Eine ursächliche, medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa steht bisher nicht zur Verfügung. Die Proktokolektomie ist eine kurative Therapieoption, die jedoch mit erheblicher Defektbildungen und häufig funktionellen Einschränkungen einhergeht. Alle medikamentösen Therapien zielen alle auf eine Modifikation der immunologischen Antwort ab. Die Therapieentscheidung hängt ab von der Aktivität der Erkrankung, der Lokalisation, dem Verlauf, der bisherigen Therapiemoalitäten und von eventuellen Komplikationen bzw. von extraintestinalen Manifestationen.
Proktitis ulcerosa: Die Standardtherapie einer Proktitis besteht aus einer topischen Therapie mit 5-ASA-Suppositorien (1 g/d). Mesalazinschäume oder -einläufe werden als äquivalent angesehen (empfohlene Tagesdosis ≥ 2 g/d; Therapie am besten nachts durchführen). Sie werden jedoch im Vergleich zu Suppositorien oft schlechter von den Patienten toleriert. Im Fall einer fehlenden Besserung soll die topische 5-ASA-Therapie kombiniert werden mit einer oralen 5-ASA-Therapie (Dosis ≥ 3 g/d) oder einem topischen Koritkosteroid (z. Budesonid 2 mg/d, Hydrocortisonacetat 100 mg/d, oder Beclometason 3 mg/d). Eine orale 5-ASA-Monotherapie sollte primär nicht erfolgen, da sie der topischen Therapie unterlegen ist. Tolerieren Patienten eine topische Therapie nicht, kann eine orale 5-ASA-Therapie mit ≥ 3 g/d versucht werden.
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Therapierefraktäre Verlauf der Proktitis ulcerosa: Erweiterung der Therapie gemäß Empfehlungen bei Linksseitenkolitis (Cave: Overtreatment). Eine Proktokolektomie wird nur selten und in Ausnahmefällen erforderlich sein. Sie stellt vom funktionellen Ergebnis meistens eine Verschlechterung der Lebensqualität dar, zumal eine alleinige Proktitis das Risiko für Kolonkarzinome nicht zu erhöhen scheint.
Linksseitenkolitis: Bei unkompliziertem Verlauf Initialtherapie mit topischen Mesalazinschäumen oder -einläufen in einer Dosis von 2–4 g/d - (Therapie am besten nachts durchführen). Die kombinierte 5-ASA-Therapie wird zunehmend als Standardtherapie einer Linksseitenkolitis eingesetzt: orale Gabe (empfohlene Mindestdosis > 3 g/d) und Einläufe (empfohlene Dosis mind. 1 g/d). Das Ansprechen auf die Therapie mit Sistieren der Hämatochezie sollte sich binnen 14 Tage einstellen. Bleibt dieser Effekt aus, sollte eine systemische Steroidtherapie eingeleitet werden. Es kommen unterschiedliche Schemata zur Anwendung, die minimale Startdosis sollte bei ≥ 40 mg Prednisolon-Äquivalent (typischerweise 1 mg/kg Körpergewicht) liegen. Die Therapiedauer sollte aufgrund einer erhöhtenRückfallrate 4 Wochen mit Ausschleichschema nicht unterschreiten. Bemerkung: Tagesdosen ≤ 15 mg Prednisolon-Äquivalent geltenals ineffektiv bei aktiver Colitis ulcerosa. Bemerkung: Es ist von enormer Wichtigkeit, das klinische Ansprechen an Tag 7–10 zu beurteilen, da bei korrekter Einnahme und fehlendem Ansprechen ein steroidrefraktärer Verlauf vorliegt, der eine rasche Umstellung derTherapie erfordert.
- Alternativ: alternativ zur systemischen Steroidtherapie bei Versagen einer 5-ASA-Therapie kann die Gabe von Budesonid 9 mg als Multi-Matrix-System (Budesonid-MMX) sein. Dabei kommt es durch die spezielle Galenik zu einer kontinuierlichen Freisetzung von Budesonid im gesamten Kolon. Bei einer Tagesdosis von 9 mg Budesonid-MMX erreichen ca. 30 % der Patienten nach 8-wöchigerTherapie eine klinische Remission, vergleichbar mit Patienten, die 5-ASA erhalten.
