Pityriasis rubra pilaris (adulter Typ)L44.0

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Besnier-Flechte; Besnier-Krankheit; Devergiesche Krankheit; PRP; Stachelflechte

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Erstbeschreiber

Tarral, 1835; Devergie, 1856; Besnier, 1889

Definition

Seltene, überwiegend erworbene, chronisch entzündliche Verhornungsstörung mit, saisonal wechselhaften (im Winter häufig gebessert), großflächigen keratotischen rot-braunen Plaques, follikulären Hyperkeratosen und flächigen palmo-plantaren Hyperkeratosen (häufig kombiniert mit Onychodystrophie), einhergehende Hauterkrankung ungeklärter Ätiologie. Obwohl die Hautveränderungen phänotypisch ein psoriasiformes Muster aufweisen, besteht keine Verwandtschaft.

Einteilung

Nach Griffith werden 5 Typen unterschieden, denen eine HIV-assoziierte Form hinzugefügt wird:

  1. Klassischer Erwachsenentyp (ca. 50%): 80% Abheilung nach 3 Jahren.
  2. Atypischer Erwachsenentyp (ca. 5%): Eminent chronischer Verlauf.
  3. Klassischer juveniler Typ (ca. 10%): Abheilung meist nach 1 Jahr.
  4. Umschriebener juveniler Typ (ca. 25%): Unterschiedliche Abheilungsraten (1/3 in 3 Jahren).
  5. Atypischer juveniler Typ (ca. 5%): Chronischer Verlauf.
  6. HIV-assoziierte Form (< 5%).

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 0,2/100.000 Einwohner.

Ätiopathogenese

Unbekannt. Es handelt sich um eine hyperproliferative Keratinisierungsstörung mit erhöhten Umsatzraten. Meist sporadisch auftretend. Typ 5 (hereditäre, atypische juvenile Form) wird autosomal-dominant vererbt. Diese Form ist mit einer Gain-of-Function- Mutation im CARD14-Gen assoziiert (Lewin et al 2018).

Weiterhin wurde ein Mangel an Retinol-bindendem Protein und Störungen im Vitamin-A-Stoffwechsel beschrieben.

Manifestation

Erstmanifestation ist in jedem Alter möglich. Erkrankungsgipfel sind bei Kindern in der 1. Lebensdekade sowie bei Erwachsenen in der 5. Lebensdekade. Häufiger nach schweren Krankheiten oder Unfällen und bei Patienten mit HIV-Infektion auftretend. S.u. Immunrekonstruktionssyndrom.

Lokalisation

Typ 1-3: Vor allem lokalisiert an Fingern und Handrücken sowie Extremitätenstreckseiten (z.B. Oberarmrückseiten, Fingerstreckseiten), am Kapillitium, im Gesicht (vor allem Augenbrauen, Nasolabialfalten), seltener auch am Rumpf. Auch beugeseitige (axilläre) Lokalisation ist nachweisbar.

Typ 4: V.a. an Knien und Ellenbogen lokalisiert.

Typ 5: V.a. an Händen und Füßen lokalisiert.

Klinisches Bild

Initialsymptome: Dicht stehende, follikuläre, keratotische, rote bis rot-bräunliche (orange-rote), stecknadelkopfgroße, spitze Papeln mit zentraler, konischer oder kraterförmig abfallender Keratose.

Pityriasis rubra pilaris Typ 1 (klassische Form): Flächenhaft pityriasiform schilfernde, häufig randbetonte, scharf begrenzte, follikelbetonte ("Muskatnussreibe"), lichenifizierte Erytheme bzw. Plaques am Kapillitium, im Gesicht (vor allem Augenbrauen, Nasolabialfalten), auch am Rumpf. Durch Konfluenz Ausbildung großflächiger, über ganze Körperareale hinwegziehender, rötlich-bräunlicher, samtartiger Erytheme und Plaques, bei denen der initial vorhandene follikuläre Charakter verlorengeht. Typisch sind eingeschlossene Inseln normaler Haut ( Nappes claires). Rote, diffuse Hyperkeratosen an Palmae und Plantae sowie an Handrücken und Streckseiten der Finger. Bildung schmerzhafter Rhagaden. Die Nägel können longitudinal gefurcht und auch verdickt sein (Onychogrypose).

