Allergiesyndrom, oralesT78.4

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor:Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Kontakturtikaria-Syndrom; OAS; orales Allergiesyndrom; orales Allergie-Syndrom

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Definition

Allergische, IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie, bei der es bereits wenige Minuten nach dem Verzehr roher Gemüse- oder Obstsorten zu einer mukosale Kontakturtikaria kommt. Ursächlich liegt eine Typ I-Allergie auf verschiedene Nahrungsmittel vor. Die häufigsten OAS-auslösenden Nahrungsmittel sind:  Äpfel, rohe Gemüse, Karotten, Sellerie, Mandeln, Nüsse, Kiwi, Kürbiskerne, Hühnereiweiß, Zitrusfrüchte, Zimt et al., die auch bei Kontakt mit der intakten Dermis lokalisierte bis generalisierte urtikarielle Reaktionen auslösen. Das OAS ist die häufigste Nahrungsmittelallergie. 

Vorkommen/Epidemiologie

In der Allgemeinbevölkerung sind bis zu 10% betroffen.

Ätiopathogenese

Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergene, die häufiger ein orales Allergiesyndrom auslösen (mod. n. Schwarz 2016)

Auslösende Früchte/Gemüse Birke/Erle/Hasel Gräser Beifuss
Baumnüsse, Haselnuss, Walnuss, Paranuss, Mandel  +++ - +
Pflaume, Pfirsich, Kirsche, Aprikose +++ + -
Karotte ++ - ++
Tomate ++ + +
Soja +++ + -
Sellerie ++ + +++
Gewürze: Anis, Dill, Petersilie, Pfeffer, Paprika, Kümmel  + - +++
       

 

Ätiopathogenese

Ursächlich handelt es sich um eine sekundäre Nahrungsmittelallergie im Rahmen einer Kreuzallergie mit Pollenallergenen (z.B. Bet v 1 homologe Allergene, Profiline). Nach Penetration der Allergens in die Haut bzw. Schleimhaut kommt es zur IgE-vermittelten Degranulation von dermalen bzw. mukosalen Mastzellen und zur Ausschüttung von Mediatoren, d.h. entzündungsfördernden Stoffen wie Histamin.

Manifestation

Am häufigsten bei Sensibilisierungen gegenüber Birken-, Gras-, Beifußpollen (s.u. Pollinose) auftretend (s.u. Kreuzreaktionen). Betroffen sind auch Personen, die durch Beruf oder Hobby reichlichen (intensiven) Hautkontakt zu Nahrungsmitteln haben, z.B. Köche, Fischverkäufer, Bäcker, Gemüsehändler etc.

Lokalisation

Meist sind alle Orte des Kontaktes mit dem entsprechenden Allergen betroffen, dies sind zumeist die Hände, die Unterarme, Mundhöhle, Lippen.

Klinisches Bild

Unmittelbar nach dem Genuss der Nahrungsmittel pelziges Gefühl der Mundhöhle, anschließend Lippen- und Zungenschwellung, Heiserkeit, laryngeales Engegefühl (Larynxödem), Schluckbeschwerden und Atemnot. Seltener gastrointestinale Beschwerden wie Magenkrämpfe, Erbrechen und Übelkeit. Fallweise entwickeln sich Erytheme und Vesikel. In seltenen Fällen treten Anaphylaxiesymptome auf (v.a. bei Genuss von Sellerie und Soja). 

Labor

Gesamt-IgE im Serum normal oder erhöht; spezifisches IgE erhöht.

Diagnose

Sorgfältige Anamnese, Reibe- und ggf. Pricktestung mit dem verdächtigen Allergen. Bestimmung des spezifischen IgE.

