Impetigo herpetiformis L40.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Co-Autor: Dr. med. Jeton Luzha

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Generalized pustular psoriasis of pregnancy; Impetigo herpetiformis Hebra-Kaposi; Psoriasis pustulosa hypocalcaemica

Erstbeschreiber

Kaposi, 1887

Definition

Historischer Begriff für eine seltene, Schwangerschaft-induzierte Variante der Psoriasis pustulosa generalisata. Klinisch liegt ein meist akut verlaufendes, generalisiertes pustulöses Krankheitsbild vor, das als klinische Manifestation einer bisher latenten, oder de novo entstehenden, Psoriasis pustulosa generalisata in der Schwangerschaft interpretiert wird. 

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Ätiopathogenese

Die Ätiologie der Impetigo herpetiformis (Ih) ist noch nicht geklärt.

Genetik: Einigen Hinweisen zufolge, z. B. durch familiäre Fälle, könnten genetische Faktoren die Manifestation der Impetigo herpetiformis beeinflussen. Bei der Impetigo herpetiformis wurden bei chinesischen und japanischen Frauen homozygote und heterozygote IL36RN-Mutationen nachgewiesen (Sugiura K et al. (2015). Das von dem IL36RN-Gen kodierte Protein, der IL-36-Rezeptor-Antagonist IL-36Ra, ist ein Mitglied der Interleukin-1-Zytokinfamilie. Dieses Protein kommt v.a. in der Haut vor, wo es zur Regulierung von Entzündungen beiträgt, die Teil der frühen Immunreaktion des Körpers sind. Der IL36RN-Mutation wird eine bedeutende ätiopathogenetische Rolle (z.B. bei der Vermeidung eines möglichen Risikos für Mutter und Fötus) zugeschrieben (Namazi N et al. 2018).

Hypokalzämie: Auch wenn es schwierig ist, stets eine kausale Beziehung herzustellen, können weitere Konstellationen mit der Impetigo herpetiformis in Verbindung gebracht werden, so eine Hypokalzämie. Ursächlich für die Hypokalzämie bei Impetigo herpetiformis kommen Hypoparathyreoidismus, Hypoalbuminämie, niedrige Vitamin-D-Spiegel und eine Verringerung der ionisierten Serumkalziumkonzentration aufgrund von Malabsorption in Frage (Namazi N et al. 2018).

Medikamente: Weiterhin scheinen auch verschiedene Medikamente eine Impetigo herpetiformis auslösen zu können. So entwickelte sich eine Ih in der 34. Schwangerschaftswoche nach einer fünftägigen Einnahme von N-Butyl-Scopolammoniumbromid. Auch Ritodrinhydrochlorid, ein Medikament zur Unterdrückung vorzeitiger Gebärmutterkontraktionen, kann Ih induzieren, ebenso Hydroxychloroquin (Guerriero C et al. 2008; Kuwabara Y ert al. 2011; Liu J et al. 2022).

Manifestation

Schwangere Frauen;  Alter: 20-40 Jahre; v.a. in der 2. Schwangerschaftshälfte. Ein erneutes Auftreten ist bei jeder weiteren Gravidität möglich. 

Lokalisation

Rumpf, vor allem intertriginöser Bereich, auch Extremitäten. Schleimhaut: Mund und obere Atemwege.

Klinisches Bild

Akuter Beginn mit starker Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, mit ausgeprägtem Krankheitsgefühl, Fieber, Schüttelfrost, evtl. Diarrhoe.

Initial beugebetontes, Exanthem mit hochroten, großflächigen Erythemen und Plaques. Nach wenigen Tagen entstehen auf diesen flächigen Läsionen, disseminierte oder auch gruppierte, 0,1-0,2 cm große, weiße, nicht follikuläre Pusteln, die später zu größeren "Eiterseen" konfluieren können.

Die Ausbildung anulärer Formationen ist möglich. Abheilung unter Bildung von nach innen gerichteter, colleretteartiger Schuppensäume.

Auftreten einer Erythrodermie ist möglich.

Symptome der Hypokalziämie können sich einstellen (niedriges Serumkalzium, Tetanie, Chvostek-Zeichen).

Diese sehr seltene Schwangerschaftsdermatose geht mit höchster Gefahr für die Schwangere und Foetus im Vergleich zu den anderen Schwangerschaftsdermatosen einher.

Labor

Dysproteinämie; Leukozytose; Neutrophilie; Eisenmangel mit Anämie; erniedrigtes Serumkalzium; erniedrigte Vit D3-Spiegel; deutlich beschleunigte BSG; CRP ist erhöht.