Haarausfall im späteren Stadium sowie meist sehr starke, gipsartige Kopfschuppung. Ektropium. Die klassischen Formen schreiten nicht selten in eine Erythrodermie fort. Häufig Verschlechterung im Sommer (wichtige DD zur Psoriasis vulgaris) und deutliche Besserung (bis Abheilung) in den kalten Jahreszeiten.

Pityriasis rubra pilaris Typ 2 u. 3: Die Typen 2 u. 3 sind morphologisch nicht unterschiedlich zum klassischen adulten Typ.

Histologie

Unregelmäßige Akanthose ohne Verdünnung der Epidermis über den Papillen. Kräftige Hyperkeratose mit wechselnden Parakeratose-Inseln (Schachbrettmuster). Die Follikel sind häufig ampullenartig erweitert und mit Hornmassen angefüllt. In der Dermis besteht leichtes bis mäßig dichtes lympho-histiozytäres Infiltrat. Fokale Exozytose mit Spongiose ist möglich.

Differentialdiagnose

Psoriasis vulgaris: Wichtige Differenzialdiagnose. Follikuläre Hyperkeratosen ("Reibeisenhaut") sowie Nappes claires sind für die Psoriasis ungewöhnlich. Die gleichförmigen palmo-plantaren Hyperkeratosen werden bei der Psoriasis so nicht angetroffen.

Seborrhoisches Ekzem: Identische Aussage wie bei Psoriasis vulgaris.

Erythrokeratodermia figurata variabilis: Wandernde (variable), bizarr konfigurierte, anuläre oder polyzyklische, schuppende Papeln und Plaques mit wechselnder klinischer Expressivität und Akuität (PRP relativ ortskonstant). Follikuläre Hyperkeratosen fehlen. Auch urtikarielle Hautveränderungen sind möglich (fehlen stets bei Pityriasis rubra pilaris). Ältere Herde stellen sich als großflächige, rote oder rot-braune, meist randbetonte Plaques dar.

Lichen planus follicularis: Histologie und ggf. Immunhistologie sind beweisend.

Therapie allgemein

Die Therapie der Pityriasis rubra pilaris ist mühsam und muss mit "langem Atem" durchgehalten werden. Spontanremissionen sind in Einzelfällen zu beobachten, aber durchaus nicht die Regel. Alle Therapiemaßnahmen sollten darauf ausgerichtet sein, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Externe Therapie

Pflegende Salbentherapie: Bei ekzematisierter oder gereizter Haut bringen kurzfristig milde Glukokortikoide wie 0,5-1,0% Hydrocortison Creme oder Lotio (z.B. Hydrogalen, R123 ) gute Erfolge. Ansonsten pflegende, keratolytische oder antientzündliche Salben entsprechend dem klinischen Bild unmittelbar nach Badetherapie und anderen Waschvorgängen auf die noch feuchte Haut auftragen. Dies ermöglicht anhaltende Speicherung der Feuchtigkeit. Gute Effekte werden mit Kochsalz-haltigen oder Propylenglykol-haltigen Salben erzielt R105 . Die richtige Behandlung muss im Einzelfall ausgetestet werden.

Hautpflege und -reinigung: Grundprinzip: Möglichst geringe Entfettung der Haut! Möglichst wenig irritative Reinigungsstoffe, d.h. sparsame Verwendung von Seifen oder Syndets. Keine Verwendung von Flüssigseifen. Milde Reinigung der Körperhaut mit hydrophilen (mit Wasser mischbaren) Körperölen. Hiermit werden ein ausreichender Reinigungseffekt und gleichzeitig eine rückfettende Pflege erreicht. Statt hydrophilen Ölen können auch O/W-Emulsionen verwendet werden (z.B. Abitima Lotion, Excipial U Hydrolotio, Sebamed Lotion). Haut kurz abduschen, Emulsion auf die feuchte Haut auftragen und verteilen, erneut kurz abduschen. Der verbleibende Emulsionsfilm wird nicht als unangenehm empfunden.

Bäder: Sind für die Hautpflege wichtig und empfehlenswert. Unterschiedliche Badezusätze je nach Hautzustand (s. Tabelle 1). Der Patient sollte mit den Therapiemodalitäten vertraut gemacht werden und die Bäder selbst herstellen können, z.B. Ölbäder als "Kleopatra-Bad" oder Kleiebäder.