Interne Therapie

  • Bei Juckreiz perorale Applikation nicht sedierender H 1 -Antagonisten wie z.B. Desloratadin oder Levocetirizin. Bei erheblicher Symptomatik: Antihistaminika i.v. wie Dimetinden (z.B. Fenistil) 1-2mal/Tag 1 Amp. oder Clemastin (z.B. Tavegil) 2-4 mg, später Umstellung auf orales Anthistaminikum. Glukokortikoide in mittleren Dosierungen wie Prednisolon (z.B. Solu Decortin H) 80-100 mg initial i.v. unter schrittweiser Dosisreduktion je nach Klinik und spätere Umstellung auf ein orales Präparat wie Methylprednisolon (z.B. Urbason) oder Prednisolon.
  • Generalisierte Form mit Schleimhautbeteiligung und Angioödem: Volumensubstitution, Glukokortikoide hoch dosiert i.v. wie Prednisolon (z.B. Solu Decortin H) 250-500 mg/Tag, ggf. auch höher. Nach klinischem Befund ggf. auch wiederholte Gabe. Schrittweise Dosisreduktion nach Klinik 250-150-100-75-50-25 mg/Tag und Umstellung auf orales Präparat wie Methylprednisolon (z.B. Urbason).
    Antihistaminika initial z.B. Dimetinden (z.B. Fenistil) 4 mg i.v. (Umsetzen auf orale Medikation bis 6 mg/Tag, Reduktion nach Klinik) oder Clemastin (z.B. Tavegil) 2-4 mg/Tag.
  • Bei Larynx-Glottisödem: Zusätzlich Adrenalin (Suprarenin 1:1000) 0,3-0,5 ml s.c. auch wiederholte Gabe möglich. In hochakuten Fällen: Nach Verdünnen von 1 ml der handelsüblichen Epinephrin-Lösung (1:1000) auf 10 ml oder unter Verwendung einer Epinephrin-Fertigspritze (1:10 000) werden zunächst 0,5-1,0 ml (= 0,05-0,1 mg Epinephrin) unter Puls- und Blutdruckkontrolle langsam i.v. injiziert (0,1 mg/Min.). Cave! Eine Maximaldosis von 1 mg Adrenalin sollte i.d.R. nicht überschritten werden. Sauerstoffgabe 4-6 l/Min. Ggf. Intubation wenn möglich und nötig; sonst Koniotomie, Ultima ratio: Tracheotomie.
  • Insbesondere bei Atemnot und begleitender obstruktiver Atemwegserkrankung Terbutalinsulfat (z.B. Bricanyl) 0,5-2,0 mg i.v. oder Fenoterol (z.B. Berotec Dosier Aerosol) 1mal 1-2 Hübe.
  • Generalisierte Form mit Angioödem und anaphylaktischem Schock: Stadiengerechte Schocktherapie, s.a. Urtikaria, akute.

Verlauf/Prognose

Günstig. Betroffene können das auslösende Antigen oft benennen und sich bei Rezidiven aufgrund wiederholter Exposition frühzeitig in ärztliche Behandlung begeben.

Prophylaxe

Bei kreuzreagierendem OAS (z.B. bei Birkenpollensensibilisierung) verspricht eine SCIT eine Verbesserung der oralen Allergiesymptomatik. S.a.u. Nahrungsmittelallergie.

Diät/Lebensgewohnheiten

Strenges Meiden der auslösenden Allergene

Hinweis(e)

  • Cave! Toxische Reaktionen, z.B. durch enzymhaltige Nahrungsmittel oder scharfe Gewürze, können falsch positive Reaktionen im Reibetest auslösen. Im Zweifel sind immer auch gesunde Kontrollpersonen zu testen. Viele Allergene verändern sich oder denaturieren durch Erhitzung! Für den Reibetest immer das anamnestisch relevante Allergen verwenden.

  • Ein orales Allergiesyndrom kann aus berufsdermatologischer Sicht relevant für einen Patienten, z.B. einen Koch, sein (s.u. Berufskrankheit der Haut/Fallbericht).

Literatur

  1. Amlot PL, Kemeny DM, Zachary C, Parkes P, Lessof MH (1987) Oral allergy syndrome (OAS): symptoms of IgE-mediated hypersensitivity to foods. Clin Allergy 17: 33
  2. Cadot P et al. (2003) Oral allergy syndrome to chicory associated with birch pollen allergy. Int Arch Allergy Immunol 131: 19-24
  3. De Waard-van der Spek FB et al. (1998) Diagnostic tests in children with atopic dermatitis and food allergy. Allergy 53: 1087-1089
  4. Osterballe M et al. (2003) Diagnostic value of scratch-chamber test, skin prick test, histamine release and specific IgE in birch-allergic patients with oral allergy syndrome to apple. Allergy 58: 950-953
  5. Schwarz I et al. (2016) Schleimhauterkrankungen aus allergologischer Sicht. Hautarzt 67:780-785 
  6. Sloane D, Sheffer A (2001) Oral allergy syndrome. Allergy Asthma Proc 22: 321-325
  7. Wakelin SH (2001) Contact urticaria. Clin Exp Dermatol 26: 132-136

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