Komplikation(en)

Ein wichtiger Aspekt der Impetigo herpetiformis sind die Komplikationen, die das Leben von Mutter und Kind gefährden können . Ein erheblicher Teil dieser Komplikationen steht im Zusammenhang mit der Plazentainsuffizienz und dem Elektrolyt-Ungleichgewicht, hinzu kommt die Veränderung des Serumkalziums.

Systemische Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Schüttelfrost, Durchfall, hypovolämischer Schock, Krampfanfälle und Unwohlsein, sowie Laborbefunde wie Leukozytose, erhöhte BSG, Hypokalzämie, Hypoalbuminämie und Eisenmangelanämie können mit Ih assoziiert sein.

Bei Frauen, bei denen in der 32. Schwangerschaftswoche eine Impetigo herpetiformis diagnostiziert wird, kann eine Gestationshypertonie den Zustand verschlimmern.

Darüber hinaus wird die Impetigo herpetiformis mit vermehrten pränatalen Komplikationen wie intrauteriner Wachstumsrestriktion als Folge von Plazentainsuffizienz, vorzeitigem Membranbruch und sogar Totgeburt in Verbindung gebracht. Es gibt auch einen Bericht über einen Säugling, der mit einem zentralen Hypoventilationssyndrom geboren wurde.

Rezidive wurde in bis zu neun Schwangerschaften bei einer Frau beschrieben. Diese wurde auch durch die Einnahme von oralen Kontrazeptiva (Kombination von Ethinylestradiol und Progesteron) bei derselben Patientin ausgelöst (Namazi N et al. 2018)..

Therapie

Zusammenarbeit mit Internisten und ggf. Gynäkologen. In der Schwangerschaft ist wegen hoher Mortalität von Mutter und Kind bei ausgeprägter Symptomatik eine Interruptio oder eine vorzeitige Sectio zu erwägen.

Externe Therapie

Austrocknende Maßnahmen. Anwendung von ethanolischer Zinkoxidschüttelmixtur oder Farbstoffpinselungen, z.B. mit Kaliumpermanganat (hellrosa) oder Methylrosaniliniumchlorid-Lösung (Gentianaviolett) zur Vermeidung von Sekundärinfektionen.

Zudem Anwendung topischer Glukokortikoide wie 0,1% Triamcinolon-Creme, 0,25% Prednicarbat (z.B. Dermatop Creme), 0,1% Mometason (z.B. Ecural Fettcreme) zur verbesserten Abheilung der Haut sowie bei stark entzündlicher Komponente.

Interne Therapie

Es gibt nur wenige belastbare Daten über die Behandlung der Impetigo herpetiformis. Die größte Herausforderung ist ein möglicher kritischer Zustand von Mutter und Kind. Weiterhin ist die mögliche Teratogenität der eingesetzten Medikamente zu beachten.

Obwohl zahlreiche Behandlungsvorschläge für die Impetigo herpetiformis existieren, gibt es auf Grund der Seltenheit der Erkrankung keine spezifischen Leitlinien. Die Angaben beruhen meist auf Einzelfallberichten. Flüssigkeits- und Elektrolyt-Ungleichgewichte, insbesondere Hypovolämie, Hypokalzämie und ein niedriger Vitamin-D-Spiegel, sollten umgehend korrigiert werden (Oumeish O et al. 1982).

In den letzten zehn Jahren wurden viele Patienten mit Ciclosporin, Kortikosteroiden, TNF-alpha-Inhibitoren, Interleukin (IL)-17- und IL-12/23-Inhibitoren sowie Granulozyten- und Monozytenadsorptionsapherese behandelt. Hierzu liegen Einzelfallbereichte vor.

Die Granulozyten- und Monozytenadsorptionsapherese kann eine wichtige Option für Patienten mit Impetigo herpetiformis  sein, da sie derzeit als eine der komplikationsärmsten therapeutischen Optionen gilt. Aufgrund der jüngsten pathogenetischen Erkenntnisse zur Rolle der IL-36-Achse bei der Psoriasis acuta generalisata und der AGEP, könnten biologische Wirkstoffe, die auf den IL-36-Signalweg abzielen, auch eine Option bei der Ih sein (Seishima M et al. 2022). Weiterhin ist eine Substitution von Parathormon mit Dihydrotachysterol (Augentropfen 10) und Kalziumersatz nach Blutspiegel (bei Tetanie: 20 ml Kalziumlösung 10%) anzustreben. Cave! Digitalisierte Patienten!

Die Therapeutika im Einzelnen:

Kortikosteroide: Systemische Kortikosteroide (z.B. Prednisolon), die in der Vergangenheit bei der Behandlung der pustulösen Psoriasis eingesetzt wurden, sind nach wie vor die Erstlinienmedikamente bei der I.h. Empfehelnswert ist Prednisolon in einer Dosierung von 60–80 mg/Tag (z.B. Decortin H). Das Hauptproblem der Kortikosteroidtherapie in der Schwangerschaft ist die erhöhte Inzidenz von Gaumenspalten. Da jedoch die Impetigo herpetiformis in der Regel erst spät im dritten Trimester der Schwangerschaft auftritt, kann die Kortikosteroidtherapie als sichere Wahl angesehen werden. Lokaltherapeutisch ist die Verwendung von milden bis moderaten Kortikoidexterna zu erwägen.

