Tinea (Übersicht)B35.-

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. Tim Steiner

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Zuletzt aktualisiert am: 08.09.2024

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Synonym(e)

Dermatomykosen; Dermatophyten-Infektionen; Dermatophytose; Dermatophytosen; Dermatophytose phylois; Dermatophytosis; Epidermophytie; Fadenpilzerkrankung; Hautpilz; Pilzerkrankung der Haut; Ringworm; Teignes, Trichomykosen; Trichophytie

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Erstbeschreiber

Staphan Antiochus (zitiert n. Kaposi 1883 in Lehrbuch Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten) 

Definition

Mit Tinea wird eine Infektion des Stratum corneum der Epidermis, der Haare und/oder der Nägel durch Dermatophyten bezeichnet.

Die Namensgebung ist dem Lateinischen entlehnt (Tinea = Motte, Holzwurm).

Dermatophyten vermögen Keratin durch Spaltung von Disulfidbrücken abzubauen, daher erklärt sich die ausgesprochene Bevorzugung keratinhaltiger Substrate. Selbst bei Tinea profunda mit tiefem Befall der Haarfollikel dringen die Erreger nicht in die Dermis ein. Durch Zusatz der jeweiligen Körperregion z.B. Tinea inguinalisTinea barbae erübrigen sich traditionell verankerte Begriffe wie Kerion Celsi,   Eccema marginatum u.a. Die Einheitlichkeit des "Tineabegriffes" wird durch irreführende Bezeichnungen wie Tinea amiantacea für Pityriasis amiantacea und Tinea versicolor für Pityriasis versicolor gefährdet.

Die gezielte Behandlung einer Tinea setzt eine exakte Diagnose durch den Nachweis der Erreger im Nativpräparat, durch die Kultur bzw. PCR-Techniken voraus.

Erreger

Dermatophyten. Zu den Dermatophyten gehören die Gattungen Trichophyton, Epidermophyton und Mikrosporum. Eine Einteilung in geophile, zoophile und anthropophile Arten ist aus epidemiologischen aber auch aus klinischen Gründen sinnvoll. Geophile und zoophile Dermatophyten verursachen beim Mensch deutlich stärker entzündliche Herde als anthropophile Dermatophyten, während sie beim Tier fast symptomlos vorhanden sein können. In der Dermatologie sind u.a. folgende Dermatophyten relevant:

Einteilung

Das klinische Bild der Dermatophyteninfektion variiert und wird wesentlich durch die Topographie definiert:

I. Kopf:

II. Stamm:

III. Extremitäten:

Vorkommen/Epidemiologie

Dermatophyten als Erreger der Tinea sind mit unterschiedlicher Inzidenz und Prävalenz weltweit vertreten. Die Inzidenz von Dermatomykosen ist v.a. von lokalen Faktoren wie Außentemperaturen, Durchfeutchung der Haut und individueller Empfänglichkeit abhängig. So finden sich Prävalenzen von Tinea pedis in bestimmten Kohorten (z.B. Soldaten) zwischen 10 und 15%.  

Klinisches Bild

Aufgrund klinischer, diagnostischer und therapeutischer Besonderheiten erfolgt eine Untergliederung je nach Lokalisation. Angesichts erheblicher, durch die jeweilige Topographie (Kopf, Leiste, Zehen, Nägel) geprägte Unterschiede ist eine allgemein gültige Aussage zur Klinik nicht möglich.

Diagnose

Wichtige die klinische Diagnose beeinflussende Begleitphänomene:
    • Befall von Haarfollikeln und/oder Nägeln
    • Persistierende Hyper- oder Hypopigmentierungen
    • Sekundäre bakterielle Überlagerungen
    • Sekundäre Kontaktallergie
    • Chirurgische Vorbehandlungen (Inzisionen)
    • Vorbehandlung mit Kortikosteroiden
    • Intertriginöse Mazeration.
  • S. Tabelle 1, s.a.u. Mykosen.

Therapie allgemein

Vermeidung und Behandlung von Infektionsquellen, wie infizierte Tiere z.B. Katzen, Hunde, Kühe, Meerschweinchen.

