Off-Label-Use

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor:Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Definition

Erweiterung der Anwendungsgebiete eines Fertigarzneimittels ohne Zulassung im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V.

Allgemeine Information

  • Vom ersten Screening bis zur offiziellen Zulassung eines neuen Medikamentes vergehen Jahre. Dazwischen liegen Substanzisolierung, Optimierung, die präklinische Toxikologie und die klinischen Prüfungen der Phase I-IV. Pharmazeutische Firmen können das Präparat für die Anwendung am Patienten erst anbieten, wenn es erfolgreich ein Zulassungsverfahren durchlaufen hat. Durch das Arzneimittelgesetz (AMG) und europäische Richtlinien wird geregelt, wie und wer Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln vor der allgemeinen Anwendung überprüft. Hohe Entwicklungskosten, begrenzte Patentlaufzeit (15 Jahre) sowie unterschiedliche Marktpotentiale führen dazu, dass die Zulassung bevorzugt bei großen Absatzmärkten und verbreiteten Indikationen angestrebt wird. Aus Kostengründen wird vom Hersteller nicht für jede mögliche Indikation ein Zulassungsverfahren durchgeführt. Die Einbeziehung einer neuen Indikation verlangt zudem nach dem Arzneimittelrecht eine vollständige Neuzulassung, die vom Hersteller beantragt werden muss. Zulassungsverfahren werden aus Kostengründen nicht für jede mögliche Indikation durch den Hersteller beantragt. Eine Zulassung umfasst u.a. Indikation (Erkrankung, Stadium), Dosis, Applikationsmodus, Anwendung in Mono- oder Kombinationstherapien und Patientengut.
  • Der Arzt wird durch das Arzneimittelgesetz nicht daran gehindert, ein Medikament außerhalb der Zulassung (Off-Label) anzuwenden. Der Arzt muss sich daher an aktuellen fachlichen Standards orientieren. Es ist jedoch unklar, wer für eine Off-Label-Verwendung haftet und wer sie bezahlt.

Hinweis(e)

  • Eine Leistungspflicht der Krankenkasse bei Off-Label-Use besteht nicht, weil für ein neues Anwendungsgebiet weder die Wirksamkeit noch etwaige Risiken nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) geprüft worden sind. Andererseits existiert im medizinischen Alltag eine offenkundige Notwendigkeit, Arzneimittel auch zulassungsüberschreitend einzusetzen. Das Arzneimittelrecht enthält für solche Fälle kein generelles Anwendungsverbot für Fertigarzneimittel außerhalb des durch die Zulassung festgelegten Anwendungsgebietes. Unverzichtbare und erwiesenermaßen wirksame Therapien können dem Patienten nicht vorenthalten werden. Daher soll eine Leistungspflicht der Kassen beim Off-Label-Use unter sehr engen Voraussetzungen ausnahmsweise in Betracht kommen: Es handelt sich um eine schwer wiegende, d.h. lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung, bei der eine andere Therapie nicht verfügbar ist, und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen ist.
    • Letzteres ist erfüllt, wenn die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit bzw. klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
    • Sollten die o.g. Voraussetzungen vorliegen, liegt die Verordnung eines Arzneimittels nach § 15 Abs. 1 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen allein in der Verantwortung des Vertragsarztes.
  • Die Haftung eines Herstellers für ein Arzneimittel nach § 84 ff. AMG ist nicht auf die Anwendung bei zugelassenen Indikationen beschränkt, sondern orientiert sich am "bestimmungsgemäßen Gebrauch". Hierzu zählen auch Off-Label-Verordnungen, sofern sie z.B. in Leitlinien empfohlen werden und der Hersteller dem nicht ausdrücklich widerspricht. Ansonsten haftet der Arzt für Off-Label-Verordnungen, die zu nicht vorhersehbaren Nebenwirkungen führen können. Aufklärung des Patienten und gute Dokumentation sind daher für die Off-Label-Verordnung essentiell.
  • Juristisch besonders problematisch ist die Verwendung von Off-Label-Verordnungen bei seltenen Erkrankungen ( Orphan Diseases).

Literatur

  1. Brunne V, Mertins G, Reimann G, Brockmeyer NH (2004) Off-label use in dermatological practice. The conflict between professional duty and legal requirements. Hautarzt 55: 727-734
  2. Francke R, Hart D (2003) Off label use: Arzneimittelrechtliche, haftungsrechtliche, berufsrechtliche und sozialrechtliche Fragen. Sozialgerichtsbarkeit 50: 653-664

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024