Ciclosporin: Ciclosporin ist eine therapeutische Option für Patienten, die nicht auf Kortikosteroide ansprechen. Ciclosporin wird meist  in Kombination mit systemischen Kortikosteroiden verabreicht (Dosierung von 2-7,5 mg/kg/Tag) (Patsatsi TD et al. 2013). Nach Beginn der Behandlung mit Ciclosporin können die systemischen Kortikoide ausgeschlichen werden (Tintinger GR et al. 2013).

Antibiotika: Ampicillin, Makrolide und Clofazimin gehören zu den Antibiotika, die sich bei der Behandlung von Impetigo herpetiformis als wirksam erwiesen haben.Falls diese Therapie nicht ausreichend sein sollte können zusätzlich oder alternativ Kortikosteroide eingesetzt werden. Insgesamt sind Cephalosporine während der Schwangerschaft sicher, ältere Cephalosporine werden bevorzugt (Tintinger GR et al. 2013).

Biologika: Anti-TNF-α-Medikamente wie Infliximab und Adalimumab gelten als Medikamente der Schwangerschaftskategorie B. Ihre Anwendung während der Schwangerschaft ist von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) nicht zugelassen (Chambers CD et al. 2012). Auch in der Leitlinie der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie, wird der Einsatz von Adalimumab oder Infliximab während der Schwangerschaft nicht befürwortet (Namazi N et al. 2018).

Von einem zufriedenstellenden Ergebnis durch Ustekinumab im Falle einer "schweren pustulösen Psoriasis" während der Schwangerschaft wurde bereichtet (Andrulonis R et al. 2012). Weitere positive kasuitische Mitteilungen existieren von dem humanisierten monoklonalen IL-17A-Antikörper Secukinumab sowie von Brodalumab (IL-17RA -Antikörper) (Chhabra G et al. 2019; Nakai Y et al. 2022).

Phototherapie: UVB gilt während der Schwangerschaft als sichere Option wird empfohlen, wenn auf Kortikosteroide kein ausreichendes Ansprechen eintritt. PUVA ist ebenfalls relativ sicher (seine Verabreichung hat zu keinem Anstieg des Risikos angeborener Fehlbildungen oder der Säuglingssterblichkeit geführt), kann jedoch zu einem niedrigen Geburtsgewicht bei Säuglingen führen.

Retinoide: Obwohl alle systemischen Retinoide aufgrund ihrer teratogenen Wirkung während der Schwangerschaft kontraindiziert sind, werden sie zur Behandlung der Impetigo herpetiformis nach der Entbindung eingesetzt (Einwilligung der Mutter zur geeigneten Empfängnisverhütung notwendig) (Bukhari A 2004).

Methotrexat: Während die Verabreichung von Methotrexat während der Schwangerschaft nicht erlaubt ist, wurde es erfolgreich zur Behandlung von Impetigo herpetiformis im Wochenbett eingesetzt.

Verlauf/Prognose

Sowohl Mutter als auch Kind sind gefährdet; intensivmedizinische Überwachung der Schwangerschaft. Als Folge der schweren Erkrankung der Mutter sind Fehl- und Frühgeburten, auch Totgeburten möglich. Bei den meisten Patientinnen kommt nach der Geburt zu einer raschen Rückbildung der Krankheit; bei nachfolgenden Schwangerschaften sind Rezidive möglich.

Hinweis(e)

Die meisten Pat. mit Impetigo herpetiformis haben keine eigene oder familiäre Anamnese für eine Psoriasis.

Fallbericht(e)

Eine 29-jährigen Frau erkrankte nach 45 Tagen Schwangerschaft mit plötzlich auftretendem Fieber und einem ausgedehnten pustulösen Exanthem. Vor dem Ausbruch der Krankheit hatte sie Medikamente, darunter Hydroxychloroquin, eingenommen. Die Eruptionen und die systemischen Symptome wurden mit hochdosierten systemischen Steroiden behandelt. Bei der Untersuchung wurde jedoch festgestellt, dass der Fetus abgestorben war. Es wurde eine Dilatation und Kürettage der Gebärmutter vorgenommen. Bei der letzten Nachuntersuchung etwa 2 Jahre danach berichtete sie, dass sie bei komplikationsloser Schwangerschaft etwa 1 Monat zuvor ein gesundes Baby zur Welt gebracht hatte(Liu J et al. 2022).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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