Mucormykosen B46.5

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Infektion durch Mucoraceen; Mucor-Mykose; Mukormycosis; Zygomycosis; Zygomykose

Erstbeschreiber

Paltauf, 1885

Definition

Opportunistische Systemmykose (s.u. Mykose) durch Erreger der Pilzgattung Mucor (Mucorales). Mucormyceten (Mucorales) sind ubiquitär verbreitete, recht primitive Fadenpilze die nur schwach pathogen sind. 

Als typische opportunistische Krankheitserreger können sie nur bei entsprechender Disposition des Wirtsorganismus eine Infektion erzeugen. Bei Patienten mit Immusuppression oder Stoffwechselkrankheiten (z.B. Diabetes mellitus mit Ketoazidose) und bei Eisenüberladung können die Pilze über die Schleimhäute eindringen und sich im Gewebe vermehren. 

Bei Einbruch ins Gefäßsystem wachsen diese Pilze intravasal weiter und entwickeln dort "Pseudothromben". Gelegentlich differenzieren sich einzelne Hyphen geschlechtlich und die "männlichen" bzw.weiblichen Zellen verschmelzen zu einer Zygospore.     

Erreger

Schimmelpilze; für (immundefiziente) Menschen pathogen sind vor allem:

  • Absidia corymbifera
  • Absidia ramosa
  • Mucor hiemalis
  • Mucor pusillus
  • Mucor plumbeus
  • Mucor racemosus
  • Rhizopus stolonifer (Rhizopus nigricans)
  • Rhizopus oryzea (Rhizopus arrhizus)
  • Rhizopus microsporus (Rhizopus cohnii). 

 

Einteilung

Manifestationsformen:

  • Rhino-orbito-zerebral: häufigste Form bei prädisponierten Patienten, v.a. bei Patienten mit Diabetes mellitus. Mögliche Symptome: Sinusitis mit blutigem Nasensekret, periorbitalen Schwellungen, Fieber, Rötung, Gesichts- und Kopfschmerzen, Endopthalmitis;  bei Ausfällen von Hirnnerven: evtl. Ptose, Mydriasis, Visusverlust.
  • Lunge: rasch fortschrietende, therapieresistente Pneumonie, Fieber, Dyspnoe, Husten, Hämoptyse.
  • Haut: Traumatische  Übertragung von Schimmelpilzsporen in die Haut.
  • Gastrointestinal: Infektion durch Ingestion. Beginn der Symptomatik mit abdomineller Schmerzsymptomatik, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Gefahr der Darmperforation und konsekutiver Peritonitis.
  • ZNS (disseminierte Form): ZNS-Befall meist im Rahmen einer hämotogenen Generalisierung der Mucormykose. Seltener ist die Ausbreitung per continuitatem (ausgehend von rhino-orbitalem Befall), Krampfanfälle, neurologische Ausfälle, Bewusstseinsverlust. Die Letalitätsquote bei ZNS-Befall ist hoch.      

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 1-10/100.000 Einwohner/Jahr; bei Patienten mit Risikofaktoren muss mit steigender Inzidenz gerechnet werden.

Ätiopathogenese

Inhalation der Pilze mit der Atemluft, über den Intestinaltrakt, seltener über traumatische Inokulation in die Haut oder über Wundkontamination. 

Manifestation

Im Allgemeinen Auftreten nur bei prädisponierten Patienten. Z.B. Pat. mit Diabetes mellitus, bei Verbrennungen, Immunsuppression (s.a. Organtransplantationen, Hautveränderungen; bei Chemotherapie von Leukämiepatienten), Malignomen, Urämie, Candidose und Aspergillose, HIV-Infektion.

Lokalisation

Vor allem kraniofazial, Gehirn, Lunge, Bauch- und Beckenbereich, Haut. 

Klinisches Bild

Klinisch stumme oder manifeste Sinusitis. Thrombosen, Embolien durch die Fähigkeit der Pilze, Gefäßwände zu durchwandern sowie infarktoide Pneumonie, Lungenkavernen, Meningoenzephalitis, retroorbitale Prozesse, Orbitalphlegmone, Abszessbildungen in allen Organen und im Bereich der Haut. Meist schmerzhafte, papulöse oder knotige bis handtellergroße Vegetationen mit intakter oder ulzerierter Oberfläche.

Histologie

Intradermale Granulome mit Mikroabszessen. Myzelien sind teils frei, teils von mehrkernigen Riesenzellen phagozytiert. In nekrotischem Gewebe imponieren dünnwandige, in der Regel unseptierte, breite Hyphen, die an das Bild eines hohlen Baumstammes erinnern.

Diagnose

Bildgebende Diagnostik (Lungenbefall, rhino-orbitaler Befall)

CT-gesteuerte perkutane Lungenbiopsie. Haut: Direktbiopsie einer Läsion. 

Histologischer Nachweis: PAS- oder Grocott-Färbung.

PCR-Diagnostik aus Biopsie-Material

Kultur (Sabourand-Glukose-Agar) aus Biopsiematerial

eine Differenzierung von Isolaten mittels MALDI-TOF kann versucht werden. 

Differentialdiagnose

 AspergilloseNocardioseAnthrax der HautAktinomykose der Haut; Coccidioidomycose (s.a. Mykosen der Haut), Infektionen durch Entomophthorales

Therapie

Behandlung der Grunderkrankung.

Externe Therapie

Haut: Ggf. chirurgische Sanierung, lokale Imidazolderivate wie Bifonazol (z.B. Mycospor Creme) oder Ketoconazol (z.B. Nizoral Creme).

Interne Therapie

  • Frühzeitiger Einsatz von Amphotericin B (z.B. Amphotericin B Trockensubstanz) langsam über 8-10 Std. i.v. Initial: 0,1 mg/kg KG/Tag, Steigerung auf 0,8-1 mg/kg KG/Tag. Therapie bis zur Abheilung und 2-3 Wochen über die Krankheitsaktivität hinaus.
  • Alternativ: Liposomales Amphotericin B (z.B. AmBisome) initial 1 mg/kg KG i.v.; bei Bedarf schrittweise Steigerung auf 3 mg/kg KG. Evtl. Kombination mit Flucytosin i.v. (z.B. Ancotil) 150-200 mg/kg KG/Tag. Therapieerfolge mit Fluconazol (400 mg/Tag i.v.) sind beschrieben.
  • Alternativ: Posaconazol: 2mal/Tag 400 mg p.o. (Tagesdosis 800 mg) oder 4 mal/Tag 200 mg p.o.

Verlauf/Prognose

Ungünstig, bes. bei rhinozerebraler und pulmonaler Form hohe und rasche Letalität (> 50%). Bei zerebraler und disseminierter Form Letalität > 90%. 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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