Synonym(e)
Erstbeschreiber
MIRM wurde 2015 in einer systematischen Übersicht (202-Fälle) von Canavan et al. als Krankheitsbegriff eingeführt (Canavan TN et al. 2015). In dieser Übersicht wurden die besonderen Merkmale von MIRM beschrieben mit ausgeprägter Mukositis und vergleichsweise geringerer Hautbeteiligung als bei anderen mit M. pneumoniae assoziierten mukokutanen Syndromen wie Urtikaria, Erythema nodosum, Erythema multiforme, SJS, TEN und DRESS gekennzeichnet (Bastuji-Garin S et al. 1993).
Definition
Die „Mycoplasma-induced rash and mucositis“ ist eine entzündliche mukokutane Eruption, die mit Infektionen durch Mycoplasma pneumoniae assoziiert ist. Ursprünglich wurde MIRM als reaktiv-entzündliche (parainfektiöse) Entität beschrieben, das sich vom Erythema multiforme (EM) und dem Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) unterscheidet, da überwiegend die Schleimhäute betroffen sind und der Verlauf als prognostisch günstig angesehen wird. Inzwischen wurden weitere Erreger nachgewiesen, die diese Entzündungssymptomatik hervorrufen. Damit rückt dieses Krankheitsbild in die Nähe von RIME, der reaktiven infektiösen mukokutanen Eruption.
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Erreger
Mycoplasma pneumoniae der als Auslöser von MIRM definiert wurde (und Diagnose-definierend ist), ist ein weit verbreiteter Erreger der Atemwege, der für etwa 10 % aller Fälle ambulant erworbener Pneumonien verantwortlich ist, wobei die Rate bei Kindern in bestimmten Studien und geografischen Gebieten bis zu 37 % beträgt (Marchello C et al. 2016). Abgesehen von Atemwegserkrankungen verursacht M. pneumoniae extrapulmonale Syndrome, von denen etwa 25 % der Patienten betroffen sind. Zu diesen Syndromen gehören die Kälteagglutinin-hämolytische Anämie, Arthritis, Perikarditis, Thrombose und entzündliche mukokutane Manifestationen. Letztere umfassen namentlich eine "pluriorifizielle Ektodermose, die Urtikaria, das Erythema multiforme, das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), die toxische epidermaler Nekrolyse (TEN) und Arzneimittelreaktionen mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS).
Vorkommen/Epidemiologie
Die genaue Inzidenz von MIRM ist nicht bekannt.
M. pneumoniae ist ein weit verbreiteter Erreger der Atemwege, der für etwa 10 % aller Fälle ambulant erworbener Lungenentzündung verantwortlich ist. Dieses Bakterium kann bei etwa 25 % der Patienten zu extrapulmonalen Syndromen führen, zu denen Kälteagglutinin-hämolytische Anämie, Arthritis, Perikarditis, Thrombose und mukokutane Manifestationen gehören (Poddighe D 2018). Das Kennzeichen von MIRM ist die Beteiligung der Schleimhaut, die sich typischerweise im Urogenitalbereich und im Mundbereich mit Ulzerationen, Bläschen, Blasen und konjunktivalen Augenbeteiligung manifestiert, die in schweren Fällen zu Bindehautgeschwüren und Pseudomembranbildung führen kann (Gandelman JS et al. 2020).
Sowohl M. pneumoniae als auch MIRM treten hauptsächlich in den Wintermonaten auf (Lofgren D et al. 2021). MIRM tritt v.a. bei Kindern und jungen Jugendlichen mit einem Durchschnittsalter von 12 -16 Jahren. MIRM wurde inzwischen auch bei jungen Erwachsenen beobachtet (Alcántara-Reifs CM et al. 2017). Wichtig ist, dass es bisher keine eindeutige Definition gibt, die dieses Syndrom von anderen mukokutanen Syndrome unterscheidet, was zu seiner Fehlklassifizierung führt.
