Retinoide
Synonym(e)
Definition
Retinoide sind chemische Substanzen, die mit dem Vitamin A verwandt sind. Die Substanzgruppe wird in der Dermatologie sowohl zur örtlichen (Creme/Salbe/Gel) als auch zur systemischen Therapie genutzt.
Am häufigsten kommen Retinoide in der Behandlung einer schweren Akne oder bei verschiedenen Formen der Psoriasis zum Einsatz. Auch in der Behandlung oder Vorbeugung von bestimmten Tumorerkrankungen der Haut werden Retinoide eingesetzt. Dabei steht die Therapie fortgeschrittener Stadien des kutanen T-Zell-Lymphoms im Vordergrund.
Pharmakodynamik (Wirkung)
Der genaue Wirkmechanismus der Retinoide ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Diskutiert wird die Aktivierung selektiver Retinoid-X-Rezeptoren (RXRs) bzw. RAR (Retiniod-Acid-Rezeptor), die eine Bedeutung im Zellstoffwechsel (Vitamin D3, Thyreoidea-Hormon-Rezeptor, proliferationsaktivierender Rezeptor in Peroxysomen) haben. Die durch das Retinoid aktivierten Retinoidrezeptoren formen Homo- bzw. Heterodimere, die an spezifische DNA-Sequenzen binden und als Transkriptionsfaktoren für Gene fungieren. RAR reguliert Zellwachstum und -differenzierung, RXR die Apoptose.
- Retinoide wirken auf:
- Zellteilung (antiproliferativ)
- Stabilität der lysosomalen Membranen
- Integrität von Zellmembranen
- Arachidonsäuremetabolisierung
- RNS-Synthese
- Proteinsynthese
- Glykosidierung von Proteinen.
Indikation
Die Indikationen für systemische Retinoide sind abhängig von den Präparaten unterschiedlich, s. Tab. 1. Hinzu kommt für das Präparat Bexaroten die Indikation "kutane T-Zell-Lymphome".
Zugelassene Wirkstoffe sind:
Unerwünschte Wirkungen
Wechselwirkungen
Kontraindikation
Präparate
Hinweis(e)
Das Risiko PUVA-behandelter Psoriatiker an einem spinozellulären Plattenepithelkarzinom zu erkranken ist bei gleichzeitiger Einnahme von Retinoiden vermindert!
Merke! Aufgrund der ausgeprägten Teratogenität sind Retinoide zur Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter nicht zugelassen. Die zivil- und strafrechtlichen Folgen liegen ausschließlich beim verordnenden Arzt. Prinzipiell muss bei Frauen im gebärfähigen Alter vor Einleitung der Therapie ein negativer Schwangerschaftstest vorliegen und bereits 4 Wochen vor Therapieeinleitung eine effektive Kontrazeption betrieben werden. Unter der Therapie müssen regelmäßig Schwangerschaftstests durchgeführt werden. Bis 12 Wochen nach Beendigung einer Therapie mit Isotretinoin (z.B. Isotretinoin-ratiopharm; Aknenormin) und 2 Jahre nach Acitretin (Neotigason) muss eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Die Patienten dürfen unter der Therapie mit Retinoiden kein Blut spenden!
Cave! Der Empfängnisschutz durch orale Kontrazeptiva ist beeinträchtigt!
Literatur
- Boisnic S et al. (2002) Topical retinaldehyde treatment in oral lichen planus and leukoplakia. Int J Tissue React 24: 123-30.
- Duvic M et al. (2003) Analysis of long-term outcomes of combined modality therapy for cutaneous T-cell lymphoma. J Am Acad Dermatol 49: 35-49
- Jones PH et al. (2003) A phase 1 study of tazarotene in adults with advanced cancer. Br J Cancer 89: 808-815
- Nijsten TE, Stern RS (2003) Oral retinoid use reduces cutaneous squamous cell carcinoma risk in patients with psoriasis treated with psoralen-UVA: a nested cohort study. J Am Acad Dermatol 49: 644-650
- Xu D et al. (2016) Binding characterization, synthesis and biological evaluation of RXRα antagonists targeting the coactivator binding site. Bioorg Med Chem Lett 26:3846-3849.