Externe Therapie

Die externe Monotherapie ist für nachfolgende Typen der Dermatophytosen i.A. als ausreichend anzusehen: Nicht entzündliche Tinea corporis, Tinea faciei, Tinea manuum et pedum. Die nachfolgend aufgeführten externen Antimykotika haben bei vergleichbarer Qualität und Wirkung die größte Verbreitung gefunden:

  • Imidazolderivate: Clotrimazol (z.B. R055 R056 , Canesten Creme, Clotri OPT, Cutistad), Econazol (z.B. Epi-Pevaryl Creme), Ketoconazol (z.B. Nizoral Creme), Miconazol (z.B. R173 , R172 Daktar Lösung, Vobamyk, Micotar), Bifonazol (z.B. Mycospor), Oxiconazol (z.B. Myfungar Creme), Tioconazol (z.B. Mykontral), Fenticonazol (z.B. Lomexin)
  • Allylamine: Naftifin (z.B. Exoderil Creme), Terbinafin (z.B. Lamisil Lösung scheint eine gewisse Überlegenheit in der praktischen Anwendunge gegenüber den Imidazolpräparaten zu haben, da bei der Tinea pedis eine Einmaltherapie -"Lamisil Once" - wirksam ist).
  • Morpholine: Amorolfin (Loceryl Creme)
  • Ciclopiroxolamin (z.B. Batrafen Creme)
  • Sertaconazolnitrat (z.B. Zalain, Mykosert)
  • Verschiedene: Tolnaftat (z.B. Tonoftal Creme), Farbstoffe (z.B. Eosin oder Methylrosaniliniumchlorid).
  • Kombinationspräparate mit Glukokortikoiden, Desinfizienzien oder Antibiotika. Diese Kombinationen werden als "Antidenkpräparate" zwar geschätzt, sollten jedoch nur ausnahmsweise eingesetzt werden. Bei entzündlich akzentuierten juckenden Dermatomykosen können Glukokortikoid-haltige Monotherapeutika passager eingesetzt werden.

Bei Therapieresistenz s.a. unter Photodynamische Therapie, Indikation

Interne Therapie

Indikation für systemische Therapie ist bei folgenden Erkrankungen gegeben:

  • Entzündlich akzentuierte Dermatomykosen
  • Hyperkeratotische Tinea der Handflächen und Fußsohlen
  • Großflächige Tinea
  • Tinea capitis
  • Granulomatöse oder noduläre Tinea
  • Immunsupprimierte Patienten
  • Tinea unguium mehrerer Zehen oder Finger
  • Therapieresistenz oder Intoleranz gegenüber externen Antimykotika.

Die nachfolgend aufgeführten Präparate haben bei vergleichbarer Qualität u. Wirkung die größte Verbreitung gefunden: Griseofulvin (z.B. Likuden M), Itraconazol (z.B. Sempera), Fluconazol (z.B. Diflucan), Terbinafin (z.B. Lamisil).

Operative Therapie

Chirurgische Maßnahmen sind bei Dermatomykosen nicht angezeigt. Selbst bei ausgedehnter granulomatöser nodulärer Tinea sind fluktuierende Abszedierungen (analog zu Staphylokokkenabszessen) eine absolute Rarität. Somit sind chirurgische Maßnahmen auf Eröffnungen der Blasen und Pusteln zu beschränken. Eine Ausnahme bildet eine auf den Nagel begrenzte, den Nagel komplett erfassende Onychomykose. Hier kann in seltenen Fällen eine Nagelextraktion des meist weitgehend vom Nagelbett abgehobenen Nagels überlegt werden (Alternative: Mycospor Nagelset, Harnstoff-Salbe 20%).

Prophylaxe

Tragen von Badeschuhen in öffentlichen Gemeinschaftsanlagen wie Umkleideraum, Duschen und Sauna. Benutzung von desinfizierenden Fußsprays in Schwimmbädern. Prophylaktisches Benutzen antimykotischer Lösungen/Sprays (z.B. Canesten Spray) 2-3mal/Woche im Zwischenzehenraum und an den Fußsohlen. Desinfektion von kontaminierten Gegenständen (z.B. Desinfektion von Schuhen mit Sagrotan Spray). Sauberes Abreiben der Füße mit einem Handtuch oder Waschungen der Füße mit Seife kann die Anzahl der Pilze an den Fußsohlen reduzieren. Vermeiden des Barfußgehens auf dem Teppichbelag von Hotelzimmern!