Ätiopathogenese
M.-pneumoniae-Infektionen können sowohl zu pulmonalen als auch zu extrapulmonalen Symptomatik führen (Narita M 2016). Zu den extrapulmonalen Symptomen gehören Vaskulitiden, neurologische und immunologische Komplikationen, thrombotische Ereignisse und mukokutane Manifestationen. Mukokutane Manifestationen treten bei etwa 25 % der Patienten mit M.-pneumoniae-Infektionen auf (Meyer Sauteur PM et al. 2020).
Die Bzeichnung MIRM wurde 2015 in einer systematischen Übersicht (202-Fälle) von Canavan et al. eingeführt (Canavan TN et al. 2015). Diese Übersicht beschreibt die besonderen Merkmale von MIRM mit ausgeprägter Mukositis und vergleichsweise geringer Hautbeteiligung. Andere mit M. pneumoniae assoziierte Hautveränderungen werden als Urtikaria, Erythema nodosum, Erythema multiforme, SJS, TEN und DRESS gekennzeichnet (Bastuji-Garin S et al. 1993).
Pathophysiologie
Die genaue Pathogenese von MIRM ist noch nicht geklärt. Denkbar ist eine infektbedingte überschießende Immunaktivierung, die zur Produktion polyklonaler B-Zellen und Antikörper führt. Weiterhin denkbar ist eine molekulare Mimikry zwischen Mycoplasma P1-Adhäsionsmolekülen und den Keratinozyten des Wirts, die über Antikörperbildung bzw. zytotoxische T-Zellen zu den bekannten Läsionen führen könnte (Mazori DR et al. 2020).
Klinisches Bild
Meist Dominanz von Enanthemen, Blasenbildungen, Erosionen und Verkutungen, wobei v.a. die Mundschleimhaut (94 %), die Augenregion (82 %) und der Urogenitalbereich (63 %) betroffen sind. Seltener ist der Befall von Introitus nasi und Anus. Schleimhautläsionen werden i.A. als ulzerativ oder hämorrhagisch charakterisiert und können Beschwerden verursachen. Eine Beteiligung der Nase kann sich in Form von festen hämorrhagischen Krusten äußern. Anale Läsionen können zu Schmerzen beim Stuhlgang führen.
Nicht-muköse, meist disseminierte Hautausschläge werden bei rund 50% der MIRM-Fälle beobachtet. Sie treten treten häufig akral (46 %), seltener am Rumpf (23 %) auf. Das Exanthem wird in 77 % der Fälle als vesikulobullös beschrieben. In rund 48 % der Fälle werden targetoide Läsionen beschrieben. Seltener sind die Exantheme papulös, (14 %), makulös (12 %) oder kleinfleckig morbilliform (9 %) bzw. urtikariell (Canavan TN et al. 2015).
Labor
Die Diagnose von MIRM umfasst das Vorhandensein oder das kürzliche Auftreten von Infekten der Lungen, bis hin zu Pneumonien, was durch eine klinische Untersuchung und/oder eine Röntgenuntersuchung des Brustkorbs bestätigt werden kann. Labormäßig sollten erhöhte M-Pneumoniae-IgM-Antikörper, den Nachweis von M-Pneumoniae aus Oropharynx- oder Polymerasekettenreaktion (PCR), oder die Gewinnung von Serum-Kälteagglutininen umfassen (Lofgren D et al. 2021).
Histologie
Histopathologisch weisen das Erythema multiforme, das SJS und MIRM analoge sich überschneidende histopathologische Merkmale auf, darunter apoptotische Keratinozyten und spärliche perivaskuläre dermale Infiltrate. Rzany et al. untersuchten Proben von Erythema multiforme, SJS und TEN und stellten keine signifikanten, konsistenten histologischen Unterschiede fest. Wetter und Camilleri stellten jbei einigen untersuchten Proben histopathologische Merkmale bei arzneimittelinduziertem SJS fest, die bei MIRM oder immunisierungsinduziertem SJS nicht vorhanden waren (Rzany B et al. 1996; Wetter DA et al. 2010).
Diagnose
Gründliche und detaillierte Anamnese. Bei MIRM treten bei fast allen Patienten etwa eine Woche vor dem mukokutanen Sndromen, Prodromalsymptome wie Fieber, Husten und Unwohlsein auf. Patienten mit SJS/TEN in haben in der Regel eine distinkte Medikamentenanamnese (z.B. Antibiotika, nichtsteroidale Antirheumatika, Allopurinol, Antiepileptika und Nevirapin) (Chatproedprai S et al. 2018).