Tabellen
Indikationen für systemische Retinoide
Indikation |
Isotretinoin |
Acitretin |
|
Keratinisierungsstörungen |
Acne conglobata |
++++ |
++ |
Acne fulminans |
++++ |
++ |
|
M. Darier |
+++ |
+++ |
|
Ichthyosis vulgaris |
+ |
++ |
|
Palmo-Plantarkeratosen |
+ |
+ |
|
Disseminierte aktinische Porokeratose |
|
++ |
|
|
|||
Entzündliche Dermatosen |
Psoriasis vulgaris |
+ |
++ |
Psoriasis pustulosa |
|
+++ |
|
Psoriatische Erythrodermie |
|
+++ |
|
Subkorneale Pustulose |
|
++ |
|
Lichen planus |
|
++ |
Nebenwirkungen von Retinoiden (modifiziert, aus Rote Liste)
Organsystem |
Unerwünschte Nebenwirkungen (UAW) |
Atemwege |
Trockenheit der Nasenschleimhaut, Nasenbluten, Heiserkeit, trockene Rachenschleimhaut |
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Augen |
Augenbindehautreizung, -entzündung, passagere Hornhauttrübungen (selten), Linsentrübungen, Hornhautentzündungen |
Erhöhte Verletzlichkeit der Hornhaut, Hornhautgeschwüre (selten) |
|
Sehstörungen (Verminderung des Nachtsehens (Isotretinoin), vorübergehende Verminderung der Sehschärfe, Verschlechterung des Hell/Dunkel-Sehens, verminderte Blendempfindlichkeit) |
|
|
|
Blut |
Thrombozytopenie, Anämie, Thrombozytose, Neutropenie, BSG ↑, Leukopenie |
Gefäße |
Vaskulitis, Auslösung einer Wegenerschen Granulomatose |
|
|
GIT |
Trockenheit der Lippen oder Mundschleimhaut, Cheilitis |
Gastrointestinale Störungen (Bauchschmerzen, Durchfälle, Darmblutungen), Absetzen bei Auftreten von Kolitis/Ileitis (Isotretinoin) |
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Übelkeit, Erbrechen, Magen-Darm-Geschwüre |
|
Leberfunktionsstörungen, Hepatitis (Einzelfälle) |
|
|
|
Haut |
Vermehrte Gewebsbildung (Granulationsgewebe) |
Hautabschuppung, Hautrötung, Hautverdünnung mit erhöhter Verletzlichkeit |
|
Hautabschälung an Handflächen und Fußsohlen, Rhagadenbildung |
|
Gefühl der "brennenden" bzw. "klebrigen" Haut, Juckreiz, Hautreizungen im Gesicht, Schwitzen |
|
Nagelwallentzündung, Nageldystrophie |
|
Veränderung der Haarwachstumsgeschwindigkeit, Pigmentverschiebung von Haut und Haaren, Haarausfall |
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Erhöhte Lichtempfindlichkeit der heilenden Haut, Verstärkung der Krankheitszeichen bei Behandlungsbeginn |
|
Exantheme, Ekzem, Urtikaria, Purpura, Blasenbildung, Geschwüre der Haut, Staphylococcus aureus-Infektionen |
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|
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Nervensystem |
Erhöhung des Schädelinnendrucks, Pseudotumor cerebri (selten), Kopfschmerz |
Ohren |
Hörstörungen |
Stoffwechsel, Endokrinum |
Blutfettwerte ↑, HDL-Cholesterin ↓, Blutzucker ↑ (Zusammenhang fraglich), Diabetes bzw. Verschlechterung eines Diabetes, Durst, Frieren, Kreatinphosphokinase ↑, Prolaktin- und Harnsäurewerte ↑, Gynäkomastie, Ödeme |
Stützapparat |
Muskel- und Gelenkschmerzen, Knochenveränderungen, Skeletthyperostosen, vorzeitiger Schluss der Knochenwachstumsfugen (selten), Knochenschmerzen, Weichteilverkalkungen, funktionelle Bewegungseinschränkungen |
Urogenitaltrakt |
Unspezifische Urethritiden und Vulvitiden, Menstruationsstörungen, Hämaturie, Proteinurie |
ZNS |
Depressionen, Verhaltensstörungen, Krampfanfälle |
Wesentliche Wechselwirkungen von Retinoiden
Carbamazepin |
Carbamazepin-Bioverfügbarkeit ↓ |
Kontrazeptiva, orale |
Empfängnisschutz ↓ |
Phenytoin |
Phenytoin-Spiegel ↑ |
Tetracycline |
Intrakranielle Drucksteigerung, Kombination kontraindiziert |
Vitamin A |
Vitamin A-Toxizität ↑, Kombination kontraindiziert |