Synonym(e)
Definition
Seltene, genetisch bedingte, hereditäre (Vererbung meist autosomal rezessiv) Erkrankung des Gehirns und des Immunsystems mit Beginn im frühen Säuglingsalter (sog. Typ-1-Interferonopathie). Die betroffenen Kinder zeigen in der Regel schwere körperliche und geistige Entwicklungsverzögerungen. Beginn meist in den ersten 3 bis 6 Lebensmonaten mit plötzlich auftretenden ruckartigen Bewegungsstörungen, Schreiattacken, Schlafstörungen oder Krampfanfällen. Nicht selten werden auch Fieberschübe beobachtet. Die Arme und Beine zeigen eine zunehmende Steifheit oder Spastik, während der Rumpf eher schlaff ist und die Kinder ihren Kopf oder den Oberkörper nicht richtig aufrecht halten können. Die Erkrankung verläuft typischerweise schubartig mit Phasen der Stabilisierung.
Das AGS ähnelt klinisch einer konnatalen viralen Infektion, ohne dass ein entsprechender Erreger nachweisbar wäre (Crow YJ et al. 2006). Die Erkrankung kann sich bereits intrauterin mit zerebralen Verkalkungen oder im Neugeborenenalter mit Enzephalopathie, Hepatopathie und Thrombozytopenie manifestieren. Pathognomonisch sind Kälte-induzierte kutane entzündliche Läsionen der Akren (Zeichen eines Chilblain-Lupus), die bei etwa 20% der Patienten beobachtet werden. Weiterhin können andere Lupus-typische Symptome wie Arthritis, antinukleäre Antikörper oder Lymphopenie auftreten.
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Ätiopathogenese
Bisher sind Mutationen in sieben verschiedenen Genen (TREX1, RNASEH2A, RNASEH2B, RNASEH2C, SAMHD1, IFIH1, ADAR) beschrieben worden. Nachweislich führt eine TREX1 Defizienz zu einer intrazellulären Akkumulation von Einzelstrang DNA. Es wird postuliert, dass die Erkennung dieser pathologisch angehäuften Nukleinsäuren durch das angeborene Immunsystem zu einer Typ I INF- Antwort führt und damit zu einer autoimmunologischen Reaktion. Kennzeichen der Immunaktivierung ist die erhöhte Aktivität von Typ 1-Interferon (Typ-1-Interferonopathie).
Das AGS kann auch als eine autoimmun bedingte Enzephalopathie bezeichnet werden. Warum der Entzündungsprozess v.a. das Gehirn betrifft, ist derzeit noch völlig unklar.
Manifestation
Einige Kinder sind schon bei Geburt auffällig. Bei den meisten Kindern beginnt die Erkrankung jedoch in den ersten 3 bis 6 Lebensmonaten
Klinisches Bild
Die Patienten mit dem familiären Chilblain-Lupus, exprimieren (im Gegensatz zu dem sporadisch auftretenden Chilblain-Lupus) bereits in frühem Kindesalter einen sehr ausgeprägten Phänotyp des Chilblain-Lupus. Initial wird bei den meisten Pat. ein Raynaud-Syndrom beobachtet, das die später hinzukommenden Erkrankungsymptome weiterhin begleitet.
Typisch sind beim Aicardi-Goutières-Syndrom die klassischen, saisonal getriggerten (kalte Jahreszeit) klinischen Zeichen des Chiblain-Lupus in unterschiedlicher, meist schwerer Ausprägung mit flächigen, meist spontan- oder auf Druck schmerzhaften Rötungen mit z.T. kissenartigen Schwellungen. Weiterhin können akrale, meist krustenbedckte, Hautdefekte auftreten, teils als Rhagaden oder als flächige Ulzera. In Einzefällen kann es zu größeren Nekrosen an Nasenspitzen oder Ohrmuscheln kommen. Manchmal sind Amputation von Finger- und Zehengliedern auf Grund der nicht heilenden Defekte notwendig.
Weitere neurologische Pathologien:
- Bilaterale Striatusnekrosen (13 Patienten; 3,6 %)
- nicht-syndromale spastische Paraparese (12 Patienten; 3,4 %).
Weitere klinische Symptome (Crow YJ et al. 2015) :
- Glaukom
- Hypothyreose
- Kardiomyopathie
- Intrazerebrale Vaskulitis
- Periphere Neuropathie
- Darmentzündung
- Systemischer Lupus erythematodes.
Labor
Neben einer Interferonsignatur im Blut können zusätzlich Systemmanifestationen wie antinukleäre Antikörper, Arthritis und Zytopenien auftreten
Diagnose
Nachweis der Mutationen in den bisher bekannten AGS auslösenden Genen (TREX1, RNASEH2A, RNASEH2B, RNASEH2C, SAMHD1, IFIH1, ADAR). Die erhöhte Aktivität von Typ 1-Interferon kann durch die Bestimmung der sogenannten „Interferon-Signatur“ im Blut nachgewiesen werden.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Aicardi J et al. (1984) A progressive familial encephalopathy in infancy with calcifications of the basal ganglia and chronic cerebrospinal fluid lymphocytosis. Ann Neurol 15:49–5
- Aicardi J et al. (2000) Systemic lupus erythematosus or Aicardi-Goutières syndrome? Aicardi J, Goutières F.Neuropediatrics 31:155-158
- Crow YJ et al. (2006) Mutations in genes encoding ribonuclease H2 subunits cause Aicardi-Goutieres syndrome and mimic congenital viral brain infection. Nature Genet. 38: 910-916
- Crow YJ et al. (2015) Characterization of human disease phenotypes associated with mutations in TREX1, RNASEH2A, RNASEH2B, RNASEH2C, SAMHD1, ADAR, and IFIH1. Am J Med Genet A 167A:296-312.
- Gall A et al. (2012) Autoimmunity initiates in nonhematopoietic cells and progresses via lymphocytes in an interferon-dependent autoimmune disease. Immunity 36:120–131
- Lee-Kirsch MA et al. (2007a) A mutation in TREX1 that impairs susceptibility to granzyme A-mediated cell death underlies familial chilblain lupus. J Mol Med 85:531–537
- Lee-Kirsch MA et al. (2006) Familial chilblain lupus, a monogenic form of cutaneous lupus erythematosus, maps to chromosome 3p. Am J Hum Genet 79:731–737
- Ravenscroft JC et al. (2011) Autosomal dominant inheritance of a heterozygous mutation in SAMHD1 causing familial chilblain lupus. Am J Med Genet A 155A:235–237
- Yang YG et al. (2007) Trex1 exonuclease degrades ssDNA to prevent chronic checkpoint activation and autoimmune disease. Cell 131:873–886
Verweisende Artikel (14)
ADAR-Gen; Angiokeratoma Mibelli; CECR1-Gen; Chilblain-Lupus familiärer ; Dyschromatosis symmetrica hereditaria; IFIH1-Gen; Immundefekte primäre (autoinflammatorische Erkrankungen); Immundefekte primäre Hautveränderungen; MDA5; RNASEH2A-Gen; ... Alle anzeigenWeiterführende Artikel (9)
ADAR-Gen; Antinukleäre Antikörper; Chilblain-Lupus; Chilblain-Lupus familiärer ; Raynaud-Syndrom; RNASEH2A-Gen; RNASEH2B-Gen; RNASEH2C -Gen; TREX1-Gen;Disclaimer
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