In Phasen der klinischen Besserung sind lediglich pflegende externe Maßnahmen notwendig, wie z.B. Ungt. emulsif. aq., Linola Milch, Asche Basis Creme.

Kleidung: Tragen nicht hautreizender Körperwäsche. Am günstigsten sind glatt gewebte Stoffe aus Baumwolle oder Leinen. Ungeeignet sind Gewebe aus Tierwolle. Ebenso ungeeignet sind Kunststoffgewebe, hingegen werden Materialien aus Viskose i.A. vertragen.

Bestrahlungstherapie

UV-Bestrahlungen erweisen sich in Einzelfällen als günstig. UVB-Behandlung oder PUVA-Therapie sind bei Erwachsenen zu empfehlen.

Interne Therapie

Retinoide (First-line Therapie): Isotretinoin (z.B. Isotretinoin-ratiopharm; Aknenormin) 0,5-1,0 mg/kg KG p.o.

Alternativ: Acitretin (Neotigason), initial 0,5-0,7 mg/kg KG/Tag; als Erhaltungsdosis 10 mg/Tag anstreben.

Alternativ bei Therapieresistenz und schweren Verlaufsformen: Erfolge werden mit Methotrexat 10-25 mg/Woche p.o. beschrieben. Effekte können nach 4-6 Monaten erwartet werden. Erhaltungstherapie: 2,5-5,0 mg/Woche p.o. In sehr schweren Fällen kann eine Kombination von Acitretin 0,5-0,7 mg/kg KG/Tag p.o. mit Methotrexat 15,0-30,0 mg/Woche p.o. versucht werden.

Alternativ wurde Ciclosporin bei Erwachsenen und Kindern (3,0 mg/kg KG/Tag) eingesetzt. Die Ergebnisse sind kontrovers. Andere Immunsuppressiva wie Azathioprin (z.B. Imurek) waren wenig erfolgreich.

Alternativ: Eigene, inzwischen von anderen Arbeitsgruppen bestätigte, positive Erfahrungen bestehen mit Fumaraten ( Off-Label-Use).

Alternativ: Sporadische Erfolge wurden mit der extrakorporalen Photopherese beschrieben.

Alternativ: In Einzelfällen konnten Therapieerfolge mit Infliximab (5 mg/kg KG i.v.), Adalimumab und Etanercept und Ustekinumab (in üblicher Dosierung) erzielt werden ( Off-Label-Use). Eine Kombination mit Low-dose-MTX ist bei schwerem Verlauf möglich.  

Verlauf/Prognose

Unberechenbarer, meist eminent chronischer Verlauf. Spontanremissionen sind möglich.

Tabellen

Balneotherapie bei Pityriasis rubra pilaris

Hautzustand

Bad

Beispielpräparate

Häufigkeit

Trocken

3% Salz-Bad

300 mg Kochsalz auf 1 Vollbad

2-4mal wöchentlich 10-20 Min.

Ölbäder

Balneum Hermal F, Ölbad Cordes, Linola Fett N Ölbad

Kleopatra-Bad

1(-2) Tassen Milch + 1(-2) Eßl. Olivenöl auf 1 Vollbad

Ekzematös, entzündlich

Kleie-Bad

Töpfer Kleiebad

Baldrian-Bad

Silvapin Baldrian Ölbad

Polidocanol-Ölbäder

Balneum Hermal plus

Melisse-Bad

Kneipp Gute Nacht Bad

Hinweis(e)

Gute Ergebnisse können mit thalassotherapeutischen Heilverfahren erzielt werden. Empfehlenswert sind dermatologische Kliniken an Nord- und Ostsee.

Literatur

  1. Albert MR (1999) Pityriasis rubra pilaris. Int J Dermatol 38: 1-11
  2. Auffret N et al. (1992) Pityriasis rubra pilaris in a patient with human immunodeficieny virus infection. J Am Acad Dermatol 27: 260-261
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  7. Gemmeke A et al. (2010) Pityriasis rubra pilaris - eine retrospektive monozentrische Analyse über 8 Jahre. JDDG 8: 439-445
  8. Haenssle H et al. (2004) Extracorporal photochemotherapy for the treatment of exanthematic pityriasis rubra pilaris. Clin Exper Dermatol 29: 244-246
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