Definition
Mit „RASopathien“ wird eine Gruppe von Krankheiten um das Noonan-Syndrom bezeichnet, die auf einer Fehlregulation des RAS/RAF-Signalwegs durch meist aktivierende, konstitutionelle Mutationen beteiligter Gene beruhen.
Gemeinsame klinische Merkmale sind:
- kardiovaskuläre Anomalien
- vermindertes Wachstum
- Dysmorphien
- Auffälligkeiten der Haut
- Entwicklungsstörungen in variabler Ausprägung
Teils besteht auch eine Tumordisposition. Wie der PI3K/AKT-Signalweg, mit dem er vernetzt ist, stimuliert der RAS/RAF-Signalweg das Zellwachstum und wird nach Bindung von Wachstumsfaktoren an Rezeptoren auf der Zelloberfläche durch RAS-Proteine vermittelt. Die klassischen RAS-Proteine werden von den Genen HRAS, KRAS und NRAS kodiert. Somatische Mutationen in diesen Genen, die spontan in einzelnen Zellen auftreten und aufgrund eines Wachstumsvorteils zu einer klonalen Expansion führen, spielen in der Onkogenese eine weitverbreitete Rolle (Li S et al. (2018)).
Einen anderen Phänotyp als die konstitutionellen RASopathien haben die Mosaik-RASopathien, die auf postzygotischen „gain-of-function“-Mutationen in RAS/RAF-Genen beruhen, die wahrscheinlich letal wären, sollten sie konstitutionell bedingt sein (Hafner C et al. 2013). Eine Ausnahme sind HRAS-Mutationen. Der Mutationsnachweis gelingt meist nur an betroffenem Gewebe.
Die neurokutane Melanose betrifft einen kleinen Teil der Patienten mit den häufigen kongenitalen melanozytären Nävi (CMN) und zeichnet sich durch große (Riesen)-CMN in Kombination mit einer oft symptomatischen leptomeningealen Melanozytose aus (Alikhan A et al. 2012). Sie wird durch eine frühembryonale NRAS-Mutation im Neuroektoderm hervorgerufen. Das Risiko für Melanome ist von der Ausdehnung der CMN abhängig und beläuft sich auf circa 1 % bei CMN allgemein gegenüber 12 % bei Riesen-CMN. Bei der neurokutanen Melanose besteht auch ein erhöhtes Risiko für ZNS-Melanome.
Lokal begrenzte postzygotische Mutationen in unterschiedlichen Genen führen zu weiteren Nävi, zum Beispiel einem keratinozytischen Epidermalnävus oder einem Nävus sebaceus.
Klinisches Bild
Treten die Mutationen früher in der Entwicklung auf und betreffen mehrere Gewebe, kommt es zu syndromalen Krankheitsbildern mit dem Leitsymptom eines bestimmten Nävus (Lim YH et al. (2017).
Hierzu gehört das Schimmelpenning-Feuerstein-Mims-Syndrom (SFMS), bei dem besonders das ZNS, die Augen und das Skelett (Osteomalazie, hypophosphatämische Rachitis) betroffen sein können , mit Nachweis von Mosaik-Mutationen in HRAS, KRAS und NRAS (Groesser L et al. (2012).
Die beachtliche Variabilität der klinischen Symptomatik konnte durch die Identifizierung als Mosaik-Erkrankung erklärt werden. Auch Syndrome mit angeborenen Anomalien von Auge und Haut wurden als Mosaik-RASopathie identifiziert:
- das Okulo-ektodermale Syndrom (OES, Mutationen in KRAS), dessen Hauptmerkmale Epibulbärdermoide und angeborene Kopfhautdefekte sind, und
- die Enzephalo-kranio-kutane Lipomatose (ECCL, Mutationen in FGFR1 und KRAS), bei der zusätzlich im ZNS die namengebenden Lipome vorliegen (Moog U et al. 2020).
Beide Syndrome können weitere Auffälligkeiten der Haut, unter anderem einen Naevus sebaceus, aufweisen. Weiterhin umfassen sie eine Disposition für Kiefertumore, nicht ossifizierende Fibrome und, im Falle einer ECCL, auch für niedriggradige Gliome. Da es nicht immer möglich ist, bisher verwendete klinische Diagnosen eindeutig zuzuordnen, wird die Bezeichnung (KRAS-assoziierte) Mosaik-RASopathie oft zutreffender sein.
Gefäßmalformationen: Die diagnostische Abgrenzung des isolierten Portweinflecks (Naevus flammeus symmetrischer) vom sporadisch auftretenden Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom (SWS) mit fazialem Nävus flammeus, intrakraniellen und intraokulären Gefäßfehlbildungen ist prognostisch bedeutsam. Beim Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom kann die leptomeningeale Angiomatose bereits im ersten Lebensjahr zu epileptischen Krisen führen, die die psychomotorische und geistige Entwicklung beeinflussen. Schlaganfallartige Episoden und das Glaukom gehören ebenfalls zu den schwerwiegenden Manifestationen.
