deutlich reduziertes Allgemeinbefinden mit Fieber, Hautspannung, ggf. eitrigem Schnupfen oder Konjunktivitis. Initial zeigt sich ein großflächiges, unscharf begrenztes, beugebetontes, scarlatiniformes Exanthem. Positives Nikolski-Zeichen.
- Stevens-Johnson-Syndrom: Exanthem mit typischen Kokarden-Läsionen und Blasenbildung, Nikolski-Phänomen positiv, Befall der hautnahen Schleimhäute
- Toxische epidermale Nekrolyse: Exanthem großflächiger Blasenbildung, Haut kann handtuchartig abgeschoben werden. Befall der hautnahen Schleimhäute
Histologisch:
- Virale Exantheme: schwierige Differenzierung (Labordiagnostik)
- Exantheme der Erythema multiforme-Gruppe: stets unterschiedlich intensive Keratinozyten-Nekrosen die beim DRESS selten sind
Therapie
Tabellen
Variable | Nein | Ja | Unbekannt |
---|---|---|---|
Fieber =/> 38,5°C | -1 | 0 | -1 |
Lymphadenopathie (>2 Körperregionen, =/>1cm) | 0 | 1 | 0 |
Eosinophilie (10-19,9%) | - | 1 | - |
Eosinophilie (=/>20%) | - | 2 | - |
Hautbeteiligung >50% KO | 0 | 1 | 0 |
Hautbeteiligung=/>2 passend zu DRESS (Ödeme, Infiltration, Purpura, Schuppung) | -1 | 1 | 0 |
Histologie passend zu DRESS | -1 | 0 | 0 |
Organbeteiligungen (1 Organ) | - | 1 | - |
Organbeteiligungen (=/>2 Organe) | - | 2 | - |
Abheilung =/>15 Tage | -1 | 0 | -1 |
Negative Laboruntersuchungen (Virusserologie; Chlamydien, Mykoplasmen, Blutkulutur, ANA) zum Ausschluss anderer Erkrankungen |
0 | 1 | 0 |
Summe/Score: <2= kein Fall; 2-3 möglicher FAll; 4-5 wahrscheinlicher Fall; >5 sicherer Fall |
Fallbericht(e)
1) Ein 73 Jahre alter Patient in einem stark reduzierten AZ sowie einem hämodynamisch instabilem Zustand mit anurischem Nierenversagen wurde zur intensivmedizinischen Therapie überwiesen. 5 Wochen zuvor war bei einem erstmals erhöhten Harnsäurewert (!) eine Therapie mit Allopurinol 300 mg p.o./1x Tag angesetzt worden. 3 Wochen nach Therapiebeginn entwickelte der Patient bei ansonstem ungestörtem AZ einen schweren generalisierten Juckreiz, gefolgt von einem wenige Tage später auftretenden generalisierten Exanthem. Die Therapie mit Allopurinol wurde fortgeführt, zugleich ein orales Antihistaminikum in üblicher Dosierung verordnet. Bei zunehmender Exanthemstärke erfolgte 1 Tag später eine einmalige intravenöse Applikation von 150 mg Prednisolon i.v. Auch hierunter keine Verbesserung der Beschwerden. Hierauf stat. Aufnahme.
Bef.: Subfebriler, etwas somnolenter, hämodynamisch instabiler Patient mit einem generalisierten, makulo-papulösen, stellenweise multiformen und hämorrhagischen Exanthem.
Lab.: Kreatinin: 1,7 mg/dl (bekannt war weiterhin eine chronische Niereninsuffizienz mit Serumkreatininwerten zwischen 1,4 und 2,2 mg/dl, eine hypertensive Kardiomyopathie und ein metabolisches Syndrom: Dyslipidämie, Adipositas Grad II, Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie). Weiterhin: normochrome, normozytäre Anämie, leichte Thrombozytopenie (145 G/l), normale Gesamtleukozytenwerte mit Nachweis einer Eosinophilie (12%), stark erhöhte Nierenretentionsparameter (Kreatinin 7,2 mg/dl, Harnstoff 163 mg/dl, CRP 115 mg/l (Norm < 5 mg/l), Hyperkaliämie (6,4 mmol/l - Norm 3,5-5,5 mmol/l) sowie eine metabolische Azidose mit einem pH von 7,1 und einem Bikarbonatwert von 17 mmol/l. Leberwerte deutliche erhöht; Rheumafaktor, ANA, ENA, ANCA, und die HIV, Hepatitis B und C-Serologie waren negativ. .
