Xeroderma pigmentosumQ82.1

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Atrophodermia pigmentosa (Crocker); Lichtschrumpfhaut; Lioderma essentialis congenita (Auspitz); Melanosis lenticularis progressiva; Mondscheinkrankheit; OMIM 278700; OMIM 278720; OMIM 278730; OMIM 278740; OMIM 278750; OMIM 278760; OMIM 278780; OMIM 610651

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Erstbeschreiber

Kaposi, (1863)1882 - Bemerkung: Moriz Kaposi beschrieb 1863 den ersten Patienten mit trockener Haut und Pigmentstörungen. Erst 20 Jahre später wurde der Begriff "Xeroderma pigmentosum" geprägt. 1968 wurde von James Cleaver nachgewiesen, dass die Zellen dieser Patienten einen Defekt in DNA-Reparaturgenen, dem Nukleotid-Exzisions-Reparatursystem (NER) aufweisen.

Definition

Seltene, Genodermatose mit pathologischer Reaktion der Haut auf UV-Strahlen mit vorverlagerter Entwicklung von Altershaut und Ausbildung maligner Hauttumoren infolge von Störungen der DNA-Reparatur in Prozess der Nukleotidexzsionsreparatur (NER). Dieser Reparaturmechanismus behebt große DNA-Schäden, die durch UV-Strahlung hervorgerufen werden.  

Einteilung

Man unterscheidet je nach Defekt des Exzisionsrepairmechanismus 8 Komplementierungsgruppen: Typ A-G (s. Tabelle).

Klinische Manifestationen bei den einzelnen Typen (XP-A - XP-V) des Xeroderma pigmentosum (XP) (variiert nach Herouy et al.)
Typen Dermatologische Symptome Dermatologische Tumoren Neurologische Symptome Okuläre Symptome
XP-A

          +++

          SK

               ++

            ++

XP-B

           +++

         SK/B

                +

           ++

XP-C

              +

          SK/B

                +

            -

XP-D

             ++

          MM

               ++

           +

XP-E

               +

             B

                -

           -

XP-F

              ++

          SK/B

                +

           -

XP-G

              ++

          SK/B

                +

           -

XP-V

                +

             B

                -

           -

KS = Karzinom, spinozelluläres; B = Basalzellkarzinom; MM = malignes Melanom; + = leicht; ++ = mittelstark; +++ = schwer

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweites Auftreten; alle Ethnien; Inzidenz in Europa und Nordamerika ca. 1/250.000 Einwohner/Jahr, in Japan ca. 1/22.000 Einwohner/Jahr. Die Eltern der XP-Patienten sind obligate Träger einer Mutation in einem der XP-Gene.

Ätiopathogenese

Autosomal-rezessiv vererbte Störung des Nukleotid-Exzisionsreparatursystems. Die Mutationen sind auf verschiedene Gene auf unterschiedlichen Chromosomen verteilt. (XP-A: 9q22; XP-B: 2q21, XP-C: 3p25; XP-D: 19q13; XP-E: 11; XP-F: 19q13; XP-G: 13q32; XP-V: 6p12-21).

Es besteht somit eine sog. Heterogonie des Phänotyps, d.h. Mutaionen in versch. Genen (XP-A / XP-G sowie das VXP-V Gen (=REV1-Gen ist an der Transläsionssynthese/TLS von beschädigter DNA beteiligt) Polymerase), die einen identischen Phänotpy auslösen. Die einzelnen Genabschnitte kodieren Reparaturproteine, die an verschiedenen Teilschritten des Nukleotidexzisionsreparatursystems beteiligt sind.

Betroffene Reparatursysteme bei Xeroderma pigmentosum und ihre ursprüngliche Funktion (variiert n. Herouy et al.)
Reparaturproteine Funktion
XP-A, XP-C, XP-E DNS-Schadenserkennung
XP-B, XP-D Helicase, lokale Entspiralisierung der DNS
XP-G, XP-F Einschneiden der DNS
XP-V DNA-Polymerasefunktion

Beim XP-V liegt im Gegensatz zu den anderen Varianten ein Defekt in der DNA-Polymerase vor.

Manifestation

Früheste Kindheit: 6. bis 18. Lebensmonat, bei Typ E erst 6. bis 9. Lebensjahr. Keine Geschlechterbevorzugung, Manifestation maligner Tumore im 2. bis 20. Lebensjahr.