Ätiologisch sind der häufige Portweinfleck und das seltene Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom zwei extreme klinische Ausprägungen desselben molekularen Mechanismus. In fehlgebildeten Kapillaren wird bei beiden Krankheitsbildern in der Mehrzahl der Fälle eine spezifische postzygotische Punktmutation im GNAQ-Gen identifiziert, die den RAS/RAF-Signalweg aktiviert (Shirley MD et al. 2013). Wahrscheinlich entstehen nichtsyndromale Portweinflecken durch eine späte und das Sturge-Weber-Syndrom durch eine frühe postzygotische Mutation. Bei sporadischen vaskulären Malformationen wurden ebenfalls Mutationen in RAS und anderen Genen des RAS/RAF-Signalwegs identifiziert (Al-Olabi L et al. 2018).
Roséfarbene kapilläre Malformationen der Haut in Kombination mit arteriovenösen Malformationen bei zumindest einem weiteren Familienangehörigen sowie gelegentlich assoziierten Hemihyperplasien bilden ein klinisch variables Krankheitsbild (CM-AVM), welches erst nach einer Identifizierung von LOF-Varianten im RASA1-Gen beschrieben wurde (Eerola I et al. 2003). RASA1 ist ein Negativregulator von RAS. Folglich aktiviert ein Funktionsverlust ebenfalls den RAS/RAF-Signalweg.
Während das auf einer aktivierenden Punktmutation im GNAQ-Gen basierende Sturge-Weber-Syndrom nur in Mosaikform beobachtet wird, können RASA1-assoziierte Phänotypen einem autosomal-dominanten Erbgang folgen. Zusätzlich zu der dominant vererbten Mutation in einer Genkopie führt eine zweite neu auftretende Mutation der zweiten Genkopie zum Funktionsverlust des RASA1-Gens.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Alikhan A et al. (2012) Congenital melanocytic nevi: where are we now? Part I. Clinical presentation, epidemiology, pathogenesis, histology, malignant transformation, and neurocutaneous melanosis. J Am Acad Dermatol 67: 495. e1–17; quiz 512–514
- Al-Olabi L et al. (2018) Mosaic RAS/MAPK variants cause sporadic vascular malformations which respond to targeted therapy. J Clin Invest 128: 1496–1508
- Bae T et al. (2018) Different mutational rates and mechanisms in human cells at pregastrulation and neurogenesis. Science 359: 550–555
- Baldassari S et al. (2019) Dissecting the genetic basis of focal cortical dysplasia: a large cohort study. Acta Neuropathol 138: 885–900
- Eerola I et al. (2003) Capillary malformation-arteriovenous malformation, a new clinical and genetic disorder caused by RASA1 mutations. Am J Hum Genet 73: 1240–1249
- Groesser L et al. (2012) Postzygotic HRAS and KRAS mutations cause nevus sebaceous and Schimmelpenning syndrome. Nat Genet 44: 783–787
- Hafner C et al. (2013) Mosaic RASopathies. Cell Cycle 12: 43–50
- Happle R (2014) Wie häufig sind genetische Mosaike in der Haut? Hautarzt 65: 536–541
- Has C et al. (2018) Rudolf Happle zum 80. Geburtstag. Hautarzt 69: 343–346
- Keppler-Noreuil KM et al. (2015) PIK3CA-related overgrowth spectrum (PROS): diagnostic and testing eligibility criteria, differential diagnosis, and evaluation. Am J Med Genet A 167A: 287–295
- Li S et al. (2018) A model for RAS mutation patterns in cancers: finding the sweet spot. Nat Rev Cancer 18: 767–777
- Lim YH et al. (2017) Mosaicism in cutaneous disorders. Annu Rev Genet 51: 123–141
- Lindhurst MJ et al. (2011) A mosaic activating mutation in AKT1 associated with the Proteus syndrome. N Engl J Med 365: 611–619
- Mirzaa G et al. (2016) PIK3CA-associated developmental disorders exhibit distinct classes of mutations with variable expression and tissue distribution. JCI Insight 1: pii: 87623
- Moog U et al. (2020) Erkrankungen durch genetische Mosaike. Dtsch Ärztebl Int 117: 119-125
- Happle R (2016) The categories of cutaneous mosaicism: a proposed classification. Am J Med Genet A 170A: 452–459
- Peron A et al. (2018) Genetics, genomics, and genotype-phenotype correlations of TSC: insights for clinical practice. Am J Med Genet C Semin Med Genet 178: 281–290
- Rohlin A et al. (2009) Parallel sequencing used in detection of mosaic mutations: comparison with four diagnostic DNA screening techniques. Hum Mutat 30: 1012–1020
- Shirley MD et al. (2013) Sturge-Weber syndrome and port-wine stains caused by somatic mutation in GNAQ. N Engl J Med 368: 1971–1979