Kindler-Syndrom Q87.1

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

This article in english

Synonym(e)

Brain-Syndrom; Hereditäre akrokeratotische Poikilodermie Typ Kindler; Hereditäre akrokeratotische Poikilodermie Typ Weary; Hereditäre Poikilodermie mit Sklerosierungen; Hereditäre sklerosierende Poikilodermie; Marghescu-Braun-Falco-Syndrom; M. Weary-Kindler; OMIM 173650; Poikilodermie hereditäre akrokeratotische Typ Kindler; Poikilodermie hereditäre akrokeratotische Typ Weary; Poikilodermie kongenitale mit Blasenbildung; Weary-Kindler M.

Erstbeschreiber

Brain, 1952; Theresa Kindler, 1954; Weary 1971

Definition

Autosomal-rezessiv vererbte, vierte, eigenständige Form der hereditären Epidermolysis bullosa-Gruppe. Sehr seltenes poikilodermatisches Krankheitsbild mit "variabler " Blasenbildung (intraepidermal in den basalen Keratinozyten, junktional, dermal). Ursächlich liegt dem Syndrom eine Mutation im FERMT1-Gen (Genlokus: 20p12.3) vor, das für das Kindler-Protein (Kindlin-1) kodiert.

Einige Autoren trennen:

  • Typ Weary mit autosomal-dominantem Erbgang
  • vom
  • Typ Kindler mit autosomal-rezessivem Erbgang.

Ätiopathogenese

Die molekulare Pathologie des Kindler-Syndroms ist bekannt. Nachweis einer "loss of function" Mutation von FERMT1 (KIND1-Gen), das auf dem Chromosom 20p12.3 kartiert. Dieses Gen kodiert Kindlin-1, ein Membran-assoziiertes Strukturprotein, das v.a. in den basalen Keratinozyten exprimiert wird. Kindlin-1 verlinkt das Aktin im Zytoskelett mit der extrazellulären Matrix. Kindlin-1 ist beteiligt an der Zelladhäsion der Epithelzellen. Es trägt zur Integrin-Aktivierung bei. Bei Koexpression mit Talin verstärkt es die Aktivierung von ITGA2B.

Kindlin-1 ist erforderlich für die normale Proliferation von Keratinozyten und weiterhin für eine normale Polarisierung der basalen Keratinozyten in der Haut und für eine normale Zellform. Kindlin-1 spielt eine große Rolle für die Adhäsion von Keratinozyten an Fibronektin und Laminin und für die normale Migration von Keratinozyten zu Wunden. Kann bei der Tumorprogression die TGF-beta 1-Signalübertragung vermitteln.

Manifestation

Vor allem Mädchen. Blasen: Meist ab Geburt oder einige Monate später. Poikilodermie: Bis zum 4. Lebensjahr. Die Blasenbildung vermindert sich mit zunehmendem Alter. 

Eine vermehrte Erkrankungsrate wird bei den Ngöbe - Bugle-Indianern gefunden. Die Ngöbe-Bugle sind eine ethnische Minderheit der Chibcha, welche sich in der Provinz Chiriqui (Provinz in Panama) niedergelassen haben. 

Lokalisation

Vorwiegend akral lokalisiert. Befallen sind insbes. Gesicht, Streckseiten der Unterarme und Unterschenkel, auch Oberarme, Oberschenkel, Stamm.

Klinisches Bild

Integument: Ab Geburt manifeste Blasenbildung mit sich entwickelnder Poikilodermie. Spontane oder posttraumatische subepidermale Blasen, Poikilodermie in genannter Lokalisation (Bild gleicht der systemischen Sklerodermie), Lichtempfindlichkeit, verruköse Hyperkeratosen der Palmae, Synechien an Fingern und Zehen, wodurch ein pseudosyndaktylisches klinisches Bild mit Poikilodermie entsteht. Meist Nageldystrophien und Hypotrichose.

Mundschleimhaut ist fragil und blutet leicht. Viele Patienten entwicklen eine ausgeprägte Gingivitis.

Keine orale Leukoplakie und keine Katarakt.

Eine schwere Komplikation sind aggressive Plattenepithelkarzinome an Haut und/oder den Schleimhäuten. 

Weitere assoziierte Symptome: Zahnanomalien, Skelettfehlbildungen, proportionierter Kleinwuchs; Ösophagusstenosen, Urethrastrikturen

Histologie

Subepidermal Blasen, fibrinoide Körperchen unterhalb der dermoepidermalen Basalmembranzone.

Elektronenmikroskopisch: Reduplikationen der Basallamina, feinfibrilläre zellgroße Körperchen im Papillarkörper.

Differentialdiagnose

Therapie

Symptomatisch. Vermeidung von mechanischen Reizen und Irritationen zur Verminderung der Blasenbildung sowie Überwachung und Behandlung von Sekundärinfektionen.

Abtrocknend und antiseptisch wirkende Lösungen wie Chinolinol-Lösung (1:1000), R042 oder Kaliumpermanganat-Lösung (hellrosa). S.a.u. Wundbehandlung. Ausreichender Flüssigkeitsersatz. Steriles Aufstechen und Entleeren der Blasen verhindert Ausdehnung und wirkt druckentlastend. Das Blasendach sollte als Infektionsschutz belassen werden.

Externe Glukokortikoide nur bei Ekzematisierung und Juckreiz wie z.B. 0,1% Triamcinolonacetonid-Creme R259 . Allgemeine Pflege der Haut z.B. mit Ungt. emulsif. aq.

Wichtig: Konsequenter Lichtschutz

Verlauf/Prognose

Rückgang der Blasenbildung mit steigendem Lebensalter. Auffälliges und zunehmendes poikilodermatisches, auch sklerodermieartiges Bild. 

Hinweis(e)

  • S.a. Hereditäre sklerosierende Poikilodermie
  • Es existieren erste experimentelle Ansätze, durch Reparatur der bekannten Mutation die Struktur der Haut und weitere wichtige physiologische Funktionen wiederherzustellen.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Ashtopn GH (2004) Kindler syndrome. Clin Exp Dermatol 29: 116-121
  2. Binder B et al. (2002) Congenital bullous poikiloderma (Kindler syndrome). Hautarzt 53: 546-549
  3. Mayet A et al. (1991) Kongenitales Poikiliodermiesyndrom mit frühkindlicher Blasenbildung (Brain-Syndrom) und ungewöhnlicher neurologischer Begleitsymptomatik. Hautarzt 42: 315-318
  4. Grau Salvat C et al. (1999) Hereditary sclerosing poikiloderma of Weary: report of a new case. Br J Dermatol 140: 366-368
  5. Haas C (2009) Kindler-Syndrom. Eine neue bullöse Dermatose. Hautarzt 60: 622-626
  6. Patrizi A et al. (1996) Kindler syndrome: report of a case with ultrastructural study and review of the literature. Pediatr Dermatol 13: 397-402
  7. Penagos H et al. (2004) Kindler syndrome in native Americans from Panama: report of 26 cases. Arch Dermatol 140:939-44
  8. Schumann H (2009) Epidermolysis bullosa. Hautarzt 60: 614-618
  9. Weary PE et al. (1971) Hereditary acrokeratotic poikiloderma. Arch Derm 103: 409-422
  10. Kindler T (1954) Congenital poikiloderma with traumatic bulla formation and progressive cutaneous atrophy. Br J Derm 66: 104-111
  11. Wendenburg WW et al. (1992) Braun-Falco-Margtzescu-Syndrom. Kongenitale Poikilodermie mit Blasenbildung. Akt Dermatol 18: 141-144

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024