Differentialdiagnose
Zu den häufigen Differentialdiagnosen bei MIRM gehören andere Erkrankungen, die ähnliche Hautbefunde und/oder Schleimhautmanifestationen verursachen können:
- RIME (analoges polyätiologisches, rezdivierendes Krankheitsbild)
- Erythema multiforme major
- SJS/TEN
- DRESS
- Staphylococcal Scalded Skin Syndrome
- Hand-Fuß-Mund-Krankheit
- Kawasaki-Syndrom
- Herpetische Gingivostomatitis
- Bullöser systemischer Lupus erythematodes
- Stomatitis plasmacellularis
- SARS-CoV-2-Infektion
- Morbus Behçet
Komplikation(en)
Obwohl 81 % der Patienten mit MIRM vollständig genesen, können Langzeitfolgen auftreten, die hauptsächlich die Schleimhäute betreffen. Bei 8,9 % der Patienten mit MIRM treten Augenschleimhautschäden auf, die zu Bindehautschrumpfung, Hornhautgeschwüren, konjunktivale Synechien, und Wimpernverlust führen können. Postinflammatorische Pigmentveränderungen traten bei 5,6 % der Patienten auf, während orale und genitale Schleimhautverwachsungen bei 0,8 % bzw. 0,8 % der Patienten beobachtet wurden.
Therapie
In der Akutversorgung kann es für Ärzte schwierig sein, MIRM von anderen mukokutanen Eruptionen zu unterscheiden. Patienten mit MIRM benötigen unterstützende Pflege, einschließlich Schmerzbehandlung bei Hautläsionen und oralen Ulzerationen, Pflege der Schleimhäute und Korrektur von Flüssigkeitsmängeln, die durch eine verminderte orale Aufnahme entstehen. Schwere Fälle von MIRM mit ausgedehnter Hautablösung können eine frühzeitige Überweisung in ein Verbrennungszentrum erforderlich machen.
Obwohl es keine spezifischen Behandlungsrichtlinien für MIRM gibt, weisen Patienten, bei denen diese Erkrankung diagnostiziert wurde, häufig Anzeichen einer atypischen Lungenentzündung auf und können daher von einer Antibiotikabehandlung profitieren. Übliche orale Antibiotikaoptionen für atypische Lungenentzündung, wie Makrolide, Tetracycline und Fluorchinolone, werden in der Regel empfohlen, wobei Makrolide die bevorzugte Wahl sind (Bradley JS et al. 2011).
Die empirische Verabreichung von Kortikosteroiden und anderen Immunsuppressiva ist dokumentiert, v.a. bei Patienten mit schwerer MIRM. Intravenöses Immunglobulin (IVIG) wurde auch bei Fällen von MIRM mit schwerer Mukositis eingesetzt. In einer Studie von Canavan et al. erhielten 35 % der Patienten systemische Kortikosteroide und 8 % intravenöses Immunglobulin (IVIG).
Verlauf/Prognose
Insgesamt ist die Prognose von MIRM im Allgemeinen günstig. Nur wenige Patienten bedürfen einer intensivmedizinischen Betreuung, 81 % der Patienten erholten sich vollständig. Die Rezidivrate von MIRM liegt bei 8 % (Jelić D et al. 2016). Im Gegensatz dazu benötigen Patienten mit SJS/TEN häufiger eine intensivmedizinische Behandlung und weisen höhere Sterblichkeitsraten auf (Jelić D et al. 2016).
Hinweis(e)
Bis 2015 führte das Fehlen einer eindeutigen Definition für MIRM zu uneinheitlichen Namenskonventionen in Publikationen, in denen Fälle von M.-pneumoniae-Infektionen beschrieben wurden. Beispiele hierfür sind M.-pneumoniae-assoziiertes SJS, Fuchs-Syndrom und Pluriorifizielle Ektodermose (Fiessinger-Rendu) (Tay YK et al. 1996; Šternberský J 2014).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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