Klinisches Bild

Akutes frühes klinisches Leitsymptom: Hierbei imponiert zunächst ausschließlich die schwere Sonnenempfindlichkeit, die bereits in den ersten Lebenswochen bemerkbar wird. Die XP-C, XP-E XP-V Patienten können jedoch auch ohne Sonnenbrände braun werden. Für alle anderen Typen sind schwere Sonnenbrände mit Blasenbildung auch hinter Glasscheiben bei der ersten Sonnenbelichtung charakteristisch. Bei Aussetzen der Sonnenbestrahlungen erfolgt innerhalb von 4-6 Tagen eine reguläre Abheilung unter Schuppung und Ausbildung hellbrauner bis schwarzer, ephelidenähnlicher oder lentiginöser melanotischer Flecken. Die Sonnenempfindlichkeit verbleibt zeitlebens.

Chronischer Folgezustand (jahrelanger Verlauf): PoikilodermieDyschromien und Malignome. Weierhin: Hautatrophie mit Lidektropionierung und Mikrostomie, Keratosis actinica als kumulative Langzeiteffekte der (normalen) Sonnenlichtexposition. Befall von Augenlidern, Konjunktiven, Kornea und Iris.

Malignome der Haut; Entwicklung von: 

Neurologische Störungen: Bei etwa 20% Beteiligung des Nervensystems (v.a. Typ A, Hyper- und Areflexie). Im weiteren Verlauf entwickeln sich zunehmende Innenohrschwerhörigkeit, Sprach- Gang- und Gleichgewichtsstörungen.

Verschiedenes: Typisch gehäufte Kariesentwicklung, seltener Entwicklung von Leukämien.

Labor

Nachweis des Fehlens einer Endonuklease in Fibroblastenkultur (auch pränatal).

Histologie

Lichtgeschädigte Zellen im Epithel, vermehrte Melanineinlagerung im Stratum basale. Pigmentinkontinenz mit intra- und extrazellulärer Pigmentanreicherung im oberen Korium. Die Langzeitschäden stellen sich entsprechend der jeweiligen klinischen Konstellation dar (Tumorbildungen, lentiginöse Veränderungen).

Das pathologisch anatomische Substrat der neurologischen Störungen ist eine primär neuronale Degeneration mit Verlust von Neuronen.

Diagnose

Verdachtsdiagnose klinisch. Typische Anamnese und Klinik mit extremer Sonnenempfindlichkeit bereits in den ersten Lebenstagen! Das spätere poikilodermatische klinische Bild ist wegweisend.

Humangenetische Untersuchung mit molekulargenetischer Diagnostik.

