Synonym(e)
Erstbeschreiber
Jadassohn, 1895; Robinson, 1932
Der Naevus sebaceus von Jadassohn, auch als organoider Naevus bezeichnet, wurde 1895 von dem Dermatologen Josef Jadassohn beschrieben.
Definition
Organoides Hamartom der Haut (organoider Epidermalnaevus), das vor allem das Oberflächenepithel, die Haarfollikel sowie die Talg- und Schweißdrüsen betrifft. Klinisch imponiert in den meisten Fällen eine zirkumskripte Alopezie bis zur Pubertät mit glatter Hautstruktur und postpubertät mit papillomatöser Transformation.
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Vorkommen/Epidemiologie
In einer größeren Studie (Yang CC et al.) war bei 265 Kindern (Alter 1-12 Jahre) mit Neubildungen am Capillitium der Naevus sebaceus mit 68%, gefolgt von melanozytären Naevi (6,2%) und juvenilen Xanthogranulom (6,2%) vertreten. Säuglingshämangiome fanden sich bei 41% dieser Patientengruppe.
Ätiopathogenese
Zugrunde liegen postzygotische (somatische) HRAS-Mutationen (95%) und KRAS-Mutationen (5%) (s.u. RAS), Regulator-Gene, die für das RAS-Protein kodieren. Dieses Protein ist ein zentraler Regulator verschiedener Signaltransduktionswege, über die Wachstums- und Differenzierungsprozesse reguliert werden (s.a. RASopathien)
Manifestation
Angeboren. Überwiegend sporadisches Auftreten. Über (sehr seltenes) familiäres Auftreten wurde berichtet (Benedetto L et al. 1990; Sahl WJ Jr 1990) .
Kein Gender-Bias.
Lokalisation
90% der Fehlbildungen betreffen das Capillitium (etwa 45% den Bereich der Parietalregion); seltener in absteigender Häufigkeit sind Gesicht, Retroaurikulärregion, Nacken, Rumpf oder Genitalien betroffen. Eine absolute (zu vernachlässigende) Rarität ist das Auftreten im Schleimhautbereich.
Klinisches Bild
Altersabhängiges klinisches Bild:
1. Geburt:
- Zu diesem Zeitpunkt zeigt sich je nach Lokalisation ein solitärer, vollständig symptomloser, ovaler bis bizarr konfigurierter (länglich mit zipfeligen Ausläufern), weißlich-gelblicher oder hautfarbener, wachsartiger, stets haarloser Fleck bzw. eine entsprechende, leicht erhabene, oberflächenglatte Plaque. Da der Naevus sebaceus am häufigsten am Capillitium auftritt, ist das hervortretende klinische Leitsymptom die umschriebene Haarlosigkeit (Alopezie). Wichtig hierbei ist der klinische Befund des "Fehlens der Follikel" (Bemerkung: die Follikelorgane sind im Bereich der Läsion fehlentwickelt, keine Ausbildung eines Haarfollikels!)
2. Kindheit:
- Im Laufe der Kindheit kein aktives Flächenwachstum. Größenwachstum analog zum Körperwachstum.
3. Peripubertär:
- In der Pubertätphase und später bei jüngeren Erwachsenen erfolgt ein Dickenwachstum der meist völlig symptomlosen Hautveränderung. Entwicklung einer weiterhin unbehaarten, beetartigen, warzigen Plaque von nun gelb-roter oder gelb-brauner (Talgdrüsenenwachstum während der Pubertät) Farbe und schwammig-fester Konsistenz.
4. Spätes Erwachsenenalter:
- Zunehmend verruköse Oberflächgestaltung der Läsion, vereinzelt auch hautfarbene oder blau-schwarz gefärbte Knoten (s.u. Komplikationen)
- Anordnung: Meist bizarr konfigurierter, auch lineare Anordnung.
Syndromale Formationen:
- Schimmelpenning-Feuerstein-Mims-Syndrom: Bei diesem Syndrom liegt ein neuroektodermaler Symptomenkomplex mit großflächigem Naevus sebaceus (auch multipel), Fehlbildungen und Dysplasien an Augen, Haut, Gehirn, Skelett und Herz vor.
- SCALP-Syndrom: Das Syndrom beschreibt ein Syndrom mit der Konstellation: „Sebaceous nevus syndrome, central nervous system malformations, aplasia cutis congenita, limbal dermoid, and pigmented nevus syndrome (melanozytärer Riesennaevus)“.