Ausgedehnte Kolitis: Eine ausgedehnte Kolitis mit milder bis moderater Krankheitsaktivität soll analog der Linksseitenkolitis mittels kombinierter 5-ASA-Gabe behandelt werden. Dabei gelten die gleichen Empfehlungen hinsichtlich Dosis und Anwendungshäufigkeit.
- Alternativ: Versagt diese Therapie oder ist ein rascher Therapieerfolg erforderlich, besteht die Indikation zur Therapie mit systemischen Steroiden analog der Linksseitenkolitis.
Schwere Colitis ulcerosa Patienten mit einer schweren Kolitis in der Definition nach Truleove und Witts sind in der Regel akut gefährdet und bedürfen meistens der stationären Aufnahme sowie einer sofortigen Therapie: allg. Konsens ist eine intravenöse Steroidtherapie mit 1 mg/kg KG Prednisolon als i. v.-Bolus 1 ×/d. Höhere Steroiddosen sind nicht wirksamer, geringere Dosen hingegen weniger effektiv. Der Therapieerfolg soll an Tag 3 beurteilt und die Therapiedauer auf 7–10 d limitiert werden. Nachweislich verspricht eine längereTherapie im Fall eines fehlenden Ansprechens (25-34% der Patienten) keinenVorteil.
- Alternative bei Therapieresistenz: alternative immunsuppressive Therapie bzw. notfallmäßige Operation. Bemerkung: zusätzlich ist ein multimodales Therapiekonzept notwendig. Frühzeitige konsiliarische Einbindung des Chirurgen! Sollte es zu keinem Ansprechen an Tag 3 einer intravenösen Steroidtherapie kommen, sollen frühzeitig Therapiealternativen in Form von Kolektomie oder einer medikamentösen Zweitlinientherapie (Ciclosporin, Tacrolimus, TNF-α-Antikörper) mit dem Patienten besprochen werden.
- Alternativ bei steroidrefraktärem, nicht schwerem Schub der Colitis ulcerosa: Ambulante Patienten mit einer moderat aktiven (Kriterien nach Trulove & Witts nicht erfüllt), jedoch steroidrefraktären Colitis ulcerosa sollten zur Remissionsinduktion behandelt werden mit einem Anti-TNF-α-Inhibitor, Vedolizumab oder Tofacitinib. Eine Kombinationstherapie aus Infliximab und Azathioprin scheint in der Remissionsinduktion einer jeweiligen Monotherapie mit diesen Arzneimitteln überlegen zu sein.
- Alternativ bei steroidrefraktärem, schwerem Schub einer Colitis ulcerosa: Die schwere, ausgedehnte Colitis ulcerosa ist eine potenziell lebensbedrohliche Situation (stationäre Aufnahme notwendig). Kommt es auch an Tag 7–10 zu keinem Ansprechen auf die intravenöse Steroidtherapie, muss im interdisziplinären Austausch mit den viszeralchirurgischen Kollegen das weitere Vorgehen abgestimmt werden (Proktokolektomie vs. medikamentöse Therapie). Als Zweitlinientherapie werden durch die nationalen und europäischen Leitlinien empfohlen: Ciclosporin A, Tacrolimus oder Infliximab.
Colitis ulcerosa mit steroidabhängigem Verlauf: Kortikosteroide dürfen wegen erheblicher Langzeitnebenwirkungen nicht zum Remissionserhalt eingesetzt werden. Thiopurine, TNF-α-Antikörper, Vedolizumab und Tofacitinib sind wirksame Alternativen. Bei Schubaktivität unter einer Azathioprintherapie (2–2,5 mg/kg Tagesdosis über mindestens 12 Wochen) werden TNF-α-Antikörper oder Vedolizumab eingesetzt; alternativ:Tofacitinib.
Remissionserhalt bei Colitis ulcerosa: die meisten Patienten erleiden ein Rezidiv innerhalb von 12 Monaten. Insofern wird für alle Patienten eine remissionserhaltende Therapie empfohlen (aktuelle ECCO-Leitlinie) mit dem Ziel einer steroidfreien Remission.
- Remissionserhalt einer Proktitis: 5-ASA-Suppositorien (empfohlene Tagesdeosis 1 g, effektive Minimaldosis 3 g/Woche) eingesetzt werden.