Differentialdiagnose

  • Zu unterscheiden ist der frühe kleinkindliche Zustand, bei dem die akute Sonnenschädigung ganz im Vordergrund des pathophysiologischen Ablaufes steht. Erst die späteren  
  •  Polymorphe Lichtdermatose: Erstmanifestation deutlich später (zwischen 10. und 30. Lebensjahr). Frauen sind etwa 10mal häufiger betroffen als Männer. Keine Pigmentstörungen nachweisbar, keine erhöhte Karzinogenese.
  •  Lupus erythematodes, systemischer: "Schmetterlingserythem" als  persistierendes, unscharf begrenztes Erythem im Gesicht. Weiterhin treten erythemato-papulo-vesikulöse Herde, pityriasiforme, fest haftende Schuppung oder Atrophie auf. Die Lichtreaktion wird selten als akute "Dermatitis solaris" auftreten sondern erst zeitverzögert nach Tagen. Histologie, Immunhistologie, Serologie sind beweisend.
  •  Urticaria pigmentosa: Hierbei fehlen i.A. die Zeichen der exzessiven Lichtempfindlichkeit. Im Kleinkindesalter eher als "zufälliger Befund" entdeckt. Dariersches Zeichen positiv bei Urticaria pigmentosum. Keine erhöhte Karzinogenese. Histologie ist beweisend.
  •  Peutz-Jeghers-Syndrom (wichtige DD): Keine exzessive Lichtempfindlichkeit. Tpyisch sind periorale und auch periorbitale Lentigines meist in der frühen Kindheit; Darmpolypen in der Adoleszenz. Lentiginose auch der  Mundschleimhaut und der Konjunktiven.
  •  Hidroa vacciniformia: Plötzlich, meist wenige Stunden nach Sonnenexposition auftretende, umschriebene Erytheme mit Ausbildung von bis zu 2,0 cm großen, teilweise genabelten Blasen mit serösem oder hämorrhagischem Inhalt. Charakteristisch sind schüsselförmige, varioliforme, oft depigmentierte Narben. Keine Pigmentstörungen; keine erhöhte Karzinogenese.
  •  Erythropoetische Porphyrie (CEP): Beginn im Säuglingsalter, Juckreiz, Brennen, ödematöse Erytheme, Bläschen, evtl. hämorrhagische Ulzerationen. Ausbildung varioliformer Narben, schwere Mutilationen, Hyper- und Depigmentierungen, narbige Alopezie, Sklerosierungen, Hypertrichose, hämolytische Anämie, Splenomegalie, roter Urin, Labor beweisend: roter Urin, Rotfluoreszenz, Uroporphyrin I stark erhöht.
  •  Goltz-Gorlin-Syndrom: Sehr selten, poikilodermatische Hautveränderungen und Narben und Pigmentanomalien oder Pigmentierungsstörungen. Charakteristisch sind extrakutane Manifestationen: Skelettbeteiligung (90% der Fälle): Syn- und Polydaktylien, Hypo- und Aplasien von Fingern und Zehen.
  • FAMM-Syndrom (Familiäres atypisches multiples Muttermal- und Melanomsyndrom): Uniforme Klinik mit multiplen melanozytären Naevi und malignen Melanomen. Genetischer Nachweis der Genmutation.
  •  Progerie (Werner-Syndrom): Sehr seltenes Vergreisungssyndrom. V.a. 20. bis 30. Lebensjahr auftretend; nicht vor dem 10. Lebensjahr. Postpubertale Wachstumsverzögerung mit frühzeitigem Ergrauen der Haare (20 bis 30 Jahre), regressiven Larynxveränderungen (Heiserkeit) und völliger  Atrophie des subkutanen Fettgewebes im distalen Tibiabereich und im gesamten Fußbereich. Klinisch frühzeitige Vergreisung (Vogelgesicht), Es fehlt die exzessive Lichtempfindlchkeit und das poikilodermatische Bild des XP.
  • Bloom -Syndrom: Extrem seltenes Krankheitsbild. Im 1. Lebensjahr beginnende Symptomatik. Androtropie. Typisch ist ein schmetterlingsförmiges, teleangiektiatisches (an einen  Lupus erythematodes erinnernd) Gesichtserythem. Verstärkung unter Sonneneinwirkung, evtl. Blasenbildung an Lippen und Augenlidern. Häufig Café-au-lait-Flecken. Proportionierter Kleinwuchs mit einer Endgröße von weniger als 150 cm. Gehäuft Infekte. Frühzeitige Entwicklung von Neoplasien, insbesondere lymphatische und myeloische Leukämien, Lymphome, Karzinome der Mundhöhle und des Gastrointestinaltrakts. 

Therapie allgemein

Lebenslange, absolute Vermeidung von UV-Strahlen durch Verlagerung des Tag-Nacht-Rhythmus. Kompletter physikalischer und chemischer Lichtschutz (Kleidung, Lichtschutzpräparate). Hautbefundkontrollen in 3-6-monatigen Abständen. Fachärztliche Überwachung der Patienten. Genetische Beratung!

Externe Therapie

Systematischer Lichtschutz mit Anwendung aller hierzu notwendigen Maßnahmen.

Interne Therapie

Prophylaktische Erfolge werden mit peroraler Gabe von Retinoiden beschrieben: Acitretin (z.B. Neotigason) oder Isotretinoin (z.B. Isotretinoin-ratiopharm; Aknenormin) 0,5-2 mg/kg KG/Tag.

Cave! Aufgrund hoher Dosierung häufig frühzeitig Unverträglichkeiten (siehe KI bzw. NW unter Acitretin bzw. Isotretinoin).

Operative Therapie

Rechtzeitige operative Entfernung bereits entstandener Malignome mittels Exzision, Kürettage, Kryochirurgie.

Verlauf/Prognose

Das Risiko, Hauttumoren zu entwickeln, ist um 1000fach erhöht! Weiterhin naben XB-Patienten ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung interner Neoplasien (ZNS-Tumore; Sarkome, Leukämien, Lungenkarzinome - Bemerkung: Rauchen -Sonne für die Lungen!- führt zu DNA-Schäden (s.u. DNA-Reparatur), die ebenfalls von der NER repariert werden).

Hinweis(e)

Selbsthilfegruppe D (www.xerodermapigmentosum.de)

Literatur

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