Rö.Thorax: Beidseitige Pleuraergüsse, kein Infiltrat; Kardiomegalie.
Sonographie: Hepatomegalie, Splenomegalie (12 cm).
Therapie und Verlauf: Bei V.a. ein medikamentenassoziiertes HSS wurde die Allopurinoltherapie sofort gestoppt. Der Patient erhielt hochdosiert Prednisolon (1,5 mg(kgKG i.v.). Wegen des anurischen Nierenversagens musste er wiederholt dialysiert werden. Unter dieser Therapie normalisierte sich die Nierenfunktion wieder auf das ursprüngliche Niveau. Das makulo-papulöse Exanthem war bei rein pflegender Externtherapie innerhalb von 10 Tagen deutlich rückläufig. Die Haut schuppte später unter mäßigem Juckreiz exfoliativ ab.
Dg.: Allopurinol-Hypersensitivitätssyndrom mit akutem, anurischem Nierenversagen.
Kommentar: Bei ca. 2% aller Patienten, die mit Allopurinol behandelt werden, kann ein DRESS (Hypersensitivitäts-Syndrom) auftreten. Etwa 1/5 können lebensbedrohlich sein. Nicht selten werden neben den exanthematischen Hautveränderungen Fieber, Eosinophilie, Leber- und Nierenversagen beobachtet. Die Halbwertszeit von Allopurinol und Oxypurinol ist bei Niereninsuffizienz deutlich verlängert (>125 Stunden). Dies führt zu einer erhöhten (toxischen) Konzentration des Medikamentes bzw. seines Metabolits in der Niere.
2) Berichtet wird über den Fall eines 58-jährigen Mannes, der einen Monat nach Beginn der Behandlung mit Colchicin, Amiodaron, Perindopril, Allopurinol und Spironolacton an einem unerträglichen, generalisierten Pruritus litt. Von Beginn der Behandlung an litt er unter progredienten, flächigen Erythemen, unter Fieber, Anorexie, Ödeme an Händen und Gesicht, auffälliger Bluteosinophilie (42%) bei 5810 Eosinophile / mm3), akutem Leberversagen (einschließlich cholestatischem Ikterus, Gerinnungsstörungen und Hypoproteinämie). Weiterhin wurde ein exokrines Pankreasversagen (mit schwerer Steatorrhoe), Nierenversagen, metabolische Azidose, Verschlimmerung einer bereits bestehenden Herzinsuffizienz und Ödeme der unteren Extremitäten diagnostiziert.
Therapie: Alle Medikamente wurden abgesetzt.
Verlauf: Der Zustand besserte sich allmählich, bis 4 Monate später eine vollständige Remission erreicht war.
Diagnostik: Patch-Tests mit den in Frage kommenden Medikamente waren bis auf Spironolacton negativ. Spironolacton zeigte eine stark positive Reaktion.
10 Kontrollen bei gesunden Freiwilligen waren negativ.
Diagnose: Spironolacton induziertes DRESS mit Bluteosinophilie , akutem Leberversagen, exokrines Pankreasversagen, Nierenversagen, metabolischer Azidose, und Verschlimmerung einer bereits bestehenden Herzinsuffizienz.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Paulmann M, Mockenhaupt M (2015) Schwere arzneimittelinduzierte Hautreaktionen: Klinik, Diagnostilk, Ätiologie und Therapie. JDDG 13: 625-643
- Pickert J et al. (2017) DRESS unter einer Kombinationstherapie mit Vemurafinib und Cobimetinib. Allergo J Int 26: 85
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