Naturheilkunde

Es gibt eine Reihe von Naturheilmitteln bei denen in versch. Studiendesigns antimykotische Wirksamkeit nachgewiesen wurden. Darunter Teebaumöl (in 25% und 50% Applikationsform), Solanum chrysotrichum (mexikanische Tomate) in einer Creme-Applikation, Eucalytus pauciflora 1%-Öl ( Eukalyptus-Öl mit dem Wirkstoff Cineol) sowie Ajone, der Inhaltsstoff von Allium sativum in einer 0,4% Creme-Anwendung.

Tabellen

Diagnostische Kriterien der Tinea

Anamnese

Allg. Erkrankungen

Chronische Lebererkrankungen

Chronische Nierenerkrankungen

Endokrinologische Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus)

Periphere Durchblutungsstörungen (Tinea unguium)

Vorbehandlung

Externe Vortherapien (insbes. Vorbehandlung mit Glukokortikoiden)

Systemtherapien

andere Hauterkrankungen

insbes. Atopie oder Kontaktsensibilisierungen

Beruf

Bademeister o.ä.

Landwirtschaft

Veterinärberufe

Freizeitkontakte

Garten

Sportliche Aktivitäten mit Benutzung gemeinsamer Reinigungszonen in Duschen oder Sauna

Tierkontakte

Untersuchungen

Allg. körperliche Untersuchung

Lokalisation der Hautveränderungen

Ausmaß der Läsionen

Art der Läsion

Nichtentzündlich, schuppend, chronisch

Akut oder subakut, ekzematös, juckend

Chronisch lichenifiziert

Follikuläre Papeln oder Knoten (abszessartig)

Vesikulös oder bullös (Id-Reaktion)

Pustulös, einer Pyodermie ähnlich

Hinweis(e)

Abrechungstipps:

  • Entnahme: Die Abstrichabnahme ist nach der Nr.298 GOÄ (auch mehrfach, bei Entnahmnen versch. Körperstellen und getrennter Aufbereitung) zu berechnen. Bei aufwendiger Nagelentnahme kann die Nr. 743 GOÄ (analog) vertetreten werden.
  • Mikroskopie: Bei mikroskopischem Pilznachweis unter Zusatz von Kalilauge ist Nr. 4711 GOÄ ansetzbar. Einfache Färbungen mit Methylenblau werden mit der Nr.3509 GOÄ (je Präparat) abgerechnet.
  • Kultur: Ein Sabouraud-Agar (einfaches Nährmedium) ist mit der Nr.4715 GOÄ bis zu 5x aus dem selben Medium abzurechnen. Bei Verwendung spezieller Nährböden (aufwendiges Nährmedium) ist die Ziffer 4716 GOÄ oder die Nr. 4717 (Differenzierungsmedium) einzusetzen.
  • Lichtmikroskopische Untersuchung angezüchteter Pilze: Nr. 4722 GOÄ.  

Literatur

  1. Brasch J (1990) Erreger und Pathogenese von Dermatophytosen. Hautarzt 41: 9-15
  2. Drake LA et al. (1996) Guidelines of care for superficial mycotic infection of the skin: Tinea corporis, tinea cruris, tinea faciei, tinea manuum tinea pedis. J Am Acad Dermatol 34: 282-286
  3. Effendy I (2003) Nail changes during childhood. Hautarzt 54: 41-44
  4. Gupta AK et al. (2003) Superficial fungal infections: an update on pityriasis versicolor, seborrheic dermatitis, tinea capitis, and onychomycosis. Clin Dermatol 21: 417-425
  5. Ilkit M et al.(2014) Tinea pedis: the etiology and global epidemiology of a common fungal infection. Crit Rev Microbiol 41:374-388
  6. Leibovici V et al. (2014)  Prevalence of tinea pedis in psoriasis, compared to atopic dermatitis and normal controls--a prospective study. Mycoses 57:754-758
  7. Müller VL et al. (2021) Tinea capitis et barbae caused by Trichophyton tonsurans: A retrospective cohort study of an infection chain after shavings in barber shops. Mycoses 64:428-436.
  8. Nenoff P et al. (2014) Mykologie-ein Update Teil 2: Dermatomykosen: Klinisches Bild und Diagnostik. JJDG 12: 749-778
  9. Seebacher C (2003) The change of dermatophyte spectrum in dermatomycoses. Mycoses 46(Suppl1): 42-46
  10. Seebacher C et al. (2006) Tinea capitis. J Dtsch Dermatol Ges 4: 1085-1091

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