- Remissionserhalt einer Linksseitenkolitis: 5-ASA-Einläufe (empfohlene Tagesdosis mindestens 1g) erfolgen, entweder als Monotherapie oder in Kombination mit oralem 5-ASA . Bei mangelnder Adhärenz ist auch eine orale Erhaltungstherapie mit 5-ASA in einer Dosierung von > 1,5 g/d möglich.
- Remissionserhalt bei einer ausgedehnte Kolitis auch nach systemischer Kortikosteroid-Therapie: Mittel der ersten Wahl ist orales 5-ASA in einer Mindestdosis von 1,5 g/d . Kommt es unter diesem Therapieregime zu einem erneuten Schub erfolgt Dosiserhöhung und eine Kombinationstherapie (topisch und oral). Die Dauer der 5-ASA-Therapie, unabhängig von der Applikationsart, sollte mindestens 2 Jahre betragen.
- Alternativ: Remissionserhalt mittels kontinuierlicher Therapie mit Mesalazin.
- Remissionserhalt bei einer ausgedehnte Kolitis mit Thiopurinen: Wird im Rahmen einer schweren, steroidrefraktären Kolitis eine Remission mit Tacrolimus oder Ciclosporin erreicht, können ebenfalls Thiopurine zum Remissions- erhalt eingesetzt werden. Die Therapie sollte mindestens für 2 Jahre erfolgen.
- Remissionserhalt mit Anti-TNF-α-Inhibitoren: In allen Zulassungsstudien zu Infliximab, Adalimumab, Golimumab, Vedolizumab und Tofacitinib wurden sowohl Ansprechen bzw. Remission auf die Induktionstherapie als auch der Remissionserhalt nach ca. 1 Jahr überprüft. Hierbei erwiesen sich alle Biologika und Tofacitinib gegenüber Placebo statistisch signifikant überlegen im Remissionserhalt. Vereinfacht sollte jede Biologika-Therapie, die zu einem Ansprechen bzw. einer Remission geführt hat, auch zum Remissionserhalt fortgeführt werden. Therapiedauer: Aktuelle Empfehlungen lauten für Anti-TNF-α-Inhibitoren mindestens zwei Jahre. Tofacitinib ist erst seit Ende 2018 zugelassen. Die klinischen Erfahrungen sind noch begrenzt.
Operative Therapie: Die Standardoperation bei therapierefraktärer oder komplikativer Colitis ulcerosa ist die laparoskopische Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch. Die Operation sollte als zwei- oder dreizeitige Operation erfolgen. Ca. 15–35 % der Patienten mit Colitis ulcerosa werden sich im Laufe ihres Lebens einer Proktokolektomie unterziehen müssen. Insbesondere bei jungen Patienten wird man jedoch aufgrund der längeren Lebenserwartung und der damit verbundenen höheren Wahrscheinlichkeit für spätere hochgradige Dysplasien zur Operation raten.
Im Wesentlichen ergeben sich drei Indikationen zur Proktokolektomie:
- Therapierefraktäre Colitis
- Nachweis von (hochgradigen) Dysplasien bzw. einem kolitisassoziierten Kolonkarzinom
- Notfallindikation (toxisches Kolon, refraktäre Kolonblutung, kolitisbedingte freie Kolonperforation).
Stenosen bei gesicherter Colitis ulcerosa sind oftmals durch ein stenosierendes Karzinom bedingt, sodass ebenfalls proktokolektomiert werden sollte. Erfolgt die Proktokolektomie aufgrund von Dysplasien oder Malignom, ist nachfolgend eine jährliche endoskopische Kontrolle des Pouches angeraten.
Operation als Notfallindikation: Notfallmäßige Proktokolektomien gehen weiterhin einher mit einer hohen Morbidität (27–51 %) und Mortalität (5–8 %). Die therapierefraktäre Blutung ist eine Notfallindikation zur Operation: vital bedrohliche Kolonblutung mit Notwendigkeit der Transfusion von > 4 Erythrotzytenkonzentraten in 24 h. Die schwerste Form der akuten, schweren Kolitis ist das toxische Megakolon. Es kann einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen. Diese Situation ist definiert über ein septisches Krankheitsbild mit Dilatation des Colon transversum auf > 5,5 cm. Im Rahmen einer schweren entzündlichen Aktivität kann es zur freien Kolonperforation kommen. Diese wird mittels notfallmäßiger Kolektomie unter Belassung des Rektums versorgt.