- Didymosis aplasticosebacea: Hiermit wird das sehr seltene konkordante Zusammentreffen von Aplasia cutis circumscripta mit einem Naevus sebaceus bezeichnet.
- Syndromales Auftreten eines Naevus sebaceus mit einem Choristom des Auges (Traboulsi EI et al. 1999)
Histologie
Konvolute fehlgebildeter Haarfollikel mit meist zahlreichen, reifen Talgdrüsenläppchen, die sich traubenartig um den meist erweitereten Ausführungsgang gruppieren. Vermehrung abortiver, apokrin oder auch ekkrin differenzierter Drüsen.
- Präpubertär: Das Oberflächenepithel ist leicht akanthotisch, in der oberen Dermis zeigen sich unreife Talgdrüsenkomplexe und Infundibulumstrukturen. Haarwurzeln und Terminalhaare fehlen vollständig.
- Postpubertär: Es zeigen sich verruköse Epidermishyperplasie sowie mächtige Talgdrüsenkomplexe mit unterschiedlich entwickelten apokrinen Drüsen.
In einer größeren Studie an 168 Fällen wurde folgendes Strukturen mit folgender Häufigkeit nachgewiesen (Kamyab-Hesari K et al. 2016)
-
Talgdrüsenhyperplasie (93.5%)
-
Primitive Haarfollikel (76.8%)
-
Ektopische apokrine Drüsen (55.4%)
-
Abnorme duktale Strukturen (24,8%)
-
Neoplastische Formationen (5,4%: Trichoblastome, Trichilemmome, Syringocystadenoma papilliferum).
Differentialdiagnose
Die Differenzialdiagnose richtet sich (s. unter klinisches Bild) nach dem Alter des Patienten.
Säuglingsalter und Kleinkindesalter:
- Alopecia areata: Zuvor bestehende Behaarung. Follikel erhalten.
- Aplasia cutis congenita (ACC): bei Geburt häufig Erosion oder Ulkusbildung mit konsekutiver Narbenbildung (dieser Verlauf ist den Eltern bekannt).
- Tinea capitis: Akuter Beginn; Schuppenbildungen, Follikel erhalten. Pilznachweis.
Postpubertär:
- In dieser Phase fällt die klinische Diagnose leicht. Differenzialdiagnostisch sind gutartige Adnextumoren zu erwägen.
Spätes Erwachsenenalter:
- Benigne oder maligne Adnextumoren.
- Knotiges Basalzellkarzinom
- Malignes Melanom
- Merkel-Zell-Karzinom
Komplikation(en)
Bei etwa 10-30% der Fälle, Entwicklung verschiedener benigner aber auch maligner Adnextumoren, wie (die Prozentzahlen beziehen sich auf Neubildungen bei 707 Fällen mit Naevus sebaceus, zit. n. Idriss MH et al.) :
Häufiger beschrieben wurden:
- Trichoblastom (7,4%)
- Syringozystadenom (5,2%)
- Basalzellkarzinom (2,5%)
- Plattenepithelkarzinom (0,5%)
Vereinzelt beschrieben wurde die Assoziation mit :
- Hidradenom
- epithelialen Zysten
- Spiradenom
- Talgdrüsenkarzinom.
Therapie
Exzision sollte in einem Alter angestrebt werden, in dem die Kinder eine (mögliche) Lokalanästhesie tolerieren. Teilexzision möglich. Bei kleineren Hamartomen Exzision in toto. Hier ist auch dem kosmetischen Aspekt Rechnung zu tragen! Durchaus kann auch "kontrolliertes Zuwarten" akzeptiert werden. Bei Entwicklung von Zweittumoren (90% sind gutartig) ist auch deren isolierte Exzision (z.B. in sehr großen organoides Naevi) gerechtfertigt.
Verlauf/Prognose
Günstig; bei einem Teil der Hamartome entwickeln sich gutartige Neubildungen der Adnexe wie Trichoblastome und Syringozystadenome. Seltener ist die Entwicklung maligner Geschwülste wie Basalzellkarzinome (ein Teil dieser als Basalzellkarzinom publizierten Fälle ist als Trichoblastom anzusprechen), duktale (apokrine) Adenokarzinome, Porokarzinome, Talgdrüsenkarzinome, spinozellulläre Karzinome und Keratoakanthome.
Merke! Benigne oder maligne Transformationen sind erst in mittlerem bis hohem Erwachsenenalter zu erwarten, nicht im Kindes- oder Jugendalter.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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